Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 04.11.1998, Az.: XII 993/97
Prüfung der Nachhaltigkeit eines Grundstückhandels bei Geschäftsgrundstücken; Beachtung der Grenze von drei Objekten; Voraussetzungen für das Vorliegen eines gewerblichen Grundstückshandels; Nutzung des Grundbesitzes durch Fruchtziehung aus zu erhaltender Substanz oder Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Vermögensumschichtung
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 04.11.1998
- Aktenzeichen
- XII 993/97
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1998, 18646
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1998:1104.XII993.97.0A
Rechtsgrundlagen
- § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG
- § 2 Abs. 1 GewStG
Fundstelle
- DStRE 1999, 827-828 (Volltext mit amtl. LS)
Verfahrensgegenstand
Einkommensteuer 1994
Amtlicher Leitsatz
Auch bei Geschäftsgrundstücken (hier: Hotelgrundstücke) ist für die Prüfung der Nachhaltigkeit eines Grundstückhandels die Grenze von drei Objekten zu beachten.
In dem Rechtsstreit
hat der XII. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung
in der Sitzung vom 4. November 1998,
an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter ... am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
ehrenamtlicher Richter ... Vorstand
ehrenamtliche Richterin ... kfm. Angestellte
für Recht erkannt:
Tenor:
Unter Änderung des Einkommensteuerbescheids 1994 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 9. September 1998 wird die Einkommensteuer 1994 auf 31.046 DM herabgesetzt.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens zu 93 v. H., die Kläger zu 7 v. H.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger einen gewerblichen Grundstückshandel betrieben hat, dessen Gewinne im Jahre 1994 steuerlich zu erfassen sind.
Der im Jahre 1940 geborene Kläger war bis 1986 Angestellter einer Versicherungsgesellschaft. Er schied dort aus gesundheitlichen Gründen aus und bezieht seitdem eine Erwerbsunfähigkeitsrente.
Der Kläger war von 1986 bis 1990 Eigentümer des Hotelgrundstücks S, das er für die Zeit vom 1. Januar 1986 bis 31. Dezember 1995 an seine Frau, die Klägerin, verpachtet hatte. Der Verkaufspreis übertraf den Kaufpreis um 289.000 DM.
Der Kläger war von 1990 bis 1994 Eigentümer des Hotelgrundstücks B, , das er für die Zeit vom 15. Dezember 1990 bis 14. Dezember 1993 an seine Frau verpachtet hatte. Der Verkaufspreisübertraf den Kaufpreis um 463.000 DM.
Der Kläger war von 1991 bis 1994 Eigentümer des Geschäftsgrundstücks N, , das er für die Zeit vom 1. Januar 1992 bis 31. Dezember 1995 an seine Frau verpachtet hatte. Der Verkaufspreis übertraf den Kaufpreis um 345.000 DM.
Beim Verkauf der Objekte und der damit verbundenen Beendigung des Pachtverhältnisses verzichtete die Klägerin auf eine Entschädigung, da sie jeweils das folgende Objekt anpachten konnte.
Der Kläger war von 1994 bis 1997 Eigentümer des Hotelgrundstücks B, , das er für die Zeit vom 15. März 1994 bis 14. März 1997 an seine Frau verpachtet hatte. Nach dem Verkauf dieses Grundstücks durch Vertrag vom 28. Februar 1997 war die Klägerin nicht mehr als Inhaberin eines Hotels tätig.
Das beklagte Finanzamt, das die Einkommensteuer 1994 zunächst erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung durchgeführt hatte, änderte den Bescheid nach§ 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) und erfasste dabei den Gewinn aus gewerblichem Grundstückshandel des Klägers mit 723.485 DM.
Der Einspruch gegen diesen Bescheid blieb erfolglos. Mit ihrer Klage machen die Kläger geltend, dass ein gewerblicher Grundstückshandel nicht vorgelegen haben könne, weil die Zahl von drei Objekten nicht überschritten sei.
Das beklagte Finanzamt hat den Einkommensteuerbescheid 1994 im Laufe des Klageverfahrens mehrfach geändert. Die Kläger haben dieÄnderungsbescheide jeweils gemäß § 68 Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens gemacht und beantragen,
die Einkommensteuer 1994 auf 2.658 DM herabzusetzen.
Das beklagte Finanzamt beantragt Klagabweisung, da es bei gewerblich genutzten Grundstücken nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung und den darauf beruhenden, für die Finanzverwaltung bindenden Erlassen der obersten Finanzbehörden bei gewerblich genutzten Grundstücken nicht auf die 3-Objekt- Grenze ankomme. Zudem sei zu berücksichtigen, dass auch das Objekt B, , schon 1997 veräußert worden sei. Außerdem habe kurz nach diesem Verkauf die Ehefrau des Klägers ein Grundstück erworben. Dies belege, dass der Kläger jetzt durch seine Frau den planmäßigen gewinnorientierten An- und Verkauf von Grundstücken weiterhin betreibe.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Der Begriff des gewerblichen Unternehmens im Sinne von § 15 Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) stimmt inhaltlich im Kern mit dem Begriff des Gewerbebetriebes im Sinne von § 2 Abs. 1 Gewerbesteuergesetz (GewStG) überein. Danach ist ein gewerbliches Unternehmen (Gewerbebetrieb) jede selbständige, nachhaltige Betätigung, die mit Gewinnabsicht unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt. Es darf sich aber weder um Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch um Ausübung eines freien Berufes noch um eine andere selbständige Arbeit im Sinne des Einkommensteuerrechts handeln. Außerdem muss die Betätigung den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung überschreiten (BFH-Urteil vom 8. Februar 1996 IV R 28/95, BFH/NV 1996, 747 m.w.N.).
Für das zuletzt genannte Abgrenzungsmerkmal stellt die Rechtsprechung bei Tätigkeiten auf dem Bau- und Grundstücksmarkt darauf ab, ob die Grundstücksgeschäfte noch als Nutzung des Grundbesitzes durch Fruchtziehung aus zu erhaltender Substanzangesehen werden können oder ob die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Vermögensumschichtung entscheidend in den Vordergrund tritt. Die Veräußerung von Grundbesitz ist daher der privaten Vermögensverwaltung zuzurechnen, wenn der Steuerpflichtige damit höhere Erträge aus dem vorhandenen Vermögen anstrebt. Veräußert er dagegen den Grundbesitz, um Substanzwertsteigerungen auszunutzen, wird er gewerblich tätig (BFH, a.a.O., m.w.N.).
Umstritten ist unter den Beteiligten allein, ob der Kläger nachhaltig gehandelt hat, wobei sich der Kläger darauf beruft, er habe die 3-Objekt-Grenze nicht überschritten, während der Beklagte inÜbereinstimmung mit dem Erlass vom 20. Dezember 1990 (BStBl I, 884 unter II 1 a) die Auffassung vertritt, bei Geschäftsgrundstücken komme es auf diese Grenze nicht an.
Auch bei Geschäftsgrundstücken ist die Grenze von drei Objektenfür die Prüfung der Nachhaltigkeit des Handelns mit Grundstücken zu beachten. Auf die Art des Grundstücks kommt es nämlich nicht an (BFH-Urteil vom 24. Januar 1996 X R 12/92 BFH/NV 1996, 608, 609, BFH-Beschlüsse vom 23. April 1996 VIII R 27/94, BFH/NV 1997, 170, 173, und vom 29. Oktober 1997 X R 183/96, BStBl II 1998, 332, 335, Söffing, DB 1998, 1683, 1685, 1686 m.w.N., Ehlers, AktStR 1997, 489, 490, zweifelnd BFH-Beschluss vom 22. April 1998 IV B 19/98, BFH-N Nr. 146 zu § 2 Abs. 1 GewStG).
Der Erlass vom 20. Dezember 1990 beruht auf der höchstricherlichen Rechtsprechung, die bis dahin nur Fälle zu entscheiden hatte, bei denen es sich um Wohnobjekte handelte. Der BFH teilt, soweit er zu dieser Frage Stellung genommen hat, nicht die Verwaltungsauffassung, dass gewerbliche Objekte steuerlich anders zu behandeln seien als Wohnobjekte. Soweit er beim Handel mit weniger als vier gewerblichen Objekten eine andere Auffassung vertreten hat, lagen insofern andere Sachverhalte vor, als die Gewerblichkeit aus anderen Gründen - z. B. planmäßige Erhöhung der Marktgängigkeit von Grundstücken durch Baumaßnahmen - zu bejahen war. Beim Kläger liegen derartige Gründe jedoch nicht vor, bei ihm handelt es sich um einfaches "Durchhandeln".
Bei dem Objekt S. kommt hinzu, dass der Kläger das Hotel für einen Zeitraum von zehn Jahren an seine Ehefrau verpachtet und damit seine Absicht dokumentiert hatte, es durch Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten und nicht durch die Ausnutzung von Vermögenswerten durch Umschichtung zu nutzen. Auch wenn dieses Hotel - aus welchen Gründen auch immer - einige Tage vor Ablauf von fünf Jahren nach dem Erwerb veräußert wordenist, kann es nicht in die Zahl von drei Objekten einbezogen werden, so dass am Ende für einen Grundstückshandel nur zwei Objekte verbleiben. Das 1997 veräußerte Hotel ist dann das dritte innerhalb des Fünfjahreszeitraums.
Die Einkünfte des Klägers aus dem gewerblichen Grundstückshandelin Höhe von 714.428 DM sind daher außer Ansatz zu lassen. Gleichzeitig entfällt der Verlustrücktrag aus dem Jahre 1996, der ebenfalls auf dem vom Beklagten angenommenen gewerblichen Grundstückshandel (Einbeziehung des Objekts ..., B.) beruht. Die Einkommensteuer der Kläger für das Streitjahr errechnet sich somit wie folgt:
zu versteuerndes Einkommen bisher | 838.663 DM |
---|---|
./. Gewinn Grundstückshandel | 714.428 DM |
+ entfallender Verlustrücktrag | 1.774 DM |
zu versteuerndes Einkommen lt. Urteil | 126.009 DM |
Lohnersatzleistungen | 918 DM |
Summe | 126.927 DM |
Eingangsbetrag Tabellenstufe | 126.900 DM |
Steuer (Splittingtabelle) | 31.286 DM |
Steuersatz 24,654058 % | |
Steuer auf 125.928 DM | 31.046 DM |
Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.