Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 03.11.1998, Az.: IX 377/91
Rechtfertigung einer Teilwertabschreibung mit wertbestimmenden Eigenschaften einer landwirtschaftlichen Fläche, die für die Preisbestimmung beim Erwerb bedeutungslos waren; Vermutung, dass der Teilwert eines Wirtschaftsguts seinen Anschaffungskosten entspricht; Bewertung einer zum Betriebsvermögen gehörenden landwirtschaftlichen Fläche
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 03.11.1998
- Aktenzeichen
- IX 377/91
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1998, 18643
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1998:1103.IX377.91.0A
Rechtsgrundlage
- § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG
Fundstelle
- NWB DokSt 2000, 145
Verfahrensgegenstand
Einkommensteuer 1986
Amtlicher Leitsatz
Wertbestimmende Eigenschaften einer landwirtschaftlichen Fläche, die für die Preisbestimmung beim Erwerb bedeutungslos waren, können später beim Käufer keine Teilwertabschreibung wegen "Fehlmaßnahme" rechtfertigen.
In dem Rechtsstreit
hat der IX. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
nach mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 3. November 1998,
an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter ... am Finanzgericht ...Dr.
Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ... Dr.
ehrenamtliche Richterin Dipl.-Kauffrau
ehrenamtliche Richterin Fachärztin Dr.
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
Streitig ist der (Teil-) Wert zum 30. Juni 1987 einer 1984 erworbenen landwirtschaftlichen Fläche.
Der Kläger erzielt neben gewerblichen Einkünften aus einer Beteiligung an einer (B GmbH und Co.) KG Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, Kapitalvermögen und aus Land- und Forstwirtschaft.
Grundlage der Einkommensteuerveranlagung 1986 sind die Einkünfte des Klägers aus Land- und Forstwirtschaft aufgrund der Wirtschaftsjahre 1. Juli 1985 bis 30. Juni 1986 und 1. Juli 1986 bis 30. Juni 1987.
Der Kläger betrieb im Streitjahr eine Grünland-Gemischtlandwirtschaft.
Durch Vertrag vom. Februar 1984 erwarben der Kläger und seine Ehefrau zu je 1/2 Ländereien in L zur Gesamtgröße von 50.8996 ha zum Preis von 1.805.000,00 DM. Wegen der Vereinbarungen im einzelnen wird auf den Kaufvertrag Bezug genommen.
Durch Vertrag vom. Mai 1985 übertrug die Ehefrau des Klägers ihren durch Vertrag vom. Februar 1984 erworbenen Grundstücksanteil unentgeltlich auf den Kläger. Wegen der Einzelheiten wird auf den (Schenkungs-) Vertrag verwiesen.
Bei der vom Kläger erworbenen Fläche handelte es sich um einen fast vollständigen Betrieb des Voreigentümers O .
Den Wert der Gesamtfläche wies der Kläger (noch) in seiner Bilanz zum 1. Juli 1986 mit einem (Buch-) Wert von 1.146.316,00 DM aus, wobei wohl (u. a.) gemäß § 6 b EStG übertragene Rücklagen von (562.284,00 DM + 68.608,00 DM =) 630.892,00 DM berücksichtigt worden sein dürften.
Der Beklagte (das Finanzamt - FA -) veranlagte zunächst entsprechend der eingereichten Einkommensteuererklärung 1986.
Erstmals im dagegen eingelegten Einspruch (vom. Mai 1988) behauptete der Kläger, dass der Wert der vorerwähnten landwirtschaftlichen Fläche erheblich geringer als bislang von ihm bilanziert sei.
Zum 30. Juni 1987 seien nicht mehr als 20.000,00 DM je Hektar zu erzielen gewesen.
Es sei deshalb für die Ländereien in L eine Teilwertabschreibung auf einen Teilwert von 20.000,00 DM je Hektar vorzunehmen.
Zur weiteren Begründung führte der Kläger an, die Ländereien befänden sich in einem Vernässungsgebiet, welches als Umweltschutzausgleich für den D hafen eingeplant sei. Die Bodenpreise seien deshalb erheblich gefallen. Als Nachweis reichte der Kläger verschiedene Schreiben von Auktionatoren ein, in denen diese Auskunft über Grundstücksverkäufe gaben. Darin wurden auch Grundstückskaufpreise von 17.750,00 DM bzw. 22.000,00 DM je Hektar genannt. Die Niedersächsische Landgesellschaft mbH bescheinigte dem Kläger mit Schreiben vom 18. Juli 1988, dass sie die Ländereien des Klägers in L zum damaligen Zeitpunkt "... aus heutiger Sicht ...") mit 20.000,00 DM je Hektar bewerten würde.
Die Bevollmächtigte des Klägers trug (im AdV-Verfahren betreffend Einkommensteuer 1986) mit Schreiben vom 26. Mai 1988 vor, dass der niedrigere Teilwert für die Ländereien aber nicht nur durch ein geplantes Vernässungsgebiet beeinflußt werde,sondern auch von den tatsächlichen Verhältnissen der Bodenpreise. Als der Kläger die Ländereien gekauft habe, seien die Bodenpreise außerordentlich gut und Ländereien schwer zu erhalten gewesen. Ein gesamter Hof sei nur selten angeboten worden. Es habe mehrere Kaufinteressenten gegeben. Der Kläger habe die landwirtschaftliche Fläche ersteigert, weil er zwei Söhne hatte und außerdem außerlandwirtschaftliche Einkünfte. Der Kläger führte weiter aus, dass er die Ländereien in L nie gekauft hätte, wenn er zu diesem Zeitpunkt bereits Kenntnis von der später eingeführten Milchquotenregelung gehabt hätte. Der Erwerb des Ackerlandes habe sich deshalb als Fehlinvestition herausgestellt. Statt Ackerland hätte er in diesem Fall Grünland mit einer darauf liegenden Milchquote erwerben sollen.
Nach erfolglosem Vorverfahren hält der Kläger sein Begehren auf Teilwertabschreibung mit der Klage aufrecht.
Im Klageverfahren stützt der Kläger seinen Antrag auf Teilwertabschreibung zusätzlich auf ein vom ihm vorgelegtes Gutachten des von der Landwirtschaftskammer W öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen F vom. Juli 1991. Auf das Gutachten wird Bezug genommen.
In der mündlichen Verhandlung trug der Kläger vor, seinerzeit sehr daran interessiert gewesen zu seien, weiteres arrondiertes Ackerland von ca. 50 ha zu erwerben. Das zugekaufte Land habe er persönlich beackern wollen. Der Hof des Verkäufers O habe damals genau seinen Wünschen entsprochen. Wegen seines großen Kaufinteresses habe er seinerzeit ohne Kenntnis der wirklichen Beschaffenheit der zu erwerbenden landwirtschaftlichen Fläche mit dem Verkäufer vereinbart, diesem den Preis zu zahlen, den dieser selbst für den Erwerb eines neuen Hofes in W aufbringen mußte. Diese Kaufpreisvereinbarung habe er, der Kläger, getroffen, obgleich er gewußt habe, dass der Hektar in W ca. 60.000,00 DM kosten würde. Ihm sei bewußtgewesen, dass er damit praktisch die Katze im Sack gekauft habe. Wie sich dann in der Folgezeit herausgestellt habe, sei der Wert des gekauften Landes aufgrund von Drainagemängeln erheblich gemindert gewesen. Um den Boden einigermaßen wirtschaftlich bearbeiten zu können, seien aufwendige Drainagearbeiten erforderlich gewesen. Trotzdem seien erhebliche Drainagemängel geblieben und hätte das Wasser nur unzureichend oberflächlich abgeleitet werden können. Das Land sei in bestimmten Bereichen so wässrig, dass die Pflanzen praktisch versaufen würden.
Das später durch Vertrag vom. Juli 1987 zu einem Preis von ca. 38.900,00 DM je ha an Frau R verkaufte Ackerland liege von dem hier streitigen Ackerland ca. 5 km entfernt. Der Kaufpreis für das an Frau R veräußerte Land sei an einem Darlehen von 100.000,00 DM bemessen gewesen, dass ihm die Käuferin zuvor gewährt hätte.
Der Kläger erklärte die Einkommensteueränderungsbescheide 1986 vom 15. Juli 1991 und 16. März 1992 zum Gegenstand des Verfahrens.
Der Kläger beantragt,
die Steuer unter Änderung des Bescheids vom 20. April 1988 in der Fassung vom 16. März 1992 soweit herabzusetzen, als sie sich bei Senkung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft des Wirtschaftsjahrs 1986/87 um 164.082,00 DM mindert.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es wiederholt die im Einspruchsbescheid vom 30. Mai 1991 dargelegten Gründe. Danach sei gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 Einkommensteuergesetz (EStG) Teilwert der Betrag, den ein Erwerber des ganzen Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde. Dabei sei davon auszugehen, dass der Erwerber den Betrieb fortführe. Da es sich bei dieser gesetzlichen Definition des Teilwertes nur um einen gedachten Erwerb des Betriebes handele, sei die Bewertung mit dem Teilwert eine Schätzung. Zur Vereinfachung der Teilwertschätzung habe die Rechtsprechung Teilwertvermutungen aufgestellt. ImZeitpunkt des Erwerbes bzw. der Fertigstellung eines Wirtschaftsgutes deckten sich danach die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten grundsätzlich mit dem Teilwert. Bei nicht abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens greife die für den Zeitpunkt der Anschaffung oder Herstellung geltende Teilwertvermutung auch zu späteren Bewertungsstichtagen ein. Beantrage der Steuerpflichtige die Abschreibung auf einenniedrigeren Teilwert, habe er nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast die Umstände darzulegen und nachzuweisen, die zu einem niedrigeren Teilwert führten. Diesen Nachweis habe der Kläger jedoch nicht erbracht. Allgemein gehaltene Hinweise auf gefallene Preise für landwirtschaftliche Nutzflächen reichten hierfür nicht aus. Die Kaufpreisangaben in den von dem Kläger vorgelegten Stellungnahmen von Auktionatoren bezögen sich auf Einzelparzellen. Bei den Ländereien in L handele es sichjedoch um Nutzflächen, die als selbständiger Hof bewirtschaftbar wären. Die Kaufpreisangaben könnten deshalb nicht als Nachweis eines niedrigeren Teilwerts der Ländereien in L zugrunde gelegt werden.
Auch der Hinweis des Klägers auf die Einführung von Milchquoten rechtfertige keine Teilwertabschreibung unter den Gesichtspunkt einer betrieblichen Fehlmaßnahme. Auch wenn sich der Kläger bei ausreichender Milchquote wirtschaftlich besser gestanden hätte, so könne daraus nicht abgeleitet werden, dass jeder Erwerb von nichtquotenberechtigten Flächen als Fehlmaßnahme anzusehen sei.
Da der Kläger nicht nachweisen könne, dass der Teilwert der Ländereien in L unter dem Buchwert läge, seien diese Ländereien mit dem Buchwert anzusetzen und komme deshalb eine Teilwertabschreibung nicht in Betracht.
Ergänzend verweist das FA auf die Stellungnahme seines amtlichen landwirtschaftlichen Sachverständigen J vom. März 1995.
Der Prüfer des Gerichts hat zu den für die Entscheidung bedeutsamen Fragen Stellung genommen; auf die den Beteiligten zur Kenntnis gebrachten Stellungnahmen vom. September 1998 und. Oktober 1998 wird Bezug genommen.
Zum Sachverhalt wird ergänzend auf die Steuerakten des Finanzamt (St.-Nr.:), das Protokoll über die mündliche Verhandlung und die Gerichtsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Da die streitige landwirtschaftliche Fläche im Streitjahr nicht der Abnutzung unterlag, wäre sie grundsätzlich einer Teilwertabschreibung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG zugänglich. Deren Voraussetzungen liegen jedoch nicht vor.
Für die Bewertung einer zum Betriebsvermögen gehörenden landwirtschaftlichen Fläche gelten die Bewertungsvorschriften des § 6 EStG. Danach sind erworbene Wirtschaftsgüter des Betriebs, die - wie der Grund und Boden - nicht der Abnutzung unterliegen, mit den Anschaffungskosten anzusetzen. Statt der Anschaffungskosten kann der niedrigere Teilwert (Nummer 1 Satz 3) angesetzt werden (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Sätze 1 und 2 EStG). Teilwert ist der Betrag, den ein Erwerber des ganzen Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde; dabei ist davon auszugehen, dass der Erwerber den Betrieb fortführt (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG).
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist zu vermuten, dass der Teilwert eines Wirtschaftsguts seinen Anschaffungskosten entspricht (BFH-Urteile vom 6. Juli 1995 IV R 30/93, BFHE 178, 176, BStBl II 1995, 831, 832, vom 25. August 1983 IV R 218/80 m. w. N., BFHE 139, 268, BStBl II 1984, 33, und vom 21. Juli 1982 I R 177/77, BFHE 136, 381, 385, BStBl II 1982, 758, 760). Diese Vermutung gilt bei nichtabnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens nicht nur für den Erwerbszeitpunkt, sondern auch für spätere Bewertungsstichtage. Der Steuerpflichtige kann die Vermutung durch den Nachweiswiderlegen, dass die Anschaffung als Fehlmaßnahme zu werten oder das der Wert des Wirtschaftsguts nach Anschaffung unter die Anschaffungskosten gesunken ist (vgl. auch BFH-Urteile vom 9. Februar 1977 I R 130/74, BFHE 121, 436, BStBl II 1977, 412; in BFHE 136, 381, 385, BStBl II 1982, 758). Bei Anwendung dieser Grundsätze scheidet eine Teilwertabschreibung unter dem Gesichtspunkt der (Kauf-) Fehlmaßnahme aus, weil dem Kläger zum Kaufzeitpunkt die zu erwerbende Fläche als arrondierter Betrieb unabhängig von der wirklichen Beschaffenheit den damals von ihm bezahlten Preis wert gewesen ist. Da seinerzeit das Angebot an arrondierter landwirtschaftlicher Fläche sehr gering war, (wollte und) hat der Kläger die streitige Fläche zu der Beschaffenheit und zu dem Wert erworben, die sie damals hatte. Sind aber für den Käufer einer landwirtschaftlichen Fläche andere Faktoren als die jeweilige objektive Beschaffenheit der Fläche wertbestimmend, kann die dann vom Kläger später festgestellte tatsächliche Beschaffenheit der Fläche keine Teilwertabschreibung unter dem Gesichtspunkt der (Kauf-) Fehlmaßnahme rechtfertigen.
Auch für die Zeit nach dem Kauf im Jahre 1984 bis zum 30. Juni 1987 begründen die Darlegungen des Klägers keine Teilwertminderung. Die dazu vom Kläger mitgeteilten Tatsachen und vorgelegten Unterlagen betreffen entweder im Gegensatz zum Teilwertbegriff Einzelflächen und lassen unberücksichtigt, welchen Wert ein den Gesamtbetrieb des Klägers erwerbender und den Betrieb fortführender Käufer der streitigen Fläche in L zugemessen hätte, sie sind in ihrer Aussage und Einschätzung zu allgemein und zu unbestimmt oder/und beziehen sich auf Zeitpunkte nach dem 30. Juni 1987. Auch der Sachverständige F stellt in seinen Gutachten (auf Seite 5) fest, dass aufgrund der wenigen Verkäufe und wegen besonderer Kaufpreiseinflüsse erst im Jahre 1990 ein gesichertes Datenmaterial für die Ermittlung von Bodenrichtwerten für landwirtschaftliche Flächen zur Verfügung gestanden hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.