Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 11.04.2002, Az.: 3 A 349/01

Ermessen; Form; Gebrauchtmöbel; Gebrauchtmöbelbezug; gemeinnützige Einrichtung; gemeinnützige GmbH; Gutschein; Hilfe zum Lebensunterhalt; Möbel; Sachleistung; Sozialhilfe; Sozialhilfeträger; Wertgutschein; Zumutbarkeit

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
11.04.2002
Aktenzeichen
3 A 349/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 43769
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Ausgabe von Wertgutscheinen zum Bezug von Gebrauchtmöbeln bei einer maßgeblich vom Sozialhilfeträger beeinflussten gemeinnützigen GmbH stellt eine zumutbare Sachleistung dar.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens; Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

I.

1

Die Klägerin begehrt die Gewährung einer einmaligen Beihilfe zum Erwerb eines zweitürigen Kleiderschrankes in Form einer Geldleistung. Auf ihren Antrag gewährte der Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 27.02.2001 einen Gutschein, der dazu berechtigt, bei der Firma L. Möbel-Shop gGmbH einen zweitürigen Kleiderschrank zu erwerben. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch mit der Begründung ein, ihr stehe eine Geldbeihilfe zum Neukauf eines Kleiderschrankes zu, da sie noch nie während des Sozialhilfebezuges Geld veruntreut habe. Diesen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24.09.2001 mit der Begründung zurück, der Gutschein für die Firma L. stelle eine zumutbare Sachleistung dar, da bei der Beschaffung von Möbeln gebrauchte Gegenstände als angemessene Form der Hilfe zur Verfügung gestellt werden könnten.

2

Hiergegen richtet sich die am 10. Oktober 2001 erhobene Klage, mit der die Klägerin geltend macht, sie habe lediglich eine Beihilfe zum Erwerb eines Möbelstückes ihrer Wahl in einem Geschäft beantragt. Die Möbel bei der Firma L. stammten aus Haushaltsauflösungen und Entrümpelungen. Hierauf brauche sie sich nicht verweisen zu lassen, da sie sich bisher noch nie unwirtschaftlich verhalten habe.

3

Die Klägerin beantragt,

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den Bescheid des Beklagten vom 27.02.2001 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 24.09.2001 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihr eine einmalige Beihilfe zum Erwerb eines zweitürigen Kleiderschrankes in Form einer Geldleistung aus Sozialhilfemitteln zu gewähren.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

7

Er bezieht sich auf die Begründung des Widerspruchsbescheides.

8

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.

9

Die Kammer hat den Rechtsstreit durch Beschluss vom 14.11.2001 der Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen.

Entscheidungsgründe

II.

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Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass ihr eine einmalige Beihilfe zur Deckung ihres Bedarfs an einem zweitürigen Kleiderschrank als Geldleistung anstelle des Gutscheins zum Bezug dieses Schrankes bei der gemeinnützigen GmbH L. gewährt wird.

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Der Beklagte als Sozialhilfeträger entscheidet über die Form der Sozialhilfe grundsätzlich nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 4 Abs. 2 BSHG). Formen der Sozialhilfe sind dabei neben der persönlichen Hilfe die Gewährung von Geldleistungen oder Sachleistungen (§ 8 Abs. 1 BSHG). Dabei stellt die Ausgabe eines Wertgutscheines, welcher nicht allgemein auf dem freien Markt verwandt werden kann, sondern welcher nur zum Bezug bestimmter Gegenstände, wie z.B. gebrauchter Möbel, bei einem Möbellager oder einer entsprechenden Einrichtung des Sozialhilfeträgers oder einer von diesem maßgeblich beeinflussten gemeinnützigen Einrichtung berechtigt, eine Form der Sachleistung dar, da lediglich die Übergabe des Sachgegenstandes an den Hilfebedürftigen durch den Wertgutschein ersetzt wird (vgl. LPK, BSHG, 5. Aufl., § 8 Rz. 170). Da es sich bei der L. gGmbH um eine gemeinnützige Gesellschaft handelt, die maßgeblich vom Beklagten beeinflusst wird, stellt die Ausstellung eines Wertgutscheines zum Bezug von Gebrauchtmöbeln bei dieser Firma sich darum als Form der Sachleistung dar.

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Der Beklagte durfte die Hilfe gemäß § 4 Abs. 2 BSHG in Form eines Wertgutscheines für bei der Firma L. zu beziehende Gebrauchtmöbel gewähren. Zwar muss der Sozialhilfeträger angemessene Wünsche des Hilfeempfängers, die sich auf die Gestaltung der Hilfe richten, berücksichtigen (§ 3 Abs. 1 und 2 BSHG) und den in § 1 Abs. 2 BSHG festgelegten Grundsätzen der Hilfegewährung entsprechen. Laufende Hilfe zum Lebensunterhalt muss danach grundsätzlich in Geld gewährt werden. Dieser Grundsatz kann auf die Bewilligung von einmaligen Beihilfen für Möbel und andere Großgeräte aber nicht übertragen werden. Vielmehr darf der Hilfeempfänger in diesem Bereich auch auf ihm zumutbare Sachleistungen verwiesen werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.03.1991 - 5 C 70.86 - in NDV 1991, 260; VGH Baden Württemberg, B. v. 23.06.1998 - 7 S 2308/97 - in FEVS 49, 168 ff.). Mit der Gewährung eines Berechtigungsscheines zum Erwerb eines gebrauchten Kleiderschrankes wird der Grundsatz des § 1 Abs. 2 Satz 1 BSHG nicht verletzt. Danach ist bei der Hilfegewährung auf die jeweils herrschenden Lebensgewohnheiten und -erfahrungen Rücksicht zu nehmen, die es dem Hilfeempfänger ermöglichen sollen, in der Umgebung von Nichthilfeempfängern ähnlich wie diese zu leben. Unzulässig ist danach eine Verweisung auf eine Art der Hilfegewährung, die der Hilfeempfänger als diskriminierend empfinden müsste, weil sie ihn gegenüber der übrigen Bevölkerung herabsetzt (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.03.1991 - 5 C 70.86 - in FEVS 41, 397). Die Verweisung auf den Erwerb von Gebrauchtmöbeln ist nicht als diskriminierend anzusehen, weil auch in Kreisen von gering verdienenden Nichthilfeempfängern der Erwerb derartiger Gegenstände gebräuchlich und üblich ist. Deswegen ist es nicht ermessenswidrig, wenn der Bedarf an Möbeln auch durch gut erhaltene Gebrauchtmöbel gedeckt wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.03.1991, a.a.O.; Gottschick/Giese, BSHG, Kommentar, 9. Aufl., § 4 Rn. 9.7 m.w.N.). Die Ausgabe des Wertgutscheines für die Anschaffung von Gebrauchtmöbeln ist auch nicht deswegen unzulässig, weil das Verhalten der Hilfeempfängerin keinen Anlass zu der Annahme gegeben hat, sie werde ihr bewilligte Gelder zweckwidrig verwenden (vgl. OVG Lüneburg, B. v. 22.04.1997 - 4 M 1686/97 - in FEVS 48, 121). Trotz des entgegenstehenden Wunsches der Klägerin ist darum die von dem Beklagten gewählte Form der Hilfegewährung unter Ermessensgesichtspunkten aus den Gründen der Sparsamkeit im Umgang mit Mitteln der Sozialhilfe nicht zu beanstanden. Insbesondere in Zeiten anhaltender Belastung der kommunalen Haushalte kann allein dieser Sparsamkeitsgesichtspunkt ausschlaggebend für die Wahl der Leistungsform sein (vgl. Baden Württemberg, B. v. 23.06.1998 in FEVS 49, 168 ff.). Das Wunsch- und Wahlrecht der Klägerin steht dem nicht entgegen, weil auch nach § 3 Abs. 2 Satz 3 BSHG einem solchen Wunsch nur entsprochen werden soll, wenn dies nicht zu unverhältnismäßigen Mehrkosten führt.

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Die Klage ist deswegen mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 i.V.m. § 188 Satz 2 VwGO abzuweisen.