Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 19.04.2005, Az.: 11 K 672/03
Anspruch auf Erstattung des gezahlten Betrags bei Zahlung einer Steuervergütung ohne rechtlichen Grund; Fehlende Berücksichtigung des gezahlten Kindergelds als Einkommen bei der Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt; An das Kind selbst überwiesenes Kindergeld als Einkommen der Eltern; Zahlung von Kindergeld an den Berechtigten
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 19.04.2005
- Aktenzeichen
- 11 K 672/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 15024
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2005:0419.11K672.03.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - AZ:. III R 37/05
Rechtsgrundlagen
- § 37 Abs. 2 S. 1 AO
- § 47 Abs. 2 EStG
- § 107 Abs. 1 SGB X
- § 76 Abs. 1 BSHG
- § 64 Abs. 3 S. 3 EStG
- § 74 Abs. 2 EStG
Fundstellen
- EFG 2005, 1720-1722 (Volltext mit amtl. LS)
- NWB direkt 2005, 5
- RdW 2005, XVII Heft 20 (Kurzinformation)
Verfahrensgegenstand
Kindergeld/Einkommensteuer
Amtlicher Leitsatz
Der Kindergeldanspruch einer Sozialhilfeempfängerin erlischt nach § 74 Abs. 2 EStG i.V.m. § 107 Abs. 1 SGB X nicht, wenn die Voraussetzungen für eine Abzweigung nach§ 74 Abs. 1 EStG vorliegen, das Kindergeld tatsächlich an das Kind ausgezahlt wird und die Kindergeldkasse über die Abzweigung aber nicht entschieden hat.
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Beklagte zur Rückforderung von Kindergeld für die Tochter der Kläger K - geboren am ... 1979 - für die Monate ... 2003 berechtigt ist, weil die Klägerin in dieser Zeit vom Sozialamt der Stadt J Hilfe zum Lebensunterhalt bezog, wobei das Kindergeld nicht als Einkommen der Klägerin berücksichtigt worden ist. Weiterhin begehrt die Klägerin die Aufhebung einer Aufrechnungserklärung der Beklagten.
Die Klägerin ist die leibliche Mutter von K. Durch Beschluss des Amtsgerichts J vom ... wurde ihr die elterliche Sorge vorläufig übertragen. Die Ehe mit dem Kindesvater M wurde 1996 geschieden. Mit Schreiben vom ... 1998 bat die Klägerin die Beklagte, das Kindergeld für K auf ein Konto bei der Raiffeisenbank H zu überweisen, über das nur die Tochter verfügungsberechtigt sei. Diesem Begehren kam die Beklagte nach.
K befand sich seit dem ... 2000 in einem Ausbildungsverhältnis. Mit Bescheid vom ... 2000 wurde der Klägerin Kindergeld für ihre Tochter ab Mai 2000 gewährt, weil K nach einer Vorsprache bei der Beklagten am ... 2000 erklärt hatte, zum nächstmöglichen Termin eine Ausbildung zu beginnen.
Mit Schreiben vom ... 2000 meldete sich die Stadt J - Sozialamt - bei der Beklagten und bat um Erstattung des Kindergelds für Juni und Juli 2000. Zur Begründung wies das Sozialamt darauf hin, dass es an die Klägerin für diesen Zeitraum Hilfe zum laufenden Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) gewährt habe, ohne den Anspruch der Klägerin auf Kindergeld als Einkommen berücksichtigt zu haben. Die Beklagte kam diesem Antrag nach und teilte der Klägerin mit Bescheid vom ... 2001 mit, dass das Kindergeld nur ab dem Monat August 2000 laufend gezahlt werde. Der Anspruch für die Monate Juni und Juli 2000 sei nach§ 74 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) in Verbindung mit § 107 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) durch die Erstattung an die Stadt J erfüllt worden. Der Bescheid wurde bestandskräftig.
Mit Schreiben vom ... 2002 meldete sich K bei der Beklagten und bat, das Kindergeld in Zukunft auf ihr Girokonto zu überweisen. Die Beklagte teilte ihr daraufhin mit, dass eine Änderung der Bankverbindung nur von der Klägerin als Kindergeldberechtigte schriftlich beantragt werden könne. Die Klägerin bat die Beklagte mit Schreiben vom ... 2002, das Kindergeld so bald wie möglich auf das Konto der K zu überweisen. Noch im Februar 2002 kam die Beklagte dieser Bitte nach.
Am ... August 2003 meldete sich die Stadt J - Sozialamt - bei der Beklagten erneut. Sie teilte mit, dass die Klägerin nach ihrem Kenntnisstand für K ab August 2003 bis auf Weiteres Kindergeld erhalte. Für den Fall der Leistungspflicht bat sie um Erstattung des gewährten Kindergeldes in Höhe der Sozialhilfe. Eine telefonische Rücksprache der Beklagen beim zuständigen Sachbearbeiter der Stadt ergab, dass nur die Klägerin Hilfe zum laufenden Lebensunterhalt bezog. Die Stadt hatte bei der Berechnung für die Monate August und September 2003 Kindergeld nicht als Einkommen berücksichtigt. Nach einer im August 2003 von der Klägerin vorgelegten Bescheinigung über die Fortdauer bzw. das Ende der Berufsausbildung hatte K inzwischen ihren Arbeitgeber gewechselt und sollte ihre Ausbildung zur Frisörin voraussichtlich im Februar 2004 beenden. Nach der Bescheinigung erhielt K eine monatliche Ausbildungsvergütung in Höhe von 460,71 EUR.
Die Beklagte überwies das Kindergeld für die Monate August und September 2003 am ... September 2003 an die Stadt J. Mit Bescheid vom gleichen Tag teilte sie der Klägerin mit, dass das Kindergeld für diese beiden Monate durch die Vorleistungen der Stadt J bereits erfüllt gewesen sei. Die Auszahlung an sie sei daher ohne Rechtsgrund erfolgt. In Höhe von 308,00 EUR sei der Betrag daher von ihr an die Beklagte zu erstatten. Eine Zahlung brauche die Klägerin aber nicht zu leisten, der Rückforderungsbetrag werde nach § 75 Abs. 1 EStG von ihrem Anspruch auf Kindergeld einbehalten.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin Einspruch. Zur Begründung führte sie aus, dass das Geld auf das Girokonto ihrer Tochter überwiesen worden sei. Diese sei in gutem Glauben gewesen, das Kindergeld zu Recht erhalten zu haben, und habe es für ihren Lebensunterhalt verbraucht. Aus diesem Grunde gehe sie auch davon aus, dass das Kindergeld für die Folgemonate nicht verrechnet werde.
K - derzeit 24 Jahre alt - führe seit ca. fünf Jahren einen eigenen Haushalt. Die an sie erfolgten Auszahlungen könnten deshalb nicht bei der Berechnung der Sozialhilfe der Klägerin berücksichtigt werden. Im Übrigen habe das Kindergeld nicht der Klägerin, sondern ihrem geschiedenen Ehemann zugestanden. Während sie von Sozialhilfe lebe und deshalb keinen Unterhalt an K leisten könne, habe der Ehemann in dieser Zeit als angestellter Elektroinstallateur monatlich etwa 1.600,00 EUR verdient. Solange der Ehemann seiner Unterhaltspflicht nicht nachkomme, stehe das Kindergeld nach § 74 Abs. 1 Satz 1 EStG K direkt zu.
Der Einspruch blieb erfolglos. Zur Begründung wies die Beklagte darauf hin, dass die Stadt J bei der Berechnung der Sozialhilfe an die Klägerin ihre Kindergeldansprüche für die beiden Streitmonate nicht als Einkommen berücksichtigt habe. Es sei daher zu einer Überzahlung gekommen. Die Beklagte sei gegenüber der Stadt J nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X erstattungspflichtig, weil die Stadt bei rechtzeitig Zahlung des Kindergeldes insoweit keine Sozialhilfe hätte gewähren müssen. Dies gelte nach § 104 Abs. 2 SGB X auch dann, wenn das Kindergeld an die Tochter ausgezahlt worden sei. Eine Anspruchskonkurrenz zum leiblichen Vater bestehe nicht, weil dieser keinen Antrag auf Gewährung von Kindergeld für K gestellt habe.
Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie habe im Interesse ihres Kindes, das volljährig sei und einen eigenen Hausstand unterhalte, das Kindergeld beantragt. Das Kindergeld sei auch seit vielen Jahren direkt auch das Girokonto der K überwiesen worden. Die Klägerin habe keine Mittel, um an K Unterhalt zu zahlen. Der Vater habe der Tochter demgegenüber eine Unterhaltspflicht von mindestens 120,00 EUR pro Monat. Unter diesen Umständen sei es rechtwidrig, das Kindergeld als eigenes Einkommen der Klägerin bei der Berechnung der Hilfe zum Lebensunterhalt zu berücksichtigen.
Die Klägerin habe von der Stadt J kein Kindergeld im Wege eines Vorschusses erhalten. In den ursprünglichen Bedarfsberechnungen für sei das Kindergeld weder als Einkommen noch als Vorschussbetrag enthalten gewesen. Das Sozialamt habe dann ab Oktober 2003 das Kindergeld zunächst als Einkommen bedürftigkeitsmindernd berücksichtigt. Auf einen Widerspruch der Klägerin hin habe die Stadt für den Monat Oktober 2003 das Kindergeld wieder außer Betracht gelassen, weil die Klägerin dieses Geld tatsächlich nicht zur Verfügung gehabt habe.
Weiterhin sei von Bedeutung, dass der Klägerin rückwirkend ab dem ... Juli 2002 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt worden sei. Gleichzeitig habe der Beklagten den Bescheid über die Gewährung von Arbeitslosengeld für diesen Zeitraum aufgehoben und eine Verrechnung des überzahlten Betrags mit den Rentenansprüchen der Klägerin erklärt. Auf die Rentenansprüche könne das Kindergeld aber nicht angerechnet werden.
Im Übrigen habe die Beklagte bei dem Erlass des Rückforderungsbescheids § 74 EStG außer Acht gelassen. Das Kindergeld sei direkt an K ausgezahlt worden, weil die Klägerin ihrer Unterhaltspflicht nicht nachkommen konnte und der leibliche Vater keinen Unterhalt gezahlt habe. Diese Norm sei auch einschlägig, weil die Zahlungen bereits seit 1997 auf ein Sparbuch der K erfolgt seien. Das Schreiben der Klägerin im Jahr 2002 habe lediglich den Wechsel vom Sparbuch auf das Girokonto der K bewirken sollen. Auch die Stadt J habe darauf hingewiesen, dass K einen Antrag auf Auszahlung nach § 74 EStG stellen könne, weil sie von keinem der Elternteile Unterhalt erhalte. Ab Oktober 2003 sei die Stadt J davon ausgegangen, dass das Kindergeld nicht beim Einkommen der Klägerin berücksichtigt werden könne, weil es ihr nicht zugeflossen sei. Warum dies für die beiden Streitmonate nicht gelte, sei nicht nachvollziehbar.
Der ausgesprochene Einbehalt des Kindergeldes für die Folgemonate nach § 75 EStG sei rechtswidrig, weil danach höchstens die Hälfte einbehalten werden dürfe und überdies die Klägerin sozialhilfebedürftig sei. Die Klägerin habe mit Schreiben vom ... Juni 2004 einen Antrag auf Erteilung eines Abrechnungsbescheids gestellt, über den die Beklagte aber noch nicht entschieden haben. Damit lägen in jedem Fall die Voraussetzungen einer Untätigkeitsklage nach § 46 Finanzgerichtsordnung (FGO) vor.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Rückforderungsbescheid des Beklagten vom ... einschließlich der Erklärung über den Einbehalt des Kindergeldes ab Oktober 2003 in der Fassung des Einspruchsbescheids vom ... aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält an ihrer im Einspruchsbescheid geäußerten Rechtsansicht fest.
Ergänzend führt sie aus, dass die K nicht Abzweigungsempfängerin des Kindergeldes gewesen ist. Auf Grund der Anträge der Klägerin, das Kindergeld auf Konten der Tochter zu überweisen, habe sie keine Entscheidung nach § 74 Abs. 1 EStG getroffen. Die rückwirkende Aufhebung der Bescheide über die Gewährung von Arbeitslosengeld und Sozialhilfe sei unerheblich, weil tatsächlich eine doppelte Auszahlung des Kindergeldes erfolgt sei. Die Stadt J habe mit Schreiben vom ... 2004 ihr gegenüber noch einmal bestätigt, dass der Ersatzanspruch für die Monate August und September 2003 von ihr zu Recht geltend gemacht worden sei. Ab Oktober 2003 sei eine Anrechnung des Kindergeldes auf das Einkommen der Klägerin nicht mehr möglich gewesen, da dieses direkt an die Tochter ausgezahlt worden sei.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist teilweise unzulässig, im Übrigen aber begründet.
Soweit die Klägerin mit ihrer Klage die Aufhebung der Aufrechnungserklärung der Beklagten im Bescheid vom ... begehrt, ist diese unzulässig. Eine Anfechtungsklage gegen die Aufrechnungserklärung ist gemäß § 40 Abs. 1 FGO unstatthaft, weil die Beklagte eine einfacheöffentlich-rechtliche Willenserklärung und keinen Verwaltungsakt im Sinne des § 118 Abgabenordnung (AO) darstellt. Eine Feststellungsklage nach § 41 Abs. 1 FGO mit dem Antrag, die Rechtswidrigkeit der Aufrechnung festzustellen, wäre nach § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO ebenfalls unzulässig, weil die Klägerin zur Klärung des Streits mit der Beklagten der Erlass eines Abrechnungsbescheids nach § 218 Abs. 2 AO hätte beantragen können, gegen den sie dann nach erfolglosem Vorverfahren Anfechtungsklage hätte erheben können (vgl. Bundesfinanzhof - BFH -, Beschluss vom 8. Januar 1998 VII B 137/97, BFH/NV 1998, 686).
Schließlich kann die Klägerin auch nicht mit ihrem Einwand durchdringen, sie habe mittlerweile einen Antrag auf Erlass eines Abrechnungsbescheids gestellt, über den die Beklagte noch nicht entschieden habe, sodass die Voraussetzungen einer Untätigkeitsklage nach § 46 FGO gegeben seien. § 46 Abs. 1 Satz 1 FGO setzt voraus, dass eine Behörde über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat. Eine Untätigkeitsklage ist somit erst dann zulässig, wenn bei Klageerhebung ein Verwaltungsakt bekannt gegeben und ein Einspruch hiergegen bereits erhoben worden ist. Der Abrechnungsbescheid ist aber noch nicht erlassen worden. § 46 Abs. 2 FGO ist ebenfalls nicht einschlägig, weil die Beklagte keine Behörde im Sinne des § 348 Nr. 3 und 4 AO ist. Der statthafte Rechtsbehelf in derartigen Fällen ist ein Einspruch nach § 347 Abs. 1 Satz 2 AO.
Im Übrigen ist die Klage begründet.
Der Rückforderungsbescheid und der Einspruchsbescheid sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Die Beklagte ist unzutreffend davon ausgegangen, dass der durch Bescheid vom ... 2001 festgesetzte Kindergeldanspruch der Klägerin für die Monate August und September 2003 durch die Auszahlung der nicht um das Kindergeld gekürzten Sozialhilfe durch die Stadt J nach §§ 74 Abs. 2 EStG, 107 Abs. 1 SGB X als erfüllt gilt. Dabei kann offen bleiben, ob das festgesetzte Kindergeld nach § 64 Abs. 3 EStG der Klägerin oder ihrem geschiedenen Ehemann zustand.
Die Beklagte hat gegen die Klägerin unzulässigerweise einen Rückforderungsanspruch hinsichtlich des ausgezahlten Kindergeldes für August und September 2003 festgesetzt.
Nach § 37 Abs. 2 Satz 1 AO hat derjenige, auf dessen Rechnung eine Zahlung bewirkt worden ist, an den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder zurückgezahlten Betrages, wenn eine Steuervergütung ohne rechtlichen Grund gezahlt worden ist oder der rechtliche Grund für die Zahlung später wegfällt. Der Rückforderungsanspruch richtet sich gegen den Leistungsempfänger, der in den Fällen, in denen an dem Erstattungsvorgang mehrere Personen beteiligt sind, mit dem Empfänger der Zahlung bei einer Überweisung nicht identisch sein muss (vgl. BFH, Urteil vom 24. August 2001 VI R 83/99, BStBl II 2002, 47).
Der gegenüber der Klägerin festgesetzte Kindergeldanspruch für die beiden Streitmonate gilt nach§ 47 Abs. 2 EStG in Verbindung mit § 107 Abs. 1 SGB X nicht als erloschen. Zwar hat die Stadt J als nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialhilfe (Hilfe zum Lebensunterhalt) für diesen Monat gegenüber der Klägerin erbracht, ohne bei deren Berechnung das gezahlte Kindergeld als Einkommen der Klägerin zu berücksichtigen. Ein Erstattungsanspruch gegenüber der Beklagten nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X stand ihr aber nicht zu, weil sie unabhängig von der Gewährung des Kindergeldes zur Leistung der Sozialhilfe in der von ihr bewilligten Höhe verpflichtet gewesen ist. Das an die Tochter K überwiesene Kindergeld stellt kein Einkommen der Klägerin im Sinne des § 76 Abs. 1 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) dar.
Die Klägerin kann zunächst aber mit ihrem Einwand, das Kindergeld sei ihr rechtswidrig gewährt worden, weil nicht sie, sondern ihr geschiedener Ehemann kindergeldberechtigt gewesen sei, nicht durchdringen. Der Senat hat Zweifel, ob die Gewährung des Kindergeldes an die Klägerin zu Recht erfolgt ist.
Nach § 64 Abs. 3 Satz 3 EStG ist das Kindergeld an denjenigen zu gewähren, der dem Kind eine Unterhaltsrente zahlt, sofern - wie im Streitfall - das Kind nicht in den Haushalt eines Berechtigten aufgenommen ist. Zahlt keiner der beiden Berechtigten eine Unterhaltsrente - weil er zur Zahlung entweder nicht in der Lage oder nicht dazu bereit ist - so bestimmen die Berechtigten untereinander nach § 64 Abs. 3 Satz 3 EStG, wer das Kindergeld erhalten soll. Eine solche Bestimmung haben die Eltern der K im Streitfall jedenfalls unter Berücksichtigung der Verwaltungsauffassung nicht vorgenommen, weil der geschiedene Ehemann es lediglich unterlassen hat, einen eigenen Antrag auf Kindergeld zu stellen (vgl. DA 64.3 Abs. 2 und DA 64.2 Abs. 2 der Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes - DA -FamEStG -, BStBl I 2004, 743). Eine Bestimmung des Kindergeldberechtigten nach § 64 Abs. 3 Satz 3 EStG durch das Vormundschaftsgericht liegt nach Aktenlage ebenfalls nicht vor. Für die Berechnung der Hilfe zum Lebensunterhalt ist es allerdings genügend, dass der Klägerin durch Bescheid ein Anspruch auf Kindergeld für K zugesprochen worden ist, weil ein derartiger Verwaltungsakt, obwohl er ggf. rechtswidrig ist, nach § 124 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) wirksam ist.
Das der Tochter überwiesene Kindergeld ist bei der Ermittlung des sozialhilferechtlichen Einkommens der Klägerin nach § 76 Abs. 1 BSHG nicht zu berücksichtigen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - ist gewährtes Kindergeld auch nach der Neuregelung in §§ 31, 62 EStG sozialhilferechtlich anrechenbares Einkommen (BVerwG, Urteile vom 21. Juni 2001 BVerwG 5 C 7.00, BVerwGE 114, 339; vom 17. Dezember 2003 5 C 25.02, NJW 2004, 2541; ebenso FG Münster, Urteil vom 28. September 2001 11 K 7965/99 Kg, EFG 2002, 33 m.w.N.). Dieses Einkommen ist der Person zuzurechnen, an die es gezahlt wird. Dabei ist das Kindergeld grundsätzlich den Kindergeldberechtigten zuzurechnen, rein familieninterne Einkommensverschiebungen weg vom Einkommen des das Kindergeld erhaltenden Elternteils hin zum Einkommen des Kindes selbst, sind unbeachtlich. Etwas anderes gilt nur dann, wenn das Kindergeld nach § 74 Abs. 1 EStG an ein Kind des Berechtigten ausgezahlt wird, weil der Kindergeldberechtigte seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkommt oder mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist. Durch einen Antrag nach § 74 Abs. 1 EStG können die Eltern eine Zuordnung des gewährten Kindergeldes zum Einkommen des Kindes veranlassen, wenn die Auszahlung diesem gegenüber direkt erfolgt (BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2003 BVerwG 5 C 25.02, a.a.O.). Eine solche Konstellation liegt im Streitfall vor.
Die Klägerin hatte mit Schreiben vom ... Februar 2002 gegenüber der Beklagten den Antrag gestellt, das Kindergeld auf das Girokonto der Tochter zu überweisen, nachdem der gleichlautende Antrag der Tochter mit Schreiben vom ... Februar 2002 abgelehnt worden war. Zu diesem Zeitpunkt ergab sich aus den Akten der Beklagten allerdings noch nicht, dass die Klägerin ihrer Unterhaltspflicht gegenüber ihrer Tochter nicht nachkommen konnte. Dieser Umstand wurde der Beklagten am ... August 2003 bekannt, als die Stadt J ihr mitteilte, dass die Klägerin ab 1. August 2003 bis auf weiteres Hilfe zum Lebensunterhalt nach den Vorschriften des BSHG erhalte. In diesem Moment hätte die Beklagte von Amts wegen prüfen müssen, ob sie unter Beachtung sachgerechten Ermessens die Auszahlung an K nicht nur wegen der Anweisung der Klägerin, sondern nach § 74 Abs. 1 Satz 1 EStG im Wege der Abzweigung veranlassen musste, und hierüber einen entsprechenden Verwaltungsakt erlassen. Eines ausdrücklichen erneuten Antrags bedurfte es hierzu nicht, weil die Vorschrift einen solchen als tatbestandliche Voraussetzung nicht vorsieht (FG Düsseldorf, Urteil vom 12. März 1999 18 K 9470/97 Kg, EFG 1999, 613, rkr.; Heuermann, in: Blümich, EStG-KStG-GewStG, Loseblattsammlung, Stand: Januar 2002,§ 74 EStG Rdnr. 31; Pust, in: Littmann/Bitz/Pust, EStG, Loseblattsammlung, Stand: August 2004, § 74 Rdnr. 45; Felix, in: Kirchhof, EStG, 4. Aufl. 2004, § 74 Rdnr. 2; Bergkemper, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG-KStG, Loseblattsammlung, Stand: April 2003, § 74 EStG Anm. 14; anderer Ansicht DA 74.1.1 Abs. 2 Satz 1 DA-FamEStG). Nach dem Akteninhalt hätte die Beklagte daher zumindest Anlass gehabt, die Klägerin und K im Rahmen einer Anhörung nach § 91 AO zur Klärung möglicherweise verbleibender Zweifel des Sachverhalts aufzufordern, zumal diese bereits im Februar 2002 ihr Einverständnis mit einer Überweisung des Kindergeldes auf das Girokonto der Tochter erklärt hatten.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 74 Abs. 1 Satz 1, 3 EStG lagen im August 2003 objektiv vor. Die Klägerin und auch der leibliche Vater waren gegenüber ihrer Tochter dem Grunde nach gemäß § 1601 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zum Unterhalt verpflichtet. K war nach der vorliegenden Bescheinigung ihrer Arbeitgeberin nicht in der Lage, sich mit ihren Einnahmen selbst zu unterhalten und daher nach § 1602 Abs. 1 BGB bedürftig, weil sie selbst monatlich nur über 460,71 EUR verfügte und nach der telefonischen Auskunft der Stadt J keine Leistungen nach dem BSHG erhielt. Der angemessene Unterhalt im Sinne des § 1610 Abs. 1 BGB betrug monatlich 600,00 EUR, sodass nach Abzug der Ausbildungsvergütung eine Deckungslücke von 139,29 EUR verblieb (vgl. Unterhaltsrechtliche Leitlinien des Oberlandesgerichts Oldenburg, Stand: 1. Juli 2003, abgedruckt in Schönfelder, Deutsche Gesetze Ergänzungsband, Abschn. 13.1.2 und 13.2). Der leibliche Vater kam seiner Unterhaltspflicht nicht nach, die Mutter konnte wegen der Höhe ihrer Einkünfte keinen Unterhalt leisten. Da die Voraussetzungen des § 74 Abs. 1 Satz 1 und 3 EStG objektiv vorlagen, reduzierte sich der Ermessenspielraum der Beklagten auf Null, ein Abzweigungsbescheid hätte ergehen müssen (vgl. FG Düsseldorf, Urteil vom 12. März 1999 18 K 9470/97 Kg, a.a.O.).
Der Beklagten ist allerdings einzuräumen, dass sie im Streitfall einen Verwaltungsakt nach § 74 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht erlassen hat, sondern die Auszahlung wegen der Anweisung der Klägerin an K bewirkte. Aus diesem Umstand folgt aber kein anderes Ergebnis. Zwar ist in der Rechtsprechung des BFH anerkannt, dass bei einer Zahlung an einen Dritten der Kindergeldberechtigte Leistungsempfänger bleibt, wenn die Kindergeldkasse nur auf Grund einer Zahlungsanweisung des Berechtigten die Auszahlung vornimmt, weil die Kindergeldkasse in einem solchen Fall mit dem erkennbaren Willen handele, ihre kindergeldrechtliche Verpflichtung dem Berechtigten gegenüber zu erfüllen (BFH, Beschluss vom 28. März 2001 VI B 256/00, BFH/NV 2001, 1117; Urteil vom 24. August 2001 VI R 83/99, BStBl II 2002, 47). Dieser Gedankengang ist aber auf die Frage, ob Kindergeld anrechenbares Einkommen des kindergeldberechtigten Sozialhilfeempfängers nach § 76 Abs. 1 BSHG darstellt, nicht übertragbar, sofern das Kindergeld nicht an ihn ausgezahlt wird und zudem die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Abzweigung nach § 74 Abs. 1 EStG vorliegen.
Im Sozialhilferecht hat jeder Hilfesuchende nach dem so genannten Individualgrundsatz grundsätzlich einen eigenen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt. Dieser Anspruch ist unter Berücksichtigung des jeweiligen Bedarf und des eigenen bzw. zurechenbaren Einkommens für jeden Hilfesuchenden gesondert zu ermitteln. Hilfeempfänger ist danach nur, wessen Einkommen zur Deckung seiner sozialhilferechtlichen Bedarfs nicht ausreicht. Verfügt ein Hilfesuchender über eigenes bedarfsdeckendes Einkommen, so ist er regelmäßig gehalten, dieses Einkommen für seinen eigenen Lebensunterhalt einzusetzen, und zwar zuerst, d. h. vor Erfüllung eventueller vertraglicher oder gesetzliche Schuldverpflichtungen. (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23. Mai 2002 12 A 10375/02, NVwZ-RR 2003, 44 m.w.N.). Entscheidend für die Frage, ob das gewährte Kindergeld Einkommen des Berechtigten oder des Kindes ist, ist nach der neueren Rechtsprechung des BVerwG nur, an wen die Leistungen tatsächlich ausgezahlt werden. Tatsächlich aber erfolgte die Auszahlung durch die Beklagten direkt auf das Girokonto der K und stand der Klägerin nicht für ihren Haushalt zur Verfügung. Diese Verschiebung des Geldzuflusses auf die Tochter ist auch nicht als lediglich familieninterne und damit unzulässige Weiterleitung der Klägerin zu bewerten, weil sie für die Stadt J deutlich erkennbar war und die Klägerin - weil die Voraussetzungen des § 74 Abs. 1 Satz 3 EStG objektiv erfüllt waren - sich gegen eine Abzweigung zugunsten ihrer Tochter nicht hätte wehren können. Dass die Klägerin oder auch K nicht auf den Erlass eines Abzweigungsbescheids nach § 74 Abs. 1 EStG bestanden haben, kann ihnen als juristischen Laien nicht zum Vorwurf gemacht werden und ändert auch deshalb nicht das Ergebnis, weil eine solche Entscheidung von der Beklagten von Amts wegen hätte getroffen werden müssen. Soweit das BVerwG demgegenüber fordert, die Eltern müssten eine Auszahlung des Kindergeldes direkt an das Kind veranlassen, also aktiv gegenüber dem Beklagten betreiben, um eine Verlagerung des Kindergeldes als Einkommen des Kindes zu erreichen, folgt der Senat dieser Auffassung nicht.
Schließlich vermag der Senat aus dem Hinweis der Beklagten auf das Schreiben der Stadt J vom ... Oktober 2004 keine gegenteiligen Schlüsse zu ziehen. Dort erklärte die Stadt, dass das Kindergeld zum Einkommen des Kindes erst dann werde, wenn es durch einen qualifizierten Zuwendungsakt an das Kind weitergegeben werde und es diesem auch direkt zufließe. Eine Weitergabe nach Zufluss an die Klägerin als Hilfeempfängerin sei dann nicht möglich, wenn diese es für ihren eigenen Lebensunterhalt benötige. Im Streitfall sei das Kindergeld direkt an die Tochter ausgezahlt worden, sodass eine sozialhilferechtliche Einkommensanrechnung des Kindergeldes ab Oktober 2003 nicht mehr möglich gewesen sei. Der Senat vermag nicht zu erkennen, dass sich der relevante Sachverhalt ab Oktober 2003 geändert hat, wurde das Kindergeld doch bereits ab Februar 2002 auf das Girokonto der K direkt überwiesen.
Zudem erscheint auch der rechtliche Ansatzpunkt der Stadt J zweifelhaft. Die von ihr zitierte Rechtsprechung setzt sich mit der Frage auseinander, ob ein kindergeldberechtigter Hilfeempfänger sein Einkommen dadurch mindern kann, dass er es nach Zufluss bei ihm zweckorientiert durch einen weiteren Zuwendungsakt an das Kind weitergibt. In diesem Zusammenhang vertrat die Rechtsprechung die Ansicht, von einem derartigen Zuwendungsakt könne nicht ausgegangen werden, wenn der kindergeldberechtigte Elternteil das Kindergeld zur Sicherung seines Existenzminimums benötige (OVG Hamburg, Beschluss vom 3. April 2002 4 Bs 20/02, NVwZ-RR 2002, 756; OVG Berlin, Beschluss vom 27. Juli 1995 6 S 120/95, NVwZ-RR 1996, 157; OVG Lüneburg, Beschluss vom 19. April 1999 4 M 5628/96, FEVS 51, 335). Ob sich diese Frage nach der neueren Rechtsprechung des BVerwG noch stellt, ist bereits zweifelhaft, denn das Gericht hat die rechtliche Relevanz einer derartigen nachträglichen Zuwendung für die Berechnung des sozialhilferechtlichen Einkommens verneint. Zudem kann ein Kindergeldberechtigter eine Abzweigung nach § 74 Abs. 1 EStG auf das Kind zwar anregen, verhindern kann er die Abzweigung jedoch nicht, sodass ein freiwilliger Zuwendungsakt bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm nicht gegeben ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 151 Abs. 1 und 3 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.
Die Revision wurde nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.