Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 09.04.2002, Az.: 5 A 419/01

BAföG; Berufsakademie; duale Ausbildung; Ergänzungsschule; Verordnungsermächtigung; öffentliche Einrichtung

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
09.04.2002
Aktenzeichen
5 A 419/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 43517
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Kein Anspruch auf (ergänzende) Leistungen nach dem BAföG für den Besuch einer nach dem Nds. BAkadG anerkannten Akademie Hinweis: Das Urteil ist rechtskräftig.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des festzusetzenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden nicht erhoben.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

1

Der am ... geborene Kläger begehrt Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) für den Besuch der Welfenakademie in V..

2

Bei der Welfenakademie handelt es sich um eine Berufsakademie in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins nach dem Niedersächsischen Berufsakademiegesetz. Der Kläger besucht diese Akademie im Rahmen des zwischen ihm und der ... GmbH abgeschlossenen Studien- bzw. Ausbildungsvertrages; der Kläger erhält danach monatlich ein sozialversicherungspflichtiges Entgelt in Höhe von 1.000,-- DM entsprechend 511,029 EUR; wegen der Einzelheiten wird insoweit auf den bei den Verwaltungsvorgängen befindlichen sog. Studienvertrag Bezug genommen.

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Im August 2001 beantragte der Kläger bei dem Beklagten für diese Ausbildung Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz. Nach Rücksprache mit der Bezirksregierung Braunschweig lehnte der Beklagte diesen Antrag mit Bescheid vom 17. Oktober 2001 ab. Zur Begründung wurde - soweit erkennbar - sinngemäß ausgeführt, dass die Berufsakademien in Niedersachsen keine öffentlichen Einrichtungen i.S. d. BAföG, also grundsätzlich nach § 2 Abs. 1 Satz 3 BAföG keine förderungsfähigen Ausbildungsstätten seien und es für solche Akademien, die weder Schulen noch Hochschulen seien, auch an der Rechtsgrundlage für eine notwendige Gleichstellung mit öffentlichen Einrichtungen fehle, insbesondere § 2 Abs. 2 BAföG insoweit nicht anwendbar sei. Hiergegen legte der Kläger am 31.10.2001 Widerspruch ein. Diesen wies die Bezirksregierung Braunschweig aus den Gründen des Ausgangsbescheides mit Widerspruchsbescheid vom 21.11.2001 zurück.

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Der Kläger hat darauf hin am 13.12.2001 den Verwaltungsrechtsweg beschritten, seine Klage jedoch nicht näher begründet.

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Er beantragt,

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den Bescheid des Beklagten vom 17. Oktober 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Braunschweig vom 21. November 2001 aufzuheben und dem Kläger Leistungen nach dem BAföG für den Besuch der Welfenakademie e.V. für den Zeitraum vom September 2001 bis zum August 2002 bewilligen.

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Der Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf die Begründung in dem angefochtenen Bescheid,

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die Klage abzuweisen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist nicht begründet. Bei der von dem Kläger besuchten Welfenakademie handelt es sich nämlich nicht um eine Ausbildungsstätte, deren Besuch nach § 2 BAföG förderungsfähig ist. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:

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Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Alternative 2 BAföG wird Ausbildungsförderung nach dem BAföG für den Besuch für "Akademien" geleistet. Zu den Akademien in diesem Sinne zählen die Berufsakademien in Niedersachsen (vgl. Nr. 2.1.18 Satz 3 Alternative 1 BAföG-VwV sowie Rothe/Blank, BAföG, § 2, Rdnr. 19.2). Die Ausbildung an der Welfenakademie entspricht ferner den Anforderungen des § 2 Abs. 5 BAföG. Sie dauert mehr als ein Schul- oder Studienhalbjahr, nämlich 3 ½ Jahre, und nimmt die Arbeitskraft des Auszubildenden voll in Anspruch. Dass im Rahmen der dualen Ausbildung nicht nur Unterricht an dieser Akademie erfolgt, sondern nebenher bzw. im Wechsel auch eine praktische Ausbildung im jeweiligen Ausbildungsbetrieb - vorliegend bei der ... GmbH - , steht dem nicht entgegen (vgl. für die gemäß § 2 Abs. 3 BAföG gleichgestellte Krankenpflegeausbildung das Urteil des BVerwG v. 2.2.1989 - 5 C 2.86 - BVerwGE 81, 242 ff). Hierfür spricht ergänzend § 2 Abs. 3 FörderungshöchstdauerV, der die Förderungshöchstdauer an den Berufsakademien in den Ländern Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein regelte. Diese - heute überholte - ausdrückliche Regelung wäre überflüssig gewesen, wenn der Besuch einer der genannten Berufsakademien schon dem Grunde nach gemäß § 2 Abs. 5 BAföG nicht förderungsfähig gewesen wäre.

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Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 BAföG wird Ausbildungsförderung jedoch nur geleistet, wenn die Ausbildung an einer öffentlichen Einrichtung - mit Ausnahme nicht staatlicher Hochschulen - oder einer genehmigten Ersatzschule durchgeführt wird. Ausschlaggebend für die Frage, ob eine Einrichtung "öffentlich" im Sinne dieser Bestimmung ist, ist der Träger der Einrichtung (vgl. Rothe/Blank, a.a.O., § 2, Rdnr. 22 m.w.N.). Dementsprechend handelt es sich bei der Welfenakademie nicht um eine öffentliche Einrichtung. Denn sie wird nicht von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts getragen, sondern in der Form eines eingetragenen Vereins, also einer juristischen Person des privaten Rechts, betrieben. Auf die weitere Frage, ob eine öffentliche Einrichtung im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 3 BAföG darüber hinaus voraussetzt, dass es sich um eine Schule im Sinne des jeweiligen landesrechtlichen Schulrechts handelt, kommt es demnach vorliegend nicht an (vgl. dazu nochmals Rothe/Blank, a.a.O., Rdnr. 22.1 m.w.N.).

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Der Besuch der Welfenakademie kann nicht gemäß § 2 Satz 2 BAföG dem Besuch einer in Absatz 1 bezeichneten öffentlichen Ausbildungsstätten gleichgestellt werden. Denn gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 BAföG ist die dafür notwendige Gleichwertigkeitsprüfung im Rahmen des Bewilligungsverfahrens nur vorgesehen für den Besuch von "Ergänzungsschulen und nichtstaatlichen Hochschulen". Die Berufsakademien in Niedersachsen gehören hierzu jedoch nicht (mehr). Seit dem Inkrafttreten des Niedersächsischen Berufsakademiegesetzes vom 06. Juni 1994 (Nds. Gesetz- und Verordnungsblatt S. 233) handelt es sich nämlich bei den staatlich anerkannten Niedersächsischen Berufsakademien - wie hier der Welfenakademie - nicht mehr (vgl. Landtagsdrucksache 12/4960, S. 8) um private Ergänzungsschulen, sondern um eigenständige besondere Einrichtungen des tertiären Bildungsbereiches neben den Hochschulen, § 1 Abs. 2 Nds. BAkadG.

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§ 2 Abs. 2 BAföG kann insoweit auch nicht - wie noch im Rahmen des Prozesskostenhilfebewilligungsbeschlusses vom 14.03.2002 erörtert - entsprechend angewandt werden. Wie sich aus den Verwaltungsvorschriften zum BAföG (vgl. Nr. 2.2.2 BAföG-VwV) ergibt, ist die Vorschrift nämlich bewusst eng gehalten und setzt voraus, dass es sich nach dem jeweiligen Landesrecht um Schulen oder Hochschulen handelt. Dementsprechend obliegt es ausdrücklich dem Landesrecht, eine bestimmte Einrichtung insoweit einzubeziehen oder nicht (vgl. Rothe/Blank, a.a.O., Rdnr. 25.2).

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Eine entsprechende Anwendung des § 2 Abs. 2 BAföG ist schließlich auch nicht deshalb geboten, weil andernfalls der Besuch von (nicht öffentlichen) Berufsakademien (unter anderem in Niedersachsen) ohne hinreichenden Grund grundsätzlich im Sinne des BAföG nicht förderungsfähig wäre. Rechtsgrundlage für die Einbeziehung des Besuches dieser Ausbildungsstätten in die Förderungsfähigkeit nach dem BAföG ist vielmehr die in § 2 Abs. 3 Nr. 1 BAföG enthaltene Verordnungsermächtigung. Danach kann das Bundesministerium für Bildung und Forschung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats bestimmen, dass Ausbildungsförderung auch geleistet wird für den Besuch von Ausbildungsstätten, die nicht in den Absätzen 1 und 2 "bezeichnet" sind. Die Bezugnahme auf die "Bezeichnung" in Absatz 1 und 2 ist insoweit auslegungsbedürftig. Nach dem Sinn und Zweck reicht es insoweit für eine "Bezeichnung" nicht aus, dass eine entsprechende Ausbildungsstätte - was auf die Berufsakademie als Akademie im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Alternative 2 BAföG zutrifft - überhaupt in Absatz 1 aufgeführt ist. Damit es sich um eine in Absatz 1 und 2 "bezeichnete" Ausbildungsstätte handelt, muss vielmehr hinzukommen, dass es sich dieser Einrichtung um eine "Schule" oder "Hochschule" im Sinne des jeweils maßgebenden Landesrechts handelt; denn nur insoweit enthalten Absatz 1 und 2 abschließende Regelungen. Die Verordnungsermächtigung in Absatz 3 hat ergänzend hierzu den Zweck, die Förderung nach dem BAföG auch auf den Besuch von Ausbildungsstätten zu erstrecken, die in Abhängigkeit von dem jeweiligen Landesrecht weder Schulen noch Hochschulen darstellen (vgl. Rothe/Blank, a.a.O., Rdnr. 27). Insoweit kommt der Verordnungsermächtigung gerade die Funktion zu, gleichartige und -wertige Ausbildungsstätten unabhängig von ihrer landesrechtlichen Qualifikation in die Förderungsfähigkeit nach dem BAföG einzubeziehen. Diese Überlegungen treffen auch für die nichtstaatlichen Berufsakademien in Niedersachsen zu, da es sich bei ihnen - wie dargelegt - um eigenständige Bildungseinrichtungen des tertiären Bereichs handelt, die weder Schulen noch Hochschulen im Sinne des Niedersächsischen Landesrechts darstellen. Über die Förderungsfähigkeit dieser Ausbildung an einer solchen Berufsakademie ist daher aufgrund der Verordnungsermächtigung in § 2 Abs. 3 BAföG zu entscheiden. Zugunsten der Berufsakademien in Niedersachsen ist jedoch bislang von dieser Verordnungsermächtigung kein Gebrauch gemacht worden. Ob die Überlegungen, die nach den von dem Beklagten in der mündlichen Verhandlung überreichten Unterlagen - vgl. den Vermerk v. 26.2.1993 - für das Nds. Kultusministerium ausschlaggebend  dafür waren, gegenüber dem Bund keine entsprechende Regelung "anzuregen", überzeugend sind, der Förderungsausschluss insbesondere im Verhältnis zu einer (ergänzenden) Ausbildungsförderung an staatlichen Berufsakademien in anderen (Bundes-)Ländern mit Art. 3 Abs. 1 GG zu vereinbaren ist, und/oder dem Kläger als Auszubildenden an einer solchen Ausbildungsstätte oder der letztgenannten ein Anspruch darauf zusteht, dass das zuständige Bundesministerium von dieser Ermächtigung Gebrauch macht, muss hier dahinstehen. Eine dahingehende Verpflichtung ist nämlich - auch nicht inzident - Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, sondern müsste notfalls im Wege der "Normerlassklage" (vgl. BVerwGE 80, 355, 359 ff) gegenüber dem Bund geltend gemacht werden.

16

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO sowie § 188 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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Die Berufung ist gemäß § 124 a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen worden, da die streitentscheidende Frage, unter welchen Voraussetzungen für den Besuch einer (anerkannten) Berufsakademie in Niedersachsen (ergänzende) Leistungen nach dem BAföG gewährt werden können, von über den Einzelfall hinausgehender allgemeiner Bedeutung, soweit ersichtlich aber noch nicht geklärt ist.