Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 26.02.2004, Az.: 16 W 14/04
Anordnung einer Abschiebehaft; Befristete Aufenthaltserlaubnis auf Grund der Eheschließung mit einer deutschen Staatsangehörigen; Beachtung des Beschleunigungsgebots
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 26.02.2004
- Aktenzeichen
- 16 W 14/04
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2004, 35409
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2004:0226.16W14.04.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 16.01.2004 - AZ: 28 T 2/04
Rechtsgrundlage
- § 80 Abs. 5 VwGO
Fundstelle
- InfAuslR 2004, 247-248 (Volltext mit red. LS)
Der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle hat
durch
den Vorsitzenden Richter ... sowie
die Richter ... und ...
am 26. Februar 2004
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Auf die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 28. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 16. Januar 2004 aufgehoben.
- 2.
Es wird festgestellt, dass die Fortdauer der Abschiebehaft ab dem 24. Oktober 2003 rechtswidrig war.
- 3.
Gerichtliche Auslagen und Kosten werden nicht erhoben.
- 4.
Der Beteiligte hat dem Betroffenen die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Kosten zu erstatten.
- 5.
Für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde wird dem Betroffenen unter Beiordnung von Rechtsanwalt L... in B... Prozesskostenhilfe bewilligt.
- 6.
Beschwerdewert: 3.000 EUR.
Gründe
I.
Durch Beschluss des Amtsgerichts Leer vom 18. September 2003 war gegen den Betroffenen Abschiebehaft für die Dauer von 3 Monaten angeordnet worden.
Der Betroffene war ursprünglich im Besitz einer befristeten Aufenthaltserlaubnis auf Grund der Eheschließung mit einer deutschen Staatsangehörigen. Weil der Betroffene jedoch nicht in ehelicher Lebensgemeinschaft mit seiner Ehefrau lebte, wurde die Aufenthaltserlaubnis nachträglich bis zum 15. November 1999 befristet und dem Betroffenen zugleich eine Ausreisefrist bis zum 1. Dezember 1999 gesetzt. Nachdem der Betroffene seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkam, wurde er zur Festnahme ausgeschrieben und schließlich am 17. September 2003 festgenommen. Auf Antrag des Beteiligten wurde daraufhin die Abschiebehaft (Sicherungshaft) gegen den Betroffenen angeordnet.
Unter dem 9. Dezember 2003 beantragte der Beteiligte, die Anordnung der Sicherungshaft um weitere 2 Monate zu verlängern. Die Abschiebung habe nicht durchgeführt werden können, da der Betroffene während der Abschiebehaft einen Asylfolgeantrag gestellt hatte, welcher vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit Bescheid vom 1. Oktober 2003 abgelehnt worden war.
In der Antragsschrift des Beteiligten heißt es auszugsweise weiter (Bl. 23 d.A.):
"Gegen den Bescheid des Bundesamtes wurde Klage beim Verwaltungsgericht Oldenburg erhoben sowie ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt. Das Verwaltungsgericht Oldenburg hat die Angelegenheit wegen der Zuständigkeit an das Verwaltungsgericht Hannover verwiesen. Eine Mitteilung über den Ausgang des Eilverfahrens habe ich erst heute erhalten. Das Bundesamt Braunschweig teilte mir auf telefonische Nachfrage mit, dass das Verwaltungsgericht Hannover den Eilantrag mit Beschluss vom 13. November 2003 zurückgewiesen hat. Die aufschiebende Wirkung der Klage wurde nicht hergestellt.
Die Entscheidung des Gerichts wurde mir versehentlich nicht mitgeteilt. ...
Ich werde unverzüglich das Landeskriminalamt H... bitten, die Abschiebung des Herrn E... durchzuführen. Herr E... ist jedoch nicht im Besitz eines gültigen türkischen Nationalpasses. Es ist deshalb erforderlich, bei dem türkischen Generalkonsulat die Ausstellung eines Passersatzpapieres zu beantragen. Ein Anhörungstermin wird von dem türkischen Generalkonsulat noch festgesetzt."
Auf Grund dieses Antrags wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 16. Dezember 2003 die Sicherungshaft um längstens 2 Monate verlängert (Bl. 100 ff. d.A.).
Die hiergegen vom Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen unter dem 29. Dezember 2003 eingelegte Beschwerde wurde durch den angefochtenen Beschluss des Landgerichts Hannover vom 16. Januar 2004 zurückgewiesen.
Am 27. Januar 2004 ist der Betroffene abgeschoben worden. Durch Schriftsatz vom 10. Februar 2004 hat der Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen seine gegen den Beschluss des Landgerichts Hannover gerichtete sofortige weitere Beschwerde vom 22. Januar 2004 dahingehend umgestellt, dass die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung begehrt werde.
II.
Die sofortige weitere Beschwerde in Form des Feststellungsbegehrens der Rechtswidrigkeit der Fortdauer der Abschiebehaft ist zulässig und ab dem 24. Oktober 2003 auch begründet.
Das Landgericht hat auszugsweise ausgeführt (Bl. 180 d.A.):
"Die Verwaltungsbehörde hat bei der Beschaffung der Passersatzpapiere auch das in Haftsachen besonders zu berücksichtigende Beschleunigungsgebot beachtet. Der Antrag auf Ausstellung eines Passersatzpapiers ist zwar erst am 10. Dezember 2003 gestellt worden. Eine frühere Antragstellung war jedoch nicht möglich, weil zuvor nicht sicher feststand, dass der Betroffene tatsächlich abgeschoben werden konnte. Er hatte nach seiner Festnahme einen Asylfolgeantrag gestellt und nach dessen Ablehnung einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO. Von der Ablehnung dieses Antrags
hat die Verwaltungsbehörde am 9. Dezember 2003 Kenntnis erhalten und danach sogleich den Antrag auf Ausstellung eines Passersatzpapieres gestellt. Eine frühere Antragstellung hätte dazu führen können, dass das befristete Passersatzpapier vorzeitig ausgestellt worden und zu dem Zeitpunkt, als eine Abschiebung möglich war, bereits abgelaufen gewesen wäre."
Entgegen der Auffassung der Beschwerdekammer des Landgerichts hat der Beteiligte nach Maßgabe der vom Landgericht getroffenen Feststellungen gegen das Beschleunigungsgebot verstoßen. Nach dem in der ober- und höchstgerichtlichen Rechtsprechung allgemein anerkannten Beschleunigungsgebot in Haftsachen ist es grundsätzlich erforderlich, das Abschiebeverfahren seitens der Ausländerbehörde vorsorglich auch dann zu fördern, wenn der Betroffene durch einen Asylfolgeantrag, einen Antrag auf Duldungsverfügung oder Ähnliches auf verwaltungsrechtlicher Ebene Anstrengungen unternimmt, seine Ausreiseverpflichtung zu bekämpfen (vgl. Senatsbeschluss vom 10. Februar 2004, Az.: 16 W 19 + 20/04; OLG Karlsruhe InfAuslR 1998, 463; OLG Düsseldorf InfAuslR 1997, 408).
Hiervon ausgehend durfte der beteiligte Landkreis die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes hinsichtlich des Eilantrages ebenso wenig abwarten wie den Ausgang des Asylfolgeantrags. Vielmehr hätte er in der nicht unwahrscheinlichen Erwartung, dass die Anträge des Betroffenen erfolglos bleiben könnten, die dann vorzunehmende Abschiebung durch Beantragung von Passersatzpapieren bereits vorbereiten können und müssen. Da aus dem Anhörungsprotokoll hervorgeht, dass der Betroffene bereits seit dem 15. Oktober 2003 einen Antrag auf Ausstellung eines Passersatzpapieres unterschrieben hatte und der Beteiligte gleichwohl zwischen dem 23. Oktober 2003 und dem 9. Dezember 2003 diesen Antrag nicht weitergeleitet hat, um stattdessen zunächst den Ausgang des Asylfolgeantrags bzw. des verwaltungsgerichtlichen Eilantrags abzuwarten, liegt objektiv ein Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot vor, welcher dazu führt, dass die Fortdauer der Haft seit dem 24. Oktober 2003 rechtswidrig gewesen ist.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 103 Abs. 2 AuslG i.V.m. § 16 FEVG.
Ferner folgt aus den vorstehenden Ausführungen zu Ziffer II., dass dem Betroffenen für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde Prozesskostenhilfe zu bewilligen ist.
Streitwertbeschluss:
Beschwerdewert: 3.000 EUR.