Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 03.09.1996, Az.: 5 U 34/96
Erlöschen eines Provisionsanspruches durch Aufrechnung mit einem Erstattungsanspruch; Bedeutung von etwaigen Ungenauigkeiten der Angaben auf Palettenscheinen
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 03.09.1996
- Aktenzeichen
- 5 U 34/96
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1996, 21408
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:1996:0903.5U34.96.0A
Rechtsgrundlagen
- § 388 BGB
- § 389 BGB
- § 528 ZPO
Fundstellen
- BB 1996, 2115 (Volltext mit amtl. LS)
- DB 1996, 2176 (amtl. Leitsatz)
- NJW-RR 1997, 1003-1004 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
Folgen einer versäumten Kontrolle des Warenbestandes durch den Franchisenehmer.
Tatbestand
Der Kl. - Franchisenehmer für ein Sonderpostengeschäft der Bekl. in F. gemäß Vertrag vom 04.11.1994 bis zum 15.05.1995 - begehrt Verkaufsprovision (9% vorn Nettoumsatz für April und Mai 1995 abzüglich Abschlag) in Höhe von 58.150,58 DM. Die Bekl. rechnet dagegen mit einer Forderung gem. § 6 IV 4 des Franchisevertrags wegen eines 2% vom Verkaufserlös übersteigenden Schwundes des Warenbestandes auf. Die Inventur vom 12./13.05.1995 habe einen Fehlstand von 3,89 % vom Umsatz - das entspreche 138.087,74 DM - ergeben. Die Ersatzforderung in Höhe von 1,89% belaufe sich mithin auf 67.037,41 DM. Das LG hat der Klage gemäß Vorbehaltsurteil im Urkundsprozess ohne Berücksichtigung einer Erstattung für Warenschwund stattgegeben. Im Nachverfahren hat der Kl. die Ordnungsgemäßheit der Inventur angezweifelt, zumal frühere Inventuren zu günstigeren Ergebnissen geführt hätten. Mit Forderungen der Bekl. aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss und einem Vergleich in Höhe von insgesamt 12.879,96 DM hat er die Aufrechnung gegenüber seiner im Vorbehaltsurteil titulierten Provisionsforderung erklärt. Die Bekl. hat ihre Aufrechnung im Zusammenhang mit dem Warenfehlbestand wiederholt und hilfsweise mit ihren Aussprüchen aus dem Vergleich und dem Kostenfestsetzungsbeschluss aufgerechnet.
Das LG hat nach Vernehmung des Inventurleiters das Vorbehaltsurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen, da die Provisionsforderung durch Aufrechnung mit dem Erstattungsanspruch wegen Warenschwundes erloschen sei. Die dagegen gerichtete Berufung blieb erfolglos.
Entscheidungsgründe
Zu Recht hat das LG die Klage abgewiesen. Der Provisionsanspruch des Kl. ist gern. §§ 388, 389 BGB durch die von der Bekl. erklärte Aufrechnung mit ihrem Erstattungsanspruch wegen des Schwundes im Warenbestand erloschen. Die Angriffe der Berufung gegen die Feststellung und Berechnung des Ersatzanspruches aus § 6 IV 4 des Franchisevertrags gehen insgesamt ins Leere. Der Kl. hat sich in dem Vertrag verpflichtet, den über 2% vom Umsatz hinausgehenden Bestandsschwund zu ersetzen. Dagegen werden von ihm keine ernsthaften Einwände erhoben, und auch sonst bestehen keine Bedenken gegenüber der Wirksamkeit dieser Vereinbarung. Das Schwundrisiko ist bei Warenbeständen dieser Art nie völlig zu beherrschen oder gar auszuschließen und wird durch die festgelegte Grenze auf beide Vertragspartner in vertretbarer Weise verteilt.
Zu Unrecht beanstandet der Kl. den der Abrechnung zugrunde gelegten erhaltenen Warenbestand. Er selbst hat den Anfangsbestand und die im Vertragszeitraum erfolgten Zugänge entgegengenommen und unwidersprochen die Zulieferungen auf den Lieferscheinen bestätigt. Diese Daten sind der Abrechnung zugrunde gelegt worden. Dem Kl. hätte es - insbesondere als Kaufmann - oblegen, die erhaltenen Waren bzw. Lieferungen zu prüfen und etwaige Rügen unverzüglich mitzuteilen und nicht beanstandungslos, die Ordnungsgemäßheit durch quittierte Lieferscheine noch bestätigend entgegenzunehmen. Es fehlt demgegenüber an substantiiertem Vortrag mit entsprechendem Beweisantritt des Kl. gegen den durch Anfangsinventur und Zugänge belegten Erhalt der Warenmenge in Höhe von 5.508.749,12 DM.
Abgesehen davon hat der Kl. diesen Warenwert entgegen der Berufung nicht bereits mit Schriftsatz vom 15.09.1995, sondern erstmals in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz nach dem Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vor dem LG und eher beiläufig angezweifelt. Die Lieferscheine enthalten die genauen Angaben über die jeweiligen Lieferungen nach Artikelnummer, Menge, Artikelbezeichnung, Verkaufseinheit, Einzelverkaufspreis und Gesamtverkaufspreis. Etwaigen Ungenauigkeiten bei den Angaben auf den Palettenscheinen kommt demgegenüber keine Bedeutung zu. Um die Lieferscheine hätte sich der Kl., wenn ihm an einer nachträglichen Prüfung gelegen gewesen wäre, mit Erfolg bemühen können, wie die Vorlage der Unterlagen in den Terminen vor dem LG belegt. Für einen qualifizierten Angriff auf den erhaltenen Warenbestand reicht das Vorbringen des Kl. insgesamt nicht. Anlass zum Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung bestand nicht. Die Voraussetzungen für eine Zulassung dieses neuen Vorbringens gern. § 528 ZPO liegen im Übrigen nicht vor. Ohne Erfolg wiederholt der Kl. seine Bedenken gegen die ordnungsgemäße Feststellung des Endbestandes. Das LG hat diese Feststellungen aufgrund der Zeugenaussage des Inventurleiters beanstandungsfrei treffen können und auch getroffen. Anhaltspunkte, an der Glaubwürdigkeit des Zeugen und Glaubhaftigkeit seiner Aussage zu zweifeln, sind nicht ersichtlich und werden auch von der Berufung nicht aufgezeigt. Nach seiner Aussage wurden insbesondere Vorkehrungen getroffen, die der Gefahr von Falschzählungen aufgrund der Bestandsaufnahme auch während der Verkaufszeiten wirksam begegnete. Teilweise erfolgte die Aufnahme im Verkaufsbereich nach Geschäftsabschluss, im Übrigen wurde ein zwischenzeitiger Abverkauf später berücksichtigt. Durch die endgültige Abrechnung erst am 08.06.1995 war schließlich sichergestellt, dass nachträglich entlastende Positionen berücksichtigt werden konnten.
Die von der Berufung angegebene Höhe von 7 % Schwund im letzten Vertragsdrittel lässt eine andere Bewertung nicht zu. Die Steigerung gegenüber der Inventur im März 1995 bis zur Endinventur wird durch die Differenz mit 1,5 7% des Umsatzes ausgewiesen. Bezogen auf den Gesamtzeitraum des Vertragsverhältnisses ist zu berücksichtigen, dass nach der Zeugenaussage die vom Kl. durchgeführte Jahresabschlussinventur nach Auswertung der Bekl. einen Schwund von 8,51 % des Umsatzes ergeben hatte. Auch die von der Berufung behaupteten Unregelmäßigkeiten bei vier Einzelpositionen von 337 Inventurblättern mit jeweils ca. 30 Positionen sind nicht geeignet, das Inventurergebnis in Frage zu ziehen. Der Kl. hat die Unterlagen - wie mit Schriftsatz vom 03.01.1996 eingeräumt - in Kopie selbst übermittelt bekommen. Die Originale hätte er jederzeit von der Bekl. zur Überprüfung und Auswertung erhalten können. Nunmehrige Zweifel gegenüber vier Einzeldaten genügen den an einen substantiierten Vortrag zu stellenden Anforderungen nicht. Darüber hinaus lassen die von ihm aufgezeigten Unterschiede zwischen Lieferschein- und Inventurmenge keinen sicheren Schluss auf ein falsches Zahlenwerk oder einen Schreibfehler zu, sondern können auch andere Ursachen haben, wie etwa weitere Mengen auf anderen Inventurblättern, zumal die Bestandsaufnahme in den zwei Bereichen Verkaufsabteilung und Lagerraum erfolgte und nicht dargelegt ist, wo welche gelieferten Waren sich befunden haben. Der aufgezeigte Preisunterschied bei den Steaktellern begründet ebenfalls keine Zweifel an dem Gesamtergebnis und hätte im Übrigen keinen Einfluss auf die Aufrechnung, da die Aufrechnungsforderung die Provisionsforderung auch unter Berücksichtigung dieses Einzelpostens übersteigt. Ohne Erfolg beanstandet die Berufung die Substantiierung der Aufrechnungsforderung durch die Bekl. vor allem in Bezug auf den Beleg des Warenschwundes. Der Kl. wusste um die Befristung des Vertrages und dass er im Falle der Nichtverlängerung für die reibungslose Abwicklung und Übergabe zum 15.05.1995 mit zu sorgen hatte (vgl. § 11 IV des Franchisevertrages). An der Bestandsaufnahme hätte er insgesamt selbst teilnehmen und mitwirken können. Wenn er davon keinen Gebrauch macht und dies nach dem Übergabeprotokoll seiner Mitarbeiterin F überließ, muss das zu seinen Lasten gehen, wenn ihm deswegen im Nachhinein ein qualifizierter Angriff gegen die Durchführung und schriftliche Fixierung der Bestandsaufnahme nicht möglich ist. Die Inventur ist zudem in Anwesenheit der Nachfolgerin auch für deren Betriebsbeginn am 15.05.1995 durchgeführt worden. Die von dem Kl. behauptete Absicht, ihn durch eine unrichtige Bestandsaufnahme schädigen zu wollen, ergibt angesichts dessen keinen Sinn, da damit lediglich die Nachfolgerin auf seine Kosten einen Vorteil erlangen würde.
Insgesamt hat die Bekl. auch den Endbestand über die letzte Inventur; von deren korrekter Durchführung nach der Aussage des Zeugen T auszugehen ist, und die schriftlich festgehaltenen Inventurergebnisse schlüssig und substantiiert dargelegt. Das darauf beruhende Rechenwerk hat der Kl. nicht in Zweifel gezogen. Die Angriffe gegen die der Abrechnung zugrunde gelegten Ausgangsdaten sind - wie ausgeführt - wirkungslos. Schließlich entspricht das Zugrundelegen der Verkaufspreise ohne Abzug einer fiktiven Provision des Kl. insoweit der vertraglich vereinbarten Berechnung der Warenfehlmenge und durfte daher von der Bekl. der Abrechnung zugrunde gelegt werden.