Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 29.10.1998, Az.: V 283/95
Unentgeltliche Überlassung firmeneigener Pkw an Arbeitnehmer für Einsatzwechseltätigkeiten als Eigenverbrauch
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 29.10.1998
- Aktenzeichen
- V 283/95
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1998, 18739
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1998:1029.V283.95.0A
Rechtsgrundlage
- § 1 Abs. 1 Nr. 2 UStG
Verfahrensgegenstand
Umsatzsteuer 1988
Amtlicher Leitsatz
Eigenverbrauch bei unentgeltlicher Überlassung firmeneigener Pkw an Arbeitnehmer für Einsatzwechseltätigkeiten.
In dem Rechtsstreit
hat der V. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
nach mündlicher Verhandlung
in der Sitzung vom 29. Oktober 1998,
an der mitgewirkt haben:
Vizepräsidentin ... des Finanzgerichts ...
Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
ehrenamtlicher Richter ...
ehrenamtlicher Richter ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten.
Tatbestand
Die Klägerin führt u.a. aufgrund von Jahresverträgen mit der Bau- und Montagearbeiten im Fernmeldewesen aus. Die Tätigkeiten werden in den Bezirken der Fernmeldeämter ausgeführt. Die Montageleistungen werden von bei der Klägerin beschäftigten Einrichtern gebietsweise organisiert und abgewickelt. Diese treffen Terminabsprachen mitden Teilnehmern und ordnen mehrere Aufträge nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten einzelnen Teilgebieten zu, um möglichst viele Aufträge in kürzester Zeit zu erledigen. Das für die Ausführung der Arbeiten erforderliche Material wird teils von der gestellt, teils von den Einrichtern in eigener Verantwortung erworben.
Die Klägerin zahlte den Fernsprechstelleneinrichtern bis 31. März 1988 für den Einsatz ihrer privaten Pkw im Rahmen ihrer Tätigkeiten Kilometergeld in Höhe von 0,18 DM pro Kilometer und errechnete aus diesen Beträgen Vorsteuern gemäß § 36 UStDV. Ab 1. April 1988 wurden den Fernsprechstelleneinrichtern unentgeltlich firmeneigene Pkw von der Klägerin zur Ausführung ihrer Arbeiten zur Verfügung gestellt. Aus den im Zusammenhang mit den Pkw angefallenen Kosten machte die Klägerin die Vorsteuern geltend.
Anläßlich einer Außenprüfung stellte der Beklagte fest, daß 65 % der Fernsprechstelleneinrichter ihre Arbeiten an ständigwechselnden Tätigkeitsstätten (sogenannte Einsatzwechseltätigkeiten) ausüben. Er ging deshalb davon aus, daß es sich bei den Fahrten zwischen den Wohnungen und den Einsatzstellen nicht um Dienstreisen, sondern um Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte handelte. Deshalb ließ der Beklagte die von der Klägerin bis 31. März 1988 gemäß § 36 UStDV errechneten Vorsteuern nicht zum Abzug zu. Dagegen hat die Klägerin keine Einwände erhoben.
Für die Zeit ab April 1988 ging der Beklagte davon aus, daß die Klägerin den Einrichtern die Pkw u.a. auch für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und insofern für Zwecke überlassen habe, die außerhalb des Unternehmens liegen. Die hierfür im Einzelnen mit der Klägerin ermittelten Kosten beziffert der Beklagte auf 447.802,- DM. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf den Betriebsprüfungsbericht verwiesen. Auf die Nettobemessungsgrundlage berechnete der Beklagte Umsatzsteuer wegen Eigenverbrauch nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 b UStG. Der dagegen eingelegte Einspruch war erfolglos. Hiergegen richtet sich die Klage.
Die Klägerin behauptet, bei den den Einrichtern zur Verfügung gestellten Pkw handele es sich aufgrund ihrer Ausstattung um sogenannte Werkstattwagen. Die Pkw seien nach und nach für die Zwecke der Einrichter, insbesondere im hinteren Bereich als Transportfahrzeuge für die erforderlichen Materialien umgebaut worden. Nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofes vom 06. Juni 1984 (Bundessteuerblatt II 1984, 688) sei Steuer auf den Eigenverbrauch für die Überlassung dieser Fahrzeuge an die Arbeitnehmer nicht zu berechnen.
Die Klägerin beantragt,
die Umsatzsteuer auf DM herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte macht geltend, nach Abschnitt 12 Abs. 9 der Umsatzsteuerrichtlinien sei bei unentgeltlicher Überlassung eines Pkw an einen Arbeitnehmer für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bzw. ständig wechselnden Einsatzstellen grundsätzlich Eigenverbrauch nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 b UStG festzusetzen. Eine Ausnahme bestehe nur, wenn das zur Verfügung gestellte Fahrzeug nach seiner Bauart und Ausstattung in erster Linie dem Werkzeug- oder Materialtransport diene. Diese Voraussetzungen seien jedoch nicht erfüllt, da die überlassenen Fahrzeuge weder der Bauart noch der Ausstattung nach denen von Werkstattwagen entsprächen. Besondere Einbauten für die Nutzung als Werkstattwagen lägen nach den Feststellungen der Außenprüfung nicht vor.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Finanzgerichtsakte verwiesen. Dem Gericht haben die Steuerakten zu Steuernummer ... vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 UStG unterliegt der Eigenverbrauch der Umsatzsteuer. Eigenverbrauch liegt u.a. vor, wenn ein Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens sonstige Leistungen der in § 3 Abs. 9 bezeichneten Art für Zwecke ausführt, die außerhalb des Unternehmens liegen. Mit der Überlassung der firmeneigenen Fahrzeuge an die Arbeitnehmer, die die Fahrzeuge für Einsatzwechseltätigkeiten nutzen, erfüllt die Klägerin die Voraussetzungen der Eigenverbrauchsbesteuerung. Dies folgt aus der neueren Rechtsprechung des EuGH und des Bundesfinanzhofes. In seiner Entscheidung vom 16. Oktober 1997 (Rs C - 258/95 - Julius Fillibeck Söhne GmbH & Co. KG, Umsatzsteuerrundschau 1998, 61) hat der EuGH auf eine entsprechende Vorlage des BFH (Beschluß vom 11. Mai 1995 V R 105/92, BFHE 178, 241) entschieden, daß Art. 6 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie dahin auszulegen sei, daß die unentgeltliche Beförderung von Arbeitnehmern von der Wohnung zur Arbeitsstätte und zurück mit einem betrieblichen Kfz durch den Arbeitgeber grundsätzlich dem privaten Bedarf der Arbeitnehmer und damit unternehmensfremden Zwecken dient. Die Bestimmung finde nur dann keine Anwendung, wenn die Erfordernisse des Unternehmens im Hinblick auf besondere Umstände, wie die Schwierigkeit, andere geeignete Verkehrsmittel zu benutzen und Wechsel der Arbeitsstätten es gebieten, daß die Beförderung der Arbeitnehmer übernommen wird, da dann diese Leistung nicht zu unternehmensfremden Zwecken erbracht werde. Der Bundesfinanzhof hat die Rechtsprechung des EuGH für die Fälle, in denen die Arbeitnehmer auf wechselnden Baustellen bzw. Arbeitsstätten eingesetzt waren, dahingehend konkretisiert, daß besondere Umstände, die eine Ausnahme von der Besteuerung rechtfertigen, nur vorliegen, wenn diese Arbeitsstellen aufgrund der jeweiligen Entfernung oder mangels anderer Beförderungsmöglichkeiten es geboten bzw. den Steuerpflichtigen "zwangen", die Beförderung zu übernehmen (BFH-Urteil vom 9. Juli 1998, V R 105/92, BStBl II 1998, 635 ff; BFH-Urteil vom 12. März 1998 V R 127/92, BFH/NV 98, 1270 (1272); Urteil vom 12. Februar 1998 V R 69/93, BFH/NV 98, 1131 ff.). Solche besonderen Umstände,die eine Ausnahme rechtfertigen würden, sind von der Klägerin weder dargelegt noch nachgewiesen worden. Sie sind auch nicht aus den Akten ersichtlich. Da es den Fernmeldeeinrichtern der Klägerin bis zur Anschaffung der firmeneigenen Pkw zum 01. April 1988 problemlos möglich war, ihre Einsatzstellen auch ohne die firmeneigenen Pkw zu erreichen, liegen solche, eine Ausnahme begründenden Umstände, nicht vor.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).