Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 13.04.2005, Az.: 1 A 368/04
Ansehen der Bundeswehr; Dienstpflicht; Dienstvergehen; Entlassung; fristlose Entlassung; Landser; militärische Ordnung; politische Treuepflicht; rechtsradikale Musikgruppen
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 13.04.2005
- Aktenzeichen
- 1 A 368/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 50680
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 23 Abs 1 Nr 6 SBG
- § 7 SG
- § 8 SG
- § 10 Abs 6 SG
- § 11 Abs 1 S 1 SG
- § 17 Abs 2 SG
- § 23 Abs 1 SG
- § 55 Abs 5 SG
- § 129 Abs 1 StGB
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Einzelfall einer nicht gerechtfertigten fristlosen Entlassung eines Soldaten auf Zeit nach § 55 Abs. 5 SG wegen des Vorwurfes des Abspielens und Verbreitens von Tonträgern mit rechtsradikalem Inhalt in der dienstlichen Unterkunft.
Tatbestand:
Der Kläger, ein Soldat auf Zeit, wendet sich gegen seine fristlose Entlassung aus der Bundeswehr.
Der am ... geborene Kläger ist ledig. Sein Vater ist Berufssoldat, seine Mutter Damenschneiderin. Nach dem Besuch der Grundschule sowie der Orientierungsstufe besuchte er das Gymnasium, das er im Jahr 2000 mit dem Abschluss der Allgemeinen Hochschulreife verließ. Aufgrund seiner Bewerbung als Zeitoffiziersanwärter mit einer Verpflichtungszeit von zwölf Jahren wurde er im Juli 2000 als Unteroffiziersanwärter zum Grundwehrdienst eingezogen. Unter dem 6. Juli 2000 wurde er vereidigt. Am 30. Mai 2000 sowie erneut am 4. Februar 2002 (letztere anlässlich seiner Ernennung zum Soldaten auf Zeit) leistete er jeweils seine Unterschrift unter die schriftliche Erklärung über die Treuepflicht zum Grundgesetz. Inhalt dieser Erklärung ist die Verpflichtung des Soldaten nach § 8 Soldatengesetz (SG), sich durch sein gesamtes Verhalten zur Freiheitlichen Demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen und für deren Erhalt einzutreten. Im Folgenden werden in diesen Erklärungen deren nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes grundlegende Prinzipien dargestellt. Nach Absolvierung seiner Ausbildung an verschiedenen Standorten wurde er am 1. Juli 2001 zum Unteroffizier befördert. Das den Kläger betreffende Führungszeugnis vom 4. Juli 2002 enthält keine Eintragungen. Zum 1. Juli 2002 wurde er antragsgemäß als Offiziersanwärter im Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit mit einem vorgesehenen Dienstverhältnis von 13 Jahren übernommen. Im Oktober 2004 sollte sein Studium an der Hochschule der Bundeswehr in Hamburg mit der Studienfachrichtung Betriebswirtschaftslehre beginnen.
In der Zeit vom 15. April bis 14. November 2003 nahm er an einem Lehrgang an der Offizierschule des Heeres (OSH) in A. teil. Nach dem dem Kläger gemachten Vorwurf entwickelten er sowie sein Stubenkamerad an der OSH, der ehemalige Fähnrich B., ein gemeinsames Interesse an rechtsextremistischer Musik. Zudem soll er im Besitz von rechtsextremistischen Tonträgern gewesen sein und diese zusammen mit Herrn B. auf der gemeinsamen Stube angehört haben. Die dem Kläger in diesem Zusammenhang gemachten Vorwürfe hinsichtlich der Beteiligung an extremistischen Bestrebungen führten schließlich zu der hier streitigen Entlassung. Herr B. wurde ebenfalls fristlos aus der Bundeswehr entlassen und hat hiergegen vor dem Verwaltungsgericht C. Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist.
Am 9. Dezember 2003 wurde der Kläger vom Amt für den militärischen Abschirmdienst (MAD) zu diesen Vorwürfen vernommen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Vernehmungsprotokoll des MAD vom 12. Dezember 2003 verwiesen. Der MAD bewertete den Kläger als Verdachtsperson in der Bundeswehr. Seiner Ansicht nach lasse der Kläger die nötige kritische Distanz zur rechtsextremistischen Musik und deren antisemitischen und ausländerfeindlichen Inhalten vermissen, wie sie von einem Offizieranwärter objektiv zu erwarten wäre.
Im Anschluss hieran fand am 12. Januar 2004 mit dem Kläger im Rahmen von vordisziplinaren Ermittlungen ein Personalgespräch mit dem Dezernatsleiter PersABw I 6, Herrn Major D., sowie Herrn RD E. und Herrn ORR F. als Rechtsberater PersABw statt. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokolls dieses Personalgespräches vom 12. Januar 2004 sowie einen Zusatz des Klägers zu diesem Protokoll verwiesen. In der Zusammenfassung finden sich von Major D. unter „Allgemeines“ folgende Bemerkungen im Protokoll: Insgesamt sei der Bericht des MAD vom 12. Dezember 2003 von Seiten des Klägers in Frage gestellt worden. Der Kläger habe über das Gespräch mit dem MAD ein Gedächtnisprotokoll gefertigt. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers weise darauf hin, dass die besondere Situation des Klägers während des Offizierlehrganges berücksichtigt werden solle. Der Kläger habe Spannungen und Probleme mit dem Hörsaalleiter gehabt, seine Stube sei zentrale Anlaufstelle der Kameraden gewesen. Der Kläger sei sich durchaus bewusst, dass er sich nicht pflichtgemäß verhalten habe. Er sei jedoch weder extremistisch noch rechtsextremistisch gesinnt. Er habe diese Vorkommnisse nicht so ernst gesehen. Die Belehrungen über die straf- und dienstrechtlichen Folgen des Verwendens von Propagandamaterial rechtsradikaler Organisationen im Bereich der Bundeswehr vom 4. Juli 2000 habe er zwar unterschrieben, aber nie genau gelesen, so dass ihm die Konsequenzen nicht so bewusst gewesen seien. Auch sei ihm der genaue Wortlaut der ZDv 10/5 Nr. 311 nicht geläufig, in der das Verbot des Einbringens derartiger Tonträger in den Unterkunftsbereich festgehalten sei. Er kenne sie nur vom groben Inhalt her.
Am 5. Februar 2004 wurde der Kläger im Rahmen disziplinarer Vorermittlungen durch Major G. zu den einzelnen Punkten erneut vernommen. Wegen der Einzelheiten wird ebenfalls auf das Protokoll dieser Vernehmung verwiesen.
Im Februar 2004 wurden die vordisziplinaren Ermittlungen durch den Wehrdisziplinaranwalt der 1. PzDiv gemäß § 92 WDO übernommen. Dieser teilte dem Personalamt der Bundeswehr unter dem 22. März 2004 mit, die Auswertung der Vernehmungen habe den folgenden Tatverdacht ergeben: Der Kläger habe am 6. November 2003 in der militärischen Unterkunft der OSH in A. eine CD der Gruppe „Landser“ auf seinen Laptop kopiert und daraus später selbst eine CD hergestellt. Zusammen mit anderen Lehrgangsteilnehmern habe er während des Lehrgangs in der Kaserne Musik der Gruppen „Landser“, „Zillertaler Türkenjäger“ und „Freikorps“ aus dem Internet heruntergeladen, wobei er die Gruppen durch Eingabe des Namens als Suchbegriff gezielt aufgerufen habe, obwohl ihm zumindest hätte bekannt sein können und müssen, dass es sich bei diesen Gruppen um solche handele, die verfassungsfeindliche Musik herstellten. Insgesamt sei der Kläger durch sein Verhalten während seiner Lehrgangzeit gegenüber seinen Lehrgangskameraden nicht jederzeit für die Erhaltung der freiheitlich demokratischen Grundordnung eingetreten. Dieser Vorwurf stelle ein Dienstvergehen dar, wofür der Kläger gem. § 10 Abs. 1 SG verschärft hafte. Da statusrechtliche Maßnahmen Vorrang vor disziplinaren Maßnahmen hätten und der Tatvorwurf sicherlich für eine Maßnahme nach § 55 Abs. 4 SG ausreiche, eine Dienstgradherabsetzung im gerichtlichen Disziplinarverfahren jedoch nicht sicher sei, sei zunächst die statusrechtliche Entscheidung des Personalamtes der Bundeswehr abzuwarten.
In einem Vermerk vom 29. März 2004 kam Major D. vom Personalamt der Bundeswehr im Wesentlichen zu folgender Einschätzung: Der Kläger habe den über das Personalgespräch am 12.Januar 2004 gefertigten Vermerk zwar am 3. Februar 2004 unterschrieben, aber zum Teil eigene Angaben in einer Anlage zum Gesprächsvermerk relativiert, obwohl das Personalgespräch unter Zeugen geführt worden sei. In seiner am 5. Februar 2004 durch den nächsten Disziplinarvorgesetzten durchgeführten Vernehmung habe der Kläger seine während des Personalgespräches gemachten Angaben erneut relativiert. Die durch den MAD übermittelten Erkenntnisse zum Kläger unterstrichen aber nachhaltig die charakterliche Nichteignung des Klägers zum Offizier des Truppendienstes. Diese Erkenntnisse hätten durch den Kläger auch in dem Personalgespräch nicht entkräftet werden können. Der Kläger biete damit nicht die Gewähr, durch sein gesamtes Verhalten für die Erhaltung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung i. S. d. Grundgesetzes einzutreten. Er empfehle eine Rückführung des Klägers als OA in eine Laufbahn der Unteroffiziere nach § 55 Abs. 4 SG in der vor dem 1. Januar 2001 gültigen Fassung.
Im Anschluss hieran entschloss sich das Personalamt der Bundeswehr jedoch zu einer fristlosen Entlassung des Klägers nach § 55 Abs. 5 SG und hörte den Kläger zu dieser beabsichtigten Maßnahme mit Schreiben vom 13. April 2004 an.
Nach der Stellungnahme des Stabsfeldwebels H. als Vertrauensperson der Unteroffiziere vom 19. April 2004 gegenüber dem Kompaniechef der Panzerpionierlehrkompanie ... ist der Kläger ein ruhiger, sehr besonnener und sachlich argumentierender Offizieranwärter. Weiter führt Stabsfeldwebel H. aus: Der Kläger besitze unumstritten Kompetenz zur Menschenführung. Sein Umgang mit Untergebenen entspreche den Regeln zeitgerechter Menschenführung. Der Kläger sei aufgrund seiner charakterlich integeren Wesensart bei Soldaten aller Dienstgradgruppen geschätzt und geachtet. Seine Leistungen lägen stets weit über dem Durchschnitt. An seiner Akzeptanz als Vorgesetzter gebe es keinen Zweifel. Der Kläger sei zu keiner Zeit in keinster Weise mit rechtsradikalen oder ausländerfeindlichen Äußerungen auffällig geworden. Seine bisherige Führung in der Lehrkompanie als Offizieranwärter sei beispielhaft. Die persönlichen Verhältnisse des Klägers seien geordnet und geregelt. Sein Vater sei Berufssoldat (Oberstabsfeldwebel) und ihm, H., ebenso bekannt. Der Vater der Freundin des Klägers sei Berufssoldat (Oberstabsfeldwebel) gewesen, die Freundin des Klägers habe ihre Meisterprüfung im Frisörhandwerk absolviert. Eine rechtsradikale und ausländerfeindliche Gesinnung sei in dieser Familie nicht existent und auch nicht vorstellbar.
In einem Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 21. April 2004 äußerte sich der Kläger im Wesentlichen wie folgt: Er sei mit der beabsichtigten Entlassung nicht einverstanden. Die ihm gegenüber erhobenen Vorwürfe reduzierten sich nunmehr auf die in dem Schreiben des Personalamtes der Bundeswehr vom 13. April 2004 zusammengefassten drei Punkte. Der dritte Punkt sei derart schwammig, dass eine Stellungnahme hierzu überhaupt nicht möglich sei. Zum ersten Vorwurf falle auf, dass ihm nunmehr plötzlich angelastet werde, eine eigene CD hergestellt zu haben. Dieser Vorwurf sei bislang nicht bekannt. In einem weiteren Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 17. Mai 2004 äußerte sich der Kläger nach Akteneinsicht wie folgt: Wie der Vorwurf, er habe eine eigene CD hergestellt, zustande gekommen sei, ergebe sich aus der Akte auch nicht in Ansätzen. Er habe in seiner letzten Vernehmung bei Major G. den Sachverhalt deutlich und klar herausgestellt.
Mit Bescheid vom 22. Juni 2004 des Personalamtes der Bundeswehr wurde der Kläger auf der Grundlage des § 55 Abs. 5 SG fristlos aus der Bundeswehr entlassen. Zur Begründung führte es im Wesentlichen an, der Kläger habe zusammen mit Herrn B. während des Lehrganges an der OSH Musik rechtsextremistischen Inhalts von einer CD der Musikgruppe „Landser“ gehört und sich diese am 6. November 2003 auf seinen privaten Laptop kopiert. Am 13. November 2003 habe er von Herrn B. eine CD mit rechtsextremistischen Musikstücken der Gruppe „Landser“ erhalten und bis zum 10. Dezember 2003 in seinem Besitz gehabt. Während der Dienstzeit an der OSH habe er in der dienstlichen Unterkunft zusammen mit Herrn B. unter Nutzung seines privaten Laptops und seines Internetzugangs sowie des Servers der OSH im Internet unter Nutzung von Begriffen wie „Landser“, „88“, „Freikorps“, „SA“ und „SS“ nach rechtsextremistischen Gruppierungen, rechtsextremistischen Musikgruppen und rechtsextremistischen Musikstücken gesucht. Über die Internetbörse „Kazaa“ hätten er und Herr B. mindestens zehn Musikstücke rechtsextremistischen Inhalts der rechtsextremistischen Musikgruppen „Landser“, „Zillertaler Türkenjäger“ und „Freikorps“ auf seinen Computer heruntergeladen. Gemeinsam mit Herrn B. habe er diese Musik sowie andere rechtsextremistische Musikstücke der rechtsextremistischen Musikgruppen „Noie Werte“ und „Rheinwacht“ von einer von ihm mitgebrachten Musikkassette in seiner dienstlichen Unterkunft angehört. Zudem habe er während seiner Dienstzeit u. a. seinem ehemaligen Kameraden J. auf seinem Laptop befindliche Musikdateien in einem Umfang von 10 GB und damit auch die genannten rechtsextremistischen Musikstücke überlassen. Und schließlich habe er während seiner Dienstzeit an der OSH in seiner dienstlichen Unterkunft vor Kameraden eine historische Armeeschirmmütze aufgesetzt, die vorne das Hakenkreuz aufgewiesen habe. Durch dieses Verhalten habe der Kläger seine Dienstpflichten schuldhaft verletzt und sein Verbleiben in seinem Dienstverhältnis würde die militärische Ordnung und das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährden. Zur Begründung im Einzelnen wird auf den angefochtenen Bescheid verwiesen.
Hiergegen legte der Kläger am 30. Juni 2004 Beschwerde ein mit der Begründung, der von ihm dargestellte und eingeräumte Sachverhalt rechtfertige eine fristlose Entlassung nicht.
Mit Beschwerdebescheid vom 28. September 2004 wies das Bundesministerium der Verteidigung die Beschwerde des Klägers als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es im Wesentlichen auf der Grundlage des von ihm ermittelten Sachverhaltes an, der Kläger habe durch sein Verhalten ein Dienstvergehen gemäß § 23 Abs. 1 SG begangen und sein weiteres Verbleiben im Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit gefährde sowohl die militärische Ordnung als auch das Ansehen der Bundeswehr ernstlich. Zugleich ordnete es die sofortige Vollziehung der Entlassungsverfügung an. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschwerdebescheid verwiesen.
Daraufhin hat der Kläger am 25. Oktober 2004 Klage erhoben, die er im Wesentlichen wie folgt begründet: Die drei noch verbliebenen gegen ihn erhobenen Vorwürfe seien nicht geeignet, die Entlassungsverfügung zu begründen. An dem Vorwurf, er habe an der OSH Musik der Musikgruppe „Landser“ mitgebracht, kopiert und bis zum 10. Dezember 2003 in Besitz gehabt, sei lediglich richtig, dass er die Landser-CD am 6. November 2003 auf seinen Laptop kopiert und schon am Folgetag wieder gelöscht habe. Falsch sei jedoch, dass er sich diese CD habe geben lassen. Vielmehr habe sein damaliger Stubenkamerad B. sich die CD geben lassen. Das Kopieren auf seinen Laptop sei insofern lediglich ein Freundschaftsdienst für Herrn B. gewesen. Nachdem ihm, dem Kläger, der Inhalt der CD bewusst geworden sei, habe er die entsprechenden Dateien sofort wieder gelöscht. Der Umstand, dass die CD danach noch in seinem Besitz geblieben sei, sei insofern irrelevant, als dies bloße Vergesslichkeit gewesen sei. Er habe dem Besitz dieser CD keine besondere Bedeutung beigemessen und sie gemeinsam mit anderen Dingen in seiner Garage zu Hause verwahrt. Er habe an diese CD nicht mehr gedacht, da er keine Ambitionen gehabt habe, sie zu hören. Insbesondere habe er so unter dienstlicher Belastung gestanden, dass er vorrangig an andere Dinge gedacht habe als eine ihn nicht interessierende CD. Der Vorwurf, er habe seinen privaten Laptop nebst Internetzugang für eine Internetrecherche zur Verfügung gestellt und dafür rechtsextremistische Musik heruntergeladen, gehe fehl. Richtig sei, dass über seinen Laptop der einzige Internetzugang auf der Stube funktionsfähig gewesen sei. Falsch sei jedoch, dass angeblich mindestens zehn Lieder rechtsextremistischer Musikgruppen heruntergeladen worden seien. Es seien insgesamt ca. zehn Lieder mit lediglich normalem Inhalt heruntergeladen worden. Es sei richtig, dass ein Lied der „Zillertaler Türkenjäger“ dabei gewesen sei, dabei habe es sich jedoch um das Lied „20 halbe Bier“ gehandelt. Der Inhalt dieses Liedes sei zwar nicht eben intellektuell wertvoll, jedoch durchaus harmlos und falle in den Bereich primitiver Partymusik. Ebenso falsch sei der Vorwurf, er habe u. a. dem Kameraden J. rechtsextremistische Musikstücke überlassen. Richtig sei, dass einige Musikdateien heruntergeladen worden seien, jedoch keine mit rechtsextremistischem Inhalt. An dem Vorwurf, eine Armeeschirmmütze der Wehrmacht aufgesetzt zu haben, sei richtig, dass Herr B. eine umfangreiche Sammlung von Uniformen und -teilen mitgebracht habe. Er, der Kläger, habe jedoch keine Mütze mit SS-Zeichen oder ähnlichen Symbolen der NS-Diktatur aufgehabt. Er habe in Alkohollaune ein Schiffchen der Panzertruppe der Wehrmacht aufgesetzt. Ohne entsprechende Hoheitsabzeichen handele es sich hierbei um eine historische Uniform, deren einmaliges Aufsetzen keinen Entlassungstatbestand begründe. Der ursprüngliche Vorwurf, dass er „Heil Hitler“ gesagt habe, habe sich offenbar schon als falsch herausgestellt und werde auch offenbar nicht weiter aufrecht erhalten.
Der Kläger beantragt,
den Entlassungsbescheid des Personalamtes der Bundeswehr vom 22. Juni 2004 in der Gestalt des Beschwerdebescheides des Bundesministeriums der Verteidigung vom 28. September 2004 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie vertieft die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden und meint zusammenfassend, die Voraussetzungen für eine fristlose Entlassung des Klägers gemäß § 55 Abs. 5 SG seien sehr wohl gegeben. Der Kläger habe nach seiner eigenen Einlassung eine rechtsextremistische CD der Gruppe „Landser“ in den dienstlichen Bereich mitgebracht, diese als „Freundschaftsdienst“ für einen anderen Soldaten kopiert und weiterhin besessen. Gleichfalls räume er ein, im Bereich einer dienstlichen Liegenschaft rechtsextremistische Musikstücke im Internet gesucht zu haben. Lediglich die Anzahl und die Art der tatsächlich heruntergeladenen Musikstücke versuche er nunmehr zu relativieren.
Die Kammer hat zu der Frage, ob und inwieweit der Kläger in der Zeit während seines Lehrgangs an der OSH Tonträger von Musikgruppen mit rechtsradikalem Inhalt gehört und weiterverbreitet hat, Beweis erhoben durch Vernehmung von Herrn B. und Herrn J. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Der Entlassungsbescheid des Personalamtes der Bundeswehr vom 22. Juni 2004 in der Gestalt des Beschwerdebescheides des Bundesministeriums der Verteidigung vom 28. September 2004 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Als Ermächtigungsgrundlage für die angefochtene fristlose Entlassung des Klägers kommt allein § 55 Abs. 5 SG in Betracht. Hiernach kann ein Soldat auf Zeit während der ersten vier Dienstjahre fristlos entlassen werden, wenn er seine Dienstpflichten schuldhaft verletzt hat und sein Verbleiben in seinem Dienstverhältnis die militärische Ordnung oder das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährden würde. Diese Vorschrift dient allein dem Schutz der Bundeswehr vor künftigem Schaden. Zweck der fristlosen Entlassung ist damit nicht die disziplinare Sanktion des betroffenen Soldaten auf Zeit, sondern die Abwendung einer drohenden ernstlichen Gefahr für die Bundeswehr, wobei die Gefahr sich allerdings als Auswirkung der Dienstpflichtverletzung des Soldaten auf Zeit darstellen muss. Erwägungen darüber, ob die Sanktion einer dienstlichen Verfehlung angemessen ist und ob der Soldat auf Zeit im Hinblick auf die Art und Schwere der Dienstpflichtverletzung als solche noch tragbar oder untragbar ist, sind deshalb im Rahmen des § 55 Abs. 5 SG nicht gerechtfertigt (Scherer/Alff, Soldatengesetz, Kommentar, 7. Aufl. 2003, § 55 Rdnr. 18 m. w. N.). Im vorliegenden Fall liegen die Voraussetzungen des § 55 Abs. 5 SG nicht insgesamt vor.
1. Die Vorschrift gilt nur für die ersten vier Jahre der Dienstzeit, unabhängig davon, auf welche Dauer die Dienstzeit insgesamt festgesetzt ist. Dienstzeit in diesem Sinn ist nur die in der Bundeswehr verbrachte Dienstzeit, wobei in die Dienstzeit als Soldat auf Zeit der Wehrdienst einzurechnen ist, der in der Bundeswehr bis zur Berufung in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit geleistet worden ist (§ 40 Abs. 4 SG). Die Entlassung muss das Dienstverhältnis des Soldaten auf Zeit noch vor, spätestens aber mit Ablauf seines vierten Dienstjahres in der Bundeswehr beenden. Nach Ablauf von vier Dienstjahren ist eine fristlose Entlassung unzulässig; das Dienstverhältnis kann dann wegen schuldhafter Dienstpflichtverletzungen nur noch gemäß § 54 Abs. 2 Nr. 3 SG durch Entfernung aus dem Dienstverhältnis im gerichtlichen Disziplinarverfahren beendet werden (Scherer/Alff, a. a. O., § 55 Rdnr. 19).
Der Kläger war im Zeitpunkt seiner fristlosen Entlassung noch keine vier Jahre im Dienst: Im Juli 2000 wurde er als Unteroffiziersanwärter zum Grundwehrdienst eingezogen, so dass die angegriffene Entlassungsverfügung vom 22. Juni 2004 die Vier-Jahres-Frist noch wahrt.
2. Weiter ist Voraussetzung, dass der Soldat auf Zeit seine Dienstpflichten schuldhaft, d. h. vorsätzlich oder fahrlässig, verletzt hat.
Den Begriff des Dienstvergehens definiert § 23 Abs. 1 SG. Hiernach begeht ein Soldat ein Dienstvergehen, wenn er schuldhaft seine Pflichten verletzt. Tatbestand des Dienstvergehens ist materiellrechtlich die schuldhafte Verletzung einer soldatischen Dienstpflicht. Hierbei wird nicht zwischen Täterschaft und Teilnahme unterschieden, denn auch der Anstifter oder Gehilfe verstößt gegen seine Dienstpflichten und begeht daher ein Dienstvergehen. Auch ein versuchtes Dienstvergehen ist eine vollendete schuldhafte Dienstpflichtverletzung. Hingegen ist der bloße Verdacht, eine Pflichtwidrigkeit begangen zu haben, noch kein Dienstvergehen. Der Soldat muss vielmehr schuldhaft bei einem unvoreingenommenen Beobachter den Eindruck erweckt haben, er habe pflichtwidrig gehandelt, und das, was der Soldat getan hat, muss für sich betrachtet objektiv pflichtwidrig sein. Unter diesen Pflichten sind nur die gesetzlichen Pflichten des Soldaten zu verstehen. Die in Dienstvorschriften enthaltenen Pflichten sind nicht als besondere soldatische Dienstpflichten, sondern nur als Konkretisierung der dem Soldaten gesetzlich obliegenden Pflichten anzusehen. Vielfach handelt es sich dabei um die Beschreibung des besonderen Pflichtenkreises, der im Rahmen der Verpflichtung zum treuen Dienen gemäß § 7 SG ausgefüllt werden muss (Scherer/Alff, a. a. O., § 23 Rdnr. 1 ff. m. w. N.).
Nach der Vorschrift des § 7 SG hat der Soldat die Pflicht, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen. Darüber hinaus statuiert § 8 SG die Dienstpflicht, die freiheitliche demokratische Grundordnung i. S. d. Grundgesetzes anzuerkennen und durch sein gesamtes Verhalten für ihre Erhaltung einzutreten. Offiziere und Unteroffiziere müssen gemäß § 10 Abs. 6 innerhalb und außerhalb des Dienstes bei ihren Äußerungen die Zurückhaltung wahren, die erforderlich ist, um das Vertrauen als Vorgesetzte zu erhalten. Das Verhalten des Soldaten muss nach § 17 Abs. 2 Satz 1 SG dem Ansehen der Bundeswehr sowie der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die sein Dienst als Soldat erfordert. Satz 2 dieser Vorschrift erstreckt diese Pflicht auch auf das außerdienstliche Verhalten des Soldaten. Und § 11 Abs. 1 Satz 1 SG fordert schließlich Gehorsam des Soldaten seinen Vorgesetzten gegenüber. Dabei heißt Gehorsam die Vollziehung eines Gebotes oder Beachtung eines Verbotes. Damit beschränkt sich der Gehorsam auf Befehle (Scherer/Alff, a. a. O., § 11 Rdnr. 2). Ein Befehl ist eine Anweisung zu einem bestimmten Verhalten, die entweder allgemein oder für den Einzelfall und mit dem Anspruch auf Gehorsam erteilt wird. Oft wird der Befehl in allgemeiner Form durch Dienstvorschriften gegeben (Scherer/Alff, a. a. O., § 10 Rdnr. 44 m. w. N.).
Im vorliegenden Fall hat der Kläger durch sein von ihm selbst eingeräumtes Verhalten jedenfalls z. T. gegen diese Dienstpflichten verstoßen. Eine Verletzung der politischen Treuepflicht i. S. d. § 8 SG und ein Verstoß gegen § 11 Abs. 1 Satz 1 SG i. V. m. der ZDv 10/5 Nr. 311, in der das Verbot des Einbringens von Tonträgern rechtsradikaler Organisationen ausgesprochen ist, liegt bereits in dem einmaligen Abspielen von Tonträgern rechtsradikaler Musikgruppen wie insbesondere der Gruppe „Landser“ zusammen mit seinem ehemaligen Kameraden B. Auch hat der Kläger eingeräumt, die CD mit Liedern der Gruppe „Landser“ auf seinen Laptop kopiert zu haben. Bei der Musikgruppe „Landser“ handelt es sich nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10. März 2005 - 3 StR 233/04 -, das ein vorangegangenes Urteil des Kammergerichts in Berlin vom 22. Dezember 2003 - 3 StE 2/02-5(1) - bestätigt, um eine kriminelle Vereinigung i. S. d. § 129 Abs. 1 StGB, deren Tätigkeit darauf gerichtet war, durch die Herstellung und Verbreitung von CDs Straftaten wie Volksverhetzung, Verbreitung von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen, Verunglimpfung des Staates etc. zu begehen. Die Band produzierte hiernach bis zur Verhaftung ihrer Mitglieder im Jahre 2001 CDs mit Liedern überwiegend rechtsradikalen und nationalsozialistischen, insbesondere auch antisemitischen und ausländerfeindlichen Inhalts, die anschließend konspirativ in der rechten Szene vertrieben wurden. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass er diese Lieder am nächsten Tag gleich wieder gelöscht hat und dass nach seinen Worten insoweit nichts nach außen gedrungen ist.
Diese Pflichtverletzungen hat der Kläger auch vorsätzlich, jedoch mindestens fahrlässig und damit schuldhaft begangen.
3. Die nach § 23 Abs. 1 Nr. 6 Soldatenbeteiligungsgesetz (SBG) erforderliche Anhörung der Vertrauensperson ist in nicht zu beanstandender Weise erfolgt.
4. Entgegen der Ansicht der Beklagten sind im vorliegenden Fall aber die weiteren - alternativen - Tatbestandsvoraussetzungen des § 55 Abs. 5 SG der ernstlichen Gefährdung der militärischen Ordnung oder des Ansehens der Bundeswehr bei einem Verbleib des Klägers in der Bundeswehr für eine fristlose Entlassung eines Soldaten auf Zeit nicht gegeben.
Entscheidend ist hierbei, ob im Hinblick auf die begangene - eventuell auch minder schwere - Dienstpflichtverletzung gerade durch das Verbleiben des Soldaten in seinem Dienstverhältnis die militärische Ordnung oder das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährdet würden. Dies hat die für die Entlassung zuständige Stelle mit Blick in die Zukunft zu prüfen. Die Vorausschau vollzieht das Verwaltungsgericht in einer „objektiv nachträglichen Prognose“ nach, ohne dass den militärischen Stellen ein der gerichtlichen Überprüfung entzogener Beurteilungsspielraum eingeräumt ist (OVG Münster, Urt. v. 31.1.1991 - 1 A 1330/88 -, m. w. N. <zitiert nach juris>; Scherer/Alff, a. a. O., § 55 Rdnr. 31 m. w. N.). Durch das Kriterium gerade der ernstlichen Gefährdung wird der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit konkretisiert (VGH München, Beschl. v. 31.1.2000 - 3 ZB 99.1315 -, NVwZ 2000, 1203, 1204 m. w. N).
Die ernstliche Gefährdung der militärischen Ordnung oder des Ansehens der Bundeswehr kann sich zum einen aus der begründeten Befürchtung ergeben, dass es bei dem zu entlassenden Soldaten zu weiteren vergleichbaren Dienstpflichtverletzungen kommen werde (Wiederholungsgefahr). Hiervon ist im Fall des Klägers mangels hinreichender Anhaltspunkte nicht auszugehen.
Eine derartige ernstliche Gefährdung kann sich aber zum anderen daraus ergeben, dass es sich bei der einzelnen Dienstpflichtverletzung um das typische Teilstück einer als allgemeine Erscheinung auftretenden Neigung zu Disziplinlosigkeiten handelt, so dass ohne die fristlose Entlassung ein Anreiz zu ähnlichem Verhalten für andere Soldaten gegeben wäre. Aber auch dann ist im Rahmen der Auslegung des Begriffs der ernstlichen Gefährdung der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit von Bedeutung, als geprüft werden muss, ob ggf. einfachere Mittel zur Verfügung stehen, um die vorhandene Gefährdung sicher und endgültig zu beherrschen (OVG Münster, Urt. v. 31.1.1991 - 1 A 1330/88 -, a. a. O. m. w. N.). Nach dem Akteninhalt, dem Eindruck, den der Kläger in der mündlichen Verhandlung hinterlassen hat, und insbesondere nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme liegt im vorliegenden Fall eine ernstliche Gefährdung der genannten Schutzgüter nicht vor.
Unter militärischer Ordnung ist der Inbegriff der Elemente zu verstehen, welche die Verteidigungsbereitschaft der Bundeswehr nach den gegebenen rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen erhalten. Dabei kann es nicht genügen, wenn Randbereiche des Militärischen berührt werden; es muss sich vielmehr um Regeln und Einrichtungen handeln, die darüber hinausgehen. Schutzgut der militärischen Ordnung ist somit die innerbetriebliche Funktionsfähigkeit der Streitkräfte, und zwar in dem Umfang, wie dies zur Aufrechterhaltung der personellen und materiellen Einsatzbereitschaft der Bundeswehr erforderlich ist. Dazu gehören vor allem die Disziplin der Truppe und die Sicherstellung der für den jederzeitigen Einsatz einer hochtechnisierten und weitgehend motorisierten Streitmacht erforderlichen Waffen und Geräte (Scherer/Alff, a. a. O., § 55 Rdnr. 21 m. w. N.). Die Bundeswehr kann zudem ihren Zweck, der Verteidigung zu dienen, nur erfüllen, wenn sie einsatzbereit ist. Die Einsatzbereitschaft setzt in personeller Hinsicht u. a. voraus, dass sich die Soldaten keiner Dienstpflichtverletzung schuldig machen, die den Kernbereich des Militärischen berühren. Wenn ein Unteroffizier etwa bei seinen Äußerungen nicht die Zurückhaltung wahrt, die erforderlich ist, um das Vertrauen und die Achtung als Vorgesetzter zu erhalten, wenn er sich vielmehr in einer Weise offenbart, die das Achtungs- und das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und den ihm unterstellten Soldaten unheilbar zerstört, so ist dies zu bejahen. In einem solchen Fall ist das für die Einsatzbereitschaft der Streitkräfte wichtige Vertrauensverhältnis zwischen dem deutschen Staat und ihm in nicht mehr wiederherzustellender Weise zerstört. Es untergräbt die Einsatzbereitschaft der Armee, wenn sich die Gesellschaft nicht mehr uneingeschränkt darauf verlassen kann, dass sich ein militärischer Vorgesetzter im „Ernstfall“ an die auch dann für das menschliche Zusammenleben unerlässlichen Anforderungen hält (vgl. etwa OVG Koblenz, Urt. v. 25.8.1995 - 10 A 12774/94 -, NVwZ-RR 1996, 401 im Fall eines Soldaten auf Zeit wegen rassistischer Äußerungen und Spottens über die Judenverfolgung im „Dritten Reich“). Das Hören und Verbreiten von Musikstücken mit rechtsradikalem Inhalt eines Soldaten auf Zeit im dienstlichen Bereich kann durchaus insoweit zu einer Gefährdung der militärischen Ordnung führen, als das Fehlverhalten bei Ausbleiben angemessener Sanktionen grundsätzlich geeignet wäre, Hemmungen anderer Soldaten bezüglich des Abspielens und des Verbreitens von Musikstücken mit rechtsradikalem Hintergrund generell abzubauen. Dies gilt um so mehr, als es im Fall eines Soldaten auf Zeit als Unteroffizier und Offiziersanwärter ohne eine entsprechende Reaktion des Dienstherrn in der Truppe zu der fälschlichen Auffassung führen könnte, ein gleichartiges Verhalten eines wehrpflichtigen Mannschaftsdienstgrades werde erst recht sanktionslos hingenommen.
Bei dem Ansehen der Bundeswehr handelt es sich um den guten Ruf der Streitkräfte oder einzelner Truppenteile bei außenstehenden Personen, namentlich in der Öffentlichkeit, und zwar aus der Sicht eines den jeweiligen Lebensverhältnissen gegenüber aufgeschlossenen, objektiv wertenden Betrachters (Scherer/Alff, a. a. O., § 55 Rdnr. 22 m. w. N.). Das Ansehen der Bundeswehr wird dabei ganz wesentlich getragen von ihrer Teilhabe an der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und dem Vertrauen darauf, dass sie sich dem Wertekanon des Grundgesetzes verpflichtet weiß. Mit Blick auf den dieser Republik vorausgegangenen menschenverachtenden rassistischen und die Unterwerfung fremder Völker zum Programm erklärenden Unrechtsstaat des „Dritten Reiches“ muss die Bundeswehr insbesondere dem Vertrauen auf ihre Integrität in bezug auf die Achtung und den Schutz der unantastbaren Menschenwürde gerecht werden. Damit sowie mit Rücksicht darauf, dass bestimmte Bevölkerungskreise wegen der Verstrickungen von Teilen der damaligen Deutschen Wehrmacht in den Unrechtsstaat des „Dritten Reiches“ gegen die Bundeswehr Ressentiments gehegt haben und auch noch hegen, ist aber das Ansehen des Militärs in besonderem Maße störanfällig gegenüber dem Auftreten eines Soldaten, der Zweifel an der unbedingten Respektierung des sittlichen Wertes der Menschenwürde nährt. Dies gilt um so mehr bei einem Soldaten auf Zeit mit Vorbildfunktion in seiner Eigenschaft als Vorgesetzter. Ob ein bestimmtes Verhalten derartige Zweifel erregt, hängt nicht davon ab, ob der betreffende Soldat innerlich hinter ihm steht oder ob er sich geistig von ihm distanziert. Es kommt vielmehr ausschließlich auf die nach außen erkennbar zum Ausdruck gebrachte Einstellung an (so OVG Koblenz, Urt. v. 25.8.1995 - 10 A 12774/94 -, a. a. O., S. 402).
Nach der Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung und insbesondere nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme haben sich die gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe aber im Wesentlichen nicht bestätigt. Der Kläger hat den von der Beklagten ihm vorgeworfenen Eindruck, er habe zusammen mit Herrn B. ein gemeinsames Interesse an rechtsextremistischer Musik entwickelt, glaubhaft widerlegen können. Auch zuvor hat der Kläger nach seiner glaubwürdigen Einlassung kein Interesse an derartiger Musik gehabt. Der Kläger hat in seiner Schulzeit vielmehr von einem damaligen Schulkameraden eine Musikkassette mit entsprechenden Liedern erhalten, die er zuvor von diesem auf dem Schulhof vorgespielt bekommen hatte. In der Folgezeit hatte der Kläger verdrängt, im Besitz dieser Musikkassette zu sein. Erst während des Lehrgangs an der OSH hat er Herrn B. zwei Lieder von dieser Musikkassette ohne rechtsextremistischen Hintergrund einmal in seinem Pkw vorgespielt. Während seiner Zeit an der OSH hat er mit Herrn B. auf der gemeinsamen Stube die von diesem mitgebrachte CD mit Liedern der Gruppe „Landser“ auszugsweise angehört. Im Übrigen hat er weder im größeren Umfang in seiner Unterkunft in der OSH Lieder mit rechtsradikalem Inhalt allein oder mit und vor anderen Kameraden abgespielt noch sonstige Aktivitäten mit rechtsradikalem Inhalt und Gedankengut entfaltet. Die CD mit Liedern der Gruppe „Landser“ hat er zwar am Ende des Lehrganges bekommen, diese aber nicht weiter angehört, sondern in der Garage zu Hause zusammen mit anderen Lehrgangsunterlagen gelagert und verdrängt, dass er sie überhaupt noch in seinem Besitz hat.
Dieser Sachverhalt ergibt sich indes nicht so sehr aus der Aussage des Zeugen B. Dieser hat das dem Kläger vorgeworfene Verhalten zwar nicht bestätigen können, sondern insgesamt in Abrede gestellt; und zwar auch hinsichtlich der vom Kläger eingeräumten Verhaltensweisen. Hierbei ist aber zu berücksichtigen, dass gegen den Zeugen B. gleichlautende Vorwürfe erhoben werden und er deshalb wie auch der Kläger fristlos aus der Bundeswehr entlassen worden ist. Dies mindert die Glaubwürdigkeit dieses Zeugen nicht unerheblich. Für die Glaubwürdigkeit des Klägers spricht hingegen, dass er detailliert auf die gegen ihn erhobenen Vorwürfe eingegangen ist und diese zu einem - wenn auch geringen - Teil auch eingesteht.
Die Kammer stützt ihre Einschätzung daher neben dem glaubhaften Eindruck, den der Kläger in der mündlichen Verhandlung hinterlassen hat, vielmehr auf die Aussage des Zeugen J., der insoweit unbelastet ist. Insbesondere hat sich der dem Kläger gemachte Vorwurf, diesem Musikstücke mit rechtsextremistischem Inhalt überlassen zu haben, nicht bestätigt. Dieser Zeuge hat vielmehr glaubhaft bekundet, dass der Kläger zwar auf seinen Wunsch hin hunderte Musikstücke von dessen Computer auf seinen, des Zeugen, Computer kopiert habe. Hierbei habe es sich aber um normale Musik gehandelt. Er, der Zeuge, habe nicht bemerkt, dass sich hierbei Musikstücke mit rechtsradikalem Inhalt befunden hätten. Erst als der MAD seinen Computer in Januar 2004 untersucht und einen sog. Suchlauf durchgeführt habe, habe dieser den Musiktitel „Netter Mann“ der Gruppe „Böse Onkelz“ mit rechtsradikalem Inhalt gefunden. Dieser Titel sei in den Dateien aber nicht aufzufinden gewesen und habe sich irgendwo unter anderen Titeln befunden. In der Zeit, in der er sich in der gemeinsamen Stube des Klägers und des Herrn B. aufgehalten habe, sei lediglich Musik unterschiedlichster Art ohne rechtsradikalen Inhalt gespielt worden.
Die Kammer nimmt dem Kläger des Weiteren ab, dass er über die Internetmusikbörse nur etwa zehn Musikstücke heruntergeladen hat, die - bis auf das Lied „20 halbe Bier“ der Musikgruppe „Zillertaler Türkenjäger“ - nicht von rechtsradikalen Musikgruppen stammen. Auch hat er nach seiner glaubhaften Einlassung „aus einer Bierlaune“ heraus lediglich ein einziges Mal auf seiner Stube eine Mütze der ehemaligen Wehrmacht aufgesetzt, die an ihrer Vorderseite das Hakenkreuz aufwies.
In diesem festgestellten Verhalten des Klägers ist eine ernstliche Gefährdung der militärischen Ordnung oder des Ansehens der Bundeswehr nicht zu sehen. Bei der Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals bedarf es wie bereits ausgeführt stets der Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Das Vorliegen einer ernstlichen Gefährdung setzt daher voraus, dass ihr nicht durch weniger einschneidende Mittel als die fristlose Entlassung des Soldaten sicher begegnet werden kann. Dies ist hier nicht der Fall. Gegen den Kläger hätten zunächst Disziplinarmaßnahmen oder sonstige Maßnahmen einer Pflichtenmahnung verhängt werden können. Diese Sanktionen hätten ausreichende Abschreckungswirkung auf andere Soldaten gehabt, so dass mit Nachahmungstaten anderer nicht zu rechnen gewesen wäre. Auch wenn es sich bei dem Fehlverhalten des Klägers durchaus um ein typisches Teilstück einer als allgemeine Erscheinung auftretenden Neigung zu Disziplinlosigkeiten handelt, hat es noch nicht den Kernbereich der militärischen Ordnung tangiert. Hierzu gehört zwar auch, dass die Soldaten der Bundeswehr Disziplin wahren und die Würde, die Ehre sowie die Rechte der Kameraden achten sowie insbesondere auch für die freiheitlich-demokratische Grundordnung eintreten. Aber bei dem hier vorliegenden einmaligen Abspielen von Musikstücken rechtsradikaler Gruppen wie hier insbesondere der Gruppe „Landser“ lediglich im internen Bereich der Stube mit nur einem Kameraden hätte es auch unter Abschreckungsgesichtspunkten genügt, eine der fristlosen Entlassung vorausgehende Pflichtenmahnung in Form etwa einer Disziplinarmaßnahme oder durch sonstige Verwarnungen und Belehrungen auszusprechen. Gleiches gilt für das Schutzgut des Ansehens der Bundeswehr. Das festgestellte Verhalten des Klägers führt aus Sicht eines objektiv wertenden Betrachters noch nicht zu einer ernstlichen Beeinträchtigung des Ansehens der Bundeswehr. Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger durch sein Verhalten eine nach außen erkennbar zum Ausdruck gebrachte Einstellung offenbart hat, die berechtigte Zweifel an seiner unbedingten Respektierung des sittlichen Wertes der Menschenwürde und der sonstigen Grundwerte der Freiheitlich Demokratischen Grundordnung aufkommen lässt mit der Folge, dass er auch unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes für die Bundeswehr nicht mehr tragbar ist.
Auch sonst haben sich keine Anhaltspunkte für eine rechtsradikale Einstellung des Klägers ergeben. Seine dienstlichen Beurteilungen sind durchweg positiv. Diese Einschätzung wird gestützt durch die Stellungnahme von Stabsfeldwebel H. vom 19. April 2004 als der für den Kläger zuständigen Vertrauensperson. Nach dessen Einschätzung sind weder der Kläger noch sein familiäres Umfeld oder das seiner Freundin rechtsradikal eingestellt. Anhaltspunkte dafür, dass diese Einschätzung nicht zutreffend ist, gibt es nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.
Gründe, die Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO zuzulassen, sind nicht gegeben.