Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 26.09.1996, Az.: 10 W 16/96

Wirtschaftsfähigkeit einer Person mit einer landwirtschaftlichen Ausbildung im Bereich der ländlichen Hauswirtschaft; Voraussetzungen der Wirtschaftsfähigkeit einer Person; Beachtlichkeit des Willens zur Selbstbewirtschaftung eines landwirtschaftlichen Grundstücks

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
26.09.1996
Aktenzeichen
10 W 16/96
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1996, 21397
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1996:0926.10W16.96.0A

Amtlicher Leitsatz

Wirtschaftsfähigkeit setzt nicht zwingend den Willen zur Selbstbewirtschaftung voraus

Gründe

1

Die Beteiligte zu 3) ist aber wirtschaftsfähig. Diese Feststellung hat der Senats in der in diesem Fall gebotenen persönlichen Anhörung der Beteiligten zu 3), insbesondere durch die sachkundigen landwirtschaftlichen Beisitzer (Faßbender/Hötzel/von Jeinsen/Pikalo, HöfeO, 3. Aufl., § 6, Rn. 58), getroffen.

2

Die Beteiligte zu 3) hat zwar nur eine landwirtschaftliche Ausbildung im Bereich der ländlichen Hauswirtschaft, aber sie hat durch eine Mitarbeit auf dem elterlichen Hof in S. von Kind an bis zu ihrer Heirat mit 30 Jahren sämtliche auf einem Bauernhof anfallenden Tätigkeiten - mit Ausnahme des Treckerfahrens - gelernt und ausgeübt. Diese Kenntnisse hat die Beteiligte zu 3) in den Jahren danach zwar nur noch selten verwenden können, aber aus ihrer Anhörung ergab sich zweifelsfrei, dass sie diese Fähigkeiten bis heute nicht verlernt hat. Einhergehend damit hat die Beteiligte zu 3) ausreichendes Wissen über Tierhaltung und Ackerbestellung von der praktischen Seite her und ist in der Lage zu beurteilen, ob der jetzige Pächter der Ackerflächen diese ordnungsgemäß bewirtschaft. Des Weiteren spricht für die Beteiligte zu 3) ihre Betriebsplanung für den Hof. Sie will von den bis zum Jahre 2000 eingehenden Pachterträgen des Ackerlandes die noch bestehenden Belastung abtragen und zugleich einen Teil ansparen, um davon dann mit einer Schweinemast anzufangen, wobei die Zahl der Schweine letztlich zwischen 80 und 100 liegen soll, und die Maschinenarbeit in Lohnarbeit vergeben werden sollen. Dies ist nach der Einschätzung des Senats in Anbetracht der Gegebenheiten des Hofes, da die Flächen voll ackerfähig sind und deshalb das Futter für diese Zahl von Schweinen zur Gänze auf dem Hof erzeugt werden kann, eine hinreichend Erfolg versprechende Betriebsplanung. Soweit der Beteiligten zu 3) bei ihrer Anhörung das Wissen um neuere Verordnungen, etwa die GülleVO, oder für eine konkrete Betriebskalkulation das Wissen über Umrechnungsfaktoren, wie viel Land sie benötigt, um das für ein Schwein erforderliche Futter zu erzeugen, fehlte, hat die Beteiligte zu 3) darauf verwiesen, dass sie insoweit beabsichtige, den örtlichen Berater des Landvolks bei ihrer Planung einzubeziehen. Der Senat hat in Anbetracht des großen praktischen Wissens der Beteiligten zu 3) deshalb keinen Zweifel, dass sie zum einen in der Lage ist, die Richtigkeit von Vorschlägen des Beraters zu überprüfen und sich in Kürze dieses ihr fehlende aktuelle Wissen anzueignen. Folglich konnten sich aus diesen fehlenden aktuellen Kenntnissen der Beteiligten zu 3) keine Zweifel an ihrer Wirtschaftsfähigkeit ergeben. Soweit darüber hinaus die Beteiligte zu 3) den Hof nicht selbst bewirtschaften will sondern diesen unentgeltlich auf ihren Neffen übertragen hat, steht dies einer Wirtschaftsfähigkeit nicht entgegen. Für einen solchen Fall wird zwar teilweise die Wirtschaftsfähigkeit mit der Begründung verneint, dies ergebe sich aus dem Wortlaut des § 6 Abs. 7 HöfeO "in der Lage ist" sowie der Wendung "den von ihm zu übernehmenden Hof ... zu bewirtschaften", und etwas anderes lasse sich mit den Eigentumsgarantien der Verfassung nicht vereinbaren, da ein Hoferbe dieses Erbprivileg des Höferechts nicht nur in Anspruch nehmen dürfe, um den Hof als Kapitalanlage zu verwerten (Wöhrmann/Stöcher, Das Landwirtschaftserbrecht, 6. Aufl., § 6, Rn. 96 f; Fabender in AgrarR 86, 131, 132). Demgegenüber hat der Senat in ständiger Rechtsprechung ( OLG Oldenburg AgrarR 1979 52 f) und ihm folgend Steffen (in AgrarR 1996, 112) die Ansicht vertreten, Wirtschaftsfähigkeit setze nicht zwingend den Willen zur Selbstbewirtschaftung voraus. Der Senat sieht keine Veranlassung, im vorliegenden Fall von dieser Rechtsprechung abzugehen. Denn die Übertragung des Hofes durch Beteiligte zu 3) an ihren Neffen - obwohl die Beteiligte zu 3) selbst einen Sohn hat - geschah zur Überzeugung des Senats dazu, den seit mehreren Hundert Jahren im Besitz der Familie ... befindlichen Hof dieser Familie zu erhalten.