Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 24.04.2002, Az.: 8 A 421/00

Einlagerungsentgelt für den Hausmüll in einer Mülldeponie; Prognoseentscheidung der entsorgungspflichtigen Behörde bei der Planung ihrer Deponie; Benutzungsgebühr als Gegenleistung für die Nutzung der öffentlichen Abfallbeseitigungseinrichtung; Benutzungsgebühren als Gegenleistung für die Inanspruchnahme öffentlicher Einrichtungen aufgrund einer Satzung

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
24.04.2002
Aktenzeichen
8 A 421/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 30657
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGBRAUN:2002:0424.8A421.00.0A

Fundstellen

  • AbfallR 2003, 1545
  • AbfallR 2003, 154
  • AbfallR 2003, 41
  • NVwZ-RR 2003, 344-345 (Volltext mit amtl. LS)
  • NuR 2005, 744 (amtl. Leitsatz)

Verfahrensgegenstand

Abfallgebühr

In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Verwaltungsgericht Braunschweig - 8. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 24. April 2002
durch
den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichts Büschen,
den Richter am Verwaltungsgericht Tscherning,
den Richter am Verwaltungsgericht Hachmann sowie
die ehrenamtliche Richterin und
den ehrenamtlichen Richter
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Verfahrenskosten;

insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks in Salzgitter. Mit Bescheid vom 24.01.2000 wurde der Kläger, der über einen Restabfallbehälter sowie über einen Bioabfallbehälter verfügt, für das Jahr 1999 zu Abfallgebühren in Höhe von 696,78 DM herangezogen. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch, zu dessen Begründung er im Wesentlichen ausführte, die Gebührenkalkulation sei fehlerhaft. Das Einlagerungsentgelt für den Hausmüll aus dem Landkreis Goslar werde mit 132,96 DM je Tonne, dasjenige für den Hausmüll aus der Stadt Salzgitter mit 334,00 DM je Tonne in die Kalkulation eingestellt. Dies bedeute einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz, weil ein gleicher Tatbestand, nämlich die Ablagerung von Hausmüll auf der Deponie in Salzgitter, ohne erkennbaren Grund oder nachvollziehbare Rechtfertigung völlig ungleich behandelt werde. Er müsse für die Ablagerung seines Hausmülls nahezu das Dreifache wie der Hausmüllerzeuger aus dem Landkreis Goslar entrichten, so dass das Äquivalenzprinzip in gröblichster Weise verletzt sei. Auch die Annahme von Hausmüll aus dem Landkreis Goslar mit dem Ziel, die Kosten des Deponiebetriebes auf mehr Gebührenpflichtige zu verteilen und damit die Gebühren zu senken, erlaube es nicht, in so eklatanter Weise gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung zu verstoßen.

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Den Widerspruch des Klägers gegen den Gebührenbescheid vom 24.01.2000 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29.08.2000 zurück.

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Zur Begründung führte die Beklagte aus, die der Gebührenerhebung zugrunde liegende Gebührensatzung sei rechtens. Insbesondere ergebe sich aus der Tatsache, dass mit dem Landkreis Goslar ein geringeres Mitbenutzungsentgelt für die Deponie Diebesstieg vereinbart sei, kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz und das Äquivalenzprinzip. Nach § 28 des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes könne die zuständige Behörde den Betreiber einer Abfallbeseitigungsanlage verpflichten, den Entsorgungsträgern (z.B. dem Landkreis Goslar) die Mitbenutzung der Abfallbeseitigungsanlage gegen ein angemessenes Entgelt zu gestatten, soweit dieser auf eine andere Weise den Abfall nicht zweckmäßig oder nur mit erheblichen Mehrkosten beseitigen könne und die Mitbenutzung für den Betreiber zumutbar sei. Sie habe mit dem Landkreis Goslar auf freiwilliger Basis eine Vereinbarung über die Entsorgung von Abfällen getroffen, und zwar auch vor dem Hintergrund, dass sich der Landkreis Goslar während eines Entsorgungsnotstandes ihr gegenüber kooperativ gezeigt habe. Die dafür erforderliche Genehmigung der Bezirksregierung Braunschweig sei erteilt worden. Auch bei einer vertraglichen Mitbenutzungsvereinbarung richte sich das zu zahlende Entgelt nach den Kriterien des § 28 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz. Das Entgelt sei, der Rechtsprechung folgend, als sachbedingte Einnahme nicht dem allgemeinen Haushalt zugeführt, sondern bei der Kalkulation des Gebührensatzes berücksichtigt worden. Dadurch sei z.B. 2000 eine Verhinderung des Gebührenanstieges von 334,00 DM je Tonne auf 407,00 DM je Tonne (ohne den Landkreis Goslar) erreicht worden, somit eine nachweisbare Entlastung des Gebührenzahlers der Stadt. Aus der betriebswirtschaftlichen Betrachtungsweise folge, dass die Einwohner Salzgitters im Ergebnis nicht mit betriebsbedingten Kosten Dritter belastet würden. Sie müssten keine durch Dritte verursachte Unterdeckung ausgleichen. Der Gleichheitsgrundsatz besage, dass bei einem im Wesentlichen gleichen Umfang der Benutzung von Einrichtungen etwa gleich hohe Gebühren zu entrichten seien. Das Äquivalenzprinzip verlange, dass zwischen der Leistung der öffentlichen Hand und der sich hierfür ergebenden Gebühr kein Missverhältnis bestehen dürfe. Somit liege ein Verstoß gegen beide Prinzipien nicht vor.

4

Daraufhin hat der Kläger Klage erhoben, mit der er sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren vertieft. Ergänzend trägt er vor, der Landkreis Goslar habe sich geschickt die Konkurrenzsituation mit dem Landkreis Osterode zum Nutzen gemacht und den Preis entsprechend gedrückt. Ursprünglich sei nämlich ein Entgelt in Höhe von 293,00 DM vorgesehen gewesen. Um weiterhin Abfallmengen für die Deponie Diebesstieg zu bekommen, habe sich die Beklagte auf ein wesentlich geringeres Mitbenutzungsentgelt eingelassen. Er habe Zweifel, ob das Mitbenutzungsentgelt tatsächlich auch fixe Kosten der Deponie decke. Immerhin habe der Landkreis Goslar zuvor ein Entgelt von 293,00 DM je Tonne gezahlt. Diese Zweifel würden auch nicht durch eine nachträgliche, erst im Jahre 2000 gefertigte Deckungsbeitragsrechnung für 1999 ausgeräumt. Hieraus ergebe sich nicht, unter welcher Kostenposition beispielsweise dem Landkreis Goslar Kosten für Verfüllung, Sickerwasserreinigung, Deponiegasverstromung usw., die durch zusätzlich angelieferte und aufgebrachte Abfallmengen entstünden, zugerechnet würden. Zwar sei die Auffassung vertretbar, dass die kostenmäßige Beteiligung eines Dritten an den Fixkosten dann nicht zwingend sei, wenn diese Kosten ohnehin in gleicher Höhe auch ohne Mitbenutzung des Dritten anfielen, also insgesamt gebührenfähige Kosten seien. Etwas anderes müsse aber dann gelten, wenn die Kosten ohne Mitbenutzung des Dritten nicht ansatzfähig, weil nicht erforderlich seien. Letzteres sei der Fall:

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Es liege nämlich eine gebührenrechtlich relevante Überkapazität der Einrichtung vor, die die Beklagte zu vertreten habe. Sie sei nicht berechtigt, den auf die Überkapazität entfallenden Kostenanteil auf die Gebührenpflichtigen umzulegen. Sie könne sich auch nicht damit entlasten, den Gebührenpflichtigen gewissermaßen ein Bonbon dafür in der Form zu geben, dass sie den Landkreis Goslar an den nicht gebührenfähigen Kosten - in welcher Höhe auch immer - beteilige. Anhand des eigenen Vortrags der Beklagten ergebe sich eine Überkapazität in Höhe von 21%. Diese liege über dem von der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts schon großzügig bemessenen Spielraum. Es ließen sich ohne weiteres Planungsfehler der Beklagten erkennen, die vermeidbar gewesen seien. Der erste Planungsfehler habe schon darin bestanden, dass die Beklagte in Kenntnis der seit Mai 1993 geltenden TA-Siedlungsabfall (TASi) noch im Dezember 1993 eine Deponie habe planfeststellen lassen, hinsichtlicher derer ohne weiteres erkennbar gewesen sei, dass sie niemals bis zum Juni 2005 mit unbehandelten Abfällen verfüllbar sei. Sie hätte schon damals umplanen müssen. Der zweite Planungsfehler sei darin zu sehen, dass sie auch noch im Jahre 1996 an der Verwirklichung des Teilbauabschnittes I b festgehalten habe, obwohl ihr nach eigenem Vortrag schon die Prognose vorgelegen habe, dass die Abfallmengen drastisch zurückgehen würden und sie selbst nur zu einem theoretisch erreichbaren Volumen von 680.000 cbm gekommen sei. Durch die Verwirklichung des Teilabschnittes I b habe die Beklagte daraufhin gleichwohl eine Gesamtkapazität von 827.000 cbm geschaffen. Es habe 1996 keine Notwendigkeit gegeben, an der Verwirklichung des Teilbauabschnittes I b festzuhalten, es sei denn, man plante seinerzeit für Fremdmengen mit. Bezeichnenderweise sei 1995 mit dem Landkreis Goslar schon der erste Anlieferungsvertrag gegen Entgelt geschlossen worden. Zuvor habe der Landkreis sein Rücklieferungskontingent allerdings schon erfüllt gehabt. Die Beklagte habe auch nicht darauf bauen können, dass der Landkreis längerfristig, also über den 30.06.1997 hinaus, anliefern würde. Sie habe somit auch nicht ihre Entscheidung zum Bau des Teilabschnittes I b mit den Anlieferungen des Landkreises rechtfertigen dürfen.

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Aus den von der Beklagten vorgelegten Planungsunterlagen, die auch Prognosen zur Abfallmengenentwicklung enthielten, ergebe sich, dass die Beklagte immer auch Fremdanlieferungen mit berücksichtigt habe, und zwar nicht nur Rücklieferungen aufgrund einer früheren Mitbenutzung der Deponien dieser Dritten, sondern auch Fremdanlieferungen auf vertraglicher Basis, zu deren Annahme sich die Beklagte freiwillig verpflichtet habe. Dadurch werde selbstredend das Bild des eigenen Mengenbedarfs der Beklagten verfälscht. Auch anhand der Zahlen, die das Ingenieurbüro i.w.b. seinen Bedarfsermittlungen zugrunde gelegt habe, seien die darauf aufbauenden Ermittlungen von vornherein zweifelhaft. Dass der Bauabschnitt I a bis zum Jahr 2005 für das eigene Abfallaufkommen der Beklagten ausgereicht hätte, lasse sich einem Vermerk der Beklagten vom 12.07.1996 entnehmen. Danach sei ein Ausbau der Bauabschnitte I b und I c nicht mehr erforderlich, weil unwirtschaftlich.

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Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 24.01.2000 betreffend die Schlussabrechnung 1999 insoweit aufzuheben, als dadurch Gebühren für die Restabfallbeseitigung festgesetzt worden sind sowie den Widerspruchsbescheid vom 29.08.2000 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

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Sie nimmt zunächst Bezug auf die Gründe ihres Widerspruchsbescheides und trägt ergänzend vor:

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Sie habe zu Recht die gesamten Kosten der Abfalldeponie Diebesstieg in die Kostenermittlung der Abfallentsorgungseinrichtung einfließen lassen. Dies gelte auch, soweit die Abfalldeponie ein größeres Deponievolumen aufweise, als derzeit für die Entsorgung eigener Abfälle benötigt werde. Vor dem Erlass der 3. allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Abfallgesetz (TA-Siedlungsabfall) sei eine tatsächliche Überkapazität an Deponieraum nahezu nicht feststellbar gewesen. Insofern habe die ursprüngliche Planung der Deponie Diebesstieg ein weitaus größeres Volumen vorgesehen, als es jetzt zur Ausführung gekommen sei. Zur Feststellung einer tatsächlichen Überkapazität sei vom Stichtag 01.06.2005 auszugehen. Eine Abfallmengenprognose aus dem Dezember 1996 habe bis zu diesem Zeitpunkt ohne die Anlieferung des Landkreises Goslar eine auf der Deponie abzulagernde Abfallmenge von 766.800 Tonnen ergeben, welche einem theoretischen Volumen von ca. 680.000 cbm entspreche. Dem stehe ein Fassungsvermögen der jetzt von ihr hergestellten Schüttfelder des Bauabschnittes I a und I b von ca. 827.000 cbm gegenüber. Dabei handele es sich zwar um eine Überschreitung der benötigten Kapazität von über 21%, gleichwohl ergebe sich daraus noch nicht eine unangemessene Bedarfsüberschreitung. Letztlich könne diese Frage aber dahinstehen, da ihr jedenfalls kein Planungsfehler vorzuwerfen sei. Bei der Herstellung der Deponie habe sie die TASi berücksichtigt, welche die Notwendigkeit der Vorhaltung einer herkömmlichen Deponie mit dem 01.06.2005 entbehrlich mache. Gleichzeitig habe sie auf den Rückgang der Abfallmengen reagiert. Sie habe die zeitgleiche Ausführung der Teilbauabschnitte I b und I c abgebrochen und nur noch den Abschnitt I b hergestellt. Dies stelle sich allerdings als Minimalvariante dar. Die Planung der Deponie habe von vornherein den sukzessiven Ausbau berücksichtigt, wobei auch der Bauabschnitt I in drei Teilschritten hergestellt werden sollte. Auf diese Teilausbauschritte seien alle technischen Vorgaben u.a. für die Gas- und Sickerwassererfassung ausgerichtet. Alle Abweichungen von diesem Konzept hätten zu einer Umplanung und Anpassung an die neuen Gegebenheiten in Bezug auf die bestehenden Systeme geführt. Ein gegenüber der ursprünglichen Planung geänderter Ausbau hätte eine erneute Genehmigung erforderlich gemacht und insoweit auch Kosten verursacht. Änderungen der Planung, für die ein Genehmigungsverfahren durchzuführen gewesen sei, hätten schließlich zu unvertretbaren zeitlichen Verzögerungen geführt. Aufgrund dieser Umstände habe man sich daher entschieden, nicht vom ursprünglichen Konzept abzuweichen und den nach der bisherigen Planung anstehenden Bauabschnitt I b auszuführen. Das sei kein Planungsfehler. Folglich liege auch keine echte Überkapazität vor. Soweit der Kläger meine, die Überkapazität und ein Prognosefehler ergebe sich bereits aus den Angaben in einer Beschlussvorlage vom 15.05.1997, in der dargelegt werde, dass die Fremdanlieferungen auf der Deponie bereits 42,6% der Gesamtabfallmenge ausmachten, könne dem nicht gefolgt werden. Aus einer späteren, von der Prognose abweichenden Entwicklung lasse sich nicht auf einen Prognosefehler schließen. Erforderlich sei vielmehr ein fehlerhaftes Vorgehen bei der Ermittlung der voraussichtlichen Abfallmengen und der Planung der Deponie. Das sei - wie dargestellt - nicht der Fall. Im Übrigen seien in der genannten Beschlussvorlage sämtliche Fremdanlieferungen auf der Deponie der Beklagten zusammengefasst worden. Hierzu gehörten insbesondere auch die vertraglich geregelten Abfallrücklieferungen anderer entsorgungspflichtiger Körperschaften im Zusammenhang mit den Anlieferungen der Beklagten während der Zeit, zu der ihr keine Deponie zur Verfügung gestanden habe. Die Anlieferung des Landkreises Goslar im Jahre 1999 habe jedoch tatsächlich nur einen Anteil von 18,8% der zu deponierenden Abfälle ausgemacht.

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Schließlich sei es in der Situation, in der sie sich befunden habe, es gebührenrechtlich sogar geboten gewesen, die Kosten aufgrund nicht nutzbarer Kapazitäten dadurch zu senken, dass sie Dritten gegen Entgelt eine Nutzung der nicht benötigten Kapazitäten gestattet habe. Eine solche Verpflichtung ergebe sich bereits aus dem Grundsatz der sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung des § 82 Abs. 2 NGO. Das mit dem Landkreis Goslar vereinbarte Entgelt enthalte einen Anteil zur Senkung der übrigen fixen Kosten, die bei dem Betrieb einer Abfalldeponie ohnehin unabhängig von den Mengen regelmäßig gleich seien. Dies gelte für den Personal- und Maschinenbestand, ebenso wie für Abschreibungen und Zinsbelastung, Versicherungsbeiträge und sonstige zukunftsorientierte Kosten, wie Rückstellung für Nachsorge und Rekultivierung der Deponie.

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In der mündlichen Verhandlung sind mit den Beteiligten die Vertragsabschlüsse zwischen der Beklagten und dem Landkreis Goslar erörtert worden. Die Beklagte hat klargestellt, es habe drei Verträge mit dem Landkreis Goslar gegeben: Der erste Vertrag habe sich auf die eigenen Rücklieferungen bezogen. Der zweite Vertrag, der von ihr am 22.07.1995 unterzeichnet worden sei, habe ein Entgegenkommen gegenüber dem Landkreis Goslar dargestellt. Das Entgelt, das in diesem Vertrag vereinbart worden sei, habe demjenigen entsprochen, das auch für die eigenen Gebührenzahler maßgebend gewesen sei. Der dritte Vertrag habe sich auf Lieferungen zu 131,00 DM je Tonne bezogen. Der Vertrag datiere vom 01.07.1997. Die Beklagte hat auf Fragen des Gerichts in der mündlichen Verhandlung zur Deponieplanung weiter ausgeführt: Die Planung aus den Jahren 1988 bis 1993 sei auf ein geschlossenes Konzept ausgerichtet gewesen. Dies bedeute, dass in die Planung auch Überlegungen hinsichtlich der Abdichtung, der Abführung des Sickerwassers und der Gasgewinnung eingeflossen seien. Auch habe die Frage der Rekultivierung eine Rolle gespielt. Es sei nicht ohne weiteres möglich, einen Teil des Schüttfeldes gewissermaßen herauszuschneiden, sondern in einem solchen Fall müsse insgesamt eine Umplanung erfolgen und damit auch eine neue Genehmigung. Die Kosten einer Neuplanung bzw. Umplanung betrügen etwa 10% der Baukosten. Der Abschnitt I b umfasse einen Baukostenaufwand von 7 Mio Deutsche Mark brutto.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die Gegenstand der Verhandlung und Beratung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Abgabenbescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

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Rechtsgrundlagen für die erfolgte Heranziehung des Klägers zu Abfallentsorgungsgebühren sind die §§ 1, 2 Abs. 1 und 2, 7 Abs. 1, 8 Abs. 1 und 10 Abs. 1 der Satzung über die Erhebung von Gebühren für die Abfallentsorgung in der Stadt Salzgitter (Abfallentsorgungsgebührensatzung) i.V.m. § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1 und § 5 NKAG. Hiernach sind die Gemeinden berechtigt, als Gegenleistung für die Inanspruchnahme öffentlicher Einrichtungen aufgrund einer Satzung Benutzungsgebühren zu erheben, um die Kosten der jeweiligen Einrichtung zu decken. Vorliegend erhebt die Beklagte als Gegenleistung für die Nutzung ihrer öffentlichen Abfallbeseitigungseinrichtung und der in diesem Rahmen erbrachten Leistungen der Restabfallentsorgung Gebühren. Die in der Abfallentsorgungsgebührensatzung in § 2 Abs. 2 festgelegten Gebühren für die Entleerung der Restabfallbehälter sind entsprechend den Vorgaben in § 5 Abs. 1 bis 3 NKAG ermittelt worden.

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Die Gebührenkalkulation der Beklagten verstößt nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 GG. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang rügt, die Beklagte verlange für ihre Bürger wesentlich höhere Deponiekosten als sie der Landkreis Goslar zu zahlen habe und darin eine Ungleichbehandlung sieht, verkennt er, dass es sich bereits nicht um vergleichbare Sachverhalte handelt. Der Landkreis Goslar bzw. seine Einwohner sind keine Gebührenpflichtigen im Sinne von § 5 NKAG. Sie unterliegen nicht den satzungsrechtlichen Regelungen, die die Beklagte für ihre öffentliche Einrichtung Abfallentsorgung getroffen hat. So zahlen die Einwohner des Landkreises Goslar letztlich auch keine Gebühren an die Beklagte, sondern mittelbar ein "angemessenes Entgelt" im Sinne von § 28 Abs. 1 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz. Nach dieser Vorschrift kann die zuständige Behörde den Betreiber einer Abfallbeseitigungsanlage verpflichten, die Mitbenutzung dieser Anlage gegen angemessenes Entgelt zu gestatten, soweit dieser auf andere Weise den Abfall nicht zweckmäßig oder nur mit erheblichen Mehrkosten beseitigen kann und die Mitbenutzung für den Betreiber zumutbar ist. Es bestehen also hinsichtlich der Einwohner der Beklagten sowie derjenigen des Landkreises Goslar völlig unterschiedliche Rechtsbeziehungen, was die Ermittlung der Gegenleistung für die Abfallbeseitigung anbelangt. Aus diesem Grund scheidet schon vom Ansatz her ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus.

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Das Gericht folgt auch nicht der Argumentation des Klägers, die Beklagte habe bei ihrer Planung die Deponie Diebesstieg zu groß ausgelegt. Die Planung der Deponie ist auch nicht vordringlich auf die Interessen des Landkreises Goslar (ohne dass entsprechende Abnahmeverpflichtungen zu erfüllen waren) ausgerichtet gewesen.

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Die Beklagte hatte als entsorgungspflichtige Behörde auf der Grundlage der im maßgebenden Zeitpunkt bekannten Tatsachen ihre Prognoseentscheidung zu treffen (vgl. Bayerischer VGH, B. v. 20.10.1997 - 4 N 95.3631 -; Hess. VGH, B. v. 27.04.1999 - 5 N 3909/98 -). Das Gericht prüft, ob die von der Beklagten getroffene Prognose hinsichtlich des künftigen Bedarfs in dem Zeitpunkt, in dem die Entscheidung zur Durchführung der Maßnahme getroffen wurde, vertretbar war, nicht aber, ob die Prognose durch die Ergebnisse nach Ablauf des Zeitraums bestätigt wurde (vgl. Bay. VGH, a.a.O.; OVG Lüneburg, Urt. v. 20.01.2000 - 9 K 2148/99 -). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ergibt sich, dass die Beklagte vor Erlass der TA-Siedlungsabfall bei der Planung ihrer Deponie Diebesstieg mit den drei Bauabschnitten davon ausgehen konnte, diese auch verfüllen zu können.

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Nach Erlass der TASi ergaben sich für die Beklagte Schwierigkeiten in zweierlei Hinsicht. Einerseits waren offenbar alle technischen Vorgaben, u.a. auch für die Gas- und Sickerwasserfassung, auf alle drei Teilausbauschritte ausgerichtet. Eine Abweichung von diesem Konzept hätte zu einer Umplanung und Anpassung an die neuen Gegebenheiten geführt. Hinzu kam ein Rückgang der Restabfallmengen. Die Beklagte trägt nachvollziehbar vor, dass ein gegenüber der ursprünglichen Planung geänderter Ausbau eine erneute Genehmigung erforderlich gemacht und insoweit auch erneut Kosten verursacht hätte. Dies hätte auch zu unvertretbaren zeitlichen Verzögerungen geführt. Deshalb habe man sich entschlossen jedenfalls den nach der bisherigen Planung anstehenden Bauabschnitt I b auszuführen.

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Die Verwaltungsausschussvorlage vom 14.05.1996 enthält die Ergebnisse einer ersten Bedarfsanalyse für die Deponie Diebesstieg bis zum Jahre 2005 unter Berücksichtigung der Restabfallmengen, die im Bereich der Beklagten anfallen, sowie aufgrund von Verträgen, die als Rücklieferungen oder Fremdanlieferungen anzunehmen sind. Als grober Prognosewert wird bis zum Jahre 2005 eine Restabfallmenge von 780.421 cbm angenommen. Die Deponiekapazität für den Bauabschnitt I a wird mit 441.498 cbm angegeben, diejenige für die Bauabschnitte I a und I b mit 680.655 cbm. Die Realisierung aller drei Bauabschnitte ergäbe eine Kapazität von 1.240.847 cbm.

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Bei den Verwaltungsvorgängen findet sich weiterhin eine Füllprognose bezogen auf das Jahr 2005, die die Aussagen in der vorbenannten Verwaltungsausschussvorlage belegt.

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Dem Verwaltungsausschuss lag ferner eine Empfehlung der Fachabteilung zugrunde, die zu dem Ergebnis kommt, dass der Bauabschnitt I a unter Berücksichtigung der Abfallmengen aus Salzgitter im Jahre 1999 und unter Einbeziehung regionaler Entsorgungsnotstände im Jahre 1998 verfüllt sein werde. Hieraus ergibt sich bereits zwingend, dass eine weitere Planung der Beklagten in jedem Falle erforderlich gewesen ist. Hierzu hat - wie dargestellt - die Beklagte auch zutreffend dargelegt, dass man bei dieser weiteren Planung auf den Abschnitt I b zurückgegriffen hat, da die Planung insgesamt ein schlüssiges System ist und alles andere ein neues Genehmigungsverfahren veranlasst hätte. Nachdem man weiterhin feststellte, dass die Realisierung aller drei Bauabschnitte nur zu einer Verfüllung von 60% bis zum Mai 2005 hätte führen können und dass mit dem aus Salzgitter und durch die Rücklieferung anfallenden Abfall die Kapazität der Bauabschnitte I a und I b bis zum Jahre 2005 zu ca. 80% ausgenutzt sein würde, realisierte man letztere Variante. Nach den zwischen den Beteiligten unbestrittenen Berechnungen hat sich daraus eine Überkapazität ergeben, die zwischen 21 und 22% liegt.

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Der Kläger hebt insoweit auf das Urteil des Nds. Oberverwaltungsgerichts vom 08.08.1990 - 9 L 182/89 -; NST-N 1991, 76 - ab und vertritt die Auffassung, es handele sich hier um eine nicht mehr vertretbare Überkapazität, so dass ein Kalkulationsfehler vorliege und damit die Unwirksamkeit der Gebührenermittlung. Dem vermag das Gericht nicht zu folgen. Es trifft zwar zu, dass das Nds. Oberverwaltungsgericht in dem vorgenannten Urteil (es ging um die Überkapazität einer gemeindlichen Kläranlage) einen Wert von 20% als Spielraum für Unwägbarkeiten für nicht unangemessen angesehen hat. Es mag dahinstehen, ob man die Entscheidung, die ja zu Gebühren für leitungsgebundene Einrichtungen ergangen ist, überhaupt als tauglichen Vergleichsfall hier heranziehen kann. Selbst wenn man davon ausgeht, rechtfertigt sich vorliegend die weitere zusätzliche Überschreitung jedenfalls aus der oben beschriebenen besonderen Situation, in der sich die Beklagte nach Erlass der TASi befand. Das ist im Rahmen der Überprüfung der Prognoseentscheidung zu berücksichtigen. Es handelt sich nämlich um veränderte rechtliche Rahmenbedingungen und damit auch eine veränderte Planungssituation. Bei einer solchen Ausnahmesituation ist eine (weitere) geringfügige Überschreitung des Prognosespielraums nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hingewiesen, dass die TASi gewissermaßen ihr Gesamtkonzept, also die Realisierung der Teilbauabschnitte I a, I b und I c, "über den Haufen geworfen hat". Bei dem Abschnitt I a konnte es nicht bleiben, da das Volumen lediglich bei gut 400.000 cbm lag. Die Realisierung aller drei Abschnitte war ebenfalls nicht zu vertreten. Deshalb hat man sich im Rahmen des Beurteilungsspielraums für die "Minimalvariante" I b entschieden, die auch noch zu groß ausgelegt war, für die es aber sachliche Gründe gab. Dazu hat die Beklagte schriftsätzlich sowie in der mündlichen Verhandlung überzeugend vorgetragen und letztlich auch auf die erheblichen Kosten einer Um- bzw. Neuplanung hingewiesen, die sie mit 10% der Baukosten in Höhe von 7 Mio DM beziffert.

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Der Kläger weist zu Unrecht darauf hin, die Beklagte habe sich im Rahmen ihrer Prognoseentscheidung an sachfremden Gesichtspunkten orientiert, indem sie nämlich die Interessen des Landkreises Goslar mit berücksichtigt habe. Soweit es um den ersten Vertrag mit dem Landkreis Goslar geht, bezog sich dieser ausschließlich auf Rücklieferungen, mithin auf das, was die Beklagte gewissermaßen zuvor im Landkreis Goslar abgelagert hatte. Der zweite Vertrag, der 1995 zu den Konditionen abgeschlossen wurde, wie sie auch für die Gebührenzahler im Bereich des Beklagten galten, beinhaltet Lieferungen in Höhe von etwa 56.000 Tonnen. Selbst wenn man diese Menge bei der Prognose unberücksichtigt ließe, hätte die Prognoseentscheidung für das Schüttfeld I b aus den o.g. Gründen (auch wenn sich dadurch eine geringfügige weitere Erhöhung der Überkapazität ergibt) nicht anders getroffen werden können.

25

Der mit dem Landkreis Goslar abgeschlossene dritte Vertrag aus dem Jahr 1997 bleibt bei der Beurteilung der Prognoseentscheidung außer Betracht, da er nach dem maßgeblichen Zeitraum (1995/1996) abgeschlossen worden ist. Der Kläger wird durch die Lieferungen des Landkreises Goslar aufgrund dieses Vertrages auch nicht beschwert. Die Lieferungen führen jedenfalls unstreitig dazu, dass sich die Gebühren für die Einwohner der Beklagten verringert haben. Anders wäre es nur dann, wenn sich die Prognoseentscheidung der Beklagten deshalb als rechtswidrig erwiesen hätte, weil die Deponie unter Verkennung der an die Prognoseentscheidung zu stellenden Maßstäbe zu groß ausgelegt worden wäre oder man gar vordringlich auf die Interessen des Landkreises Goslar abgestellt hätte.

26

Hiernach ist es für die Entscheidung nicht mehr erheblich, inwieweit die Teilkostenrechnung, die zur Ermittlung des Preises für die Goslarer Anlieferungen durchgeführt worden ist, den betriebswirtschaftlichen Grundsätzen im Sinne von § 5 Abs. 2 NKAG entspricht. Bei dieser Teilkostenrechnung ist die Beklagte im Übrigen nicht lediglich von volumenabhängigen Größen ausgegangen, sondern hat auch einen Teil der für die Deponie anfallenden Fixkosten berücksichtigt. Das kommt den Gebührenzahlern der Beklagten zugute.

27

Nach allem ist die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

Büschen
Hachmann
Tscherning