Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 26.02.2004, Az.: 5 U 102/02
Beseitigung angeblicher Mängel an einer Wohnungseigentumsanlage; Anlegen von Rabatten und Erhöhung des Erdreichs durch die Wohnungseigentümergesellschaft; Gefahr von Feuchtigkeitsschäden durch mangelhafte Entwässerungsmöglichkeiten
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 26.02.2004
- Aktenzeichen
- 5 U 102/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 35392
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2004:0226.5U102.02.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Verden - 22.04.2002 - AZ: 10 O 31/01
Rechtsgrundlagen
- § 633 Abs. 3 BGB a.F.
- § 638 BGB a.F.
- § 195 BGB a.F.
Fundstelle
- BauR 2004, 1346 (Kurzinformation)
In dem Rechtsstreit
hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 4. Februar 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ...,
den Richter am Oberlandesgericht ... und
die Richterin am Oberlandesgericht ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 22. April 2002 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer/2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Verden im Zinsausspruch teilweise geändert und unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 28.836,86 EUR nebst 4 % Zinsen seit dem 15. Dezember 2000 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Beklagten fallen die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Parteien streiten in zweiter Instanz noch um einen Kostenvorschuss in Höhe von 28.836,86 EUR nebst 9 % Zinsen für die Beseitigung angeblicher Mängel an einer Wohnungseigentumsanlage, die der Kläger verwaltet und die die Beklagte geplant, errichtet und veräußert hat.
Das Landgericht hat diesem Klagantrag nach Einholung eines Sachverständigengutachtens stattgegeben. Die Beklagte hafte für den nach Darstellung des Sachverständigen mangelhaft ausgeführten Fußpunkt. Dieser Anspruch sei nicht verjährt, denn dem Geschäftsführer der Beklagten sei insoweit Arglist vorzuwerfen. Wegen weiter geltend gemachter Gewährleistungsansprüche hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Gegen diese Verurteilung zur Zahlung von 28.836,86 EUR nebst Zinsen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie verfolgt ihren Klagabweisungsantrag weiter. Die Gesellschafter der Beklagten haben während des Rechtsstreits (am 11. Oktober 2001) beschlossen, die Gesellschaft zu liquidieren. Am 11. Dezember 2002 beantragte der vormalige Geschäftsführer als Liquidator das Insolvenzverfahren, das zu eröffnen das Amtsgericht mangels Masse abgelehnt hat. Die Beklagte ist inzwischen im Handelsregister gelöscht.
Der Fußpunkt sei entgegen der Feststellungen des Sachverständigen nicht mangelhaft ausgebildet. Probleme hätten sich allenfalls dadurch ergeben, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft nachträglich Rabatten angelegt und die Erdgleiche erhöht hätte. Sie meint, Gewährleistungsansprüche seien ausgeschlossen, weil die jeweiligen Eigentümer die Wohnungen rügelos abgenommen hätten. Tatsächlich sei es auch nicht zu Feuchtigkeitsschäden gekommen; solche seien auch nicht zu erwarten. Ein etwaiger Anspruch sei verjährt, denn arglistiges Verhalten sei nicht dargetan. Im Übrigen seien die geltend gemachten Kosten übersetzt. Zinsen könne der Kläger nicht in dieser Höhe geltend machen.
Wegen des weiteren Vortrages wird auf die Schriftsätze und Anlagen Bezug genommen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Dr. M. vom 15.März 2003 (Aktendeckel) und seine mündlichen Ausführungen (Sitzungsprotokoll vom 4. Februar 2004, Bl. 320 ff.) Bezug genommen. Die Akten 8 OH 22/99 LG Verden, 11 IN 164/02 AG Walsrode und HRB 70294 AG Walsrode lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
II.
Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Beklagte zu Recht verurteilt. Die dagegen vorgebrachten Angriffe der Berufung führen zu keinem anderen Ergebnis.
1.
Über den Rechtsstreit war in der Sache zu entscheiden, obwohl die Beklagte während des Berufungsverfahrens liquidiert wurde. Die Beklagte ist trotz ihrer Löschung auch im Passivprozess noch als parteifähig anzusehen, wenn sie möglicher Weise noch (vermögenswerte) Ansprüche hat (vgl. BAG, Urt. v. 4. Juni 2003; GmbHR 2003, 1009). Diese Voraussetzung liegt hier vor. Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass noch Regressansprüche der Gesellschaft bestehen, sei es wegen möglicher Beeinträchtigungen des Stammkapitals durch den "Ausgleich des Verrechnungskontos mit dem Liquidator in Höhe von 6.500 EUR" wie in dem Gutachten im Insolvenzverfahren festgestellt (11 In 164/02 AG Walsrode, Bl. 66 ff., 71, 73), sei es wegen eines etwaigen Verstoßes gegen § 73 Abs. 2 GmbHG.
2.
Das Urteil des Landgerichts ist richtig. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein unverjährter Anspruch auf Kostenvorschuss wegen des mangelhaft ausgebildeten Fußpunktes in der ausgeurteilten Höhe zu, § 633 Abs. 3 BGB a.F.
a)
Die verkauften Eigentumswohnungen sind mangelhaft, denn der Fußpunkt des Anwesens ist nicht ordnungsgemäß gegen seitliches Wasser abgedichtet. Dies steht zur Überzeugung des Senats nach den Ausführungen des Sachverständigen fest. Er hat in seinen beiden Gutachten und auch in der mündlichen Erläuterung deutlich gemacht, dass keines der vorgefundenen Bauteile Schutz gegen seitliches Wasser bietet. Die sehr tiefe Lage der Entwässerungsschlitze allein hätte dabei noch kein Mangel bedeutet, wenn es einen abdichtenden seitlichen Sockelschutz gegeben hätte, der jedoch fehlt. Auf Grund der vorgefundenen Ausführung ist es nunmehr möglich, dass Wasser seitlich eindringt und die Z-Folie unterfließt. So erklärt sich auch, dass der Sachverständige bei seinem Ortstermin am 17. Januar 2000 Feuchtigkeit unter der Z-Folie festgestellt hat (S. 8 des Gutachtens vom 28. Februar 2000).
Der Mangel ist mithin gerade nicht durch eine etwaige später vorgenommene Erhöhung der Rabatten eingetreten. Zum einen hat der Sachverständige festgestellt, dass z.B. die Höhe der Kellerlichtschächte gegen eine nachträgliche Aufschüttung der Rabatten spricht. Zum anderen hätte bei einem funktionierenden Schutz gegen seitliches Wasser sogar durch Anhebung der Erdgleiche über die Entwässerungsöffnungen hinaus die Schutzfunktion nicht beeinträchtigt werden können (es sei denn, die Erde wäre über den ausgebildeten Sockelschutz hinaus aufgebracht worden.).
b)
Die Gewährleistungsansprüche sind nicht etwa wegen Abnahme in Kenntnis des Mangels ausgeschlossen. Die Beklagte hat nicht aufzuzeigen vermocht, dass und warum die Erwerber der Wohnungen von diesen Mängeln und von der Minderung des Wertes oder der Tauglichkeit des Werkes positive Kenntnis gehabt hätten. Die bloße Wahrnehmungsmöglichkeit, dass die Entwässerungsschlitze in der ersten Steinschicht ausgeführt sind, führt nicht zu einer solchen positiven Kenntnis.
c)
Der Anspruch besteht auch der Höhe nach. Der Sachverständige hat nachvollziehbar ausgeführt, wie er zu seiner Kostenschätzung gekommen ist. Die Beklagte hat nicht dargetan, dass eine Sanierung zu einem deutlich niedrigeren Preis zu realisieren wäre.
d)
Der Anspruch ist nicht verjährt. Die Frist für diesen Gewährleistungsanspruch beträgt gemäß §§ 638, 195 BGB a.F. dreißig Jahre. Dem Geschäftsführer der Beklagten ist arglistiges Verhalten vorzuwerfen.
Grundsätzlich ist der Kläger für die Umstände, aus denen sich die Arglist ergibt, darlegungs- und beweispflichtig. Etwas anderes ergibt sich jedoch dann, wenn es sich um gravierende oder offensichtliche Mängel handelt (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 61. A., § 638 Rdnr. 15 m.w.N.). So liegt der Fall hier. Die Fußpunktausbildung bzw. der Sockelschutz gegen Wasser ist ein besonders wichtiges Bauteil. Sie wurde nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen mangelhaft ausgeführt (s. o. 2 a).
Die Beklagte hat das Bauvorhaben selbst geplant, erstellt und sodann als Eigentumswohnungen veräußert. Sie hat nicht dargetan, dass sie das Bauvorhaben mit der gebotenen Sorgfalt richtig geplant und ausgeführt und die Ausführung überwacht hätte und der Fehler für sie trotz pflichtgemäßer Überprüfung nicht ersichtlich gewesen wäre.
Es kann daher dahin stehen, dass wegen der für einen Fachmann augenfällig tiefen Anordnung der Entwässerungsschlitze für die Beklagte (erneut) Anlass bestand, die Sockel-/Fußpunktausbildung zu überprüfen.
3.
Das Urteil war dagegen abzuändern und die Klage abzuweisen, soweit der Kläger mehr als den gesetzlichen Zinssatz beansprucht. Einen Verzugsschaden hat er nicht dargetan, obwohl die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 1. Juli 2002 (Bl. 198) darauf hingewiesen hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, §§ 711, 709 S. 2 ZPO. Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor, § 543 ZPO.