Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 07.04.2005, Az.: 5 K 584/00
Steuerrechtliche Beurteilung des Betriebs einer Praxis als selbstständige Krankengymnastin; Grundlage für die Frage nach dem Leistenden bei einem Umsatz
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 07.04.2005
- Aktenzeichen
- 5 K 584/00
- Entscheidungsform
- Endurteil
- Referenz
- WKRS 2005, 18419
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2005:0407.5K584.00.0A
Rechtsgrundlage
- § 4 Nr. 14 UStG
Fundstellen
- NWB direkt 2005, 8
- NZG 2005, VI Heft 17 (Kurzinformation)
Verfahrensgegenstand
Zur Steuerfreiheit von Umsätzen einer Krankengymnastin
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin im Streitjahr 1994 umsatzsteuerpflichtige Umsätze erzielt hat.
Die Klägerin betreibt eine Praxis als selbstständige Krankengymnastin. In der Praxis beschäftigt sie neben fest angestellten Mitarbeitern auch - bis zu sechs- freie Mitarbeiterinnen. Bei diesen freien Mitarbeiterinnen handelt es sich um ausgebildete Krankengymnastinnen, die jedoch von den Kassen nicht nach § 124 SGB V zugelassen sind. Die Abrechnung mit den Krankenkassen bzw. den Privatpatienten für die von den freien Mitarbeiterinnen durchgeführten Behandlungenübernahm die Klägerin.
Grundlage der Tätigkeit der freien Mitarbeiterinnen, waren im Wesentlichen gleich lautende Verträge, die sich inhaltlich an einen von dem Zentralverband der Krankengymnasten und Physiotherapeuten in Deutschland e. V. herausgegebenen Mustervertrag orientierten.
Ziffer 2 der Verträge lautet:
2.1
Frau .. ist zur Übernahme aller Leistungen verpflichtet, die zu einer ordnungsgemäßen krankengymnastischen Behandlung erforderlich sind.2.2
Frau .. behandelt dabei in ausschließlich eigener Verantwortung nach entsprechender ärztlicher Verordnung. Sie ist nicht an Weisungen von Frau ...... gebunden, solange es dem Ruf und dem Ansehen von Frau .. nicht schadet.2.3
Frau .. arbeitet auf Rechnung der Praxis von Frau .....
Ziffer 5 der Verträge lautet:
5.1
Frau .. erhält 70 v. H. des Umsatzes für Behandlungen in der Praxis, 85 v. H. des Umsatzes für Behandlungen außerhalb der Praxis (Hausbesuche).
5.2
Die jeweilige Abrechnung erfolgt über und durch die Praxis von Frau ..... Die Zahlungen erfolgen am Anfang eines Monats für den Vormonat. Sie sind brutto ohne Abzug von Steuern oder sonstigen Kosten zu leisten. Frau .... verpflichtet sich, alle für eine ordnungs- und fristgerechte Liquidation erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen.5.3
Mit den Anteilen von Frau .... an den Umsätzen von Frau .. sind alle Leistungen von Frau .., die für die Tätigkeit von Frau .. erforderlich sind, abgegolten.
Wegen weiterer Einzelheiten der vertraglichen Vereinbarungen wird Bezug genommen auf Blatt 20 ff. der Gerichtsakte.
Die Klägerin reichte für das Streitjahr keine Umsatzsteuererklärung ein, weil sie der Auffassung war, ausschließlich nach § 4 Nr. 14 Umsatzsteuergesetz (UStG) umsatzsteuerfreie Leistungen erbracht zu haben.
Im Anschluss an eine u.a. für das Streitjahr bei der Klägerin durchgeführten Außenprüfung kam das Finanzamt zu der Auffassung, dass die Klägerin gegenüber den freien Mitarbeiterinnen durch Bereitstellen der Praxisräume und anderer Einrichtungen sowie der Vornahme der Abrechnungen umsatzsteuerpflichtige Leistungen erbracht habe. Das Finanzamt erteilte deshalb unter dem .......... 2000 einen Umsatzsteuerbescheid für 1994, in dem es von steuerpflichtigen Leistungen i.H.v. ......... DM ausging. Hieraus ergab sich eine Umsatzsteuer i.H.v. ........ DM. Die abziehbaren Vorsteuerbeträge schätzte das Finanzamt auf ........ DM.
Hiergegen hat die Klägerin - mit Zustimmung des Finanzamtes - Sprungklage erhoben, zu deren Begründung sie vorträgt:
Sie habe - auch durch die von den freien Mitarbeiterinnen durchgeführten Behandlungen- direkt Leistungen an die Krankenkassen bzw. an die Privatpatienten erbracht. Dies ergebe sich daraus, dass die Klägerin gegenüber den Patienten als Leistende aufgetreten sei. Die freien Mitarbeiterinnen seien ebenso wie die fest angestellten Mitarbeiter nur Erfüllungsgehilfen der Klägerin gewesen. Hierfür spreche insbesondere, dass die freien Mitarbeiterinnen nicht berechtigt gewesen seien, selbst gegenüber den Krankenkassen abzurechnen, da ihnen die Zulassung nach § 124 SGB V gefehlt habe. Zwischen den freien Mitarbeiterinnen und der Klägerin liege eine umsatzsteuerbare Zwischenleistung der Mitarbeiterinnen an die Klägerin vor. Die von der Klägerin bereitgestellten Räumlichkeiten und Einrichtungen, sowie das Bereitstellen einer Organisation stünden hierzu nicht im Leistungsaustausch. Die Gegenleistung der Klägerin liege vielmehr darin, dass sie den freien Mitarbeiterinnen Vergütungen in Höhe von 70 v. H. bzw. 85 v. H. der von den Privatpatienten oder Krankenkassen erzielten Erlöse gezahlt habe. Soweit sich aus den schriftlichen Verträgen (Ziffer 5.3) etwas anderes ergebe, sei zu berücksichtigen, dass die Musterverträge in ihren Formulierungen nicht in erster Linie auf steuerrechtliche Fragen, sondern auf arbeitsrechtliche Fragen zugeschnitten sei, um eine so genannte Scheinselbständigkeit und die Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen auszuschließen. Für eine Leistungsbeziehung der Klägerin zu den Krankenkassen und den Privatpatienten spreche auch, dass die freien Mitarbeiterinnen zwar weitgehend selbstständig gearbeitet hätten, die Klägerin sie aber gleichwohl hinsichtlich der Behandlungsergebnisse und der vorzunehmenden Therapie überwacht habe.
Selbst wenn von einer Leistungsbeziehung zwischen der Klägerin und den freien Mitarbeiterinnen ausgegangen werden müsste, läge ein so genanntes Leistungsbündel vor, das in dieÜberlassung der Praxisräume und ihrer Einrichtungen sowie der Übernahme der Abrechnungen gegenüber den Patienten und den Krankenkassen aufzuteilen sei. Diese einzelnen Leistungen seien umsatzsteuerlich gesondert zu behandeln. Im Streitjahr seien für die freien Mitarbeiterinnen Erlöse i.H.v. .......... DM abgerechnet worden. Hiervon entfielen etwa 1 % (........ DM) auf die Abrechnung der Leistungen. Dieser Satz entspreche etwa dem, was die Klägerin ab dem Jahre 2002 für die Abrechnung und Inkassotätigkeit eines Abrechnungsunternehmens selbst zahle. Auf die Überlassung der Praxisräume entfielen ......... DM und auf die Überlassung der Praxiseinrichtung ........ DM. Als Entgelt für die Therapiebegleitung und Überwachung könne ein Betrag i.H.v. ......... DM angesetzt werden. Hieraus ergebe sich, dass die Klägerin umsatzsteuerpflichtige Erlöse nur in Höhe von insgesamt ........ DM erbracht habe, also Kleinunternehmerin gewesen sei.
Die Klägerin beantragt,
den Umsatzsteuerbescheid 1994 vom ............... aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Auffassung, dass die freien Mitarbeiterinnen als eigenständige Unternehmer die Behandlungsleistungen gegenüber den Patienten bzw. den Krankenkassen erbracht hätten. Dies ergebe sich insbesondere daraus, dass nach den vertraglichen Vereinbarungen die Mitarbeiterinnen nicht den fachlichen Weisungen der Klägerin unterlegen wären und ihre Tätigkeit eigenverantwortlich ausgeführt hätten. Weiterhin sei zu berücksichtigen, dass es sich bei der Behandlung um eine höchstpersönliche Dienstleistung handele. Hieraus folge, dass die Klägerin gegenüber den Mitarbeiterinnen durchÜbernahme der Abrechnung und Überlassung der Praxisräume und deren Einrichtungen eine eigenständige Leistung erbracht habe. Diese Leistung sei nicht nach § 4 Nr. 14 UStG steuerfrei, da es sich nicht um eine heilberufliche Leistung gegenüber den Patienten gehandelt habe. Eine Aufteilung der Leistungen der Klägerin komme nicht in Betracht. Entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen sei davon auszugehen, dass es sich bei den steuerbaren und steuerpflichtigen Tätigkeiten (Liquidation,Überlassung von Praxiseinrichtung und deren Organisation) um ein Leistungsbündel handele, welches nicht zu trennen sei. Die Klägerin sei insoweit auch nicht Kleinunternehmerin. Denn für Behandlungen in der Praxis seien der Klägerin ein Anteil von 30 v.H. der Honorare und für Behandlungen anlässlich von Hausbesuchen in Höhe von 15 v.H. verblieben. Hieraus könne abgeleitet werden, dass die Klägerin für ihre sachlichen und persönlichen Organisationskosten einen Grundanteil von 15 v.H. der Honorare zu beanspruchen hatte. Der weitere Anteil von 15 v.H. der Behandlungshonorare für die Behandlungen in den Praxisräumen sei zur Abgeltung der Nutzung für Räume und Geräte gezahlt worden
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Die von der Klägerin im Streitjahr erzielten Umsätze sind nach § 4 Nr. 14 UStG steuerfrei. Nach dieser Vorschrift sind die Umsätze aus der Tätigkeit als Krankengymnast steuerfrei. Die Klägerin hat ausschließlich solche Umsätze gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen bzw. den Privatpatienten erbracht. Sie hat dagegen keine Leistungen an die freien Mitarbeiterinnen durch Überlassung von Räumen und sonstigen Praxiseinrichtungen sowie der Übernahme von Abrechnungsarbeiten durchgeführt.
Entgegen der Auffassung des Finanzamts liegt nur ein Leistungsaustausch der Klägerin mit den Krankenkassen bzw. den Privatpatienten vor, bei dem sie sich zur Erfüllung der übernommenen Leistungsverpflichtungen neben angestellten Mitarbeiterinnen auch freier Mitarbeiterinnen bedient hat. Ein Leistungsbeziehung dergestalt, dass die freien Mitarbeiterinnen ihrerseits Leistungen gegenüber den Krankenkassen bzw. den Privatpatienten und die Klägerin ihnen Leistungen erbracht hätte, die keine krankengymnastischen sind, besteht nicht.
Regelmäßig ergibt sich aus den abgeschlossenen Vereinbarungen, wer bei einem Umsatz als Leistender anzusehen ist. Leistender ist grundsätzlich derjenige, der die Leistung im eigenen Namen gegenüber einem anderen selbst oder durch einen Beauftragten ausführt. Ob eine Leistung dem Handelnden oder einem anderen zuzurechnen ist, hängt grundsätzlich davon ab, ob der Handelnde gegenüber Dritten im eigenen Namen oder berechtigter Weise im Namen eines anderen bei der Ausführung der Leistung aufgetreten ist. Wer von mehreren in Betracht kommenden Personen Leistungen ausgeführt hat, ist durch Würdigung der vorhandenen Beweisanzeichen zu entscheiden.
Im Streitfall ist die Klägerin nach außen gegenüber den Patienten und den Krankenkassen als Unternehmerin aufgetreten. Die Klägerin hat den tatsächlichen Ablauf dahin beschrieben, dass sich die Patienten teilweise telefonisch zur Behandlung angemeldet hätten oder von dem Arzt, der die Krankengymnastik verschrieben habe, angemeldet worden seien. In beiden Fällen sind die Patienten aber für die Praxis der Klägerin und nicht direkt für eine der freien Mitarbeiterinnen angemeldet worden. Vertragliche Beziehungen sollten aus Sicht der Patienten demnach zwischen ihnen und der Klägerin begründet werden, wenn auch die Behandlung selbst nicht von der Klägerin persönlich, sondern von den fest angestellten oder freien Mitarbeiterinnen durchgeführt worden sind. Die Zuteilung der Patienten auf die einzelnen Krankengymnastinnen richtete sich neben der zeitlichen Auslastung allein danach, welche von ihnen unter Berücksichtigung ihrer fachlichen Qualifikation imstande war, die Behandlung durchzuführen. Diese Praxis erfolgte unabhängig davon, ob es sich um festangestellte oder freiberufliche Mitarbeiterinnen handelte. Die Abrechnung erfolgte ebenfalls durch Klägerin als eigene Leistung und nicht in der Weise, dass die Klägerin, wie eine ärztliche Abrechnungsstelle, nach außen erkennbar eine Leistung der freien Mitarbeiterinnen abrechnete. Hinzu kommt, dass allein die Klägerin von den Landesverbänden der Krankenkassen als Krankengymnastin zugelassen war. Hieraus folgt, dass nur sie gegenüber den Krankenkassen berechtigt, war, Leistungen gegenüber den Mitgliedern der gesetzlichen Krankenkassen oder den Ersatzkrankenkassen zu erbringen ( § 124 SGB V).
Das Finanzamt stützt sich für seine Auffassung auf die Formulierungen der Verträge zwischen der Klägerin und den freien Mitarbeiterinnen zu den zu erbringenden Leistungen (5.3) und zur Weisungsungebundenheit (2.2). Diese Verträge betreffen das Innenverhältnis, welches nach Auffassung des Senats für die Frage, wer als Leistende nach außen gegenüber den Patienten und den Krankenkassen aufgetreten ist, von vornherein nicht ausschlaggebend sein kann. Sie sind zudem, was die Arbeitskontrolle angeht, tatsächlich nicht wie vereinbart durchgeführt worden. Tatsächlich hat die Klägerin die freien Mitarbeiterinnen in gleicher Weise fachlich überwacht, wie die angestellten Mitarbeiterinnen, was nicht ausschließt, dass diese als ausgebildete Fachkräfte weitgehend eigenständig und eigenverantwortlich arbeiteten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 151 Abs. 1 und 3 FGO i.V.m. §§ 108 Nr.10, 711 Zivilprozessordnung.