Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 13.04.2005, Az.: 1 A 413/04
Alimentationspflicht; Beihilfe; Fürsorgepflicht; Gesetzesvorbehalt; Gleichheitsgrundsatz; Praxisgebühr; Rückwirkung; Vertrauensschutz
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 13.04.2005
- Aktenzeichen
- 1 A 413/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 50657
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 12 Abs 1 S 2 BhV
- Art 3 Abs 1 GG
- Art 33 Abs 5 GG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Die sog. Praxisgebühr gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 BhV verstößt nicht gegen höherrangiges Recht (wie VG Saarlouis, Urt. v. 11.1.2005 - 3 K 174/04 -; VG Koblenz, Urt. v. 9.3.2005 - 2 K 2847/04.KO -), und zwar weder gegen den Grundsatz der Fürsorgepflicht des Dienstherrn, den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG noch gegen Grundsätze des Vertrauensschutzes.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die vom beklagten Landesamt vorgenommene Beihilfekürzung um die sog. Praxisgebühr gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 BhV in Höhe von insgesamt 40 EUR.
Der Kläger ist als Ruhestandsbeamter (Justizoberamtsrat a. D.) dem Grunde nach beihilfeberechtigt. Er und seine nach den Beihilfevorschriften berücksichtigungsfähige Ehefrau sind privat krankenversichert. Bei beiden beträgt der Beihilfebemessungssatz 70 v. H. Mit einem am 5. Juli 2004 gestellten Antrag begehrte der Kläger die Gewährung einer Beihilfe für im Rahmen ärztlicher und zahnärztlicher Behandlungen des Klägers selbst im ersten Quartal des Jahres 2004 sowie seiner Ehefrau im ersten und zweiten Quartal desselben Jahres entstandener Aufwendungen. Das beklagte Landesamt setzte mit Bescheid vom 12. Juli 2004 antragsgemäß eine Beihilfe in Höhe von insgesamt 780,36 EUR fest, kürzte diesen Betrag aber um einen Eigenbehalt gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 BhV für die jeweils erste Inanspruchnahme eines Arztes und Zahnarztes in Höhe von 10 EUR je Kalendervierteljahr (einmal 10 EUR für den Kläger im ersten Quartal; zweimal 10 EUR für das erste Quartal für jeweils einen Arzt- und Zahnarztbesuch und einmal 10 EUR für das zweite Quartal für seine Ehefrau), mithin insgesamt um 40 EUR.
Gegen diese Kürzung legte der Kläger Widerspruch mit der Begründung ein, die Übernahme der in der gesetzlichen Krankenversicherung seit dem 1. Januar 2004 vorgesehene sog. Praxisgebühr in Höhe von 10 EUR pro Quartal und erstmaligem Arztbesuch in das beamtenrechtliche Beihilferecht sei systemwidrig und daher willkürlich sowie gleichheitswidrig.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17. November 2004 wies das beklagte Landesamt den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück.
Daraufhin hat der Kläger am 17. Dezember 2004 Klage erhoben, zu deren Begründung er seinen bisherigen Vortrag vertieft.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das beklagte Landesamt zu verpflichten, ihm auf seinen Beihilfeantrag vom 5. Juli 2004 eine weitere Beihilfe in Höhe von 40 EUR zu gewähren, und den Beihilfebescheid des beklagten Landesamtes vom 12. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. November 2004 aufzuheben, soweit er diesem Begehren entgegensteht.
Das beklagte Landesamt beantragt,
die Klage abzuweisen,
und vertieft seinerseits die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 17. November 2004.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge de beklagten Landesamtes verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage, über die die Kammer im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer ungekürzten Beihilfe in der geltend gemachten Höhe. Der angefochtene Bescheid des beklagten Landesamtes vom 12. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. November 2004 ist mithin rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für den streitigen Anspruch des Klägers ist § 87 c NBG i. V. m. der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für Beihilfen in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen i. d. F. der Bekanntmachung vom 1. November 2001 (GMBl. S. 918) in der hier maßgeblichen zum 1. Januar 2004 in Kraft getretenen Fassung der 28. Allgemeinen Verwaltungsvorschrift vom 30. Januar 2004 (GMBl. S. 379) - Beihilfevorschriften (im Folgenden: BhV).
Nach der neuesten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes (vgl. Urt. v. 17.6.2004 - 2 C 50.02 -, DVBl. 2004, 1420 = ZBR 2005, 42) genügen diese Beihilfevorschriften als Verwaltungsvorschriften zwar nicht (mehr) den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehaltes, da die wesentlichen Entscheidungen über Leistungen an Beamte, Richter und Versorgungsempfänger im Falle von Krankheit und Pflegebedürftigkeit der Gesetzgeber zu treffen hat. Trotz dieses Defizits normativer Regelungen ist aber hiernach für eine - nicht näher bestimmte - Übergangszeit von der Weitergeltung der Beihilfevorschriften auszugehen.
Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 BhV sind aus Anlass einer Krankheit beihilfefähig die Aufwendungen für ärztliche und zahnärztliche Leistungen nach Maßgabe der weiteren beihilferechtlichen Vorschriften. Beihilfeberechtigt sind der Beihilfeberechtigte selbst (hier der Kläger nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 BhV als Ruhestandsbeamter) sowie seine berücksichtigungsfähigen Familienangehörigen (hier seine Ehefrau gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BhV). Nach der seit dem 1. Januar 2004 geltenden Vorschrift des § 12 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 BhV in der jetzigen Fassung mindert sich die Beihilfe um einen Betrag von 10 EUR je Kalendervierteljahr je Beihilfeberechtigten und je berücksichtigungsfähigen Angehörigen für jede erste Inanspruchnahme von ambulanten ärztlichen, zahnärztlichen oder psychotherapeutischen Leistungen. Dies gilt nach Halbsatz 2 dieser Vorschrift nicht in den - hier allerdings nicht gegebenen - Fällen des § 12 Abs. 1 Satz 3 BhV. Hierbei handelt es sich um die sog. Praxisgebühr, die den Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung mit In-Kraft-Treten des GKV-Modernisierungsgesetzes zum 1. Januar 2004 nach § 28 Abs. 4 SGB V abverlangt wird. Mit Blick auf die soziale Symmetrie zwischen den Regelungen im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung und der aus Steuermitteln finanzierten Beihilfe wurde diese sog. Praxisgebühr in das Beihilferecht übernommen. Die Minderung der Beihilfe in Höhe von 10 EUR erfolgt je Kalendervierteljahr und je Beihilfeberechtigten und je berücksichtigungsfähigen Angehörigen für jede erste Inanspruchnahme u. a. von ambulanten ärztlichen und zahnärztlichen Leistungen. Bei Abzug der Praxisgebühr wird kein Unterschied zwischen privat Versicherten und freiwilligen oder pflichtversicherten Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung gemacht. In § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BhV in der Fassung der 27. Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Beihilfevorschriften vom 17. Dezember 2003 (GMBl. 2004, 227) war bei der Inanspruchnahme von u. a. (zahn-)ärztlichen Leistungen hingegen je Beihilfeberechtigten und je berücksichtigungsfähigen Angehörigen noch ein Pauschalabzug von 20 EUR je Kalenderjahr von den beihilfefähigen Aufwendungen vorgesehen gewesen (vgl. hierzu Topka/ Möhle, Kommentar zum Beihilferecht Niedersachsens und des Bundes, 5. Aufl., Stand: Januar 2005, § 12 Rdnr. 4).
Im Fall des Klägers ist die hier einschlägige Vorschrift des § 12 Abs. 1 Satz 2 BhV - was nunmehr unstreitig ist - fehlerfrei angewandt worden. Entgegen der Ansicht des Klägers verstößt sie auch nicht gegen höherrangiges Recht und ist daher rechtmäßig (so auch VG Saarlouis, Urt. v. 11.1.2005 - 3 K 174/04 - rechtskräftig; VG Koblenz, Urt. v. 9.3.2005 - noch nicht rechtskräftig).
1. Die Einführung der „Praxisgebühr“ in das beamtenrechtliche Beihilferecht verstößt nicht gegen hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG).
Von Verfassungs wegen hat der Beamte, Richter oder Soldat Anspruch darauf, Krankheit, Pflegebedürftigkeit und andere besondere Situationen, die bei ihm selbst oder seinen berücksichtigungsfähigen Familienangehörigen bestehen, finanziell bewältigen zu können, ohne dass sein amtsangemessener Lebensunterhalt beeinträchtigt wird. Diese Pflicht zur Sicherstellung des amtsangemessenen Lebensunterhaltes ist ein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums und beruht unmittelbar auf Verfassungsrecht (Art. 33 Abs. 5 GG). Sie ist nicht beschränkt auf gewöhnliche Lebenssituationen, sondern erstreckt sich auch auf Lebenslagen, die einen erhöhten Bedarf begründen. Die Alimentationspflicht gebietet dem Dienstherrn, Vorkehrungen zu treffen, dass die notwendigen und angemessenen Maßnahmen im Falle von Krankheit, Pflegebedürftigkeit, Geburt und Tod nicht aus wirtschaftlichen Gründen unterbleiben oder dass der amtsangemessene Lebensunterhalt wegen der finanziellen Belastungen in diesen Ausnahmesituationen nicht gefährdet wird (BVerwG, Urt. v. 3.7.2003 - 2 C 36.02 -, BVerwGE 118, 277 = NJW 2004, 308 = ZBR 2004, 49; Urt. v. 17.6.2004 - 2 C 50.02 -, a. a. O., jeweils m. w. N.).
Das gegenwärtig praktizierte System der Beihilfen in Krankheits- und Pflegefällen gehört nicht zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums und wird deshalb nicht durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährleistet. Unterstützungsleistungen in besonderen Lebenssituationen werden daher nicht von der nach Art. 33 Abs. 5 GG geschuldeten Alimentation umfasst. Der Dienstherr muss lediglich dafür sorgen, dass der Beamte in die Lage versetzt wird, einen Teil seiner Bezüge zur Eigenvorsorge einzusetzen. Besoldung und Versorgung sind demnach so zu gestalten, dass unter Berücksichtigung der Eigenvorsorge der angemessene Lebensunterhalt des Beamten und seiner Familienangehörigen sichergestellt bleibt. In welcher Form der Dienstherr die erforderlichen Vorkehrungen trifft, bleibt seiner Gestaltungsfreiheit überlassen. Es besteht keine verfassungsrechtliche Verpflichtung, den Beamten in Krankheits- und Verpflegungsfällen oder in vergleichbaren Notsituationen Unterstützungen in Form gerade von Beihilfen oder gar von Beihilfen in bestimmter Höhe zu gewähren. Wenn der Dienstherr dem Beamten aber eine Eigenvorsorge in vollem Umfang, insbesondere in Krankheits- und Pflegefällen, zumutet, die nach den heutigen Verhältnissen im Gesundheits- und Pflegewesen vernünftigerweise nur durch den Abschluss von Kranken- und Pflegeversicherungen erreicht werden kann, müssen die Bezüge so bemessen sein, dass die zu zahlenden Versicherungsprämien den amtsangemessenen Lebensunterhalt nicht beinträchtigen. Sind - wie nach der gegenwärtigen Rechtslage - die Bezüge des Beamten so zugeschnitten, dass sie eine zumutbare Eigenvorsorge nur im Hinblick auf einen Teil der durch Krankheit und Pflegebedürftigkeit begründeten Belastungen ermöglichen, so hat der Dienstherr zusätzliche Vorkehrungen zu treffen, dass die Belastungen, die den Umfang der Eigenvorsorge überschreiten, ebenfalls getragen werden können. Beihilfen zu derartigen Aufwendungen finden ihre Grundlage in der Fürsorgepflicht des Dienstherrn, die ihrerseits als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährleistet ist. Die Zuschüsse ergänzen die aus der gewährten Alimentation zu bestreitende Eigenvorsorge. Entscheidet sich der Dienstherr für ein „Mischsystem“ aus Eigenleistungen des Beamten, so muss lediglich gewährleistet sein, dass dieser nicht mit erheblichen Aufwendungen belastet bleibt, die er auch über eine ihm zumutbare Eigenvorsorge nicht abzusichern vermag (BVerwG, Urt. v. 3.7.2003 - 2 C 36.02 -, a. a. O).
Sowohl die Bestimmungen über die Besoldung und Versorgungsbezüge als auch die Bestimmungen über den Schutz bei Krankheit und Pflegebedürftigkeit haben Rücksicht zu nehmen auf die finanzielle Belastbarkeit des Beamten, um den amtsangemessenen Lebensunterhalt sicher zu stellen. Insoweit sind allerdings keine starren Grenzen vorgegeben. Die Bezüge der Beamten enthalten keinen exakt bestimmbaren Satz oder proportionalen Anteil, mit dem die Eigenvorsorge betrieben werden kann und soll. Verfassungsrechtlich ist die Grenze der dem Beamten zumutbaren Belastung im Hinblick auf die Eigenvorsorge erst erreicht, wenn der amtsangemessene Lebensunterhalt nicht mehr gewährleistet ist.
Die Fürsorgepflicht verlangt nicht, dass durch Beihilfe und Versicherungsleistung die Aufwendungen in Krankheits- und Pflegefällen vollständig gedeckt werden, dass der Dienstherr in jedem Fall einen Teil der Aufwendungen übernimmt oder dass das von der Beihilfe nicht gedeckte Risiko in vollem Umfang versicherbar ist. Zwar darf die Beihilfe als eine die Eigenvorsorge ergänzende Leistung nicht ohne Rücksicht auf die vorhandenen Versicherungsmöglichkeiten ausgestaltet werden. Daraus folgt des Weiteren aber nicht, dass das Beihilfesystem und die private Versicherung lückenlos aufeinander abgestimmt sein müssen. Das Alimentationsprinzip verbietet es, dem Beamten Risiken aufzubürden, deren wirtschaftliche Auswirkungen unüberschaubar sind. Das ist nicht zu besorgen, wenn das nicht versicherbare finanzielle Risiko auf einen Betrag begrenzt ist, der die amtsangemessene Lebensführung nicht beeinträchtigt.
Im vorliegenden Fall sind diese Grundsätze nicht verletzt. Angesichts der Höhe des Eigenanteils jeweils für sich und seine Ehefrau im Extremfall von jeweils bis zu 120 EUR jährlich kann nicht davon gesprochen werden, dass der Kläger als Justizoberamtsrat a. D. seinen amtsangemessenen Lebensunterhalt für sich und seine Ehefrau nicht mehr sicherstellen kann. Ungeachtet dessen finden sich gerade in § 12 Abs. 2 BhV Belastungsgrenzen.
Der Fürsorgegrundsatz ist auch nicht deshalb verletzt, weil durch die „Praxisgebühr“ ein Anreiz geschaffen werden könnte, von einer notwendigen ärztlichen, zahnärztlichen oder psychotherapeutischen Behandlung abzusehen. Das Fürsorgeprinzip gebietet zwar, für das Wohl und Wehe des Beamten und seiner Familienangehörigen einzustehen. Gravierende Lenkungsmaßnahmen des Dienstherrn, die den Beamten dazu verleiten würden, in Zukunft von notwendigen medizinischen Behandlungen aus finanziellen Erwägungen abzusehen, wären damit nicht vereinbar. Zu einer derartigen Befürchtung besteht indessen angesichts des geringen Umfangs der Eigenbeteiligung kein ernstzunehmender Anlass
2. Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG liegt ebenfalls nicht vor. Dieser Grundsatz verbietet, wesentlich Gleiches willkürlich ungleich und wesentlich Ungleiches willkürlich gleich zu behandeln. Nach ständiger Rechtsprechung hat der Gesetzgeber die Grenzen der ihm zustehenden Gestaltungsfreiheit mit der Folge einer Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG erst dann überschritten, wenn die Behandlung der geregelten Sachverhalte mit Gesetzlichkeiten, die in der Natur der Sache selbst liegen, und mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise nicht mehr vereinbar ist - mit anderen Worten, wenn ein vernünftiger, einleuchtender Grund für die getroffene Regelung fehlt. Um den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG zu genügen, kommt es indes nicht darauf an, ob der Gesetzgeber oder hier der Dienstherr im Einzelfall die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden hat (BVerwG, Urt. v. 3.7.2003 - 2 C 36.02 -, a. a. O. m. w. N.).
Ohne Erfolg wendet der Kläger in diesem Zusammenhang ein, die Übernahme der sog. Praxisgebühr aus der gesetzlichen Krankenversicherung in das beamtenrechtliche Beihilferecht sei nicht systemkonform und daher gleichheitswidrig. Wie bereits ausgeführt, verlangt die Fürsorgepflicht nicht, dass durch die Beihilfe und die vom Beamten vorgehaltene privatrechtliche Versicherungsvorsorge die Aufwendungen in Krankheitsfällen vollständig abgedeckt werden. Der Dienstherr ist deshalb frei in seiner Entscheidung, ins Beihilferecht auch an sich nicht systemkonforme Regelungen aus anderen Regelungsbereichen zu übernehmen, solange er hierbei die oben dargestellte - und angesichts des geringen Betrages hier noch nicht verletzte - Grenze der noch amtsangemessenen Lebensführung beachtet (so auch VG Koblenz, Urt. v. 9.3.2005 - 2 K 2847/04 -). Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG oder ein sonstiger Rechtsverstoß ist daher nicht gegeben.
Dass die Pauschalsätze der sog. Praxisgebühr nicht nach Besoldungsgruppen abgestuft sind, verletzt ebenfalls nicht Art. 3 Abs. 1 GG. Auch wenn der beamtenrechtliche Fürsorgegrundsatz seit jeher Differenzierungen nach sozialen und wirtschaftlichen Kriterien kennt, ist es angesichts der weiten Gestaltungsfreiheit des Dienstherrn im Bereich der dienstrechtlichen Fürsorge und damit auch im Beihilferecht und insbesondere der relativ geringen Höhe der Belastung der Anspruchsberechtigten durch die sog. Praxisgebühr von Verfassungs wegen nicht geboten, typisierend an das geringere Einkommen oder eine erhöhte Belastung insbesondere durch familiäre Verpflichtungen eine unterschiedliche Höhe der sog. Praxisgebühr vorzusehen. Diesem Mangel an Differenzierung steht überdies ein Zugewinn an Verwaltungsvereinfachung gegenüber. Dessen ungeachtet finden sich soziale Ausnahmetatbestände in § 12 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. Satz 2 Halbsatz 2 sowie Belastungsgrenzen in § 12 Abs. 2 BhV.
3. Und schließlich bestehen auch im Hinblick auf das kurzfristige bzw. z. T. rückwirkende In-Kraft-Treten der hier einschlägigen Änderungen der Beihilfevorschriften unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes keine durchgreifenden Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der sog. Praxisgebühr.
Zwar setzen einschneidende Änderungen im Beihilferecht mit Blick auf das bisher praktizierte System von Beihilfe und Eigenvorsorge unter Umständen eine rechtzeitige Information des Dienstherrn und gegebenenfalls Übergangs- sowie Ausnahmeregelungen voraus. Im Hinblick auf die Geringfügigkeit der hier streitigen sog. Praxisgebühr, bei der es sich zudem nicht um eine einschneidende Änderung des bisherigen Systems handelt, bestehen unter diesem Gesichtspunkt aber keine Bedenken (so auch VG Saarlouis, Urt. v. 11.1.2005 - 3 K 174/04 -).
Die zum 1. Januar 2004 in der gegenwärtigen Form rückwirkend in Kraft getretene Vorschrift des § 12 Abs. 1 Satz 2 BhV entfaltet auch keine nach dem Rechtsstaatsprinzip unzulässige echte Rückwirkung. Die im Januar 2004 vor dem Zeitpunkt des Erlasses der hier maßgeblichen 28. Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Beihilfevorschriften am 30. Januar 2004 vom Beihilfeberechtigten und seinen berücksichtigungsfähigen Familienangehörigen wahrgenommenen Arzt-, Zahnarzt- und Psychotherapeutentermine führen zwar dazu, dass die sog. Praxisgebühr bereits für das erste Kalendervierteljahr des Jahres 2004 verwirkt ist. Hierbei handelt es sich aber zum einen um eine zulässige bloße tatbestandliche Rückanknüpfung noch nicht abgeschlossener Tatbestände und damit um eine sog. unechte Rückwirkung (vgl. hierzu allgemein etwa Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Kommentar, 6. Aufl 2002, Art. 20 Rdnr. 68 ff. m. w. N.). Denn das erste Kalendervierteljahr des Jahres 2004 war im Zeitpunkt des Erlasses der 28. Änderungsvorschrift am 30. Januar 2004 noch nicht beendet. Eine derartige unechte Rückwirkung ist verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig. Zum anderen haben ausweislich der Auflistung im angefochtenen Beihilfebescheid des beklagten Landesamtes vom 12. Juli 2004 sowohl der Kläger am 30. März 2004 als auch seine berücksichtigungsfähige Ehefrau am 25. März 2004 ambulante Arzttermine wahrgenommen und damit die sog. Praxisgebühr für Zeitpunkte im ersten Kalendervierteljahr verwirkt, die zeitlich nach dem 30. Januar 2004 liegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.
Gründe, die Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO zuzulassen, sind nicht ersichtlich. Die maßgeblichen Rechtsfragen zur Frage der Rechtmäßigkeit der Regelungen der Beihilfevorschriften zu Eigenbehalten und Belastungsgrenzen sind in der obergerichtlichen Rechtsprechung geklärt. Allein der Umstand, dass diese Frage eine Vielzahl von Beihilfefällen betrifft, verleiht der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung.