Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 14.04.2005, Az.: 6 A 173/02

Auseinandersetzungsrezess; Eigentümer; Gewässer; Gewässerstrecke; künstlicher Wasserverlauf; künstliches Gewässer; Moorgraben; Planrezess; Rechtstitel; Unterhaltung; Unterhaltungspflicht; Unterhaltungstitel; öffentlich-rechtlicher Titel

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
14.04.2005
Aktenzeichen
6 A 173/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 50999
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Auseinandersetzungsrezesse aus der Zeit des HannWG können besondere Unterhaltungstitel i.S. des § 111 NdsWG enthalten (hier verneint).

Tatbestand:

1

Mit ihrer Klage wehrt sich die Klägerin gegen eine wasserrechtliche Verfügung des Beklagten, durch die ihr die Unterhaltungspflicht an drei Gewässern III. Ordnung aufgegeben wird.

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Zwischen den Beteiligten ist streitig, wer für die Gewässer III. Ordnung „Süllbach“, „Großer Moorgraben“ und „Kleiner Moorgraben“ unterhaltungspflichtig ist. Im Zuge der Auflösung von Realverbänden in den Jahren 1971 und 1972 wurde das Grundeigentum dieser Verbände, wozu die drei Gewässer gehörten, auf die damalige Gemeinde Bonstorf übertragen. Die Gemeinde Bonstorf wurde im Rahmen der Verwaltungs- und Gebietsreform 1973 in die Gemeinde Hermannsburg eingegliedert.

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Hermannsburg gehörte zur ehemaligen preußischen Provinz Hannover. Seinerzeit war die Unterhaltungspflicht für diese Wasserläufe nach dem „Planrezess über die Spezialteilung und Verkoppelung der Feldmark des Dorfes Hetendorf“ einem dort näher aufgeführten Personenkreis, sowie nach dem „Planrezess betreffend die Spezialteilung und Verkoppelung von Bonstorf“ den anliegenden Koppelbesitzern übertragen worden.

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Im Jahre 1966 führten die Anlieger einer Teilstrecke des Süllbaches den Ausbau dieser Gewässerstrecke auf ihre Kosten durch.

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Anschließend wurden die Gewässer offenbar von der Gemeinde Bonstorf bzw. der Klägerin unterhalten. Ab 1993 stellte sich dann die Klägerin auf den Standpunkt, dass nicht mehr sie, sondern die Anlieger unterhaltungspflichtig seien.

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Im Jahre 1994 behauptete ein Anlieger, dem die Räum- und Unterhaltungspflicht aufgegeben worden war, dass nach wie vor die Klägerin als Eigentümerin des Gewässers unterhaltungspflichtig sei, weil besondere Rechtstitel im Sinne des § 111 des Niedersächsischen Wassergesetzes - NWG - nicht vorlägen. Nachdem diese Rechtsansicht vom Beklagten geprüft und übernommen worden war und ein Erörterungstermin zwischen den Beteiligten im Mai 2000 kein übereinstimmendes Ergebnis brachte, erließ der Beklagte die hier angefochtene Unterhaltungsverfügung vom 11. Oktober 2000.

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Darin wird die Unterhaltungspflicht der Klägerin damit begründet, dass diese als Eigentümerin der Gewässer unterhaltungspflichtig sei. Besondere Rechtstitel im Sinne des § 111 NWG lägen nicht vor. Besondere Rechtstitel könnten nur solche sein, die ebenfalls eine öffentlich-rechtliche Unterhaltungspflicht begründeten. Hier sei davon auszugehen, dass es sich bei den Gewässern um künstliche Wasserläufe handele. Nach ständiger Rechtsprechung des Preußischen OVG habe aber nach dem Hannoverschen Wassergesetz von 1847 (HannWG) keine öffentlich-rechtliche Pflicht zur Unterhaltung künstlicher Wasserläufe bestanden. Die Begründung einer öffentlich-rechtlichen Unterhaltungspflicht durch besonderen Rechtstitel sei daher bei künstlichen Gewässern unter der Geltung des hannoverschen Wassergesetzes nicht möglich gewesen. Eine abweichende Beurteilung ergebe sich auch nicht nach Inkrafttreten des Preußischen Wassergesetzes (PrWG) im Jahre 1914. Nach § 113 des PrWG sei auch die Verpflichtung zur Unterhaltung künstlicher Wasserläufe und ihrer Ufer eine öffentlich-rechtliche Verbindlichkeit, sofern diese durch das Preußische Wassergesetz selbst begründet würde. Vereinbarungen über die Unterhaltungspflicht hätten jedoch nur privatrechtliche Wirkung. Eine öffentlich-rechtliche Verbindlichkeit für die Unterhaltung künstlicher Wasserläufe bestehe nach Preußischem Wassergesetz grundsätzlich nur für den Eigentümer. Danach seien die Rezesse auch nach Inkrafttreten des Preußischen Wassergesetzes keine besonderen Rechtstitel, weil sie keine öffentlich-rechtliche Unterhaltungspflicht für die Anlieger begründet hätten. Auch wenn es sich bei den betroffenen Gräben um natürliche Gewässer handeln sollte, würde sich nichts am Ergebnis ändern. Dann wäre zwar durch die Rezesse eine öffentlich-rechtliche Unterhaltungspflicht für die Anlieger begründet worden. Diese Regelung sei jedoch mit Inkrafttreten des Preußischen Wassergesetzes am 1. Mai 1914 gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 PrWG erloschen, weil sie nicht durch das Preußische Wassergesetz aufrechterhalten worden seien. Ein besonderer Rechtstitel könne nicht vorliegen, weil dies ein Rechtsakt sei, der Pflichte und Rechten begründe, die sich nicht ohne weiteres schon aus dem Gesetz oder Gewohnheitsrecht ergeben. Die Rezesse müssten also die Unterhaltungspflicht abweichend von den gesetzlichen Bestimmungen des Hannoverschen Wassergesetzes geregelt haben was hier eben nicht der Fall sei. Nach dem Hannoverschen Wassergesetz seien zur Unterhaltung natürlicher Wasserzüge die Eigentümer der anstoßenden Grundstücke nach deren Uferlänge verpflichtet. Diese Vorschrift entspreche den Rezessregelungen. Somit liege kein besonderer Rechtstitel vor.

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Den Widerspruch der Klägerin wies die Bezirksregierung Lüneburg mit Widerspruchsbescheid vom 3. Juli 2002 mit im Wesentlichen gleicher Begründung wie im Ausgangsbescheid zurück. Vertieft wurden die Ausführungen dazu, dass es sich bei den Gräben um natürliche Gewässer handele. Daraufhin hat die Klägerin am 1. August 2002 die Klage erhoben.

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Zur Begründung trägt sie im Einzelnen vor:

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Ihr Gewässereigentum sei zweifelhaft, weil zum Teil noch die im Jahre 1972 aufgelösten Realverbände Bonstorf und Hetendorf im Grundbuch stünden.

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Im vorliegenden Falle lägen besondere, zur Unterhaltung verpflichtende Rechtstitel im Sinne des § 111 NWG vor. Unterhaltungspflichtig seien die Gewässeranlieger und zwar die Rechtsnachfolger der im Rezess Hetendorf genannten Personen (Moorgräben) bzw. die Eigentümer der angrenzenden Grundstücke (Süllbach). Ein Indiz hierfür sei die im Jahr 1966 durchgeführte Ausbaumaßnahme des Süllbaches. Die Realverbände seien nie unterhaltungspflichtig gewesen. Ihre Auflösung habe nämlich rechtsfehlerfrei nur dann erfolgen können, wenn sie nicht die Unterhaltungsverpflichtung gehabt hätten.

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Alle drei Gewässer seien natürliche Wasserläufe. Die Bezeichnung als Graben könne allenfalls ein Indiz sein. Aus alten Karten ergebe sich, dass es sich um natürliche Gewässer handele. Wenn in den Rezessen aus 1878 und 1880 von „neugeschaffenen“ Entwässerungsgräben die Rede sei, könnten die hier fraglichen Gewässer nicht gemeint sein, weil diese bereits in Karten aus dem Jahre 1838 eingezeichnet worden sei. Im Übrigen komme die Vermutung des § 1 Abs. 2 Satz 2 NWG zur Anwendung, wonach im Zweifel ein Gewässer als natürliches anzusehen sei.

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Hinsichtlich der Abweichung vom Hannoverschen Wassergesetz sei hervorzuheben, dass nur der Rezess von Bonstorf nicht abweiche, wohingegen der Rezess Hetendorf nicht die Anlieger sondern einen näher bezeichneten spezifizierten Personenkreis als unterhaltungspflichtig angesehen habe. Im Übrigen sei es rechtlich nicht zwingend, dass besondere Rechtstitel von den seinerzeitigen gesetzlichen Bestimmungen abweichen müssten. Das Bundesverwaltungsgericht halte eine derartige Anforderung für nicht zwingend, sondern allenfalls für erwägenswert.

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Letztlich sei darauf hinzuweisen, dass allein die Anlieger für ihre landwirtschaftlich genutzten Grundstücke Nutzen aus den drei Gewässern zögen.

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Die Klägerin beantragt,

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den Bescheid des Beklagten vom 11. Oktober 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Lüneburg vom 3. Juli 2002 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen

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und verweist zur Begründung auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie die von den Beteiligten und der Bezirksregierung Lüneburg vorgelegten Verwaltungsvorgänge verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist nicht begründet.

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Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 11. Oktober 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Lüneburg vom 3. Juli 2002 ist rechtmäßig, so dass die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt ist.

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1. Die Klägerin ist Eigentümerin der hier in Frage stehenden drei Gewässer, nämlich des „Süllbaches“, des „Großen Moorgrabens“ sowie des „Kleinen Moorgrabens“. Bei diesen Gewässern handelt es sich unstreitig um Gewässer III. Ordnung. Nach § 107 Abs. 1 Satz 1 NWG obliegt die Unterhaltung der Gewässer III. Ordnung dem Eigentümer; lässt sich dieser nicht ermitteln, so obliegt sie dem Anlieger.

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Hier ist unstreitig und durch Grundbuchauszüge belegt, dass die Klägerin Eigentümer der drei Gewässer ist. Soweit für einen Teilabschnitt des Süllbaches (im Schriftsatz des Beklagten vom 21. Februar 2005 und deren Anlagen als Abschnitt 5 bezeichnet) noch die Verkoppelungsinteressenten von Barmbostel nach dem Rezess vom 17.01.1863 als Eigentümer eingetragen sind handelt es sich um eine offensichtliche Unrichtigkeit des Grundbuches. Dieser Realverband ist nämlich mit Verfügung vom 1. Dezember 1971 (unanfechtbar seit dem 23.3.1972) aufgelöst worden, so dass die Klägerin als Rechtsnachfolgerin auch Eigentümerin dieses Teilabschnittes geworden ist. Damit steht als Zwischenergebnis fest, dass die Klägerin unterhaltungspflichtig für die drei Gewässer ist.

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2. Es ist auch kein anderer als die Klägerin unterhaltungspflichtig, weil insofern entgegen der Ansicht der Klägerin kein besonderer Rechtstitel vorliegt.

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Wenn am 15. Juli 1960 (dem Inkrafttreten des NWG) ein anderer als der durch die §§ 99 bis 110 NWG Bezeichnete aufgrund eines besonderen Rechtstitels zur Unterhaltung von Gewässerstrecken verpflichtet war, so tritt er an die Stelle des nach den §§ 99 bis 110 NWG Unterhaltungspflichtigen (§ 111 NWG).

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Dies trifft für die hier streitbefangenen Gewässer nicht zu; ein derartiger besonderer Rechtstitel ergibt sich nicht aus den genannten Rezessen.

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Unter besonderer Rechtstiteln sind Rechtsakte zu verstehen, die Rechte und Pflichten begründen, die sich nicht aus dem Gesetz oder Gewohnheitsrecht ergeben (Haupt/Reffken/Rohde, NWG Kommentar, Stand: November 2003, § 111 Rdnr. 1; OVG Lbg., OVGE Bd. 29 Seite 379 ff; VG Lbg., Urt. v. 25.9.1996 - 3 A 123/93 NV -). Ein besonderer Rechtstitel kann sich anerkanntermaßen aus einem Auseinandersetzungsrezess ergeben, vorausgesetzt, dass durch ihn eine öffentlich-rechtliche Pflicht zur Unterhaltung eines Gewässers begründet wird (Haupt/Reffken/Rohde, a. a. O., Rdnr. 2; OVG Lbg., a. a. O.; VG Lbg.; a. a. O.). Soweit vom VG Braunschweig (Urt. v. 20.5.1969 in Nds. Rechtspflege 1969, Seite 263) die abweichende Meinung vertreten wird, dass auch zivilrechtliche Unterhaltungsverpflichtungen besondere Rechtstitel sein können, folgt die Kammer dem nicht. Zum einen ist das Oberverwaltungsgericht Lüneburg dieser Ansicht mit überzeugender Begründung (Urt. v. 14.4.1988, ZfW 1989 Seite 41 f) entgegengetreten. Zum anderen ist festzuhalten, dass die Vorschrift des § 111 NWG in Kapitel V Abschnitt 1 des Nds. Wassergesetzes geregelt ist, dessen Eingangsparagraph 97 NWG bestimmt, dass die Pflicht zur Unterhaltung der Gewässer eine öffentlich-rechtliche Verbindlichkeit ist. Zudem bestimmt § 111 Satz 2 NWG, dass dann, wenn die Betroffenen zustimmen, die Wasserbehörde die Verpflichtung mit öffentlich-rechtlicher Wirkung auf denjenigen übertragen kann, der nach diesen Vorschriften unterhaltungspflichtig wäre. Diese systematische Stellung und der aus § 111 Satz 2 NWG zu entnehmende Sinn und Zweck des Gesetzes ergeben, dass unter einem besonderen Rechtstitel ein öffentlich-rechtlicher Titel gemeint ist, der von der sonstigen öffentlich-rechtlichen Unterhaltungspflicht abweicht.

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Eine derartige öffentlich-rechtliche Unterhaltungspflicht begründen die hier in Frage kommenden Rezesse aus den Jahren 1878 und 1880 nicht. Rezesse im früheren Hannoverschen Teil der ehemaligen Preußischen Provinz Hannover kommen als besondere Rechtstitel im Sinne des § 111 NWG nur in Betracht, soweit sie die Unterhaltung natürlicher Wasserläufe betreffen, da nach dem Hannoverschen Wasserrecht eine öffentlich-rechtliche Pflicht zur Unterhaltung künstlicher Wasserläufe nicht bestand (vgl. OVG Lbg., Urt. v. 14.4.1988, a. a. O.). Dies ergibt sich aus § 1 des Gesetzes, wonach die natürlichen Wasserzüge (Flüsse, Bäche usw.) in den zur Aufnahme und ungestörten Ableitung des ihnen zufließenden oder zugeleiteten Wassers erforderlichen Zustand zu setzen und darin zu erhalten sind.

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Hier ist jedoch davon auszugehen, dass es sich bei den fraglichen drei Gewässern um künstliche Wasserläufe handelt.

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Hinsichtlich der beiden Moorgräben ergibt sich das zur Überzeugung des Gerichts bereits aus dem insoweit zugrunde liegenden Rezess über die Spezialteilung und Verkoppelung der Feldmark des Dorfes Hetendorf. Im dortigen § 8 werden die Wasserzüge und Gräben genannt, welche nach der Auseinandersetzung vorhanden sind. Dort wird zuerst die Brunau genannt und in ihrem Verlauf und ihre Breite beschrieben, also das Gewässer, in den die drei hier fraglichen Gewässer münden. Sodann werden im Weiteren vier Gräben aufgezählt, die überschrieben sind als „neu angelegte Entwässerungsgräben“. Im vorliegenden Fall spricht einiges dafür, dass es sich bei dem unter 3. beschriebenen „Graben südlich im großen Moore, Nr. 52 der Karte, zwei Meter breit“ um den hier fraglichen Großen Moorgraben handelt. Eine genauere Klärung hierzu, insbesondere auch welcher der Gräben der Kleine Moorgraben sein könnte, ist entbehrlich, weil weitere als die vier Gräben nicht genannt sind. Bereits die Bezeichnung als Gräben spricht dafür, dass es sich um künstliche Wasserläufe handelt nämlich um solche, die zur Entwässerung von Feuchtgebieten, insbesonderen Mooren angelegt worden sind. Dies wird bestätigt dadurch, dass alle vier Gräben als „neu angelegte Entwässerungsgräben“ bezeichnet sind sowie dadurch, dass der Rezess unterscheidet zwischen der Brunau, einem offensichtlich natürlichen Wasserlauf und eben diesen Entwässerungsgräben.

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Vergleichbares ergibt sich hinsichtlich des Süllbaches. Im Planrezess betreffend die Spezialteilung und Verkoppelung von Bonstorf wird im dortigen § 8 zunächst wiederum die Brunau als ein öffentlicher Fluss beschrieben und sodann werden zwei „neu angelegte Entwässerungsgräben“ aufgezählt. Dabei dürfte es sich bei dem „Entwässerungsgraben im Süllmoore“ um den hier streitigen Süllbach handeln. Auch hier wiederum spricht die Bezeichnung als Graben bzw. als Entwässerungsgraben sowie die Bezeichnung als „neu angelegt“ sowie der Gegensatz zur Brunau dafür, dass es sich um künstliche Gewässer handelt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass, worauf die Klägerin hinweist, ein Teil der Gewässer bereits in einer Karte aus dem Jahre 1938 verzeichnet sind. Dies gilt zum einen nicht für den Kleinen Moorgraben, der in dieser Karte nicht eingezeichnet ist. Der Große Moorgraben ist mit einem geringfügigen Teil (wegen des Kartenabschnittes) kurz vor der Mündung in die Brunau eingezeichnet und der Süllbach im Verlauf von dem Ort Barmbostel bis zur Mündung in die Brunau. Dabei besagt die Einzeichnung dieser beiden Teilstrecken von zwei Gewässern in die ältere Karte nichts darüber, ob es sich um künstliche oder natürliche Gewässer handelt, weil diese Einzeichnung nichts über ihre Entstehungsart aussagt. Auch dass sie in den Rezessen als „neu angelegt“ bezeichnet werden, spricht nicht dafür, dass es sich um natürliche Gewässer handelt. Die Bezeichnung „neu angelegt“ ist offensichtlich als Gegensatzbezeichnung zur Brunau gewählt worden und wäre demnach gleichzusetzen mit künstlich angelegt oder nicht natürlich entstanden. Hierfür spricht auch, dass der Süllbach in diese Karte nur mit etwa der Hälfte seiner Gesamtlänge eingezeichnet ist im Vergleich zur heutigen Gewässerstrecke. Da unter natürlichen Wasserläufen ein Gewässer zu verstehen ist, dem regelmäßig Wasser aus einem Quellgebiet zufließt, dass sich das Wasser in einem durch Naturkraft geschaffenen Bett fortsetzt und dass es der natürliche Vorfluter seines Niederschlagsgebiets ist (vgl. Holtz/Kreutz, Das PrWG, Kommentar, 4. Aufl. 1927/1931 § 1 Anm. 8), spricht dies ebenfalls für die künstliche Anlegung auch des Süllbaches. Offensichtlich ist es so, dass der der Entwässerung des Süllmoores dienende Süllbach später verlängert worden ist, um auch weiter aufwärts liegende Landschaftsteile zu entwässern. Nach diesen Gesamtumständen hat die Kammer keinen Zweifel daran, dass es sich bei allen drei Gewässern um künstliche Gewässer handelt, so dass die Vermutungsregelung des § 1 Abs. 2 Satz 2 NWG nicht greift, wonach im Zweifel ein Gewässer als natürliches Gewässer anzusehen ist. Derartige Zweifel bestehen nicht; dies gilt um so mehr, als es hier um eine Auslegungsfrage zur Ausfüllung der eng auszulegenden Ausnahmevorschrift des § 111 NWG geht.

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Demgemäß konnte in beiden Rezessen unter der Geltung des Hannoverschen Wassergesetzes kein besonderer Rechtstitel geschaffen werden. Alle drei Gewässer waren als künstliche Gewässer bis zum Inkrafttreten des Preußischen Wassergesetzes von 1913 Kraft privaten Rechts von den jeweiligen Anliegern bzw. den im einzelnen genannten Personen zu unterhalten. Eine öffentlich-rechtliche Unterhaltungspflicht dieser künstlichen Gewässer könnte somit erstmals mit Inkrafttreten des Preußischen Wassergesetzes entstanden sein. Nach § 113 PrWG war auch die Verpflichtung zur Unterhaltung künstlicher Wasserläufe und ihrer Ufer eine öffentlich-rechtliche Verbindlichkeit, sofern sie durch das Preußische Wassergesetz selbst begründet wurde oder in diesem Gesetz aufrechterhalten wurden. Da hier keine öffentlich-rechtliche Unterhaltungspflicht bestand konnte sie also auch nicht aufrechterhalten werden. Nach § 115 Abs. 1 Nr. 4 oblag die Unterhaltung bei künstlichen Wasserläufen dem Eigentümer und nur für den Fall, dass sich dieser nicht ermitteln ließ, dem Anlieger. Danach oblag auch nach dem Preußischen Wassergesetz die Unterhaltung der hier fraglichen Gewässer dem Eigentümer des Gewässers.

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3. Nichts anderes würde im Ergebnis gelten, wenn entgegen zu der oben dargestellten Auffassung der Kammer der Süllbach (hinsichtlich der Moorgräben wäre die Einordnung als natürliche Gewässer abwegig) zu den natürlichen Gewässern gehörte. Der Rezess hätte dann zwar eine öffentlich-rechtliche Unterhaltungspflicht begründen können, sie wäre aber mit Inkrafttreten des Preußischen Wassergesetzes erloschen, weil sie nicht gem. § 126 Abs. 1 PrWG aufrechterhalten worden wäre. Nach § 126 Abs. 1 Nr. 2 PrWG wäre an die Stelle der nach dem Preußischen Wassergesetz Unterhaltungspflichtigen gem. dieser Bestimmung, wenn bei seinem Inkrafttreten ein anderer aufgrund einer Observanz oder eines besonderen Titels zur Unterhaltung eines natürlichen Wasserlaufs III. Ordnung verpflichtet war, dieser andere getreten. Der Rezess würde jedoch deshalb kein besonderer Rechtstitel sein, weil hiervon nur dann auszugehen ist, wenn die im Rezess enthaltene Unterhaltungsregelung von der gesetzlichen Unterhaltungsregelung abweichen. Nur dann wären sie „besondere“, also vom Gesetz abweichende Titel (vgl. OVG Lbg., Urt. v. 14.4.1988, a. a. O.; Haupt/Reffken/Rohde, a. a. O., Rdnr. 2). Hinsichtlich des Süllbach sind nach dem Rezess Bonstorf zur Unterhaltung „die anliegenden Koppelbesitzer verpflichtet. Insofern besteht Übereinstimmung mit dem Hannoverschen Wassergesetz, wonach nach § 2 zur Instandsetzung und Unterhaltung an jeder Seite des Gewässers die Eigentümer der daran anstoßenden Grundstücke verpflichtet sind. Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung auf den Unterschied hingewiesen hat, dass nach dem Rezess die anliegenden Koppelbesitzer zu einem anderen Anteil unterhaltungspflichtig sind (zu gleichen Teilen) als im Hannoverschen Wassergesetz (nach deren Uferlänge) betrifft dies nur den Umlegungsmaßstab und ändert nichts daran, welcher Personenkreis unterhaltungspflichtig ist. Insoweit bestünde im Falle des Süllbaches, auch wenn man ihn wegen seines Namens als natürliches Gewässer ansehen würde, kein besonderer Rechtstitel, weil in dem Rezess keine vom Hannoverschen Wassergesetz abweichende Regelung getroffen worden ist.

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Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Klägerin zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschl. v. 17.4.1996 in NVwZ-RR 1996 Seite 638 [BVerwG 17.04.1996 - BVerwG 4 B 284.95]). Dort hat das Bundesverwaltungsgericht als nicht entscheidungserheblich eine Frage zu § 29 Abs. 1 WHG erörtert. Dort ging es darum, ob dann, wenn für die Unterhaltungslasten besondere Rechtstitel bestehen, diese aber deklaratorisch nur die allgemeine Rechtslage wiedergäben, es nicht „erwägenswert“ sei, solche Regelungen den auf objektiven Recht beruhenden Lasten gleichzustellen, mithin also doch keine besonderen Rechtstitel wären. Wegen der Nichtentscheidungserheblichkeit hat das Bundesverwaltungsgericht diese Frage aber ausdrücklich offen gelassen.

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Letztlich greift auch das Argument der Klägerin nicht, sie sei deshalb nicht unterhaltungspflichtig, weil ihre Rechtsvorgängerinnen im Eigentum, die Realverbände, nicht unterhaltungspflichtig gewesen sein könnten. Dies ergebe sich daraus, dass sie nicht hätten aufgelöst werden können, wenn sie noch unterhaltungspflichtig gewesen wären. Abgesehen davon, dass dies nur ein Indiz sein könnte, greift es nicht durch. Realverbände hatten nach § 3 des Realverbandsgesetzes die Aufgabe, die gemeinschaftlichen Angelegenheiten und ihr sonstiges Vermögen im Einklang mit den Interessen der Allgemeinheit zum Nutzen der Mitglieder zu verwalten. Nach § 4 Abs. 1 Realverbandsgesetz sind gemeinschaftliche Angelegenheiten unter anderem insbesondere Grundstücke. Interessentenwege und Gewässer, die von den Interessenten gemeinsam benutzt und unterhalten werden, gelten auch dann als gemeinschaftliche Angelegenheit, wenn sie als solche im Rezess nicht ausdrücklich ausgewiesen sind (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Realverbandsgesetz). Somit kann die Verwaltung von Gewässern eine Gemeinschaftsangelegenheit sein. Die an dem Gewässer quasi „klebende“ Unterhaltungspflicht stellt sich jedoch nur als Nebenpflicht dar, die aus dem Grundeigentum folgt. Im Übrigen ist der Realverband durch die Aufsichtsbehörde nach den §§ 40, 41 Realverbandsgesetz aufgelöst worden. Nach dieser im Ermessen der Aufsichtsbehörde stehenden Entscheidung ist davon auszugehen, dass die Aufgaben erloschen sind. Daraus folgt, dass die am Eigentum der Gewässer haftende Unterhaltungspflicht mit dem Eigentum an den Rechtsnachfolger, hier die Klägerin, übergegangen ist.

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Da nach alledem davon auszugehen ist, dass kein besonderer Titel einen anderen als die Klägerin zur Unterhaltung der hier umstrittenen drei Gewässer verpflichtet, ist diese als Eigentümerin der Gewässer unterhaltungspflichtig. Somit sind die angegriffenen Entscheidungen des Beklagten und der Bezirksregierung Lüneburg nicht zu beanstanden.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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Gründe, die Berufung zuzulassen, liegen nicht vor.