Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 29.04.2005, Az.: 5 K 642/00

Voraussetzungen der Annahme eines Repräsentationseigenverbrauchs nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 S. 2c Umsatzsteuergesetz (UStG); Annahme eines Repräsentationseigenverbrauches bei dem Betrieb eines Pferderennstalls; Umfang der Möglichkeit der Minderung des Vorsteuerabzuges

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
29.04.2005
Aktenzeichen
5 K 642/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 15067
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2005:0429.5K642.00.0A

Fundstellen

  • EFG 2005, 1809-1810 (Volltext mit amtl. LS)
  • NWB direkt 2005, 10
  • UStB 2006, 9 (Kurzinformation)

Verfahrensgegenstand

Umsatzsteuer 1996

Amtlicher Leitsatz

Durch das Betreiben eines Pferderennstalls wird kein Repräsentationseigenverbrauch i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 Buchst. c) UStG 1993 verwirklicht.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob im Zusammenhang mit einem von dem Kläger betriebenen Pferderennstall ein Repräsentationseigenverbrauch nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 Buchst. c) UStG 1993 anzunehmen ist.

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Der Kläger erzielt Einnahmen aus einem Pferderennstall, der einkommensteuerrechtlich als sog. "Liebhabereibetrieb" qualifiziert wurde. Umsatzsteuerlich erzielt er neben den Erlösen aus Pferderennen noch Umsätze aus einer Pferdezucht (Gestüt) und aus Vermietung und Verpachtung.

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In der Umsatzsteuererklärung für 1996 gab er Umsätze aus dem Pferderennstall in Höhe von 94.745 DM an. Gleichzeitig begehrte er den Abzug von Vorsteuerbeträgen in Höhe von 23.392 DM für die ihm in Rechnung gestellte Umsatzsteuer im Zusammenhang mit den Aufwendungen aus dem Betrieb des Rennstalls.

4

Der Beklagte (das Finanzamt - FA -) vertrat die Ansicht, dass hinsichtlich des Pferderennstalls ein Repräsentationseigenverbrauch anzunehmen sei. Eränderte deshalb die Umsatzsteuerfestsetzung mit Bescheid vom 11.10.1999 gem. § 164 Abs. 2 AO, indem er einen mit 15 % zu versteuernden Repräsentationseigenverbrauch in Höhe von 61.206,20 DM berücksichtigte.

5

Der hiergegen erhobene Einspruch führte im Einspruchsbescheid zu einer Erhöhung der Bemessungsgrundlage für den Repräsentationseigenverbrauch auf 155.951,20 DM. Auf die entsprechende Verböserung hatte der Beklagte zuvor hingewiesen. Mit dieser Änderung wurden die für den Rennstall in Abzug gebrachten Vorsteuerbeträge von 23.392 DM vollständig neutralisiert.

6

Der Beklagte begründete seinen Einspruchsbescheid damit, dass das Betreiben eines Pferderennstalls einen "ähnlichen Zweck" im Sinne des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 4 EStG zum Gegenstand habe. Aus diesem Grunde seien die Voraussetzungen für einen Repräsentationseigenverbrauch im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 Buchst. c UStG 1993 erfüllt. Etwas anderes ergäbe sich auch nicht aus dem BMF-Schreiben IV D 1 - S 7303a - 5/00 v. 14.7.2000, das zu der Norm des § 15 Abs. 1a Nr. 1 UStG 1999 ergangen sei: Die in diesem Erlass aufgestellten Grundsätze seien zwar auch auf die Vorgängervorschrift (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 Buchst. c UStG 1993) anwendbar; auch komme nach diesem Schreiben die vollständige Korrektur der Vorsteuerbeträge dann nicht in Betracht, wenn sich die unternehmerische Tätigkeit in der Pferdezucht und der Teilnahme an Pferderennen erschöpfe, wenn diese Betätigung also die Existenzgrundlage des Stpfl. darstelle. Eine derartige Fallgestaltung sei jedoch vorliegend nicht gegeben, denn der Kläger betreibe weitere Unternehmensbereiche, sodass hier gerade nicht seine gesamte unternehmerische Tätigkeit auf das Betreiben eines Rennstalls gerichtet sei.

7

Hiergegen richtet sich die Klage.

8

Während des Klageverfahrens wurde der Umsatzsteuerbescheid 1996 vom 11.10.1999 in der Fassung des Einspruchsbescheids vom 30.11.2000 im Anschluss an eine Außenprüfung durch Bescheid vom 21.2.2002 geändert. Die Feststellungen der Außenprüfung, die zu einer Umsatzsteuer-Zahllast von nunmehr insgesamt 50.504,90 EUR führten, sind unbestritten geblieben.

9

Der Kläger ist der Ansicht, dass er keinen Repräsentationseigenverbrauch getätigt habe. Das BMF-Schreiben vom 14.7.2000 dürfe nicht in dem Sinne ausgelegt werden, dass der Vorsteuerabzug nur deshalb zu versagen sei, weil ein Unternehmer mehrere Unternehmensbereiche betreibe. Anderenfalls wäre die in dem Erlass geregelte Ausnahme lediglich auf einen geringen Teil der Steuerpflichtigen anwendbar. Da jedoch ein Regelungsbedarf für einen derartig kleinen Personenkreis nicht bestehe, müsse die Ausnahme jeden Unternehmer betreffen, der neben einem Pferderennstall noch weitere Unternehmensbereiche betreibe. Außerdem sei in diesem Erlass als ähnlicher Zweck im Sinne von § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 4 EStG nur die Reitpferdezucht und gerade nicht - wie vorliegend - die Rennpferdezucht genannt.

10

Der Kläger beantragt,

den Umsatzsteuerbescheid 1996 i.d.F. 21.2.2002 dahingehend abzuändern, dass die Umsatzsteuer um 23.392 DM (=11.960,14 EUR) herabgesetzt wird.

11

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

12

Der Beklagte verweist zunächst auf seinen Einspruchsbescheid. Er bezieht sich darüber hinaus auf zwei Urteile des Finanzgerichts Düsseldorf vom 26.3.2003 - 5 K 201/95 U und 5 K 2741/95 U. Das Finanzgericht Düsseldorf habe in diesen Urteilen einen Repräsentationseigenverbrauch im Zusammenhang für die ohne Gewinnerzielungsabsicht betriebene Haltung von Trabrennpferden bejaht.

13

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter als Einzelrichter nach § 79a Abs. 3 und 4 FGO einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist begründet.

15

Durch das Betreiben eines Pferderennstalls hat der Kläger keinen Repräsentationseigenverbrauch i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 Buchst. c) UStG 1993 verwirklicht.

16

Nach dieser Vorschrift ist ein Eigenverbrauch dann anzunehmen, wenn ein Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens Aufwendungen tätigt, die unter das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 bis 7 oder Abs. 7 oder § 12 Nr. 1 EStG fallen. Die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit erfüllt diese Voraussetzungen nicht.

17

Nach der hier allein in Rede stehenden Vorschrift des § 4 Abs. 5 Nr. 4 EStG geht es um Aufwendungen für Jagd oder Fischerei, für Segeljachten oder Motorjachten sowie für ähnliche Zwecke und für die hiermit zusammenhängenden. Im Streitfall kommen lediglich Aufwendungen für "ähnliche Zwecke" in Betracht. Das Gericht ist im vorliegenden Fall der Auffassung, dass das Betreiben des Pferderennstalls des Klägers kein ähnlicher Zweck in diesem Sinne ist.

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Aufwendungen für "ähnliche Zwecke" müssen einer überdurchschnittlichen Repräsentation, der Unterhaltung von Geschäftsfreunden, der Freizeitgestaltung oder der sportlichen Betätigung des Unternehmers dienen (BFH-Urteil vom 30.7.1980 - I R 111/77, BStBl. II 1981, 58). Die Rechtsprechung hat in der Vergangenheit Einzelfälle entschieden, in denen das Betreiben von Reit- oder Rennställen zu diesen ähnlichen Zwecken gerechnet wurde (BFH-Urteil vom 11.8.1994 - I B 235/93, BFH/NV 1995, 205; Finanzgericht Köln, Urteil vom 27.9.1993 - 13 K 2148-2150/92, 13 K 2148/92, 13 K 2149/92, 13 K 2150/92, EFG 1994, 265 [FG Köln 27.09.1993 - 13 K 2148/92]; Finanzgericht Düsseldorf, Urteile vom 26.2.2003 - 5 K 201/95 U und 5 K 2741/95 U, n. v.).

19

Dies führt nach Auffassung des Gerichts gleichwohl nicht zur Annahme eines Repräsentationseigenverbrauchs im vorliegenden Fall. Denn nach der Rechtsprechung des BFH soll die Regelung des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 4 EStG jedenfalls dann einschränkend ausgelegt werden, wenn weder die Repräsentation noch die Freizeitgestaltung des Steuerpflichtigen bei Ausübung dieser Betätigung im Vordergrund stehen (BFH-Urteil vom 30.7.1980 -I R 111/77, BStBl II 1981, 58; Urteil vom 03.2.1993 - I R 18/92, BStBl. II 1993, 367; Urteil vom 10.5.2001 - IV R 6/00, BStBl. II 2001, 575). Durch die Vorschrift soll lediglich verhindert werden, dass unangemessener betrieblicher Repräsentationsaufwand bei der Einkommensteuer berücksichtigt wird, weil dieser Teil verdeckt privat veranlasst ist (Adamik, in Herrmann/Heuer/ Raupach, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, Loseblattsammlung, Stand: 217. Ergänzungslieferung, März 2005, § 4 Anm. 1328; Crezelius in Kirchhof, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, Heidelberg 2001, § 4 Rdnr. 129). Es entspricht also dem Willen des Gesetzgebers, das Abzugsverbot nur für solche Fälle auszusprechen, in denen der mit dem Freizeitgegenstand oder der Freizeittätigkeit verfolgte private oder repräsentative und damit nicht streng geschäftliche Zweck neben dem eigentlichen Betriebsgegenstand liegt.

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Vorliegend sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Der Betrieb des Klägers ist ausschließlich auf die Zucht von Rennpferden und deren Beteiligung an Pferderennen und deshalb gerade nicht auf einen neben dem Betriebsgegenstand liegenden repräsentativen (privaten) Zweck ausgerichtet. Mithin fallen die hiermit im Zusammenhang stehenden Aufwendungen ausschließlich für solche Zwecke an, die gerade dem Ziel der unternehmerischen Betätigung entsprechen. Hinzu kommt, dass der Kläger die Rennpferde für seine persönliche sportliche Betätigung gar nicht nutzen kann. Es ist allgemein bekannt, dass Rennpferde lediglich von Jockeys aufgrund ihrer besonderen fachlichen Eignung und körperlichen Konstitution (Körpergröße und Gewicht) geritten werden können.

21

Daneben spricht gegen eine vollständige Neutralisierung der Vorsteuer auch der Umstand, dass trotz Vorliegens einer unternehmerischen Tätigkeit jeglicher Vorsteuerabzug über den Weg des Repräsentationseigenverbrauchs im Ergebnis wieder rückgängig gemacht würde, obwohl die erzielten Fremdumsätze in vollem Umfang der Besteuerung unterliegen (im Ergebnis ebenso BMF-Schreiben IV C 3 - S 7102 - 4/94 vom 15.2.1994, BStBl I 1994,195, Ziff. 2: Bei Freizeitgegenständen, die teils unternehmerisch, teils nichtunternehmerisch genutzt werden, sei - was nicht näher begründet wird - kein Aufwendungseigenverbrauch anzunehmen).

22

Dies bestätigt die Finanzverwaltung im Übrigen auch selbst in ihrem BMF-Schreiben v. 14.7.2000 - IV D 1 - S 7303a - 5/00 (n.v.): Danach ist es in den Fällen, in denen sich die unternehmerische Tätigkeit in der Pferdezucht und der Teilnahme an Pferderennen erschöpft, nicht mit dem Sinn und Zweck des § 15 Abs. 1a Nr. 1 UStG vereinbar, den Vorsteuerabzug aus sämtlichen Vorbezügen für das Halten von Renn- und Zuchtpferden auszuschließen. Diese Grundsätze lassen sich entsprechend auf die Regelung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 Buchst. c UStG 1993. anwenden. Denn die Neuregelung des§ 15 Abs. 1a Nr. 1 UStG 1999 wandelt lediglich steuertechnisch das mittelbare Vorsteuerabzugsverbot durch § 1 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 Buchst. c UStG 1993 in ein unmittelbares Vorsteuerabzugsverbot um (Wagner, in Sölch/Ringleb, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, Loseblattsammlung, Stand: 52. Ergänzungslieferung, September 2004, § 15 Rdnr. 453). Folglich sind beide Normen von Sinn und Zweck her vergleichbar, sodass auch nach Ansicht des BMF in dem vorliegenden Fall kein Repräsentationseigenverbrauch anzunehmen ist.

23

Der Ansicht des Beklagten, die Ausnahme nach dem BMF-Schreiben greife nicht, weil der Kläger noch weitere Unternehmensbereiche betreibe, folgt das Gericht nicht. Zum einen wäre - worauf der Kläger zutreffend hingewiesen hat - der Anwendungsbereich des BMF-Schreibens nur auf einen kleinen Teil von Unternehmern anwendbar, deren ausschließlicher Unternehmensbereich im Sinne des § 2 Abs. 1 S. 2 UStG einen Pferderennstall umfassen würde. Angesichts der bei einem Pferderennstall regelmäßig anfallenden Aufwendungen und dem damit einhergehenden Kapitalaufwand bedarf es bei dem Betrieb eines solchen Unternehmens idR weiterer unternehmerischer Tätigkeit. Hinzu kommt, dass eine Korrektur des Vorsteuerabzugs in diesen Fällen bei sonst gleichem Sachverhalt von dem mehr oder weniger zufälligen Umstand abhängen würde, ob der Unternehmer noch weitere Unternehmensbereiche betreibt. Ein Unternehmer, der neben einem Rennstall noch eine Nichtselbstständige Tätigkeit (§ 19 EStG) ausübt, könnte danach den vollen Vorsteuerabzug beanspruchen, während ein Unternehmer, der - wie im vorliegenden Fall - noch umsatzsteuerlich relevante Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt, im Hinblick auf den Repräsentationseigenverbrauch keinen Vorsteuerabzug beanspruchen könnte. Diese mehr oder weniger willkürliche Anwendung der Regelungen über den Repräsentationseigenverbrauch bzw. - nach neuem Recht -über die Vorsteuerabzugsbeschränkung, hält das Gericht nicht für sachgerecht.

24

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Nebenentscheidung folgt aus § 151 Abs. 1 und 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.