Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 29.06.2017, Az.: 13 Verg 1/17
Ermittlung des Schwellenwerts des Auftragswerts für Sanierungsträgerleistungen
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 29.06.2017
- Aktenzeichen
- 13 Verg 1/17
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2017, 34744
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
Rechtsgrundlagen
- GWB § 106 Abs. 2 Nr. 1
- VgV § 3 Abs. 1
- VgV § 3 Abs. 11
- BauGB § 164a
Fundstellen
- FSt 2018, 316-319
- IBR 2017, 572
- NZBau 2017, 6
- NZBau 2017, 687-692
- VS 2017, 64
- Vergabe-News 2017, 184-185
- VergabeR 2017, 774-783
Amtlicher Leitsatz
Zur Ermittlung des für den Schwellenwert gem. § 106 Abs. 2 Nr. 1 GWB maßgeblichen Auftragswerts bei Sanierungsträgerleistungen durch einen Sanierungstreuhänder (Sanierung eines Stadtviertels).
Redaktioneller Leitsatz
Die Schätzung des Auftragswerts (hier: von Sanierungsträgerleistungen) richtet sich nach dem voraussichtlichen Gesamtwert der vorgesehenen Leistung ohne Umsatzsteuer. Da von der Schätzung abhängt, ob die Vergabebestimmungen anwendbar sind, ist die ordnungsgemäße Ermittlung des geschätzten Auftragswerts in einem Aktenvermerk festzuhalten, wobei die Anforderungen an die Genauigkeit der Wertermittlung und der Dokumentation steigen, je mehr sich der Auftragswert dem Schwellenwert annähert.
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Vergabekammer vom 2. Februar 2017 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen einschließlich der sowie die durch das Verfahren nach § 173 Abs. 1 Satz 3 GWB verursachten Kosten zu tragen.
Der Beschwerdewert wird auf 18.626,26 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Parteien streiten um die Vergabe von Sanierungsträgerleistungen im Zusammenhang mit städtebaulichen Entwicklungsmaßnahmen im Stadtgebiet der Antragsgegnerin.
Im Vorfeld der streitgegenständlichen Ausschreibung beauftragte die Antragsgegnerin die BBC S. GmbH (nachfolgend nur BBC) - eine Tochtergesellschaft der Beigeladenen - damit, ein integriertes städtebauliches Entwicklungskonzept (abgekürzt: ISEK) als vorbereitende Untersuchung für das Gebiet "B. G. Altstadt" zu entwickeln, um insbesondere Lösungsansätze für die zunehmende Funktionsschwäche der Altstadt aufzuzeigen und diese in ihrer Gesamtheit für die folgenden Generationen zu erhalten und weiterzuentwickeln (vgl. Seite 4 des ISEK-Berichts, Anlage ASt 1, Bl. 113, 116 VgK I). Mit dem ISEK-Bericht wurden die vorgenommenen gesamtstädtischen Analysen dokumentiert und darauf aufbauend in einem Erneuerungskonzept alle Maßnahmen zusammengestellt, die zur Beseitigung der bestehenden städtebaulichen Missstände und zur Erhaltung der historischen Altstadt (Untersuchungsgebiet) aus Sicht der Verfasser erforderlich waren. In der "Kosten- und Finanzübersicht" (Nr. 9. des Berichts, Seite 71 ff., Bl. 183 ff. VgK I) heißt es, die Komplexität der Aufgabe und das geschätzte Kostenvolumen ließen Realisierungschancen nur erwarten, wenn es der Antragsgegnerin gelänge, in das Städtebauförderungsprogramm aufgenommen zu werden. In der nachfolgenden Kostenübersicht seien die ausgewiesenen aus dem Erneuerungskonzept entwickelten Maßnahmen und Kostenansätze den förderfähigen Kostengruppen zugeordnet worden. Der auf die Städtebauförderung entfallende, durch Einnahmen nicht gedeckte Gesamtbetrag belaufe sich auf 4.389.630 €. In den anschließend aufgelisteten "Ausgaben" (Buchstabe A., S. 72 ff., Bl. 173 ff. GA I) findet sich unter dem Gliederungspunkt 6 - "Vergütung von Sanierungsträgerleistungen, Projektmanagement, sonstige Beauftragte" - und dem Unterpunkt 6.1 - "Sanierungsträger, 6 % (Kappungsgrenze) von gesamt ohne Grunderwerb" - ein Betrag von 313.080 € (netto), der den maximal förderfähigen Kosten entspricht (vgl. S. 74 des ISEK-Berichts, Bl. 175 GA I). Ihren Erwägungen legte die BBC dabei eine Gesamt-Laufzeit von zehn Jahren zugrunde.
Die Sanierungsmaßnahme "Altstadt" wurde aufgrund der Programmanmeldung der Antragsgegnerin von Mai 2016 in das Städtebauförderungsprogramm des Landes, Variante "städtebaulicher Denkmalschutz", aufgenommen und eine erste Teilsumme von 500.000 € bewilligt.
Mit Vergabebekanntmachung (A426730225) im nationalen s blatt "bi" - Ausgabe Nord/Ost - Nr. 210 vom 1. November 2016 schrieb die Antragsgegnerin Sanierungsträgerdienstleistungen - typische Leistungen eines Sanierungstreuhänders - (national/regional) zur Vergabe aus. Die Angebotsfrist lief bis 25. November 2016, 11:00 Uhr. Aus einem undatierten Vergabevermerk ergibt sich, dass die Antragsgegnerin annahm, der 48-fache Wert des geschätzten Monatsentgelts liege unter dem Schwellenwert von 209.000 € für ein EU-weites Vergabeverfahren. Den Wert des Auftrags schätzte sie gem. § 3 Abs. 11 VgV mit rund 145.000 € (brutto).
Die Antragstellerin äußerte mit E-Mail-Schreiben vom 4. November 2016 Interesse an dem Auftrag (vgl. Anlage ASt 3, Bl. 260 VgK I), woraufhin ihr die Antragsgegnerin mit Schreiben vom selben Tag weitergehende Informationen sowie als Anlage eine Übersichtskarte über das Sanierungsgebiet, den ISEK-Bericht und die Bewertungsmatrix übermittelt erhielt (vgl. Anlage ASt 4, Bl. 261 ff. VgK I). Am 16. November 2016 rügte die Antragstellerin die Wahl der Vergabeart - keine im europaweiten Verfahren - und insoweit den angenommenen Schwellenwert, ferner die mangelnde Transparenz der Bewertungsmatrix und verschiedener Zuschlagskriterien (Anlage ASt 7, Bl. 267 ff. VgK I), woraufhin die Antragsgegnerin mitteilte, nicht bis zu den gewünschten Termin antworten zu können (Anlage ASt 8, Bl. 273 VgK I). Die Antragstellerin und die Beigeladene gaben in der Folge fristgerecht Angebote auf den ab (vgl. Anlagen ASt 11 und 12, Bl. 276 ff. VgK I).
Die die Antragsgegnerin bewertete das Angebot der Antragstellerin mit 39 Punkten und das der Beigeladenen mit 47 Punkten. Wegen der Einzelheiten wird auf die mit handschriftlichen Angaben versehene Bewertungsmatrix im Anlagenordner der Vergabestelle sowie den Vergabevermerk vom 29. November 2016 Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 6. Dezember 2016 - bei der Antragstellerin am 12. Dezember 2016 eingegangen (Anlage ASt 13, Bl. 343ff. VgK I) - wies die Antragsgegnerin die Rügen der Antragstellerin zurück. Die in der Kostenübersicht angegebene Honorarsumme [313.080 €] ergebe sich aus der in Niedersachsen üblichen Kappungsgrenze für die Förderung des Honorars von 6 % der Ausgaben der Sanierung, womit aber keine Aussage über die tatsächliche Honorarhöhe getroffen worden sei. Grund der Kappungsgrenze sei, dass ein Honorar jenseits der Grenze nicht gefördert werde. Der maßgebliche Wert für die Wahl des Vergabeverfahrens liege deutlich unter dem Schwellenwert für eine EU-weite Vergabe.
Die Antragsgegnerin beauftragte die Beigeladene am 12. Dezember 2016 - von dieser am 15. Dezember 2016 bestätigt - auf der Grundlage des Angebots vom 23. November 2016.
Mit dem am 19. November 2016 eingegangenen Antrag auf Einleitung des Vergabenachprüfungsverfahrens hat die Antragstellerin behauptet, bereits aus dem ISEK-Bericht ergebe sich, dass für den beauftragten Sanierungsträger eine Vergütung von 313.080 € aus den geschätzten Kosten für die Durchführung der Gesamtmaßnahme erwartet worden sei, was jenseits des maßgeblichen Schwellenwerts von 209.000 € liege. Der Auftrag unterfalle mithin dem Vergaberechtsregime des 4. Teils des GWB, weshalb er im Amtsblatt der Europäischen Union bekanntzugeben gewesen wäre. Die Schätzung sei zudem nicht - nicht einmal im Verlauf des Nachprüfungsverfahrens - hinreichend dokumentiert worden. Ferner sei die Bewertungsmatrix mangels ausreichender Ausformung der Kriterien durch Unterkriterien oder Erläuterungen nicht hinreichend transparent, und die Antragsgegnerin habe gegen den Grundsatz der Trennung von Eignungs- und Zuschlagskriterien verstoßen. Außerdem habe es - wie die Antragstellerin behauptet - nicht offengelegte Unterkriterien gegeben. Das Absageschreiben vom 6. Dezember 2016 enthalte - so die Auffassung der Antragstellerin - nicht die erforderlichen Informationen nach § 134 Abs. 1 Satz 1 GWB. Soweit ein Vertragsschluss mit der Beigeladenen erfolgt sei, habe die Antragsgegnerin die Mindestwartefrist nicht eingehalten, weshalb der öffentliche Auftrag gem. § 135 Abs. 1 Nr. 1 GWB von Anfang an unwirksam gewesen sei.
Die Antragsgegnerin ist dem entgegengetreten. Es habe zu Beginn des städtebaulichen Sanierungsverfahrens nicht vorhergesehen werden können, in welchem Umfang die Durchführung des Verfahrens überhaupt Leistungen des Sanierungstreuhänders erfordere. Die Gemeinde sei nicht verpflichtet, sämtliche im Rahmen des Verfahrens anfallende Leistungen dem Sanierungsträger zu übertragen. Der im ISEK-Bericht enthaltene Ansatz für das Treuhänderentgelt ergebe sich aus der "Kappungsgrenze" von 6 % der geschätzten Ausgaben des Sanierungsverfahrens, womit verdeutlicht werde, in welcher relativen Höhe das Land bereit sei, die Trägerhonorare mit der Gewährung von Städtebau-Förderungsmitteln des Landes sowie des Bundes zu fördern. Demgegenüber sei der Wert des Dienstleistungsauftrags gem. § 3 Abs. 11, Fall 2 VgV nach dem 48-fachen Monatswert zu schätzen. Dafür sei der sich aus der Kappungsgrenze ergebende Wert sowie der sich aus der geschätzten Verfahrensdauer von 10 Jahren ergebende mittlere Monatswert errechnet und mit 48 multipliziert worden, was einen Wert von rund 122.000 € netto ergebe. Der Wert der in Auftrag zu gebenden Leistungen hänge insbesondere davon ab, inwieweit das Sanierungskonzept und die in der vorbereitenden Untersuchung als zielführend erkannten Maßnahmen tatsächlich umgesetzt würden und einer Begleitung durch den Sanierungsträger bedürften. Nach den Erfahrungen der in den Jahren 1986 - 2008 durchgeführten Sanierungsmaßnahme sei anzunehmen, dass teils ursprünglich vorgesehene Maßnahmen unterblieben, teils nicht vorgesehene Maßnahmen erforderlich werden würden. Bei dem früheren Sanierungsverfahren "Innenstadt B. G." habe der Gesamtanteil der Trägerhonorare ca. 6,9 % der Gesamtkosten der Sanierung betragen. Bei einer Gesamtlaufzeit von 22 Jahren habe sich ein durchschnittlicher Monatswert - die Kosten hätten monatlich und jährlich stark divergiert - von 1.900 € brutto ergeben. Die Maßnahme habe letztlich unter dem Vorbehalt der finanziellen Realisierbarkeit gestanden.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Vergabekammer hat die Antragsgegnerin darauf hingewiesen, es sei gar nicht sicher, dass die Fördermittel über den gesamten Zeitraum überhaupt bereitgestellt würden. Es sei nicht einmal gewiss, ob die Gremien der Antragsgegnerin nach vier Jahren noch weitere Maßnahmen beschließen würden. Zudem hänge es von der personellen Situation bei der Antragsgegnerin ab, inwieweit überhaupt auf die Leistungen des Sanierungsträgers zurückgegriffen werden müsse.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag als unzulässig zurückgewiesen. Der Auftragswert überschreite nicht den maßgeblichen Schwellenwert gem. § 106 GWB. Das Vergabeverfahren sei daher einer Überprüfung durch die Vergabekammer nicht zugänglich. Bei Aufträgen über Liefer- oder Dienstleistungen, für die kein Gesamtpreis angegeben werde, sei - in Abweichung zu § 3 Abs. 1 VgV - gem. § 3 Abs. 11 VgV der 48-fache Monatswert Berechnungsgrundlage für den geschätzten Auftragswert. Die ex-ante vorgenommene Schätzung der Antragsgegnerin genüge ausweislich der äußerst knappen Dokumentation in dem vorgelegten undatierten Vergabevermerk zwar nicht den Anforderungen des § 8 Abs. 2 Nr. 1 VgV an eine ordnungsgemäße Dokumentation. Nach der von Amts wegen vorzunehmenden Überprüfung durch Vergabekammer sei der Schwellenwert für ein europaweites Vergabeverfahren aber - wie die Antragsgegnerin im Ergebnis zu Recht angenommen habe - nicht erreicht. Insbesondere könnten die von der BBC im Rahmen der vorbereitenden Untersuchung aufgeführten Kostenansätze nicht als "Gesamtpreis" i. S. d. § 3 Abs. 11 VgV und damit auch nicht als "voraussichtlicher Gesamtwert der vorgesehenen Leistung" i. S. d. § 3 Abs. 1 VgV eingestuft werden. Nach der Aufforderung zur Angebotsabgabe vom 3. November 2011 habe kein Gesamtpreis, sondern hätten nur Vergütungsstundensätze der am Projekt beteiligten Mitarbeiter inklusive Neben- und Reisekosten etc. angegeben werden sollen, was von den Bietern auch so umgesetzt worden sei. Die Antragsgegnerin habe nachvollziehbar dargestellt, dass sie keine Aussage über die tatsächliche Honorarhöhe in dem gesamten Vertragszeitraum habe treffen können, weil je nach Intensität der Einschaltung des Treuhänders oder der tatsächlichen Verfahrensdauer die Honorarhöhe deutlich über oder deutlich unter der für die bewilligten Fördermittel geltenden Kappungsgrenze liegen könne. Ausgehend von den unter Berücksichtigung der Kappungsgrenze von 6 % ermittelten Kosten für den Sanierungsträger in Höhe von 313.080 € und einer Laufzeit von 10 Jahren ergebe sich daher bei einer Herunterbrechung auf 48 Monate ein Auftragswert von 125.232 € netto. Zwar sei nicht auszuschließen, dass angesichts der langen Dauer des Sanierungsverfahrens die Kosten für die Inanspruchnahme des Sanierungstreuhänders am Ende die staatlichen Fördermittel deutlich überschreiten könnten. Auf gesicherte Erfahrungswerte über die durchschnittlichen Kosten einer Sanierungsträger-Beauftragung könne jedoch nicht zurückgegriffen werden. Weder die Antragstellerin noch die Beigeladene oder die Antragsgegnerin hätten eine derartige Quelle nennen können. Gesicherte Erfahrungswerte in Bezug auf die Höhe des Kostenanteils für den Sanierungsträger bezogen auf die veranschlagten Gesamtkosten gebe es ebenfalls nicht.
Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit der sofortigen Beschwerde, mit der sie ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt. Der geschätzte Auftrags- oder Vertragswert belaufe sich ohne Umsatzsteuer auf rund 260.000 €. Soweit die Vergabekammer auf die Abfrage von Stundensätzen abstelle, setze sie unzulässig die Dienstleistung eines Sanierungsbeauftragten/-beraters i. S. v. § 157 BauGB mit der eines Sanierungstreuhänders i. S. v. § 159 Abs. 1 BauGB gleich. Die Leistungen eines Sanierungstreuhänders seien auf der Grundlage eines öffentlich-rechtlichen Vertrages zu erbringen, in dem abschließend klargestellt würde, welche Aufgaben er konkret übertragen erhalte. Die Vergütung von Sanierungstreuhändern auf Stundenbasis hänge mit der fortbestehenden Unsicherheit einer regelmäßig über ein Jahrzehnt wirkenden Tätigkeit und einer aus Vereinfachungsgründen in der Konsequenz von Auftraggebern entwickelten nur funktionellen Leistungsbeschreibung zusammen. Die Vergabekammer habe die rechtliche Bedeutung der im Vorweg erstellten Kosten- und Finanzierungsübersicht i. S. v. § 149 BauGB nicht beachtet. Die Kosten seien mit der höheren Verwaltungsbehörde abzustimmen gewesen und bildeten die Grundlage für den Fördermittelgeber und sonstige einzubeziehende Behörden. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb von allen ermittelten Kostenpositionen der Wert des zu beauftragenden Sanierungstreuhänders i. S. v. § 164a BauGB ein geringeres Maß an Verbindlichkeit haben solle als die übrigen abgestimmten Kostenansätze. Es mangele mithin schon an den Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des § 3 Abs. 11 VgV. Ferner habe die Vergabekammer die Vorschrift des § 3 Abs. 1 Satz 2 VgV (etwaige Optionen oder Vertragsverlängerungen) nicht berücksichtigt. Aber auch nach der Rechtsansicht der Vergabekammer wäre der maßgebliche Schwellenwert von 209.000 € überschritten, denn sie gehe von dem in dem ISEK-Bericht genannten Betrag von 313.080 € aus.
Die Antragstellerin beantragt,
1. den Beschluss der Vergabekammer Niedersachsen vom 2. Februar 2017 zum Az: VgK-50/2016 aufzuheben und die Antragsgegnerin anzuweisen, das Vergabeverfahren in den Stand vor der Wertung nach § 58 VgV zurückzuversetzen und die Zuschlagsentscheidung unter ermessensfehlerfreier Verwendung der zuvor bekannt gemachten Zuschlagskriterien sowie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Vergabesenats erneut zu treffen,
hilfsweise,
der Antragsgegnerin aufzugeben, die aufzuheben,
hilfsweise,
einen ggf. bereits erteilten Zuschlag für nichtig zu erklären, und
wiederum hilfsweise,
festzustellen, dass eine Rechtsverletzung der Antragstellerin stattgefunden hat,
hilfsweise,
festzustellen, dass der durch die Antragsgegnerin an das Unternehmen D. S.- und G. GmbH & Co. KG, B., erteilte öffentliche Auftrag von Anfang an unwirksam ist,
hilfsweise,
die Beschwerdegegnerin zu verpflichten, das bezeichnete Vergabeverfahren in einen ordnungsgemäßen Zustand zu versetzen;
2. hilfsweise,
den Beschluss der Vergabekammer Niedersachsen vom 2. Februar 2017 zum Az: VgK-50/2016 aufzuheben und die Verpflichtung der Vergabekammer Niedersachsen auszusprechen, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts über die Sache erneut zu entscheiden;
Die Antragsgegnerin beantragt,
die [sofortige] Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss. Bei den im ISEK-Bericht in Kapitel 9 "Kosten- und Finanzierungsübersicht" dargestellten förderfähigen Maßnahmen handele es sich nicht um die Erfassung der umzusetzenden Maßnahmen, sondern vielmehr um Maßnahmenvorschläge, von denen die förderfähigen Maßnahmen in der Kostenübersicht erfasst seien. Die konkret umzusetzenden Maßnahmen hingen nach Art und Umfang maßgeblich von der Beschlussfassung durch den Stadtrat und dessen Finanzierungsbereitschaft ab. Städtebaulichen Sanierungsmaßnahmen sei es immanent, dass Art und Umfang der konkreten Maßnahmen und die Realisierung von Teilaufgaben innerhalb der Sanierungsmaßnahme dem Ermessen der Gemeinde unterlägen. Die Prognose der Antragsgegnerin habe sich auf die Erfahrungswerte der Sanierungsmaßnahme aus den Jahren 1986 - 2008 gestützt. Optionen seien nicht ausgeschrieben worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet. Der in Rede stehende Auftragswert liegt unterhalb der für das Eingreifen des Vergaberechtsregimes geltenden Schwellenwerte.
Im Einzelnen:
1. Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 171 Abs. 1 GWB statthaft und gemäß § 172 Abs. 2-3 GWB frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden.
2. Die sofortige Beschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag zu Recht als unzulässig zurückgewiesen.
Die Vorschriften des vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen über die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen sind nicht anwendbar, denn der maßgebliche Schwellenwert für Dienstleistungsaufträge (§ 106 Abs. 2 Nr. 1 GWB) ist nicht erreicht worden. Folglich ist der vom Antragsgegner mit der Beigeladenen geschlossenen Vertrag vom 12./15. Dezember 2016 nicht gemäß § 134 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, § 135 Abs. 1 Nr. 1 GWB unwirksam. Auf die gerügten Vergabeverstöße kommt es daher nicht an.
a) Gemäß § 106 Abs. 1 Satz 1 GWB gelten die Vorschriften des vierten Teils des GWB nur für die Vergabe von Aufträgen und Konzessionen sowie die Ausrichtung von Wettbewerben, deren geschätzter Netto-Auftragswert bzw. Vertragswert den jeweils festgelegten Schwellenwert erreicht oder überschreitet. Der Schwellenwert für den ausgeschriebenen Dienstleistungsauftrag gemäß § 103 Abs. 4 GWB bestimmt sich gemäß § 106 Abs. 2 Nr. 1 GWB nach Art. 4 der Richtlinie 2004/24/EU in der seit 1. Januar 2016 geltenden Fassung und beläuft sich mithin auf 209.000 €.
b) Der Auftragswert unterschreitet mit 122.000 € diesen Schwellenwert.
aa) Der Auftragswert ist vom Auftraggeber gemäß § 3 VgV zu schätzen.
Bei der Schätzung des Auftragswerts ist vom voraussichtlichen Gesamtwert der vorgesehenen Leistung ohne Umsatzsteuer, mithin dem Nettobetrag, auszugehen (§ 3 Abs. 1 Satz 1 VgV). Etwaige Optionen oder Vertragsverlängerungen sind zu berücksichtigen (§ 3 Abs. 1 Satz 2 VgV), ebenso vom Auftraggeber vorgesehene Prämien oder Zahlungen an den Bewerber oder Bieter (§ 3 Abs. 1 Satz 3 VgV). Bei Aufträgen über Liefer- und Dienstleistungen, für die kein Gesamtpreis angegeben wird, ist gem. § 3 Abs. 11 VgV Berechnungsgrundlage für den geschätzten Auftragswert bei zeitlich begrenzten Aufträgen mit einer Laufzeit von bis zu 48 Monaten der Gesamtwert für die Laufzeit dieser Aufträge (Nr. 1), und bei Aufträgen mit unbestimmter Laufzeit oder einer Laufzeit von mehr als 48 Monaten der 48-fache Monatswert (Nr. 2).
Der Auftraggeber muss eine ernsthafte Prognose über den voraussichtlichen Auftragswert erstellen oder erstellen lassen. Die Prognose zielt darauf ab festzustellen, zu welchem Preis die in den Vergabeunterlagen beschriebene Leistung voraussichtlich unter Wettbewerbsbedingungen beschafft werden kann (Lausen, in: Heiermann/Zeiss/Summa, juris PK-Vergaberecht, 5. Aufl., § 3 VgV Rn. 13).
Die Schätzung ist vom Auftraggeber nach objektiven Kriterien, ausgehend von der zu beschaffenden Leistung und aktuellen Marktlage aufgrund einer sorgfältigen betriebswirtschaftlichen Finanzplanung durchzuführen (Senatsbeschluss vom 12. Juli 2007 - 13 Verg 6/07, VergabeR 2007, 808 ff., juris Rn. 29; OLG München, Beschluss vom 28. September 2005 - Verg 19/05; OLG Koblenz, Beschluss vom 6. Juli 2000 - 1 Verg 1/99). Der Wert darf nicht in der Absicht geschätzt oder aufgeteilt werden, den Auftrag der Anwendung der Vergabebestimmungen zu entziehen (vgl. § 3 Abs. 2 VgV; Senatsbeschluss, a.a.O.). Im Nachprüfungsverfahren trägt der Antragsteller die Darlegungs- und Beweislast für die Frage, ob der Schwellenwert erreicht oder überschritten ist; entscheidend ist die Sicht ex-ante (Lausen, a.a.O., Rn. 20).
Hält sich der Auftraggeber innerhalb dieses Rahmens, steht ihm ein Beurteilungsspielraum zu, der von den Nachprüfungsinstanzen beachtet werden muss (Senatsbeschluss vom 12. Juli 2007, a.a.O.).
bb) Wegen der Bedeutung des Schwellenwertes ist es erforderlich, dass die Vergabestelle die ordnungsgemäße Ermittlung des geschätzten Auftragswerts in einem Aktenvermerk festhält, wobei die Anforderungen an die Genauigkeit der Wertermittlung und der Dokumentation (vgl. § 8 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 VgV) steigen, je mehr sich der Auftragswert dem Schwellenwert annähert (Senatsbeschluss vom 12. Juli 2007; OLG Rostock, Beschluss vom 20. September 2006 - 17 Verg 8/06; OLG Schleswig, Beschluss vom 30. März 2004 - 6 Verg 1/03). Der Begriff "Vergabeverfahren" ist dabei nicht formell, sondern materiell zu verstehen (vgl. Senatsbeschluss vom 12. Juli 2007, a.a.O., Rn. 28), was auch für die Dokumentationspflicht gilt. Dass eine solche besteht, ergibt sich für Verfahren, die im Unterschwellenbereich bleiben, ferner aus dem Primärrecht der Europäischen Union, sofern - was vorliegend anzunehmen ist, weil der Auftrag mit Blick auf die angesprochenen Branchenkreise und ihre Bereitschaft, ggf. auch in Anbetracht des Volumens und des Orts der Auftragsdurchführung für einen ausländischen Bieter interessant sein kann (Senatsurteil vom 23. Februar 2016 - 13 U 148/15, juris Rn. 13; EuG, Urteil vom 20. Mai 2010 - T-258/06, juris Rn. 87 f.) - ein grenzüberschreitendes Interesse am Auftrag zu bejahen ist.
Diesen Anforderungen werden die sich aus den Vergabeakten ergebenden Überlegungen des Antragsgegners ersichtlich nicht gerecht. Dort findet sich lediglich ein undatierter Vermerk, wonach der geschätzte Auftragswert nicht genau bestimmbar sei, weshalb gemäß § 3 Abs. 11 VgV das 48-fache des geschätzten Monatsentgelts, rund 145.000 € brutto (= rd. 120.000 € netto) zu Grunde gelegt werde, was dem später von der Antragsgegnerin angenommen Nettowert von ca. 122.000 € ungefähr entspricht, ohne dass dies näher erläutert worden wäre.
Die erforderliche Dokumentation, aus der sich der angenommene Auftragswert herleiten lässt, hat die Antragsgegnerin aber spätestens durch Übergabe der zur Vorlage bei der ...-Bank hergestellten Kostenübersicht der Sanierungsmaßnahme der Jahre 1986 bis 2008 in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 13. Juni 2017 nachgeholt (vgl. dazu im Einzelnen nachfolgend (3)), was als solches zulässig ist (BGH, Beschluss vom 8. Februar 2011 - X ZB 4/10, juris Rn. 73; Zeise, in: Kulartz/Kus/Marx/Portz/Pries, Kommentar zur VgV, § 8 Rn. 21). Soweit sich die Antragstellerin zur Stützung ihrer abweichenden Auffassung auf ältere Rechtsprechung des Senats beruft (Beschlüsse vom 11. Februar 2010 - 13 Verg 16/09, und vom 12. Mai 2010 - 13 Verg 3/10), übersieht sie die unter Berücksichtigung der vorstehend zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ergangenen neueren Senatsbeschlüsse (vgl. Senatsbeschlüsse vom 10 November 2016 - 13 Verg 7/16, juris Rn. 35, und vom 13. Mai 2013 - 13 Verg 13/12, juris Rn. 31).
Soweit es an einer ordnungsgemäßen Schätzung durch den Auftraggeber fehlt, haben die Vergabenachprüfungsinstanzen den Auftragswert zudem ohnehin eigenständig zu schätzen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 12. Juli 2007, a.a.O., Rn. 34, und vom 19. August 2009 - 13 Verg 4/09, juris Rn. 27). Vergabekammer und Vergabesenat sind daher zur eigenständigen Wertermittlung verpflichtet und berechtigt (Oberlandesgericht Brandenburg, Beschluss vom 29. Januar 2013 - VergW 9/12, juris Rn. 60).
cc) Dem pflichtgemäß geschätzten Auftragswert liegt der Wert zugrunde, den ein umsichtiger und sachkundiger öffentlicher Auftraggeber nach sorgfältiger Prüfung des relevanten Marktsegmentes und im Einklang mit den Erfordernissen betriebswirtschaftlicher Finanzplanung bei der Anschaffung der vergabegegenständlichen Sachen bzw. Leistungen veranschlagen würde (OLG Brandenburg, a.a.O., Rn. 59 m.w.N.). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Schätzung ist der Tag der Absendung der Auftragsbekanntmachung oder Einleitung des Vergabeverfahrens auf sonstige Weise (§ 3 Abs. 3 VgV).
(1) Bei der Schätzung des Auftragswerts ist vorliegend - wie die Antragsgegnerin und ihr folgend die Vergabekammer zutreffend angenommen haben - nicht auf § 3 Abs. 1, sondern auf § 3 Abs. 11 Nr. 2 VgV abzustellen. Folglich ist auch § 3 Abs. 1 Satz 2 VgV (etwaige Optionen und Verlängerungen) nicht einschlägig.
Während - wie einleitend ausgeführt - bei § 3 Abs. 1 VgV auf den voraussichtlichen Gesamtwert der Leistung abzustellen ist, ist gem. § 3 Abs. 11 Nr. 2 VgV bei Aufträgen über Liefer- oder Dienstleistungen, für die kein Gesamtpreis angegeben wird, die Berechnungsgrundlage für den geschätzten Auftragswert bei Aufträgen mit unbestimmter Laufzeit oder mit einer Laufzeit von mehr als 48 Monaten der 48-fache Monatswert.
(a) Einen Gesamtpreis hat die Antragsgegnerin im Zusammenhang mit der nicht angegeben. Dazu passt, dass in den s unterlagen, die den potentiellen Bietern übersandt worden sind, nur die Aufgaben, die voraussichtlich [Hervorhebung durch den Senat] Gegenstand des Tätigkeits- und Aufgabenspektrums des Treuhandträgers sein würden, genannt worden sind. Anzugeben war von den Bietern ebenfalls kein Gesamtpreis, sondern nur Vergütungsstundensätze (Bl. 45 ff., 47 VgK I).
Dass sie keinen Gesamtpreis angegeben hat und auch nicht angeben konnte - nichts anderes ist im Übrigen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erörtert worden - hat die Antragsgegnerin nachvollziehbar damit begründet, dass im Zeitpunkt der Ausschreibung, mit der ein zukünftiger Vertragspartner als Treuhandträger gesucht wurde, nicht abzuschätzen war, welchen Umfang und welche Dauer die zu vergebende Leistung haben würde, womit die von den Bietern lediglich abgefragten Stundensätze und die noch nicht abschließend festgelegte - nur pauschal beschriebene - Aufgabestellung korrelieren. Der Auftragsumfang war mithin nicht abschließend festgelegt und Änderungen denkbar. Gegen die Möglichkeit, einen bestimmten Auftragswert zu benennen spricht ferner die ungewisse Dauer der Maßnahme. In der Bekanntmachung ist ein Zeitraum zwischen dem 1. Januar 2017 und dem 31. Dezember 2025 angegeben, der jedoch verlängert werden kann (Anlage Ast 2, Bl. 43 Vgk I).
(b) Die Antragstellerin kann sich nicht darauf berufen, dass sich der voraussichtliche Gesamtwert des zu vergebenden Auftrags aus der Kosten- und Finanzübersicht des ISEK-Berichts (Punkt Nr. 9) ergab. Soweit dort die als förderfähig angesehenen Maßnahmen für die Sanierung des Untersuchungsgebiets Stadt B. G. "Altstadt" aufgelistet und den förderspezifischen Kostengruppen zugeordnet worden sind, lassen sich daraus keine belastbaren Schlussfolgerungen für den in Rede stehenden Auftragswert für die Vergabe der Sanierungstreuhänderleistungen ziehen. Insbesondere kann der in der Tabelle "Ausgaben-Untersuchungsgebiet Stadt B. G. 'Altstadt'" unter Punkt Nr. 6 "Vergütung von Sanierungsträgerleistungen, Projektmanagement, sonstige Beauftragte", Unterpunkt 6.1 aufgeführte Betrag von 313.080 €, der dem maximal förderfähigen Betrag für die Sanierungsträgerleistungen (6 % vom Gesamtbetrag ohne Grunderwerb) entspricht, nicht mit dem Auftragswert gleichgesetzt werden.
Dabei handelt es sich vielmehr - worauf die Antragsgegnerin zutreffend hingewiesen hat - lediglich um die maximal förderfähigen Kosten auf der Basis des unterstellten Maximalbudgets der Sanierungsmaßnahme zur erfolgreichen Umsetzung der in dem ISEK-Bericht dargestellten Ziele auf der Grundlage von Nr. 5.3.1. Abs. 4 der Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung städtebaulicher Erneuerungsmaßnahmen (Städtebauförderungsrichtlinie - R-StBauF, Runderlass des Ministeriums des Sozialen vom 17. Januar 2015 - 501.1-21201.2.17, Niedersächsisches Ministerialblatt 49/2015, Seite 1570, vgl. Bl. 555 ff. VgK II).
Dass Kosten in dieser Größenordnung voraussichtlich anfallen werden, war und ist jedoch ungewiss.
Die Antragsgegnerin hat dazu vorgetragen, der tatsächliche Umfang der Sanierungsträgerkosten habe weder im Zeitpunkt des ISEK-Berichts noch zur Zeit der Ausschreibung der Leistungen festgestanden, sondern diese Kosten könnten nach oben oder unten differieren. Es gebe noch keine konkreten Anhaltspunkte, um dies überhaupt einschätzen zu können. Dies erscheint mit Blick auf die Unwägbarkeiten der Finanzierung der Sanierungsmaßnahme plausibel.
Die Fördermittel sind - unstreitig - erst zu einem geringen Teil, 500.000 €, bewilligt worden. Im Übrigen ist anzunehmen - wovon auch die Gremien der Antragsgegnerin ausgegangen sind -, dass die Ausgaben der Sanierungsmaßnahme nicht durch mögliche Fördermittel gedeckt werden können (vgl. Protokolle des Stadtentwicklungsausschusses vom 21. September 2015, Bl. 528 VgK II, des Verwaltungsausschusses vom 6. Oktober 2015, Bl. 529 VgK II, und des Rates ebenfalls vom 6. Oktober 2015, Bl. 530 VgK II). Die weitergehende Finanzierung bedarf jeweils einer demokratischen Legitimation durch den Rat, wobei weder die finanziellen Verhältnisse im Einzelnen noch die politische Zustimmung im Rat - ggf. unter Berücksichtigung von durch Kommunalwahlen beeinflusster Mehrheitsverhältnisse im Rat und den Ausschüssen - vorhergesehen werden können.
Dafür, dass der zeitliche und finanzielle Rahmen einer komplexen Sanierungsmaßnahme nicht hinreichend abgeschätzt werden kann, spricht indiziell zudem die Dauer des früheren Sanierungsverfahrens im Stadtbereich der Antragsgegnerin von insgesamt 22 Jahren.
(c) Abweichendes ergibt sich auch nicht auf den Vorschriften des Baugesetzbuches über den Ablauf von städtebaulichen Sanierungsmaßnahmen (§§ 136 ff. BauGB). Insbesondere steht die Vorschrift des § 159 BauGB der mangelnden Möglichkeit der Schätzung der Sanierungsträgerleistungen nicht entgegen.
(aa) Der Begriff der städtebaulichen Sanierungsmaßnahme wird in § 136 Abs. 2 Satz 1 BauGB definiert. Die Vorbereitung der Sanierung ist in § 140 BauGB geregelt. Nach § 141 BauGB hat die Gemeinde vor der förmlichen Festlegung eines Sanierungsgebiets die vorbereitenden Untersuchungen - wie hier mit dem ISEK-Bericht erfolgt - durchzuführen oder zu veranlassen, die erforderlich sind, um Beurteilungsgrundlagen über die Notwendigkeit der Sanierung, die sozialen, strukturellen und städtebaulichen Verhältnisse und Zusammenhänge sowie die Planung und Durchführung der Sanierung zu gewinnen (Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Loseblattsammlung, Stand: Februar 2017, Vorb §§ 126-164b, Rn. 48), um das Sanierungsgebiet zweckmäßig abgrenzen und förmlich festlegen zu können (vgl. Krautzberger, a.a.O., § 141 Rn. 1). Zwar müssen sich bereits in der vorbereitenden Untersuchung Aussagen unter anderem auch in Bezug auf die voraussichtlichen - überschlägig ermittelten - Gesamtkosten der Sanierung finden (vgl. Krautzberger, a.a.O., Rn. 33). Verlässliche Aussagen über die finanzielle Leistungsfähigkeit der Gemeinde und damit die Bereitstellung von Mitteln können aber nur für das jeweilige Haushaltsjahr und für den Zeitraum der 5-jährigen Finanzplanung der Gemeinde gemacht werden (Krautzberger, a.a.O.).
Von der Aussicht auf die Finanzierbarkeit und damit die Durchführbarkeit der Maßnahme in einem absehbaren Zeitraum zu unterscheiden ist die formelle Kosten- und Finanzierungsübersicht nach § 149 BauGB (Krautzberger, a.a.O., Rn. 39), die vorliegend erst durch den Sanierungstreuhänder erfolgen sollte (vgl. Anlage Ast 4, Nr. 6, Bl. 46 VgK I). Sie begründet die Verpflichtung für die Aufstellung einer Kosten- und Finanzierungsübersicht "nach dem Stand der Planung" (§ 149 Abs. 1 Satz 1 BauGB). Sie ist dementsprechend nicht "statisch", sondern gibt die dem Stand der Sanierung entsprechende "laufende" Planung wieder, woraus folgt, dass die Kosten- und Finanzierungsübersicht auf Fortschreibung und gegebenenfalls Konkretisierung ausgelegt ist (Krautzberger, a.a.O., § 149 Rn. 17). Schon dies zeigt, wie wenig aussagekräftig Überlegungen aus der Anfangsphase der Sanierung sind.
(bb) Auch aus den Vorschriften über den Sanierungsträger, insbesondere § 159 Abs. 2 BauGB, lässt sich nichts ableiten, was die Auffassung der Antragstellerin für den von ihr für richtig gehaltenen Auftragswert stützt.
Die Gemeinde kann sich zur Erfüllung von Aufgaben, die ihr bei der Vorbereitung oder Durchführung der Sanierung obliegen, eines geeigneten Beauftragten bedienen (§ 157 Abs. 1 Satz 1 BauGB). Die Aufgaben dürfen einem Sanierungsträger im Sinne von § 158 BauGB übertragen werden.
Gemäß § 159 Abs. 1 Satz 1 BauGB erfüllt der Sanierungsträger die ihm von der Gemeinde übertragenen Aufgaben nach § 157 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 oder 2 BauGB entweder - wie vorliegend ausgeschrieben - im eigenen Namen für Rechnung der Gemeinde als deren Treuhänder oder im eigenen Namen für eigene Rechnung. § 159 Abs. 2 BauGB sieht vor, dass die Gemeinde und der Sanierungsträger mindestens die Aufgaben, die Rechtsstellung, in der sie der Sanierungsträger zu erfüllen hat, eine von der Gemeinde zu entrichtende angemessene Vergütung und die Befugnis der Gemeinde zur Erteilung von Weisungen durch schriftlichen Vertrag festlegen.
Eine genaue Leistungsbeschreibung ist jedoch selten möglich (Köhler/Möller, in: Schrödter, BauGB, 8. Aufl., § 159 Rn. 9), weil zu Beginn einer Sanierungsmaßnahme die einzelnen anfallenden Aufgaben in ihrem wirklichen Leistungsumfang in der Regel nicht voll übersehen werden können (Bauernfeind/Krautzberger, a.a.O., § 159 Rn. 51), weshalb sich die Vergütung im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses - und folglich ebenso bei der Ausschreibung - der Höhe nach nur schwer im leistungsgerechten Umfang vorhersehen lässt (Bauernfeind/Krautzberger, a.a.O.). Es ist daher üblich, dass die Gemeinden einen Rahmenvertrag schließen, der nur eine grobe Umschreibung der vom Träger zu erbringenden Leistungen und die Berechnungsart - nicht die Höhe - der an den Träger zu zahlenden Vergütung - nach Stundensätzen - sowie allgemeine Regelung zur Vertragsabwicklung zum Inhalt hat (Bauernfeind/Krautzberger, a.a.O., Köhler/Möller, a.a.O., Rn. 10). Die Antragstellerin hat selbst - zutreffend - darauf hingewiesen, dass die Vergütung des Sanierungstreuhänders wegen der regelmäßig über ein Jahrzehnt wirkenden Tätigkeit und der damit einhergehenden Unsicherheit regelmäßig auf Stundenbasis erfolgt. Dass die Bieter dazu aufgefordert worden sind, nur Stundensätze anzugeben und die Vergabekammer diesen Umstand berücksichtigt hat, ist daher nicht zu beanstanden.
Dementsprechend sind in den Bewerbungsunterlagen auch nur die "voraussichtlichen" Aufgaben des Treuhandträgers in den dem Interessenten übersandten Informationen aufgelistet worden (Punkte 1 bis 16, u.a. Maßnahmekoordination, Öffentlichkeitsarbeit, Vorschläge zur Durchführung von Maßnahmen, Erschließungs- und Finanzierungsprogramm, Unterstützung der Gemeinde, Aufstellung von Kosten- und Finanzierungsübersichten, Mitwirkung an der Durchführung und Organisation von Bürgerversammlungen, Verhandlung, Beratung und Unterstützung von Eigentümern in Finanzierungsfragen, Erwerb von bebauten und unbebauten Grundstücken), was impliziert, dass es eine abschließende Festlegung der Aufgaben zumindest im Zeitpunkt der Ausschreibung noch nicht gegeben hat. Ferner sollte die Auswahl des Vertragspartners neben den Kriterien Erfahrung im Umgang mit Städtebauförderprogrammen in Niedersachsen, städtebaulichem Denkmalschutz von der Höhe des Vergütungsstundensatzes abhängen (vgl. Bl. 48 VGK I).
Selbst wenn man annimmt, dass in dem nach der Vergabeentscheidung über die Sanierungstreuhänderleistungen abzuschließenden Vertrag bestimmte Aufgaben und deren Vergütung aufgeführt werden müssen, würde dies noch nichts dazu aussagen, mit welchem für die Vergütung im Ergebnis maßgeblichen Zeitaufwand zu rechnen ist. Entscheidend kommt es ohnedies auf den Zeitpunkt der Auftragsbekanntmachung an (§ 3 Abs. 3 VgV).
§ 164a BauGB bezieht sich hingegen nur auf den Einsatz von Fördermitteln. Rückschlüsse auf den Auftragswert lassen sich daraus nicht ziehen.
(cc) Hinzu kommt ferner, dass die Antragsgegnerin unwidersprochen hat, die tatsächliche Inanspruchnahme der Leistungen werde auch davon abhängen, ob die Antragsgegnerin im Bereich des "Sanierungswesens" einen weiteren Mitarbeiter zur Verfügung gestellt bekomme, weshalb mehr Aufgaben von Seiten der Gemeinde selbst durchgeführt werden könnten.
(2) Der Auftragswert in Höhe des 48-fachen Monatswerts beträgt auf der Grundlage der von der Antragsgegnerin im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 13. Juni 2017 offengelegten Aufstellung über die Kosten der früheren zwischen 1986 und 2008 durchgeführten Sanierungsmaßnahme "B. G. Innenstadt" (Bl. 455 bis 468 GA II), die mit Blick auf das neue Projekt "B. G. Altstadt" grundsätzlich vergleichbar sind, 122.000 €. Zu dem gleichen Ergebnis würde eine eigene Schätzung des Senats führen.
Die Summe der Kosten für den Sanierungsträger beliefen sich nach der Aufstellung auf insgesamt 499.924,62 € (Seite 12, Bl. 467 GA II), was für den Zeitraum 1986 bis zum Abschluss der Maßnahme Ende 2008 (22 Jahre = 264 Monate) einen Durchschnittswert von 1.893,65 € pro Monat ergibt. Rechnet man diesen auf 48 Monate hoch, ergibt sich ein Betrag von 90.895,20 €, was deutlich unterhalb des Schwellenwerts von 209.000 € liegt. Den von der Antragsgegnerin unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich inflationsbedingt eingetretenen Preissteigerung mit 122.000 € (netto) um 25,5 % höher geschätzte Wert, erachtet der Senat daher als realistisch.
Soweit die Antragstellerin eingewandt hat, die vorgelegten Zahlen seien deshalb ohne Aussagekraft, weil die damalige Sanierungsmaßnahme letztlich nicht fertiggestellt, sondern abgebrochen worden sei, lässt sich daraus schon in Anbetracht dessen, dass der hier angenommene Wert noch nicht einmal in der Nähe des Schwellenwerts liegt, nicht der Schluss ziehen, der Auftragswert sei deswegen zu niedrig geschätzt worden, zumal es Anhaltspunkte für den Umfang nicht mehr ausgeführter Leistungen nicht gibt. Im Gegenteil zeigt der Umstand, dass nicht alle ursprünglich beabsichtigten Maßnahmen ausgeführt worden sind, gerade die Ungewissheit, mit der derartige Projekte behaftet sind. Eine verkürzte und im Ergebnis verzerrte und daher nicht realistische Sichtweise stellte es dar, wollte man - wie von der Antragstellerin im Verhandlungstermin vor dem Senat erwogen - isoliert etwa nur die ersten fünf Jahre der Maßnahme - 1986 bis 1990 - herauszugreifen, in denen Sanierungsträgerkosten von allein 264.207,36 € angefallen sind, oder auf einen anderen die Gesamtdauer unterschreitenden Zeitabschnitt abzustellen.
Ebenso wenig ist anzunehmen, der Auftrag sei noch nicht "ausschreibungsreif" gewesen. Ausgeschrieben waren Sanierungsträgerleistungen, deren Inhalt zwar umrissen ist, deren konkrete Umsetzung und Ausgestaltung aber erst vom Sanierungsträger erarbeitet werden soll, u.a. deshalb weil noch feststeht und nicht feststehen kann, welche der geplanten Sanierungsmaßnahmen tatsächlich umgesetzt werden können und sollen. Für diesen Sanierungsträger-Auftrag waren auch die notwendigen Haushaltsmittel vorhanden. Gegenteilige Anhaltspunkte liegen jedenfalls nicht vor.
Zu keinem anderen Ergebnis gelangt man, wenn man - wie die Vergabekammer - den unter Nr. 9 des ISEK-Berichts aufgeführte Betrag für die maximal förderfähigen Sanierungsträgerkosten (313.080 €) unter Berücksichtigung der dort angenommenen Mindestlaufzeit von zehn Jahren (120 Monaten) zugrunde legt. Dann errechnet sich der von der Vergabekammer ermittelte Auftragswert von 125.232 € (netto) (313.080 : 120 = 2.609 € x 48 Monate). Die Sanierungsträgerkosten ermitteln sich wiederum aus dem maximal förderfähigen Betrag der Gesamtmaßnahme (6 % von 5.376.550 €).
Zwar ist denkbar, dass die Sanierungsträgerkosten von dem maximal förderfähigen Betrag abweichen können, ohne dass es aber Hinweise auf gesicherte Erkenntnisse dazu gäbe.
Im Übrigen geht die Vergabekammer Brandenburg in der von der Antragstellerin in Bezug genommene Entscheidung der vom 9. September 2005 (1 VK 33/05) sogar nur von einem Anteil von Sanierungsträgerkosten an den Gesamtkosten zwischen 1 % und 4 % aus, was hier zu geringeren Kosten führen würde. Selbst wenn auf der Grundlage des Vortrags der Antragsgegnerin betreffend die frühere Sanierungsmaßnahme annehmen wollte, der Anteil an Sanierungsträgerkosten beliefe sich auf gut 7 % von 5.376.550 € (= 376.358,50 €), würde sich das Ergebnis nur unwesentlich erhöhen (376.358,50 € : 120 x 48 = 150.543,39 €).
Abweichende Zahlen zeigt die Antragstellerin nicht auf.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 175 Abs. 2 i.V.m. § 78 GWB. Die Antragstellerin hat die Kosten ihrer erfolglos gebliebenen sofortigen Beschwerde zu tragen. Billigkeitsgesichtspunkte, die eine abweichende Kostenverteilung rechtfertigen würden, sind nicht ersichtlich. Gleiches gilt für die Kosten des Verfahrens nach § 173 Abs. 1 Satz 3 GWB, das ebenfalls nach den Grundsätzen des Obsiegens und Unterliegens in der Hauptsache zu beurteilen ist (vgl. Senatsbeschluss vom 12. Mai 2005 - 13 Verg 6/05; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27. April 2005 - VII-Verg 10/05). Insoweit ist zu berücksichtigen, dass Sinn und Zweck der Anordnung nach § 173 Abs. 1 Satz 3 GWB vor allem darin bestehen, während des laufenden Nachprüfungsverfahrens zu verhindern, dass der Zuschlag einem anderen Bieter erteilt wird. Billigkeitsgesichtspunkte rechtfertigen eine andere Entscheidung nicht, zumal die Verlängerung der aufschiebenden Wirkung mit Beschluss vom 22. Februar 2017 nur für einen Übergangszeitraum angeordnet und mit Beschluss vom 8. Mai 2017 der Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung zurückgewiesen und der vorgehende Senatsbeschluss für gegenstandslos erklärt worden ist.
Die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts ist im Beschwerdeverfahren - ohnehin ein Anwaltsprozess - nicht gesondert auszusprechen (Summa, in: jurisPK, 4. Aufl., § 120 GWB [a. F.] Rn. 53).
Der Beschwerdewert folgt aus § 50 Abs. 2 GKG (5 % der Bruttoauftragssumme), wobei der Senat das Interesse der Antragstellerin, mithin den Betrag von 313.080 € zzgl. 19 % Umsatzsteuer, mithin 372.565,20 € zugrunde gelegt hat.