Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 03.11.1998, Az.: IX 347/93
Einkommensteuerrechtliche Behandlung von Kosten, die Folge eines gerichtlichen Vergleichs waren, durch den eine zunächst beabsichtigte Rückgabe eines Grundstücks später mit Einverständnis des Verkäufers abgewendet wurde ; Anerkennung als abzugsfähige Werbungskosten; Voraussetzungen für das Vorliegen von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 03.11.1998
- Aktenzeichen
- IX 347/93
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1998, 18642
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1998:1103.IX347.93.0A
Rechtsgrundlage
- § 9 Abs. 1 S. 1 EStG
Fundstelle
- NWB DokSt 1999, 589-590
Verfahrensgegenstand
einh./ges. Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 1990 (der Grundstücksgemeinschaft ... und ...)
Amtlicher Leitsatz
Feststellungsbescheid 1990 (Vergleichs-)Aufwendungen (auch dann) keine Werbungskosten, wenn von der durch sie zunächst bezweckten Aufgabe einer Einkunftsquelle (Wohnhaus) später zurückgetreten wird.
In dem Rechtsstreit
hat der IX. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
nach mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 3. November 1998,
an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter ... am Finanzgericht ...Dr. ...
Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
ehrenamtliche Richterin ...
ehrenamtliche Richterin ...
fürRecht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
Streitig ist die einkommensteuerrechtliche Behandlung von Kosten, die Folge eines gerichtlichen Vergleichs waren, durch den eine zunächst beabsichtigte Rückgabe eines (Kauf-) Grundstücks später mit Einverständnis des damaligen Beklagten (Verkäufers) abgewendet worden ist.
Der Kläger ist beteiligt an einer Grundstücksgemeinschaft.
Der Kläger erwarb zusammen mit den beiden anderen Beteiligten der Grundstücksgemeinschaft mit Vertrag vom. Februar 1984 das Grundstück A in G .
Bei der Beurkundung des Kaufvertrages gingen die Käufer davon aus, dass das Mehrfamilienhaus über acht vermietbare Wohnungen verfügt. Nach ca. drei Jahren stellten die Käufer fest, dass zwei Wohnungen bauordnungsrechtlich nicht genehmigt worden waren. Daraufhin erhoben die Verkäufer, vertreten durch den Kläger, beim Landgericht H (Az.:...) wegen arglistiger Täuschung Klage gegen den Verkäufer. In diesem Verfahren begehrten die Käufer zunächst die Rückabwicklung des Kaufvertrages. Wegen des während der langen Prozeßdauer gestiegenen Verkehrswertes des Grundstückes beabsichtigten die Käufer dann, an dem ursprünglich geschlossenen Kaufvertrag doch festzuhalten. Jetzt bestand aber der Verkäufer darauf, das Grundstück zurückzubekommen.
Daraufhin schlossen die Parteien in dem Verfahren am. Juni 1990 folgenden zivilrechtlichen Vergleich:
1.
"Die Kläger nehmen die Klage in dem Rechtsstreit ..., Landgericht H., zurück.2.
Der Beklagte stimmt der Klagerücknahme zu.3.
Die Kläger tragen gem.§ 269 III Satz 2 ZPO die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Vergleichs.4.
Die Kläger zahlen an den Beklagten pauschal 20.000 DM.Ferner erstatten die Kläger dem Beklagten dessen Aufwendungen für die außergerichtliche Tätigkeit seiner Prozeßbevollmächtigten, welche diese im Zusammenhangmit dem geplanten Verkauf des streitbefangenen Grundstücks bereits entfaltet haben.
Die Aufwendungen werden pauschal mit einer 10/10 Gebühr auf den Gegenstandswert in Höhe von 740.000 DM zzgl. Mehrwertsteuer entgolten. Die vorbezeichneten Zahlungsverpflichtungen übernehmen die Kläger als Gesamtschuldner.
5.
Mit Abschluß dieses Vergleichs sind sämtliche gegen seitigen Ansprüche beider Parteien - gleich aus welchem Rechtsgrund - erledigt. ..."
In ihrer Erklärung vom. Januar 1992 zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte 1990 aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigte die Grundstücksgemeinschaft beim Kläger von diesem getragene Vergleichs-Aufwendungen von 72.378 DM als Sonderwerbungskosten.
Diese Aufwendungen setzten sich wie folgt zusammen:
a) | Abfindung an den Verkäufer | 20.000,00 DM |
---|---|---|
b) | Aufwendungen des Verkäufers für die außergerichtliche Tätigkeit seiner Prozeßbevollmächtigten | 5.505,00 DM |
c) | übrige Prozeßkosten des Klägers | 46.873,00 DM |
Summe | 72.378,00 DM |
Nachdem der Beklagte (das Finanzamt - FA -) die Aufwendungen von 72.378 DM zunächst insgesamt als nachträgliche Anschaffungskosten behandelt hatte, kam das FA im Einspruchsverfahren zu dem Schluß, dass nur noch die Aufwendungen unter a) und b) Werbungskosten und als AfA abziehbar seien. Nach Verböserungshinweis berücksichtigte deshalb das FA beim Kläger statt der beantragten 72.378 DM nur noch (2 v.H. von 25.505 DM =) 510 DM als Sonderwerbungskosten und wies den Einspruch der Grundstücksgemeinschaft durch Bescheid vom. Juni 1993 als unbegründet zurück.
Hiergegen richtet sich die Klage.
Diese hatten zunächst alle drei Beteiligten der Grundstücksgemeinschaft erhoben. Mit Einverständnis des FA nahmen die beidenanderen Beteiligten der Gemeinschaft in der mündlichen Verhandlung die Klage zurück.
Der Kläger ist weiterhin der Auffassung, dass seine Vergleichs- Aufwendungen sofort abzugsfähige Werbungskosten seien. Entgegen der Auffassung des FA habe der Zivil-Rechtsstreit im Endstadium wegen der geänderten Verhältnisse auf dem Immobilienmarkt zur Sicherung und dem Erhalt der Einkunftsquelle gedient.
Im übrigen seien die Aufwendungen, die entstanden wären, wenn der Verkäufer auf Rückabwicklung geklagt hätte, sofort als Werbungskosten abzugsfähig gewesen. Da der Verkäufer im Vergleich auf seinen Rückübertragungsanspruch verzichtet habe, müßten demnach auch die Ausgaben für den geführten Rechtsstreit als sofort abzugsfähige Werbungskosten anerkannt werden. Außerdem habe man bei Beendigung des Prozesses den bereits mehrere Jahre bestehenden Rechtszustand fortsetzen und sich insoweit denplötzlich auftretenden Begehrlichkeiten der Gegenseite erwehren wollen.
Bei den Aufwendungen könne es sich nicht um Anschaffungskosten handeln, weil das wirtschaftliche und zivilrechtliche Eigentum bereits im Jahre 1984 übertragen worden und die Beteiligten der Grundstücksgemeinschaft seitdem ununterbrochen Eigentümer geblieben seien. Die mit dem Vergleich verbundenen Aufwendungen ständen also in keinem Zusammenhang mit dem Erwerb des Grundstücks. Eine Aufteilung der Kosten sei aufgrund der Einheitlichkeit der Rechtsordnung bzw. der Kostenentscheidung nicht möglich.
Eindeutig sei nur die Zahlung der Vergleichssumme dem Zeitpunkt nach der Umkehrung der Interessenlage zuzurechnen. Aber auch die übrigen Kosten seien entsprechend zuzuordnen, weil bei der Fortführung des Rechtsstreits bis zu einem obsiegenden Urteil keine weiteren Aufwendungen entstanden wären.
Der Kläger beantragt,
die Einkünfte unter Änderung des Feststellungsbescheids vom. März 1992 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom. Juni 1993 abzuändern und seine - des Klägers - Einkünfte unter Berücksichtigung von Sonder-Werbungskosten aus dem Prozeß von insgesamt 72.378,00 DM festzustellen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Prozeß um das Grundstück seien in Höhe der Vergleichssumme von 20.000,00 DM und der dem Verkäufer erstatteten Ausgaben von 5.505,00 DM als nächträgliche Anschaffungskosten zu behandeln. Die AfA von 510 DM für diese zusätzlichen Anschaffungskosten sei dem Kläger zuzurechnen, weil dieser die Aufwendungen getragen habe. Imübrigen seien die Ausgaben in Höhe von 46.873,00 DM steuerlich nicht zu berücksichtigen.
Gegenstand der Klage vor dem Landgericht H sei der Kaufvertrag vom. Februar 1984 gewesen. Somit stünden die dem Verkäufer gezahlten 25.505,00 DM ursächlich im Zusammenhang mit der Anschaffung des Grundstücks und teilten das rechtliche Schicksal des Streitgegenstandes. Dass die Zahlung nach der eigentlichen Anschaffung geleistet wurde und die Beteiligten der Gemeinschaft die Verfügungsmacht über das Grundstück ununterbrochen innehatten, führe zu keiner anderen Beurteilung. Denn auch nach diesem Zeitpunkt könnten Aufwendungen den Anschaffungskosten zugeordnet werden, wenn diese in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Anschaffungsvorgang stünden.
Da sich die Interessenlage der Gemeinschaft nach deren Aussage erst im Endstadium des Klageverfahrens ins Gegenteil verkehrt habe und eine Aufteilung der übrigen Prozeßkosten nicht möglich sei, müsse davon ausgegangen werden, dass diese Ausgaben mit der zunächst beabsichtigten Auflösung des Kaufvertrages im Zusammenhang standen. Insoweit komme deshalb eine steuerliche Berücksichtigung weder als AfA nach als sofort abziehbare Werbungskosten in Betracht, weil die Aufwendungen nicht im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) zur Erwerbung,Sicherung und Erhaltung der Einnahmen dienten. Vielmehr seien die Ausgaben getätigt worden, um die Einkunftsquelle und somit mittelbar auch die Einkünfte aufzugeben.
Zum Sachverhalt wird ergänzend auf die Steuerakten des FA (St.-Nr.:), die Gerichtsakte und das Protokoll über die mündliche Verhandlung verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Die streitigen Aufwendungen sind keine Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung i.S. des § 9 Abs. 1 Sätze 1 und 2 EStG.
Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung bilden grundsätzlich alle Aufwendungen, bei denen objektiv ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit der Vermietung und Verpachtung besteht und die subjektiv zur Förderung der Nutzungsüberlassung gemacht werden (vgl. Urteil des BFH vom 9. November 1993 IX 81/90, BFHE173, 97, BStBl II 1994, 289).
Zu den gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbaren Werbungskosten zählen nicht solche Aufwendungen, die anläßlich der Weg- bzw. Rückgabe eines Grundstücks entstehen, das einem Steuerpflichtigen bisher als Einkunftsquelle zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gedient hatte. Diese Aufwendungen stehen nicht - wie erforderlich - in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Nutzung, sondern mit der - grundsätzlich steuerlich unbeachtlichen - Weg- bzw. Rückgabe eines Wirtschaftsguts des Privatvermögens (vgl. BFH-Urteile vom 23. Januar 1990 IX R 8/85, BFHE 159, 488, BStBl II 1990, 464, vom 20. Februar 1990 IX R 13/87, BFHE 160, 440, BStBl II 1990, 775, und vom 19. Dezember 1995 IX R 48/92, BFHE 179, 386, BStBl II 1996, 198).
Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn Aufwendungen durch eine geplante Weg- bzw. Rückgabe eines Grundstücks veranlaßt sind,die Weg- bzw. Rückgabe aber nicht durchgeführt, sondern die Vermietung letztlich fortgesetzt wird. Auch dann sind die Aufwendungen objektiv und subjektiv durch die geplante Weg- bzw. Rückgabe veranlaßt. Dieser Veranlassungszusammenhang wird nicht aufgehoben, wenn die Weg- bzw. Rückgabe später tatsächlich nicht durchgeführt wird. Ebenso wie es dem Abzug von Aufwendungen als Werbungskosten nicht entgegensteht, dass es letztlich zum Zufluß von Einnahmen nicht gekommen ist (sog. vergebliche Werbungskosten; vgl. Beschluß des Großen Senats des BFH vom 4. Juli 1990 GrS 1/89, BFHE 160, 466, BStBl II 1990, 830 unter C.III.2.a), sind die Kosten für eine ursprünglich geplante Weg- bzw. Rückgabe nicht deshalb abziehbar, weil das Grundstück tatsächlich nicht zurückgegeben, sondern weiter vermietet wird. In beiden Fallgestaltungen entscheidet die ursprüngliche Zweckbestimmung der Aufwendungen über den maßgeblichen Veranlassungszusammenhang.
Nach diesen Maßstäben sind alle streitigen Aufwendungen Folge des zunächst getroffenen Entschlusses, eine im Privatvermögen befindliche Einkunftsquelle wieder aufzugeben. Dieser Veranlassungszusammenhang wurde nicht dadurch aufgehoben, dass später die Absicht aufgegeben wurde, den Veräußerer gerichtlich zu zwingen, das Grundstück zurückzunehmen. Sowohl sachlich als auch zeitlich können von den streitigen Aufwendungen auch keine ausschließlich dem späteren Versuch zugeordnet werden, die Einkunftsquelle doch zu behalten, und unterfallen deshalb alle Aufwendungen ausnahmslos dem Abzugs- und Aufteilungsverbot des § 12 Nr. 1 EStG.
Soweit das FA dem Kläger doch Werbungskosten in Form von AfA (von nachträglichen Anschaffungskosten) zuerkannt hat, ist es dem Gericht entsprechend seiner Rechtsschutzfunktion untersagt, diese Begünstigung zurückzunehmen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.