Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 20.01.2016, Az.: 4 LB 14/13

Aufenthalt; tatsächlicher Aufenthalt; Auslandshilfe; Brüssel-IIa-Verordnung; Einrichtungsort; Haager Übereinkommen; Inlandshilfe; Jugendhilfe; Kompetenzkonflikt; vorläufige Leistung; Leistungsbeginn; Leistungsgewährung; Verordnung (EG) Nr. 2201/2003

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
20.01.2016
Aktenzeichen
4 LB 14/13
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2016, 43186
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 22.07.2011 - AZ: 3 A 3879/08

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Ob eine Leistung der Jugendhilfe im Inland (§ 6 Abs. 1 SGB VIII) oder im Ausland (§ 6 Abs. 3 SGB VIII) vorliegt, beurteilt sich nach dem Aufenthalt desjenigen, dem die Leistung gewährt wird, und damit maßgeblich nach dem Aufenthalt des Leistungsberechtigten im Zeitpunkt der rechtlichen Bewilligung als auch nach dem Aufenthalt des Leistungsempfängers während der tatsächlichen Leistungserbringung.

2. Eine Hilfe im Ausland setzt voraus, dass der Leistungsberechtigte im Zeitpunkt der rechtlichen Bewilligung und der Leistungsempfänger während der Leistungserbringung ihren Aufenthalt im Ausland haben.

3. Eine Inlandshilfe liegt immer dann vor, wenn die Leistungen der Jugendhilfe tatsächlich im Inland erbracht werden.

Tenor:

Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben. Insoweit ist das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - 4. Kammer - vom 22. Juli 2011 unwirksam.

Im Übrigen wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - 4. Kammer - vom 22. Juli 2011 auf die Berufung des Klägers wie folgt geändert:

Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Leistungen der Jugendhilfe in Höhe von insgesamt 269.668,18 EUR, die der Kläger in dem Zeitraum vom 9. Januar 2008 bis zum 2. Mai 2014 für die Hilfegewährung für C. D. erbracht hat, zu erstatten. Es wird ferner festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz auf den Betrag von 34.624,28 EUR ab dem 5. Dezember 2008, auf den Betrag von 3.217,26 EUR ab dem 21. Januar 2009 und auf den Betrag von 231.826,64 EUR ab dem 30. März 2015 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen tragen der Beklagte zu 9/10 und der Kläger zu 1/10.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von dem Beklagten Kostenerstattung für Jugendhilfeleistungen, die er in dem Zeitraum vom 9. Januar 2008 bis zum 31. Juli 2014 für C. D. erbracht hat.

Die in Nordrhein-Westfalen geborene deutsche Staatsangehörige E. D., die seit 1992 in Rumänien lebt, adoptierte 1998 die am 3. Mai 1996 in Rumänien geborene C. D., die aufgrund der Adoption die deutsche Staatsbürgerschaft erwarb. Am 7. Juni 2005 stellte Frau D. beim Konsulat der Bundesrepublik Deutschland in Temeswar einen Antrag auf Hilfe zur Erziehung in Form der Unterbringung von C. in einem Internat in Schleswig-Holstein. Diesen Antrag begründete sie mit Verhaltensauffälligkeiten ihrer Tochter und erheblichen Schwierigkeiten bei ihrer Erziehung. Der Antrag wurde zunächst an das Bundesverwaltungsamt, dann an den Landschaftsverband Westfalen-Lippe und schließlich an das Landesjugendamt des Klägers weitergeleitet. Dieses teilte dem Konsulat der Bundesrepublik Deutschland in Temeswar mit Schreiben vom 20. Dezember 2005 mit, dass es den Fall bearbeiten werde, da sich sowohl Frau D. als auch ihre Tochter C. zurzeit in Rumänien aufhielten. Der Kläger wies in diesem Schreiben ferner darauf hin, dass Jugendhilfeleistungen im Ausland gemäß § 6 Abs. 3 SGB VIII Kann-Leistungen seien.

Mit Schreiben vom 19. Dezember 2005 forderte der Kläger beim Internationalen Sozialdienst des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V. einen Sozialbericht über C. an. Die vom Internationalen Sozialdienst daraufhin eingeschaltete rumänische Organisation G. H. kam in ihrem Bericht vom 27. Oktober 2006 zu dem Ergebnis, dass für C. eine Internatsunterbringung anzustreben sei und geeignete Einrichtungen hierfür in Rumänien nicht existierten. Auf Anforderung des Klägers übersandte der Internationale Sozialdienst ein Schreiben der rumänischen Korrespondenzstelle vom Mai 2007, nach welchem die Unterbringung von C. in einem Internat in Deutschland als notwendig erachtet werde. Der Kläger vermerkte unter dem 6. Juni 2007,  dass eine Fremdunterbringung nach § 34 SGB VIII in Deutschland angezeigt sei, es sich bei einer Aufnahme von C. in einer Einrichtung in Deutschland jedoch nicht um eine Gewährung von Leistungen im Ausland handele, so dass er nicht gemäß § 88 Abs. 1 SGB VIII für eine Hilfegewährung sachlich zuständig sei.

Mit Schreiben vom 5. Juli 2007 teilte der Kläger Frau D. mit, dass über den von ihr gestellten Antrag auf Hilfe zur Erziehung von dem Jugendamt zu entscheiden sei, welches am Ort der Unterbringung im dortigen Bereich zuständig sei. Der Kläger kündigte zugleich an, sich wegen der gewünschten Unterbringung in einem Internat in Schleswig-Holstein mit dem zuständigen Jugendamt des Kreises Segeberg in Verbindung zu setzen, damit dieses die weitere Bearbeitung des Falles übernehme, und für den Fall, dass das Jugendamt Segeberg seine Zuständigkeit ablehne, die Kosten der Maßnahme vorläufig zu übernehmen. Der Kläger wies Frau D. zudem darauf hin, dass er die Kosten für die Hin- und Rückfahrt und Unterbringung zur Vorstellung in dem Internat nicht übernehmen werde. Zu einer Unterbringung von C. in diesem Internat kam es in der Folgezeit nicht. Per E-Mail vom 24. Oktober 2007 teilte der Kläger Frau D. mit, dass er zu insgesamt sechs Internaten Kontakt aufgenommen habe und vom I. J. K. die Rückmeldung erhalten habe, dass dort ein Platz frei wäre, und sie sich selbst an diese Einrichtung wenden solle. Unter dem 4. Dezember 2007 vermerkte der Kläger, dass Frau D. auf eine schnelle Unterbringung ihrer Tochter „dringe“, da nach ihren Angaben die Krise zu Hause „eskaliere“, ihre Tochter durch die Nachbar- und Dorfgemeinschaft ausgegrenzt werde und auch schon geschlagen worden sei, und dass Frau D. mit dem I. J. K. „noch im Gespräch“ sei. Frau D. reiste mit ihrer Tochter C. (und ihrer weiteren Tochter L.) im Dezember 2007 in die Bundesrepublik ein und hielt sich dort zunächst besuchsweise über die Weihnachtstage bei ihrer Mutter in Oldenburg auf.  Frau D. verbrachte C. am 6. Januar 2008 in eine Erziehungsstelle des I. J. K. in M. zu einem „Probewohnen“. Am 9. Januar 2008 erfuhr der Kläger, dass C. ab diesem Tag in die Erziehungsstelle aufgenommen worden ist, was der  I. J. K. dem Kläger per E-Mail vom 10. Januar 2008 mitteilte. Weitere Angaben zu der erfolgten Einreise von Frau D. und ihrer Tochter nach Deutschland und der Aufnahme in die Erziehungsstelle sind den Verwaltungsvorgängen des Klägers nicht zu entnehmen.

Mit Schreiben vom 9. Januar 2008, bei dem Beklagten per Fax am 10. Januar 2008 eingegangen, unterrichtete der Kläger den Beklagten über den bisherigen Verfahrensablauf und den Inhalt der eingeholten fachlichen Stellungnahmen und bat um Übernahme des Falles in die dortige Zuständigkeit gemäß § 85 Abs. 1 i. V. m. § 86 Abs. 4 SGB VIII. Zugleich kündigte der Kläger an, im Fall der Ablehnung der Zuständigkeit durch den Beklagten vorläufig seine (Not-)Zuständigkeit anzunehmen, eine Entscheidung über die Aufnahme und vorläufige Kostenzusage auszusprechen und sich für diesen Fall eine Kostenerstattung vorzubehalten.

Mit Schreiben vom 18. Januar 2008 lehnte der Beklagte die Übernahme des Falles in seine Zuständigkeit mit der Begründung ab, dass die bereits eingeleitete Jugendhilfemaßnahme der in Rumänien lebenden personensorgeberechtigten Mutter gewährt werde, so dass die Hilfegewährung im Ausland und damit außerhalb des Geltungsbereichs des KJHG gewährt werde. Der Beklagte forderte den Kläger auf, die bereits eingeleitete Hilfegewährung entsprechend seiner Zuständigkeit nach § 88 SGB VIII fortzuführen.

Der Kläger erstellte daraufhin am 3. März 2008 einen „vorläufigen Hilfeplan“, in dem er u. a. festhielt, lediglich in Vorleistung zu treten. Durch Bescheid vom 13. März 2008 gewährte der Kläger Frau D. Jugendhilfeleistungen. Nach dem Inhalt des Bescheids wurden „im Rahmen der Hilfe zur Erziehung nach §§ 27 ff. [§ 34] SGB VIII in Verbindung mit der Eingliederungshilfe für seelisch behinderte oder von Behinderung bedrohte Kinder und Jugendliche nach § 35 a SGB VIII die Kosten für den Aufenthalt in einem Heim oder einer sonstigen betreuten Wohnform, hier Erziehungsstelle in K. seit dem 9. Januar 2008 übernommen“. Mit Schreiben gleichen Datums an den I. J. K. informierte der Kläger darüber, dass der Beklagte seine Zuständigkeit bestreite, so dass die Kosten von ihm lediglich vorläufig übernommen würden. Ebenfalls mit Schreiben vom 13. März 2008 teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass er sich „in Ausübung der Notzuständigkeit zur Handhabung und Planung verpflichtet“ sehe und „die Kosten für die Unterbringung und der damit verbundenen Leistungen nach der vorliegenden Leistungsbeschreibung 2007/2008 in einer Erziehungsstelle des I. J. K. und der Entgeltvereinbarung für die Erziehungsstelle vom 30. November 2007 zunächst übernehmen, jedoch die Erstattung verlangen“ werde.

Am 13. August 2008 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Klage erhoben mit der Begründung, dass der Beklagte gemäß § 86 Abs. 4 SGB VIII für die Hilfegewährung im Fall C. D. ab Begründung ihres tatsächlichen Aufenthalts in Deutschland zuständig sei. Die örtliche Zuständigkeit bestimme sich nicht nach § 88 SGB VIII, da keine Jugendhilfe im Ausland gemäß § 6 Abs. 3 SGB VIII gewährt werde. Ein Fall des § 6 Abs. 3 SGB VIII liege nicht vor, wenn ein personensorgeberechtigter Elternteil oder das Kind seinen tatsächlichen oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hätten. Hier liege der tatsächliche Aufenthalt ab der Unterbringung des Kindes im Einzugsbereich des Beklagten und damit im Inland.

Der Kläger hat zunächst beantragt,

1. festzustellen, dass der Beklagte seit dem 10. Januar 2008 für die Hilfeleistung auf Grundlage des SGB VIII für C. D. zuständig ist,

2. festzustellen, dass er gegen den Beklagten ab diesem Zeitpunkt die Erstattung der aufgewandten Kosten für den Hilfefall beanspruchen kann, zuzüglich einer Verzinsung gemäß § 291 BGB ab Klageerhebung.

Auf den Hinweis des Verwaltungsgerichts, dass in Kostenerstattungsstreitigkeiten die statthafte Klageart die allgemeine Leistungsklage sei,  hat der Kläger mit Schreiben 2. Dezember 2008, bei Gericht eingegangen am 5. Dezember 2008, eine Zusammenstellung seiner bisherigen Aufwendungen für die von ihm gewährte Jugendhilfe (Stand Dezember 2008) eingereicht und hilfsweise beantragt,

den Beklagen zu verurteilen, an ihn 38.021,54 EUR zu zahlen nebst Prozesszinsen in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen,

und erwidert, dass C. vor Beginn der Leistung im Inland zu keinem Zeitpunkt einen gewöhnlichen oder tatsächlichen Aufenthalt gehabt habe, so dass sich seine örtliche Zuständigkeit nicht gemäß § 86 Abs. 4 SGB VIII ergebe. Die von dem Kläger eingeleitete Jugendhilfemaßnahme werde antragsgemäß der in Rumänien lebenden allein personensorgeberechtigten Mutter und nicht etwa der in Deutschland untergebrachten Minderjährigen gewährt, so dass die Hilfegewährung im Ausland erfolge. Daraus folge, dass der Kläger gemäß § 88 SGB VIII für die Hilfegewährung zuständig sei.

Das Verwaltungsgericht hat durch Urteil vom 22. Juli 2011 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, die von dem Kläger erhobenen Feststellungsklagen seien wegen Subsidiarität gegenüber der allgemeinen Leistungsklage nach § 43 Abs. 2 VwGO unzulässig. Die hilfsweise erhobene allgemeine Leistungsklage sei zwar zulässig, habe jedoch in der Sache keinen Erfolg. Dem klagenden Land stehe kein Kostenerstattungsanspruch gegen den Beklagten zu. Als Anspruchsgrundlage komme nur § 89 c Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 86 d SGB VIII in Betracht. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift seien nicht erfüllt, da eine Verpflichtung zum vorläufigen Tätigwerden nach dieser Vorschrift nicht vorgelegen habe. Vielmehr sei der Kläger für die Jugendhilfeleistung selbst sachlich und örtlich zuständig gewesen. Die originäre Zuständigkeit des Klägers ergebe sich aus § 85 Abs. 2 Nr. 9 SGB VIII i.V.m. § 88 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII. Hier handele es nämlich um eine Hilfe für Deutsche im Ausland im Sinne des § 6 Abs. 3 SGB VIII. In dem Zeitpunkt, in dem über die Gewährung der Hilfe zur Erziehung entschieden worden sei, hätten sich sowohl die allein sorgeberechtigte Mutter als Inhaberin des Anspruchs auf Hilfe zur Erziehung als auch die Tochter in Rumänien aufgehalten. Dabei sei nicht auf die erst am 13. März 2008 erfolgte Erstellung des Bewilligungsbescheides, sondern auf den Zeitpunkt abzustellen, in welchem die Entscheidung getroffen worden sei, C. in einer Erziehungsstelle des I. J. K. unterzubringen. Ein tatsächlicher Aufenthalt des Kindes in Deutschland und damit ein Anknüpfungspunkt innerhalb Deutschlands zu diesem Zeitpunkt seien nicht gegeben gewesen. Da hier der Geburtsort des jungen Menschen im Ausland liege, ergebe sich folglich eine örtliche Zuständigkeit des klagenden Landes Berlin aus § 88 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII. Der Beklagte sei auch nicht vom Zeitpunkt der Unterbringung C. s in der Erziehungsstelle des I. J. K. zuständig geworden. Nach der Systematik des SGB VIII spiele der Ort der Leistungserbringung, der auch im Fall der Gewährung von Leistungen an Deutsche im Ausland durchaus im Inland liegen könne, im Rahmen der Zuständigkeitsvorschriften der §§ 85 ff. SGB VIII keine Rolle. Dies ergebe sich aus der klaren gesetzlichen Regelung in § 89 e SGB VIII, wonach der Jugendhilfeträger des Ortes, an dem die Leistung erbracht werde, nicht zuständig werde (sog. Schutz der Einrichtungsorte). Dies gelte uneingeschränkt auch für Leistungen an Deutsche im Ausland im Sinne des § 6 Abs. 3 SGB VIII. Ein Kostenerstattungsverfahren sei in diesem Fall nicht vorgesehen. Die Zuständigkeit im Sinne des § 88 SGB VIII sei so angelegt, dass damit zugleich auch die endgültige Kostentragung verbunden sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, die der Senat durch Beschluss vom 18. Januar 2013 - 4 LA 238/11 - wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung zugelassen hat.

Der Kläger trägt zur Begründung seiner Berufung vor, der Feststellungsantrag sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts zulässig, da eine Subsidiarität gegenüber der allgemeinen Leistungsklage in der hier vorliegenden Fallkonstellation eines Erstattungsstreitverfahrens zwischen zwei Behörden nicht gegeben sei. Die Klage sei auch begründet. Das Bundesverwaltungsgericht habe in seinem Urteil vom 12. Mai 2011 - 5 C 4.10 - entschieden, dass die Regelung des § 88 SGB VIII die Gewährung einer Leistung der Jugendhilfe an Deutsche im Ausland im Sinne des § 6 Abs. 3 SGB VIII voraussetze und eine solche Gewährung (nur) dann gegeben sei, wenn sich nicht nur der Leistungsempfänger, sondern auch der Leistungsberechtigte im Ausland aufhielten. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei für die Frage des Vorliegens einer Fallkonstellation nach § 88 SGB VIII auch nicht darauf abzustellen, ob sich der Leistungsempfänger und der Leistungsberechtigte zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Hilfegewährung im Ausland aufgehalten hätten, sondern maßgeblich sei das Einsetzen der tatsächlichen Hilfeleistungen. Zu diesem Zeitpunkt habe sich C. im Inland befunden.

Am 13. Mai 2013 wechselte C. aus der Erziehungsstelle des I. K. in die Außenwohngruppe des I. K. „Am N.“ in K.. Nachdem C. am 3. Mai 2014 volljährig geworden war, bewilligte der Kläger ihr mit Bescheid vom 9. Mai 2014 ab dem Zeitpunkt ihre Volljährigkeit Hilfe für junge Volljährige gemäß § 41 SGB VIII. Die Hilfegewährung für C. wurde zum 31. Juli 2014 beendet.

Im Berufungsverfahren hat der Kläger mit Schriftsatz vom 24. März 2015 den Rechtsstreit bezüglich des Feststellungsantrags zu 1. im erstinstanzlichen Verfahren für erledigt erklärt und eine Übersicht über die von ihm in der Zeit vom 1. April 2008 bis zum 7. November 2014 geleisteten Zahlungen bei Gericht eingereicht.

Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 24. März 2015 den Antrag gestellt,

festzustellen, dass er die Erstattung der für den streitgegenständlichen Hilfefall aufgewandten Kosten in Höhe von 286.874,86 EUR beanspruchen kann, zuzüglich von Prozesszinsen in entsprechender Anwendung nach § 291 BGB, berechnet auf dem jeweils genannten Zeitpunkt der jeweiligen Zahlungen gemäß beigefügter Anlage,

hilfsweise den Beklagten zu verurteilen, an ihn 286.874,86 EUR zu zahlen nebst Zinsen nach  291 BGB, bezogen auf die jeweils für den Jugendhilfefall geleisteten Teilzahlungen, berechnet auf das jeweilige Datum der Teilzahlung gemäß Anlage.

Der Beklagte hat den Rechtsstreit bezüglich des Feststellungsantrags zu 1. im erstinstanzlichen Verfahren ebenfalls für erledigt erklärt und beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung führt der Beklagte aus, dass C. vor Beginn der Leistungen weder einen gewöhnlichen noch einen tatsächlichen Aufenthalt im Inland gehabt habe. Sie sei direkt am 9. Januar 2008 in eine Erziehungsstelle des Beklagten von Rumänien aus verbracht worden. Demzufolge sei keine Zuständigkeit des Beklagten gemäß § 86 Abs. 4 SGB VIII begründet worden. Aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Mai 2011 - 5 C 4.10 - gehe nicht hervor, dass diese Vorschrift in einer Konstellation wie vorliegend greife. Darüber hinaus verweist der Beklagte auf eine von ihm eingeholte Stellungnahme des Deutschen Instituts für Jugendhilfe und Familienrecht e.V. (DIJF), wonach gemäß § 6 Abs. 4 SGB VIII unter Berücksichtigung von Art. 8 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 Rumänien für die Unterbringung von C. in Deutschland zuständig gewesen sei und im Übrigen für die Abgrenzung einer Auslandshilfe von einer Inlandshilfe der Aufenthalt zu dem Zeitpunkt der für die nachfolgende Einreise kausalen Hilfebewilligung maßgeblich sei, zu diesem Zeitpunkt aber Frau D. und ihre Tochter C. in Rumänien ihren Aufenthalt gehabt hätten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.

Entscheidungsgründe

Das Verfahren ist in Bezug auf den Klageantrag zu 1. im erstinstanzlichen Verfahren, mit dem der Kläger die Feststellung begehrt hat, dass der Beklagte seit dem 10. Januar 2008 für die Hilfeleistungen auf der Grundlage des SGB VIII für C. D. zuständig ist, gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO analog einzustellen, weil die Beteiligten den Rechtsstreit im Berufungsverfahren hinsichtlich dieses Antrags für erledigt erklärt haben; insoweit ist das erstinstanzliche Urteil unwirksam (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO analog).

In Bezug auf den nichterledigten Teil des Rechtsstreits ist die Berufung des Klägers in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen unbegründet.

Die auf die Feststellung der Erstattungspflicht des Beklagten gerichtete Klage ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

Die Feststellungsklage ist zulässig, insbesondere steht § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO ihrer Zulässigkeit nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift kann die Feststellung eines Rechtsverhältnisses nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann. Der Vorrang der Gestaltungs- oder Leistungsklage greift jedoch nicht ausnahmslos. Ist - wie hier - Beklagter eine öffentlich-rechtliche Körperschaft, so ist eine einschränkende Auslegung des § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO geboten, weil von dieser aufgrund ihrer verfassungsmäßig verankerten festen Bindung an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) die Respektierung von Gerichtsurteilen auch ohne dahinterstehenden Vollstreckungsdruck erwartet werden darf (st. Rspr. d. BVerwG, vgl. nur Urt. v. 27.10.1970 - VI C 8.69 -; ferner Urt. v. 22.2.2001 - 5 C 34.00 -). Die Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber einer Gestaltungs- oder Leistungsklage gilt bei Klagen gegen eine öffentlich-rechtliche Körperschaft daher nur, wenn ansonsten Fristen und das Erfordernis eines Vorverfahrens für Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen unterlaufen würden (BVerwG, Urt. v. 4.7.2002 - 2 C 13.01 -). Dies ist hier nicht der Fall.

Die Feststellungsklage ist auch in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Denn dem Kläger steht ein Kostenerstattungsanspruch für die Aufwendungen, die ihm in dem Zeitraum vom 9. Januar 2008 bis zum 2. Mai 2014 für die Gewährung von Jugendhilfeleistungen entstanden sind, in Höhe von 269.668,18 EUR zu. Ein darüber hinausgehender Kostenerstattungsanspruch des Klägers besteht indes nicht.

Der Kostenerstattungsanspruch des Klägers gegen den Beklagten in der vorgenannten Höhe folgt aus § 102 SGB X.

Gemäß § 102 Abs. 1 SGB X ist der zur Leistung verpflichtete Leistungsträger erstattungspflichtig, wenn ein (anderer) Leistungsträger aufgrund gesetzlicher Vorschriften vorläufig Sozialleistungen (für diesen) erbracht hat. Die Voraussetzungen eines Erstattungsanspruchs des Klägers gegen den Beklagten nach dieser Vorschrift liegen vor.

Der Kläger hat durch Bescheid vom 13. März 2008 der personensorgeberechtigten Frau D. Hilfe zur Erziehung ihres Kindes C. nach den §§ 27 i. V. m. 34 SGB VIII gewährt und damit eine Sozialleistung im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB I erbracht. Nach dem Inhalt des Bescheids steht die gewährte Hilfe zur Erziehung zwar „in Verbindung mit der Eingliederungshilfe für seelisch behinderte oder von Behinderung bedrohte Kinder und Jugendliche nach § 35a SGB VIII“, hieraus ist jedoch nicht zu schließen, dass der Kläger anstelle oder neben einer Hilfe zur Erziehung gemäß §§ 27 ff. SGB VIII für die personensorgeberechtigte Frau D. des Weiteren Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII gewährt hat, die dem Kind als Anspruchsinhaber zusteht. Zum einen ist der Bescheid an Frau D. als Personensorgeberechtigte gerichtet gewesen, die ausdrücklich Hilfe zur Erziehung für sich beantragt hatte. Zum anderen hat der Kläger vor Erlass des Bewilligungsbescheids ausschließlich geprüft, ob die Voraussetzungen für die Bewilligung von Hilfe zur Erziehung vorliegen, d.h. ob eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist, nicht jedoch durch Einholung ärztlicher Stellungnahmen näher geprüft, ob bei dem Kind C. eine für die Bewilligung von Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII erforderliche Abweichung von der seelischen Gesundheit (§ 35 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII) und eine Teilhabebeeinträchtigung (§ 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII) vorgelegen haben.

Die durch Bescheid vom 13. März 2008 gewährte Hilfe zur Erziehung ist im Sinne von § 102 Abs. 1 SGB X auch vorläufig für einen anderen Leistungsträger - den Beklagten - erbracht worden. Eine vorläufige Leistung setzt voraus, dass der die Leistung erbringende Leistungsträger entweder in Kenntnis von der Zuständigkeit eines anderen Leistungsträgers und damit von der eigenen Unzuständigkeit leistet oder sich noch im Ungewissen darüber befindet, welcher andere Leistungsträger zuständig ist. Eine vorläufige Leistung erfordert somit das Bestehen entweder eines Kompetenzkonfliktes oder einer sonstigen Unklarheit über die Zuständigkeit für die endgültige Leistungserbringung. Dabei muss der Wille des die Erstattung begehrenden Leistungsträgers, entweder für einen anderen oder im Hinblick auf die ungeklärte Zuständigkeit leisten zu wollen, nach außen erkennbar geworden sein (st. Rspr. des BSG seit dem Urt. v. 28.3.1984 - 9a RV 50/82 - und v. 22.5.1985 - 1 RA 33/84 -; vgl. ferner Urt. v. 10.7.2014 - B 10 SF 1/14 R -).

Eine vorläufige Leistungsgewährung durch den Kläger aufgrund eines Kompetenzkonfliktes hat - nach außen erkennbar - ab dem 9. Januar 2008, dem Zeitpunkt der (dauerhaften) Aufnahme von C. in der Erziehungsstelle des I. J. K., vorgelegen. Der Bewilligungsbescheid vom 13. März 2008 beinhaltet die (teilweise rückwirkende) Übernahme der Kosten „für den Aufenthalt in einem Heim oder einer sonstigen betreuten Wohnform, hier Erziehungsstelle in K., seit dem 9. Januar 2008“. Der Kläger hatte dem Beklagten zuvor mit Schreiben vom 9. Januar 2008 mitgeteilt, dass er „eine vorläufige (Not-) Zuständigkeit des Landes Berlin annehmen und die entsprechende Entscheidung und vorläufige Kostenzusage aussprechen“ würde, falls der Beklagte seine Zuständigkeit ablehne, und sich „in diesem Fall ... die endgültige Klärung bzw. Geltendmachung … wegen der Zuständigkeit und Kostentragung ausdrücklich vorbehalten“ würde. Da der Beklagte mit seinem Schreiben vom 18. Januar 2008 seine Zuständigkeit bestritten und die Übernahme des Falls in seine Zuständigkeit abgelehnt hat, hat ein Kompetenzkonflikt zwischen dem Kläger und dem Beklagten vorgelegen. Aufgrund des Schreibens vom 9. Januar 2008 hat der Kläger, bevor er durch Bescheid vom 13. März 2008 Jugendhilfeleistungen bewilligt hat, damit nach außen erkennbar zum Ausdruck gebracht, dass er diese Leistungen nur vorläufig für den Beklagten erbringt. Eine vorläufige Gewährung von Sozialleistungen im Sinne des § 102 Abs. 1 SGB X liegt damit in dem Zeitraum vom 9. Januar 2008 bis zur Beendigung der gewährten Hilfe zur Erziehung am 2. Mai 2014 aufgrund der Volljährigkeit von C. am 3. Mai 2014 vor.

Eine vorläufige Leistungsgewährung im Sinne des § 102 Abs. 1 SGB X liegt hingegen nicht vor, soweit der Kläger mit Bescheid vom 9. Mai 2014 im Anschluss an die Hilfe zur Erziehung ab dem 3. Mai 2014 Hilfe für junge Volljährige gemäß § 41 SGB VIII bewilligt hat. Denn der Kläger hat seinen Willen, auch diese Hilfe für den Beklagten als eigentlich zuständigen Leistungsträger zu leisten, nicht nach außen erkennbar zum Ausdruck gebracht. Vielmehr hat er nach Eintritt der Volljährigkeit Hilfe für junge Volljährige gewährt, ohne weder die Leistungsberechtigte noch den Beklagten darauf hinzuweisen, dass er nur vorläufig Leistungen erbringen will. Eine Erstattungspflicht nach § 102 Abs. 1 SGB X für die im Rahmen des § 41 SGB VIII gewährte Jugendhilfe im Zeitraum vom 3. Mai 2014 bis zum 31. Juli 2014 scheidet demnach aus.

Die in dem Zeitraum vom 9. Januar 2008 bis zur Beendigung der Hilfe zur Erziehung am 2. Mai 2014 gewährten vorläufigen Sozialleistungen sind auch „aufgrund gesetzlicher Vorschriften“ im Sinne des § 102 Abs. 1 SGB X  erbracht worden. Dies ist der Fall, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für eine vorläufige Leistungsgewährung vorgelegen haben, d. h. der die Erstattung begehrende Leistungsträger muss rechtmäßig eine vorläufige Sozialleistung erbracht haben (vgl. BSG, Urt. v. 22.5.1985 - 1 RA 33/84 -; ferner Kater in Kasseler Kommentar, SGB X, Stand: Juni 2014, § 102 Rn 14, Böttiger in Diering/Timme/Waschull, SGB X, 3. Aufl., § 102 Rn 28). Der Kläger hat hier auf der Grundlage von § 43 Abs. 1 SGB I rechtmäßig eine vorläufige Sozialleistung erbracht.

Besteht ein Anspruch auf Sozialleistungen und ist zwischen mehreren Leistungsträgern streitig, wer zur Leistung verpflichtet ist, kann gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB I  der unter ihnen zuerst angegangene Leistungsträger vorläufig Leistungen erbringen, deren Umfang er nach pflichtgemäßem Ermessen bestimmt. Er hat Leistungen nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB I zu erbringen, wenn der Berechtigte es beantragt (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB I). Die vorgenannten Voraussetzungen für eine vorläufige Leistungsgewährung durch den Kläger haben hier vorgelegen.

Zunächst hat ein Anspruch auf Sozialleistungen im Sinne von § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB I bestanden. Auf Sozialleistungen besteht ein Anspruch, soweit nicht nach den besonderen Teilen dieses Gesetzbuchs die Leistungsträger ermächtigt sind, bei der Entscheidung über die Leistung nach ihrem Ermessen zu handeln (§ 38 SGB I). Vorliegend hat Frau D. einen Anspruch auf Sozialleistung in Form von Hilfe zur Erziehung gemäß § 27 Abs. 1 SGB VIII gehabt. Gemäß § 27 Abs. 1 SGB VIII hat ein Personensorgeberechtigter bei der Erziehung eines Kindes oder eines Jugendlichen Anspruch auf Hilfe (Hilfe zur Erziehung), wenn eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Erziehungshilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist. Diese Voraussetzungen sind nach dem Inhalt der fachlichen Stellungnahmen der G. H. in Rumänien vom 27. Oktober 2006 und der rumänischen Korrespondenzstelle vom Mai 2007 erfüllt gewesen. Danach handelte es sich bei C. zu dieser Zeit um ein hyperaktives Kind, das keine Verhaltensregeln kenne und über das die Mutter keine Verhaltenskontrolle besitze. In der Stellungnahme vom Mai 2007 wird darüber hinaus ausgeführt, dass die Maßnahme einer Internatsunterbringung notwendig sei, da C. Werte, die ihr von der Familie und der Schule vermittelt würden, nicht wahrnehmen könne. Die in der Stellungnahme vom Mai 2007 beschriebenen Verhaltensauffälligkeiten decken sich inhaltlich mit den Angaben der personensorgeberechtigten Frau D. in der Begründung ihres Antrags auf Hilfe zur Erziehung vom 6. Juni 2005. In der Antragsbegründung wird C. als ein gegenüber anderen Kindern „unsoziales“ und gegenüber Erwachsenen „undiszipliniertes“ Kind beschrieben. Auf der Grundlage der Angaben im Antrag und der eingeholten fachlichen Stellungnahmen lässt sich daher feststellen, dass zu dem Zeitpunkt, zu dem der Kläger über eine Gewährung von vorläufigen Sozialleistungen entschieden hat, eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet und Hilfe zur Erziehung für seine Entwicklung geeignet und notwendig gewesen ist. Diese Feststellung wird im Übrigen bestätigt durch den Entwicklungsbericht des I. K. von Oktober 2008, wonach es zu Beginn der Maßnahme „kaum möglich gewesen“ sei, „auf C. einzugehen“, da sie „sehr vehement Opposition“ bezogen habe und Konflikte „nicht angemessen“ gelöst worden seien, „oft auch körperlich“.

Dem Vorliegen eines Rechtsanspruchs auf Hilfe zur Erziehung steht nicht entgegen, dass bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 27 Abs. 1 SGB VIII nicht ein Anspruch auf eine bestimmte Hilfeart besteht, sondern sich Art und Umfang der Hilfe nach dem erzieherischen Bedarf im Einzelfall richten (§ 27 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII). Denn dies ändert nichts daran, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 27 Abs. 1 SGB VIII ein Rechtsanspruch auf Hilfe zur Erziehung dem Grunde nach besteht (vgl. Tammen/Trenczek in Frankfurter Kommentar, SGB VIII, 7. Aufl., § 27 Rn. 13).

Dem Bestehen eines Anspruchs auf Sozialleistungen im Sinne von § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB I kann hier auch nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass es sich bei der der personensorgeberechtigten Frau D. konkret gewährten Hilfe in Form der Unterbringung ihrer Tochter in einer Erziehungsstelle des I. K. in M. um eine Jugendhilfe im Ausland gehandelt hat, deren Gewährung - auch dem Grunde nach - gemäß § 6 Abs. 3 SGB VIII im Ermessen des zuständigen Jugendhilfeträgers gestanden hat. Denn entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts hat es sich bei der gewährten Hilfe nicht um eine Leistung an Deutsche im Ausland im Sinne von § 6 Abs. 3 SGB VIII, sondern um eine Leistung an Deutsche im Inland im Sinne von § 6 Abs. 1 SGB VIII gehandelt. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 12. Mai 2011 - 5 C 4.10 - zur Abgrenzung zwischen Leistungen der Jugendhilfe im In- und Ausland Folgendes ausgeführt:

„Das Sozialgesetzbuch Achtes Buch unterscheidet zwischen Leistungen der Jugendhilfe im Inland (§ 6 Abs. 1 und 2 SGB VIII) und Leistungen der Jugendhilfe im Ausland (§ 6 Abs. 3 SGB VIII), wobei zwischen diesen Leistungen ein Entweder-oder-Verhältnis dergestalt besteht, dass sie sich zwingend wechselseitig ausschließen. Eine Leistung nach dem Sozialgesetzbuch Achtes Buch, wozu die in Rede stehende Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 4 SGB VIII gehört, ist demnach entweder eine Leistung im Inland oder eine Leistung im Ausland. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die Einordnung einer Leistung als eine solche im Inland oder im Ausland ist nach dem Tatbestand der - hier allein interessierenden - Vorschriften des § 6 Abs. 1 und § 6 Abs. 3 SGB VIIII der Aufenthalt desjenigen, dem die Leistung "gewährt" wird.

Der in § 6 Abs. 1 und 3 SGB VIII mangels entgegenstehender Anhaltspunkte inhaltsgleich verwendete Begriff des Gewährens ist in einem umfassenden Sinne zu verstehen und erfasst sowohl die (rechtliche) Bewilligung als auch die (tatsächliche) Erbringung einer Leistung (vgl. Happe/Saurbier in: Jans/Happe/Saurbier/Maas, Stand April 2007, Erl. § 6 Art. 1 KJHG Rn. 8 und ebenda, Stand Juni 1997, Erl. § 85 Art. 1 KJHG Rn. 6). Mit Rücksicht darauf hat die Leistungsgewährung im Sinne des § 6 Abs. 1 und 3 SGB VIII zwei Bezugssubjekte. Die Bewilligung ist auf den Leistungsberechtigten ausgerichtet. Dies ist der Inhaber des Rechts auf Gewährung einer Jugendhilfeleistung bzw. auf ermessensfehlerfreie Entscheidung darüber, also derjenige, der die Leistung beantragen und diese gegebenenfalls auch gerichtlich geltend machen kann. Zwar kann der junge Mensch ausnahmsweise selbst Leistungsberechtigter sein (vgl. § 8 Abs. 3, §§ 24, 35a, 41 SGB VIII). Bei der hier in Rede stehenden Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege sind in der Regel jedoch die Eltern oder der maßgebliche Elternteil leistungsberechtigt (Urteil vom 12. September 1996 - BVerwG 5 C 31.95 - Buchholz 436.511 § 27 KJHG/SGB VIII Nr. 3 S. 8 f.). Steht die Personensorge keinem Elternteil zu, ist ausnahmsweise der Vormund leistungsberechtigt (Urteil vom 15. Dezember 1995 - BVerwG 5 C 2.94 - BVerwGE 100, 178 = Buchholz 436.511 § 27 KJHG/SGB VIII Nr. 1). Hinsichtlich der Erbringung der Leistung ist auf den Leistungsempfänger, d.h. auf denjenigen abzustellen, der die Leistung erhält und dessen Interesse sie nach der Konzeption des Sozialgesetzbuches Achtes Buch zu dienen bestimmt ist. Leistungsempfänger ist danach das Kind oder der Jugendliche. Denn die Leistungserbringung ist - unabhängig von der Anspruchsinhaberschaft - stets auf das Kind oder den Jugendlichen ausgerichtet, dessen Wohl Ausgangspunkt und Ziel jeder Jugendhilfemaßnahme ist (vgl. § 1 Abs. 1 und 3 SGB VIII). Die Eltern oder der maßgebliche Elternteil werden im Interesse des Kindes oder Jugendlichen mit dem Ziel unterstützt, ihre Erziehungskompetenzen zu fördern und zu stärken, um letztlich wieder eine Übergabe des Kindes oder Jugendlichen in die (alleinige) elterliche Erziehungsverantwortung zu ermöglichen (vgl. § 1 Abs. 3 Nr. 2 und § 37 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII). Die gleichzeitige Ausrichtung der Leistungsgewährung auf den Leistungsberechtigten und den Leistungsempfänger bedingt, dass für die Bestimmung des räumlichen Anwendungsbereichs nicht nur der Aufenthalt des Leistungsberechtigten, sondern auch der des Leistungsempfängers maßgeblich ist. Bei einem Auseinanderfallen von Leistungsberechtigtem und Leistungsempfänger setzt eine Leistung der Jugendhilfe im Ausland im Sinne des § 6 Abs. 3 SGB VIII deshalb voraus, dass beide Beteiligte ihren Aufenthalt im Ausland haben. Allein in diesem Fall richtet sich die - daran anschließend zu bestimmende - sachliche Zuständigkeit für die Leistungsgewährung nach § 85 Abs. 2 Nr. 9 SGB VIII und die örtliche Zuständigkeit nach § 88 SGB VIII.“

Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an und hält an seiner bisherigen Auffassung, die sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Jugendhilfeträgers für die Gewährung von Leistungen an Deutsche im Ausland (§ 6 Abs. 3 SGB VIII) nach § 85 Abs. 2 Nr. 9 SGB VIII setze im Falle der Gewährung von Hilfe zur Erziehung nach den §§ 27 ff. SGB VIII an den im Ausland lebenden und personensorgeberechtigten Elternteil nicht voraus, dass sich auch dessen Kind im Ausland aufhält (Senatsbeschl. v. 12.5.2011 - 4 LC 28/09 -), nicht mehr fest.

Ob eine Leistung im Inland (§ 6 Abs. 1 SGB VIII) oder im Ausland (§ 6 Abs. 3 SGB VIII) vorliegt, beurteilt sich nach den obigen Ausführungen nach dem Aufenthalt desjenigen, dem die Leistung gewährt wird, und damit maßgeblich nach dem Aufenthalt des Leistungsberechtigten im Zeitpunkt der rechtlichen Bewilligung als auch nach dem Aufenthalt des Leistungsempfängers während der tatsächlichen Leistungserbringung. Eine Hilfe im Ausland setzt demnach voraus, dass der Leistungsberechtigte im Zeitpunkt der rechtlichen Bewilligung und der Leistungsempfänger während der Leistungserbringung ihren Aufenthalt im Ausland haben. Dies ist hier nicht der Fall gewesen, da C. als Leistungsempfängerin während der tatsächlichen Leistungserbringung ihren Aufenthalt im Inland hatte. Der Auffassung des Verwaltungsgerichts, entscheidend für die Abgrenzung einer Auslands- von einer Inlandshilfe sei (allein) der Aufenthalt zu dem Zeitpunkt, zu dem über die Bewilligung von Jugendhilfe (förmlich oder nichtförmlich) entschieden werde, ist nicht zu folgen (anders hingegen Münder in Frankfurter Kommentar, SGB VIII, 7. Aufl., § 6 Rn. 2, der wie das Verwaltungsgericht allein auf den Zeitpunkt der Entscheidung über die Leistung bzw. den Zeitpunkt ihrer Erforderlichkeit abstellt). Dies ergibt sich aus Folgendem:

Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII werden nach diesem Gesetzbuch jungen Menschen, Müttern, Vätern und Personensorgeberechtigten von Kindern und Jugendlichen Leistungen gewährt, die ihren tatsächlichen Aufenthalt im Inland haben. Nach § 6 Abs. 3 SGB VIII können Deutschen Leistungen nach diesem Buch gewährt werden, wenn sie ihren Aufenthalt im Ausland haben und soweit sie nicht Hilfe vom Aufenthaltsland erhalten. Der für die Einordnung einer Leistung als eine solche im Inland oder im Ausland maßgebliche Begriff der „Leistungsgewährung“ meint - wie das Bundesverwaltungsgericht in seinem vorgenannten Urteil vom 12. Mai 2011 - 5 C 4.10 -  ausgeführt hat - sowohl die (rechtliche) Bewilligung als auch die tatsächliche Erbringung der Leistung. Bedingt die gleichzeitige Ausrichtung des Begriffs der „Leistungsgewährung“ auf den Leistungsberechtigten und den Leistungsempfänger, dass für die Bestimmung des räumlichen Anwendungsbereichs des SGB VIII nicht nur der Aufenthalt des Leistungsberechtigten, sondern auch der des Leistungsempfängers maßgeblich ist, so folgt hieraus zugleich, dass es für die Abgrenzung einer Auslands- von einer Inlandshilfe sowohl auf den Aufenthalt des Leistungsberechtigten im Zeitpunkt der rechtlichen Bewilligung als auch auf den Aufenthalt des Leistungsempfängers während der tatsächlichen Leistungserbringung, d. h. des Erhalts der Leistungen, ankommt. Denn anderenfalls wäre der erforderliche zeitliche Zusammenhang zwischen der Leistungsgewährung, also der rechtlichen Bewilligung und der tatsächlichen Leistungsgewährung, und dem Aufenthalt desjenigen, dem die Leistung gewährt wird, nicht gegeben. Unabhängig davon, ob bei der Gewährung von Jugendhilfeleistungen der Leistungsberechtigte und der Leistungsempfänger auseinanderfallen oder nicht, liegt eine Inlandshilfe daher immer dann vor, wenn die Leistungen der Jugendhilfe tatsächlich im Inland erbracht werden. Denn in diesem Fall hat der Leistungsempfänger seinen Aufenthalt im Inland.

Dieses Verständnis kommt auch in der Begründung der Bundesregierung zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Kinder- und Jugendhilferechts zum Ausdruck, der zufolge § 5 Abs. 3 SGB VIII-E (entspricht im Wesentlichen § 6 Abs. 3 SGB VIII) eine Regelung zur Gewährung von Jugendhilfe „für deutsche Kinder und Jugendliche außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes“ ist, die „an den Grundgedanken des § 119 BSHG“ anknüpft (vgl. BT-Drs. 11/5948, S. 50). Hält sich ein deutsches Kind oder ein deutscher Jugendlicher für die tatsächliche Inanspruchnahme von Leistungen der Jugendhilfe im Inland auf, liegt deren Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes und nicht außerhalb, so dass in diesem Fall eine Inlandshilfe nach § 6 Abs. 1 SGB VIII vorliegt. Auch der nach der Gesetzesbegründung „angeknüpfte“ § 119 Abs. 1 Satz 1 BSHG a. F. setzte für die in das Ermessen der Behörde gestellte (Sozial-) Hilfeleistung in besonderen Notfällen einen gewöhnlichen Aufenthalt des Deutschen im Ausland voraus und schloss eine Hilfegewährung im Ausland aus, wenn die Heimführung des Hilfesuchenden geboten war (§ 119 Abs. 3 Satz 2 BSHG). Die Regelung des § 6 Abs. 3 SGB VIII unterscheidet sich von § 119 Abs. 1 Satz 1 BSHG (vgl. nunmehr § 24 SGB XII) zwar dadurch, dass für das Vorliegen einer Jugendhilfeleistung an Deutsche im Ausland nicht ein gewöhnlicher Aufenthalt dort vorausgesetzt wird. Aus dem Hinweis auf diese Regelung in der Gesetzesbegründung lässt sich aber schließen, dass der Gesetzgeber mit § 6 Abs. 3 SGB VIII - ebenso wie mit § 119 Abs. 1 Satz 1 BSHG a. F. - Fälle erfassen wollte, in denen im Ausland ein zu deckender Hilfebedarf besteht. Werden Leistungen der Jugendhilfe tatsächlich im Inland in Anspruch genommen, hat also der Leistungsempfänger während der Leistungsgewährung seinen Aufenthalt im Inland, besteht zumindest auch dort der zu deckende Hilfebedarf, so dass kein Fall der Auslandshilfe vorliegt.

Für die Abgrenzung von Auslands- und Inlandshilfen nach dem Aufenthalt des Leistungsberechtigten im Zeitpunkt der Bewilligung und dem Aufenthalt des Leistungsempfängers während der Leistungsgewährung spricht ferner der Wortlaut des § 85 Abs. 2 Nr. 9 SGB VIII. Danach ist der überörtliche Träger „für die Gewährung von Leistungen an Deutsche im Ausland (§ 6 Abs. 3)“ zuständig, soweit es sich nicht um die Fortsetzung einer bereits im Inland gewährten Leistung handelt. Auch diese Regelung zur sachlichen Zuständigkeit des überörtlichen Trägers im Falle einer Auslandshilfe knüpft sprachlich an die Leistungsgewährung und damit sowohl an die rechtliche Bewilligung als auch tatsächliche Leistungserbringung an Deutsche an. Die rechtliche Bewilligung und tatsächliche Erbringung von Leistung an Deutsche im Ausland liegt aber nur dann vor, wenn sich diese im Zeitpunkt der Bewilligung und während der Leistungsgewährung dort aufhalten.

Zudem sprechen gesetzessystematische Gründe dafür, zwischen Leistungen der Jugendhilfe im Inland und Leistungen der Jugendhilfe im Ausland wie ausgeführt zu unterscheiden. § 86 SGB VIII regelt - in Abgrenzung zur Regelung des § 88 SGB VIII bei der Gewährung von Jugendhilfe im Ausland - die örtliche Zuständigkeit des sachlich zuständigen örtlichen Trägers der Jugendhilfe bei der Gewährung von Leistungen im Inland im Sinne des § 6 Abs. 1 und 2 SGB VIII (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.5.2011 - 5 C 4.10 -). Für die Anwendung der jugendhilferechtlichen Zuständigkeitsregelungen in § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII kommt es grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Beginns der Leistung an, d. h. der tatsächlichen Leistungserbringung (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.10.2011 - 5 C 25.10 -; ferner Senatsbeschl. v. 15.4.2010 - 4 LC 266/08 -). § 86 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII regelt die örtliche Zuständigkeit für Leistungen der Jugendhilfe im Inland für den Fall, dass die Eltern oder der nach den Absätzen 1 bis 3 maßgebliche Elternteil im Inland - bei Beginn der Leistung - keinen gewöhnlichen Aufenthalt haben. Nach § 86 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII richtet sich die Zuständigkeit in diesem Fall nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes oder des Jugendlichen (im Inland) vor Beginn der Leistung; bestand ein solcher Aufenthalt während der letzten sechs Monate vor Beginn der Leistung nicht, so ist gemäß § 86 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich sich das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung tatsächlich (Hervorhebung durch den Senat) aufgehalten hat. Begibt sich das Kind bzw. Jugendliche aus dem Ausland in das Inland, um dort Leistungen der Jugendhilfe in Empfang nehmen zu können, begründet es unmittelbar vor Leistungsbeginn seinen (gewöhnlichen oder tatsächlichen) Aufenthalt im Inland. In Anknüpfung an den gewöhnlichen oder tatsächlichen Aufenthaltsort des Kindes bzw. Jugendlichen unmittelbar vor Leistungsbeginn besteht dann mit der Vorschrift des § 86 Abs. 4 Satz 1 bzw. Satz 2 SGB VIII eine Regelung zur Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit des Jugendhilfeträgers. Da diese Vorschrift wie bereits ausgeführt nur bei Leistungen im Inland gemäß § 6 Abs. 1 und 2 SGB VIII Anwendung findet, folgt hieraus zugleich, dass in derartigen Fällen keine Leistungen für Deutsche im Ausland im Sinne des § 6 Abs. 3 SGB VIII vorliegen.

Schließlich ergibt sich die hier vertretene Abgrenzung zwischen Inlands- und Auslandshilfen auch aus dem Sinn und Zweck der Regelungen zur sachlichen Zuständigkeit. Für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB VIII ist gemäß § 85 Abs. 1 SGB VIII grundsätzlich der örtliche Träger der Jugendhilfe zuständig. Denn eine bedarfsgerechte Jugendhilfe wird nur durch einen ortsnahen Jugendhilfeträger gewährleistet (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs zu § 80 SGB VIII in BT-Drs. 11/5948, S. 106). Nur in den in § 85 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 10 SGB VIII genannten Fälle liegt die sachliche Zuständigkeit beim überörtlichen Träger. Die sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Trägers für die Gewährung von Leistungen an Deutsche im Ausland (§ 6 Abs. 3 SGB VIII) gemäß § 85 Abs. 2 Nr. 9 SGB VIII begründet sich zum einen dadurch, dass die Zahl der Fälle mit Auslandsbezug gering ist (vgl. BT-Drs. 11/5948, S. 107), zum anderen aber auch - ohne dass dies in der Gesetzesbegründung ausdrückliche Erwähnung gefunden hat - dadurch, dass für eine Bearbeitung der Fälle von Jugendhilfegewährung im Ausland kein sachgerechter Anknüpfungspunkt für die sachliche Zuständigkeit eines örtlichen und damit auch ortsnahen Jugendhilfeträgers besteht, wenn sich sowohl der Leistungsberechtigte als auch der Leistungsempfänger bei der Inanspruchnahme von Jugendhilfeleistungen im Ausland aufhalten. Anders verhält es sich jedoch, wenn sich der Leistungsempfänger während der Leistung im Inland aufhält. Denn dann besteht - jedenfalls über den tatsächlichen Aufenthalt im Inland unmittelbar vor Beginn der Leistung - ein Anknüpfungspunkt für die sachliche Zuständigkeit des örtlichen Jugendhilfeträgers. Folglich ist es auch sachgerecht, in einem solchen Fall das Vorliegen einer Hilfe im Inland zu bejahen, dessen Bearbeitung der sachlich zuständige örtliche Träger der Jugendhilfe und damit ein ortsnaher Träger übernimmt.

Aus dem Vorstehenden folgt, dass hier ein Fall der Inlandshilfe nach § 6 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII vorgelegen hat. Denn die tatsächliche Erbringung der Leistung ist durch die Unterbringung von C. in der Erziehungsstelle des I. J. K. in M. erfolgt, so dass der Empfänger der Leistung während der Leistungsgewährung seinen Aufenthalt im Inland gehabt hat.

Ein Fall der Inlandshilfe nach § 6 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII läge im Übrigen auch dann von, wenn man für die Abgrenzung einer Inlands- von einer Auslandshilfe nicht auf den Aufenthalt des Leistungsberechtigten im Zeitpunkt der rechtlichen Bewilligung und des Leistungsempfängers während der Leistungsgewährung, sondern - wie das Verwaltungsgericht - auf den Aufenthalt zum Zeitpunkt einer förmlichen oder nichtförmlichen Bewilligung von Jugendhilfeleistungen abstellte. Denn eine Entscheidung über die Bewilligung von (vorläufigen) Leistungen der Jugendhilfe ist erst durch Bescheid vom 13. März 2008 erfolgt. Eine frühere, nichtförmliche Bewilligung von Jugendhilfeleistungen in Form der Unterbringung von C. in der Erziehungsstelle des I. K. vor der Einreise von Frau D. und ihrer Tochter lässt sich den Verwaltungsvorgängen nicht entnehmen. Eine solche Bewilligung wäre im Übrigen aber auch nicht möglich gewesen, da nur eine konkrete Leistung bewilligt werden kann und vor der Einreise im Dezember 2007 und dem Ende des Probewohnens in der Zeit vom 6. Januar 2008 bis 8. Januar 2008 noch gar nicht hat feststehen können, ob C. in dieser Einrichtung aufgenommen werden kann. Zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Bewilligung von Jugendhilfeleistungen durch Bescheid vom 13. März 2008 hatte C. ihren Aufenthalt jedoch bereits im Inland.

Schließlich läge auch dann eine Inlands- und keine Auslandshilfe vor, wenn man für die Abgrenzung dieser Hilfen voneinander auf den Aufenthalt desjenigen, dem die Leistung gewährt wird, vor Beginn der Leistung abstellte, woran auch § 86 Abs. 2 Satz 2 bis 4 und Abs. 4 Satz 1 und 2 SGB VIII für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit nach § 86 SGB VIII anknüpfen. Denn unmittelbar vor Beginn der Leistung hatte C. ihren tatsächlichen Aufenthalt in M. und damit im Inland. Beginn der Leistung ist das Einsetzen der Hilfegewährung und damit grundsätzlich der Zeitpunkt, ab dem die konkrete Hilfeleistung tatsächlich gegenüber dem Hilfeempfänger erbracht wird (BVerwG, Urt. v. 19.10.2011 - 5 C 25.10 -).  Unter einer Leistung, an deren Beginn § 86 Abs. 2 Satz 2 bis 4 und Abs. 4 Satz 1 und 2 SGB VIII für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit anknüpfen, sind unabhängig von der Hilfeart und -form im Rahmen einer Gesamtbetrachtung alle zur Deckung eines qualitativ unveränderten, kontinuierliche Hilfe gebietenden jugendhilferechtlichen Bedarfs erforderlichen Maßnahmen und Hilfen zu verstehen, sofern sie ohne Unterbrechung gewährt worden sind (BVerwG, Urt. v. 19.10.2011 - 5 C 25.10 -). Die Deckung des bestehenden jugendhilferechtlichen Bedarfs hat hier mit der (dauerhaften) Unterbringung von C. in der Erziehungsstelle ab dem 9. Januar 2008 begonnen. Das „Probewohnen“ in der Zeit vom 6. Januar 2008 bis zum 8. Januar 2008 diente ersichtlich der Klärung, ob die Unterbringung in der Erziehungsstelle die geeignete Hilfeform ist, und ist daher nicht Bestandteil der bedarfsdeckenden Jugendhilfemaßnahme gewesen. Dies zeigt sich im Übrigen auch daran, dass hierfür keine Kosten im Rahmen der Bewilligung von Jugendhilfe übernommen worden sind, sondern die Übernahme der Kosten erst ab dem 9. Januar 2008 erfolgt ist. Unmittelbar vor Beginn der Leistung hatte das Kind C. aufgrund des Probewohnens seinen tatsächlichen Aufenthalt in M., im Zuständigkeitsbereich des Beklagten. Ergänzend ist anzumerken, dass selbst dann kein Fall der Auslandshilfe vorgelegen hätte, wenn auch das „Probewohnen“ Bestandteil der Jugendhilfemaßnahme gewesen wäre. Denn vor dem Probewohnen hatte C. ihren tatsächlichen Aufenthalt ebenfalls im Inland, da sie sich mit ihrer Mutter über Weihnachten 2007 besuchsweise bei ihrer Großmutter in Oldenburg aufgehalten hat. Schließlich bedürfte es auch keiner Entscheidung, ob ausnahmsweise nicht die tatsächliche Erbringung der Leistung, sondern die Bewilligung bzw. der Zugang des Bewilligungsbescheids den Beginn der Leistung darstellen kann (offen gelassen vom BVerwG, Urt. v. 19.10.2011 - 5 C 25.10 -). Denn selbst wenn man auf die Bewilligung bzw. den Zugang des Bewilligungsbescheids vom 13. März 2008 abstellte, ergäbe sich kein anderes Ergebnis. Denn C. hatte vor diesem Zeitpunkt ihren (gewöhnlichen) Aufenthalt ebenfalls in M. und auch unter Zugrundelegung dieses Zeitpunkts hätte daher eine Inlands- und keine Auslandshilfe vorgelegen.

Die Gewährung von Hilfe zur Erziehung in Form der Unterbringung von C. in der Erziehungsstelle in K. stellt daher keine Leistung für Deutsche im Ausland dar, die gemäß § 6 Abs. 3 SGB VIII im Ermessen des zuständigen Jugendhilfeträgers gestanden hat, sondern eine Hilfe im Inland gemäß § 6 Abs. 1 SGB VIII. Da wie bereits ausgeführt die Voraussetzungen für die Gewährung von  Hilfe zur Erziehung gemäß § 27 Abs. 1 SGB VIII für eine Leistung im Inland vorgelegen haben, hat ein Anspruch auf Sozialleistung im Sinne des § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB I bestanden.

Die weitere Voraussetzung der gesetzlichen Ermächtigung zu einer Vorleistung nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB I, dass zwischen mehreren Leistungsträgeren streitig ist, wer zur Leistung verpflichtet ist, hat ebenfalls vorgelegen. Denn der Kläger hat den Beklagten durch sein Schreiben vom 9. Januar 2008 aufgefordert, die Bearbeitung des Hilfefalls zu übernehmen, was dieser durch sein Antwortschreiben vom 18. Januar 2008 unter Hinweis auf seine fehlende Zuständigkeit abgelehnt hat.

Liegen die Voraussetzungen des § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB I vor, steht die Erbringung vorläufiger Sozialleistungen im Ermessen des zuerst angegangenen Leistungsträgers. Auf Antrag des Leistungsberechtigten hat der zuerst angegangenen Träger jedoch  Leistungen nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB I zu erbringen. Ein Antrag auf Erbringung vorläufiger Leistungen liegt hier vor, so dass der Kläger zu einer vorläufigen Leistung verpflichtet gewesen ist.

Für einen Antrag auf Gewährung vorläufiger Leistungen gilt - ebenso wie für sonstige Anträge auf Gewährung von Sozialleistungen - § 16 SGB I. Bei einem Antrag im Sinne des § 16 SGB I handelt es sich um eine einseitige, empfangsbedürftige, öffentlich-rechtliche Willenserklärung, auf die - sofern das Sozialrecht keine speziellen Regelungen trifft - die Vorschriften des BGB, insbesondere des § 133 BGB, Anwendung finden. Maßgebend für die Auslegung eines Antrags ist daher - unter Berücksichtigung aller Umstände - der erkennbare wirkliche Willen des Antragstellers (vgl. BSG, Urt. v. 2.4.2014 - B 4 AS 29/13 R -). Vorbehaltlich besonderer Formvorschriften kann der Antrag auch formlos durch mündliches oder konkludentes Handeln gestellt werden (vgl. nur BSG, Urt. v. 17.2.2009 - B 2 U 34/07 R -). Einen ausdrücklichen Antrag auf Gewährung vorläufiger Leistungen hat die leistungsberechtigte Frau D. gegenüber dem Kläger nach dem Inhalt der Verwaltungsvorgänge nicht gestellt, sie hat allerdings ihm gegenüber konkludent zum Ausdruck gebracht, dass sie die Gewährung vorläufiger Leistungen begehrt. Aus dem Vermerk des Klägers vom 4. Dezember 2007 geht hervor, dass Frau D. auf eine schnelle Unterbringung ihrer Tochter dränge, da die Krise zu Hause „eskaliere“. Diese gegenüber dem Kläger offenbar nur mündlich erfolgte Erklärung ist dahingehend auszulegen, dass sie unabhängig von der weiteren Klärung der Zuständigkeit sofortige Hilfe begehrt. Denn der Kläger hatte sie zuvor mit Schreiben vom 5. Juli 2007 darüber unterrichtet, dass über ihren Antrag auf Hilfe zur Erziehung in Form der Internatsunterbringung von dem Jugendamt zu entscheiden sei, welches am Ort der Unterbringung zuständig sei, und dass - sofern das örtliche Jugendamt eine Zuständigkeit ablehne - eine vorläufige Kostenübernahme beabsichtigt sei. Vor diesem Hintergrund ist das „Drängen“ der Klägerin auf Unterbringung ihrer Tochter dahingehend zu verstehen, dass sie bis zur Klärung des hierfür zuständigen Trägers eine vorläufige Leistung durch den Kläger begehrt. Dieser zum Ausdruck gebrachte Wille von Frau D. wird auch dadurch bestätigt, dass ihr der Kläger durch Bescheid vom 13. März 2008 vorläufig Leistungen bewilligt hat, ohne dass sie dem entgegengetreten ist. Sie hat demnach durch ihr Handeln konkludent die Gewährung vorläufiger Leistungen beantragt mit der Folge, dass der Kläger zu einer solchen Leistung gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB I verpflichtet gewesen.

Eine Verpflichtung des Klägers zur Gewährung vorläufiger Leistungen hätte im Übrigen aber auch dann bestanden, wenn man das Vorliegen eines Antrags im Sinne von § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB I verneinte. Gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB I steht die Gewährung vorläufiger Leistungen zwar im Ermessen des Trägers. Das dem Kläger danach zustehende Ermessen wäre jedoch auf Null reduziert gewesen. Denn aufgrund der durch den Kläger vermerkten „Eskalation“ im Haushalt der Personensorgeberechtigten im Dezember 2007 und den nach den Ermittlungen des Klägers fehlenden Möglichkeit, C. in einer Einrichtung in Rumänien unterzubringen, konnte mit dem Einsetzen einer Hilfe bis zur Klärung des sachlich und örtlich zuständigen Trägers nicht abgewartet werden, so dass eine fehlerfreie Ermessensausübung des Klägers kein anderes Ergebnis als die Gewährung vorläufiger Leistungen durch den Kläger zugelassen hätte. Daher ist rechtlich auch ohne Belang, dass der Kläger die Gewährung vorläufiger Leistungen nicht ausdrücklich auf § 43 Abs. 1 SGB I gestützt hat, sondern in seinem Schreiben an den Beklagten vom 9. Januar 2008 angekündigt hat, „nach § 2 Abs. 4 SGB X bzw. in entsprechender Anwendung des § 86d SGB VIII zunächst eine vorläufige Notzuständigkeit des Landes Berlin anzunehmen“.

Der Kläger ist auch nicht aufgrund von Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts an der Gewährung einer vorläufigen Sozialleistung  gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII gehindert gewesen.

Gemäß § 6 Abs. 4 SGB VIII bleiben Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts unberührt. Aus den Regelungen der danach zu beachtenden Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 vom 27. November 2003 des Rates über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 ergibt sich jedoch nicht, dass nicht deutsche Behörden, sondern ausschließlich rumänische Behörden für die Gewährung von (vorläufigen) Jugendhilfeleistungen zuständig gewesen wären.

Gemäß Art. 1 Abs. 1 b) der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 gilt die Verordnung, ungeachtet der Art der Gerichtsbarkeit, für Zivilsachen mit dem Gegenstand der Zuweisung, Ausübung, Übertragung sowie der vollständigen oder teilweisen Entziehung der elterlichen Verantwortung. Die in Art. 1 Abs. 1 b) der Verordnung genannten Zivilsachen betreffen auch die Unterbringung des Kindes in einer Pflegefamilie oder einem Heim (Art. 1 Abs. 2 d) der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003)). Der Begriff „Zivilsachen“ ist dahin auszulegen, dass er sogar Maßnahmen umfassen kann, die in der Rechtsordnung eines Mitgliedstaats dem öffentlichen Recht unterliegen (EuGH, Urt. v. 2.4.2009 - C-523/07 -). Zudem bestimmt Art. 2 Nr. 1 der Verordnung, dass der Ausdruck „Gericht“ alle Behörden der Mitgliedstaaten, die für Rechtssachen zuständig sind, die gemäß Art. 1 in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallen, bezeichnet. Nach Art. 8 Abs. 1 der Verordnung sind für Entscheidungen, die die elterliche Verantwortung betreffen, die Gerichte bzw. Behörden des Mitgliedstaats zuständig, in dem das Kind zum Zeitpunkt der Antragstellung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Zum Zeitpunkt der Beantragung von Jugendhilfe im Juni 2005 durch Frau D.  hatte ihr Kind C. seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Rumänien. Rumänien ist der Europäischen Union jedoch erst mit Wirkung zum 1. Januar 2007 beigetreten, so dass auch erst zu diesem Zeitpunkt diese Verordnung in Rumänien gegolten hat. Folglich hat zum Zeitpunkt der Beantragung von Jugendhilfe im Juni 2005 keine Zuständigkeit rumänischer Behörden nach Art. 8 Abs. 1 der Verordnung bestanden. Im Übrigen wäre auch bei Geltung der Verordnung in Rumänien bereits zum Zeitpunkt der Beantragung der Hilfeleistungen die Zuständigkeit deutscher Behörden nicht ausgeschlossen gewesen. Nach Art. 8 Abs. 2 findet Abs. 1 nämlich vorbehaltlich der Artikel 9, 10 und 12 Anwendung. Nach Art. 12 Abs. 3 der Verordnung sind die Gerichte eines Mitgliedstaats ebenfalls zuständig in Bezug auf die elterliche Verantwortung in anderen als den in Art. 12 Abs. 1 der Verordnung genannten Verfahren, wenn a) eine wesentliche Bindung des Kindes zu diesem Mitgliedstaat besteht, insbesondere weil einer der Träger der elterlichen Verantwortung in diesem Mitgliedstaat seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder das Kind die Staatsangehörigkeit dieses Mitgliedstaats besitzt, und b) alle Parteien des Verfahrens zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts die Zuständigkeit ausdrücklich oder auf andere Weise anerkannt haben und die Zuständigkeit in Einklang mit dem Wohl des Kindes steht. Eine Zuständigkeit deutscher Behörden nach dieser Vorschrift hat vorgelegen. C. hat die deutsche Staatsangehörigkeit aufgrund der Adoption durch Frau D. erworben und die am Verfahren beteiligten Gerichte bzw. Behörden haben eine Zuständigkeit deutscher Behörden für die Bearbeitung des Falles anerkannt. Zwischen dem Kläger und dem Beklagten als deutschen Behörden im Sinne von Art. 2 Nr. 1 der Verordnung ist allein umstritten gewesen, wer von ihnen der zuständige Leistungsträger für die Gewährung von Jugendhilfeleistungen ist, nicht jedoch die Frage, ob vorrangig rumänische Behörden den Fall zu bearbeiten haben. Schließlich hat die Bearbeitung des Falles durch eine deutsche Behörde auch in Einklang mit dem Wohl des Kindes C. gestanden, da eine schnelle Bearbeitung des Falles und Unterbringung von C. in Deutschland aufgrund der vorhandenen und im Dezember 2007 eskalierten Erziehungsschwierigkeiten geboten gewesen sind und auch dem Interesse sowohl des Kindes als auch der Erziehungsberechtigten entsprochen haben. Die Zuständigkeit des Klägers für die Gewährung vorläufiger Leistungen ist daher gemäß Art. 12 Abs. 3 der Verordnung nicht ausgeschlossen gewesen.

Die Vorschriften des Übereinkommens über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern vom 19. Oktober 1996 (sog. Haager Übereinkommen) haben einer Zuständigkeit deutscher Behörden ebenfalls nicht entgegengestanden. Dieses Übereinkommen ist sowohl in Deutschland als auch in Rumänien erst am 1. Januar 2011 in Kraft getreten (vgl. die Bekanntmachung über das Inkrafttreten des Haager Übereinkommens über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern vom 7. Dezember 2010, BGBl. II, S. 1527 und S. 1529). Für das im Juni 2005 eingeleitete Verfahren ist dieses Übereinkommen daher nicht zu beachten gewesen. Im Übrigen wäre die Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 vom 27. November 2003 des Rates über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 im Verhältnis zum Haager Übereinkommen vom 19. Oktober 1996 auch vorrangig anzuwenden gewesen (vgl. Art. 61 der Verordnung). Schließlich ergäbe sich auch unter Anwendung des Haager Übereinkommens auf den vorliegenden Fall keine ausschließliche Zuständigkeit rumänischer Behörden für die (vorläufige) Gewährung von Jugendhilfeleistungen. Denn nach Artikel 5 Abs. 1 des Übereinkommens sind die Behörden, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, zuständig, Maßnahmen zum Schutz der Person des Kindes zu treffen, und nach Art. 5 Abs. 2 des Übereinkommens sind vorbehaltlich des Artikels 7 - der hier aufgrund fehlendem widerrechtlichen Verbringens des Kindes nicht einschlägig gewesen wäre - bei einem Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes in einen anderen Vertragsstaat die Behörden des Staates des neuen gewöhnlichen Aufenthalts zuständig. Mit der dauerhaften Unterbringung von C. in der Erziehungsstelle in M. ab dem 9. Januar 2008 wären daher auch nach dem Haager Übereinkommen die Behörden Deutschlands für Maßnahmen zum Schutz des Kindes zuständig gewesen.

Der Beklagte ist schließlich der zur Leistung verpflichtete Leistungsträger im Sinne des § 102 Abs. 1 SGB X. Die Erstattungspflicht besteht grundsätzlich nur dann, wenn der auf Erstattung in Anspruch genommene Leistungsträger durch die vorläufig erbrachte Sozialleistung von einer an sich ihn treffenden Leistungsverpflichtung entlastet worden ist. Zu der Leistung verpflichtet ist der auf Kostenerstattung in Anspruch genommene Leistungsträger, wenn er die Leistung, wegen derer Kostenerstattung begehrt wird, nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften rechtmäßig hätte erbringen dürfen und nach diesem rechtlichen Maßstab die materiell-rechtlichen Tatbestandsvoraussetzungen für die Hilfegewährung erfüllt sind (BVerwG, Urt. v. 13.3.2003 - 5 C 6.02 -).

Der für die Gewährung von Jugendhilfe als Hilfe im Inland zuständige Leistungsträger wäre der Beklagte gewesen. Denn dieser ist für die hier konkret gewährte Hilfe der gemäß § 85 Abs. 1 SGB VIII der sachlich zuständige örtliche Träger gewesen. Die örtliche Zuständigkeit des Beklagten ergibt sich hier aus § 86 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII. Haben die Eltern oder der nach dem § 86 Absätzen 1 bis 3 SGB VIII maßgebliche Elternteil - wie hier - im Inland keinen gewöhnlichen Aufenthalt und hatte auch das Kind oder der Jugendliche keinen gewöhnlichen Aufenthalt (im Inland) vor Beginn der Leistung, so ist nach § 86 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich sich das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung tatsächlich aufhält. Beginn der Leistung ist - wie bereits ausgeführt - das Einsetzen der Hilfegewährung und damit grundsätzlich der Zeitpunkt, ab dem die konkrete Hilfeleistung tatsächlich gegenüber dem Hilfeempfänger erbracht wird. Leistungsbeginn ist hier der 9. Januar 2008 gewesen. Unmittelbar vor Beginn der Leistung hatte das Kind C. aufgrund des Probewohnens in der Zeit vom 6. Januar 2008 bis 8. Januar 2008 seinen tatsächlichen Aufenthalt in M., im Zuständigkeitsbereich des Beklagten. Einen gewöhnlichen Aufenthalt anderenorts hatte C. zuvor nicht begründet, da sie sich nach der Einreise im Dezember 2007 und vor dem Probewohnen nur besuchsweise in Oldenburg aufgehalten hat. Demnach wäre der Beklagte gemäß § 86 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII der für die gewährte Jugendhilfeleistung eigentlich örtlich zuständige Träger gewesen. Im Übrigen kann zur Bestimmung des hier örtlich zuständigen Trägers erneut dahinstehen, ob ausnahmsweise nicht die tatsächliche Erbringung der Leistung, sondern die Bewilligung bzw. der Zugang des Bewilligungsbescheids den Beginn der Leistung darstellen kann (offen gelassen vom BVerwG, Urt. v. 19.10.2011 - 5 C 25/10 -). Denn selbst wenn man auf die Bewilligung bzw. den Zugang des Bewilligungsbescheids vom 13. März 2008 abstellte, ergäbe sich hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit kein anderes Ergebnis, da C. vor diesem Zeitpunkt ihren (gewöhnlichen) Aufenthalt ebenfalls in M. hatte.

Der örtlichen Zuständigkeit des Beklagten für die hier gewährte Leistung kann auch nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass - wie das Verwaltungsgericht ausgeführt hat -  im Rahmen der Zuständigkeitsvorschriften der Ort der Leistungserbringung nach den §§ 85 ff. SGB VIII keine Rolle spiele und sich aus der gesetzlichen Regelung des § 89e SGB VIII ergebe, dass der Jugendhilfeträger des Ortes, an dem die Leistung erbracht werde, nicht zuständig werde. Zutreffend ist, dass sich die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit nach § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII nach den Aufenthalten der dort genannten Personen richtet und nicht nach dem Ort der Leistungserbringung. Den Vorschriften zur Bestimmung der Zuständigkeit ist jedoch nicht zu entnehmen, dass der Ort des maßgeblichen gewöhnlichen oder tatsachlichen Aufenthalts nicht auch am Ort der Leistungserbringung liegen kann. Auch aus dem Schutz der Einrichtungsorte nach § 89d SGB VIII folgt dies nicht. Richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt der Eltern, eines Elternteils, des Kindes oder des Jugendlichen und ist dieser in einer Einrichtung, einer anderen Familie oder sonstigen Wohnform begründet worden, die der Erziehung, Pflege, Betreuung, Behandlung oder dem Strafvollzug dient, so ist gemäß § 89e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII der örtliche Träger zur Erstattung der Kosten verpflichtet, in dessen Bereich die Person vor der Aufnahme in eine Einrichtung, eine andere Familie oder sonstige Wohnform den gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Unabhängig davon, dass diese Vorschrift vorliegend nicht einschlägig ist, weil sich die örtliche Zuständigkeit hier nicht nach dem gewöhnlichen Aufenthalt, sondern dem tatsächlichen Aufenthalt des Kindes vor Leistungsbeginn gerichtet hat, kann dieser Vorschrift nicht allgemein entnommen werden, dass in den dort genannten Fällen zum Schutz von Einrichtungsorten nicht der Jugendhilfeträger am Ort der Einrichtung örtlich zuständiger Leistungsträger ist, sondern nur, dass in diesen Fällen ein Kostenerstattungsanspruch des örtlich zuständigen Leistungsträgers besteht. Im Übrigen sieht § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII vor, dass Kosten, die ein örtlicher Träger aufwendet, vom Land zu erstatten sind, wenn 1. innerhalb eines Monats nach der Einreise eines jungen Menschen oder eines Leistungsberechtigten nach § 19 Jugendhilfe gewährt wird und 2. sich die örtliche Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt dieser Person oder nach der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde richtet. Gerade für den hier vorliegenden Fall der Einreise aus dem Ausland und der sich anschließenden Inanspruchnahme von Jugendhilfeleistungen hat der Gesetzgeber damit hinreichend klargestellt, dass ein Kostenerstattungsanspruch unter den dort genannten Voraussetzungen besteht, wenn sich die örtliche Zuständigkeit - wie hier - nach dem tatsächlichen Aufenthalt vor Leistungsbeginn richtet, nicht jedoch, dass der maßgebliche tatsächliche Aufenthalt nicht am Ort der Leistungserbringung liegen kann. Ob hier die Voraussetzungen des § 89d SGB VIII erfüllt sind, insbesondere ob innerhalb eines Monats nach der Einreise Jugendhilfe gewährt worden ist, und danach ein Kostenerstattungsanspruch des Beklagten gegen das vom Bundesverwaltungsamt gemäß § 89d Abs. 3 Satz 1 SGB VIII zu bestimmenden Land besteht, bedarf in diesem Verfahren keiner Klärung.

Der danach für die Gewährung der Jugendhilfeleistung sachlich und örtlich zuständige Beklagte hätte in dem Zeitraum vom 9. Januar 2008 bis zum 2. Mai 2014 die folgenden Leistungen rechtmäßig erbringen dürfen, da insoweit die materiell-rechtlichen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt gewesen sind:

Die Voraussetzungen für die Gewährung von Hilfe zur Erziehung in einer sonstigen betreuten Wohnform gemäß §§ 27 Abs. 1 i. V. m. 34 SGB VIII haben – wie bereits ausgeführt - bei Leistungsbeginn vorgelegen. Die Leistungsvoraussetzungen sind bis zur tatsächlichen Beendigung dieser Hilfe zum 2. Mai 2014 auch nicht entfallen. Denn bei einer früheren Beendigung der Hilfe und Rückkehr von C. nach Rumänien wäre eine dem Wohl des Kindes bzw. des Jugendlichen entsprechende Erziehung dort nicht gewährleistet gewesen. Dies ergibt sich aus dem Inhalt der vom Kläger erstellten Hilfeplanfortschreibungen und den darin enthaltenen Beschreibungen zur Entwicklung der erheblich gestörten Mutter-Kind-Beziehung und den vorhandenen gravierenden Erziehungsdefiziten im elterlichen Haushalt, die während der Ferienaufenthalte von C. bei ihrer Mutter deutlich zutage getreten sind. Liegen die Voraussetzungen gemäß § 27 Abs. 1 SGB VIII vor, so wird gemäß § 27 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII Hilfe zur Erziehung insbesondere nach Maßgabe der §§ 28 bis 35 SGB VIII gewährt. Dieser Leistungskatalog ist nicht abschließend („insbesondere“). Art und Umfang der Hilfe richten sich dabei nach dem erzieherischen Bedarf im Einzelfall (§ 27 Abs. 2 Satz 2 1. Hs. SGB VIII).

Die hier erfolgte Gewährung von Hilfe zur Erziehung in einer Erziehungsstelle gemäß § 34 SGB VIII begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die erfolgte Betreuung von C. in einer Erziehungsstelle nicht ungeeignet gewesen. Die Betreuung in einer - wie von dem Beklagten eingewandt - „familienähnlichen Struktur“ und die damit einhergehende „Gefahr der Entwurzelung“ steht der Geeignetheit der konkret gewährten Hilfe nicht entgegen. Es liegt auf der Hand, dass eine Betreuung in familienähnliche Strukturen nicht zwingend zu einer Entwurzelung des betreuten Kindes oder Jugendlichen führen muss, insbesondere wenn - wie hier - flankierend zu Betreuung in der Erziehungsstelle weitere Maßnahmen ergriffen werden, um ein stabiles Verhältnis zu den Eltern bzw. einem Elternteil aufrechtzuerhalten bzw. wiederaufzubauen.

Die rechtmäßig gewährte Hilfe zur Erziehung nach § 34 SGB VIII umfasst den gesamten Leistungskatalog der §§ 39, 40 SGB VIII einschließlich des notwendigen Unterhalts und der Kosten der Erziehung sowie eines angemessenen Barbetrages zur persönlichen Verfügung (§ 39 Abs. 1, 2 SGB VIII; BVerwG, Urt. v. 22.12.1998 - 5 C 25.97 -). Die Übernahme der Kosten für die Betreuung und Unterkunft von C. in der Erziehungsstelle, der Gewährung eines monatlichen Barbetrags und einmaliger Beihilfen für besondere Anlässe bzw. Klassenfahrten sowie die Gewährung von Krankenhilfe sind somit zu Recht erfolgt.

Darüber hinaus haben auch die Voraussetzungen für die Übernahme von Reisekosten von Frau D. und ihrer Tochter C. vorgelegen. Einen abschließenden Katalog von zulässigen Leistungen nach dem SGB VIII gibt es - wie bereits ausgeführt - nicht. Es ist im Leistungssystem der Jugendhilfe daher nicht ausgeschlossen, neben einer in den §§ 28 bis 35 SGB VIII geregelten Hilfeform oder einer ihrer Art mit diesen Hilfeformen vergleichbaren Hilfeform auch deren notwendige Fahrtkosten oder sonstige Kosten, die nach dem individuellen Bedarf durch die Inanspruchnahme einer erforderlichen Hilfe entstehen, als sog. Annexkosten zu übernehmen (zur Übernahme von Kosten für die Fahrt und Begleitung zu einer ambulanten therapeutischen Behandlung nach § 35a SGB VIII vgl. Senatsurt. v. 27.4.2005 - 4 LC 343/04 -, bestätigt durch BVerwG, Urt. v. 22.2.2007 - 5 C 32.05 -). Neben der Übernahme der durch die Betreuung in der Erziehungsstelle angefallenen monatlichen Kosten konnte daher auch rechtmäßig die Übernahme der entstandenen Reisekosten von C. für die Heimfahrten zur Mutter erfolgen. Denn es liegt auf der Hand, dass die Heimfahrten nach Rumänien in den Ferienzeiten erforderlich gewesen sind, um die mit der Hilfegewährung verfolgte tragfähige Beziehung zwischen Tochter und Mutter wieder aufzubauen. Gleiches gilt auch für die Kosten, die aufgrund der Teilnahme der Mutter an den Hilfeplangesprächen angefallen sind. Die Teilnahme der im Ausland lebenden Mutter an den Hilfeplangesprächen und die damit verbundenen Treffen mit ihrer Tochter sind hier aufgrund der großen räumlichen Entfernung zwischen ihnen während der Leistungsgewährung als Bestandteil der Hilfe nach § 34 SGB VIII anzusehen. Denn der Einbezug der Mutter in alle Gespräche zur Hilfeplanung ist hier erforderlich gewesen, um die Möglichkeit der mit der Hilfe verfolgten Rückkehr in die eigene Familie aufrechtzuerhalten. Dass andere Leistungsträger vorrangig die Reisekosten von Frau D. zu übernehmen gehabt hätten, ist nicht ersichtlich.

Im Übrigen kommt die Übernahme der Aufwendungen, die der Mutter aufgrund ihrer Teilnahme an den Hilfeplangesprächen entstanden sind, auch gemäß § 65 a Sätze 1 und 2 SGB I in Betracht. Danach kann derjenige, der einem Verlangen des zuständigen Leistungsträgers nach den §§ 61 oder 62 SGB I nachkommt, auf Antrag Ersatz seiner notwendigen Auslagen und seines Verdienstausfalls in angemessenem Umfang erhalten. Bei einem Verlangen des zuständigen Leistungsträgers nach § 61 SGB I sollen Aufwendungen nur in Härtefällen ersetzt werden. Für ein Verlangen im Sinne des § 61 SGB I ist es ausreichend, dass das persönliche Erscheinen ausdrücklich erwünscht wird (vgl. DIJuF-Rechtsgutachten vom 22.8.2007 - J 4.111 Oh -, JAmt 2007, 585). Dies ist hier der Fall gewesen, da der Kläger gegenüber Frau D. unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, dass ihre Teilnahme an den Hilfegesprächen erforderlich ist. Aufgrund der wirtschaftlichen Situation von Frau D., die nur eine geringe Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bezogen hat, und der Höhe der Auslagen für Anreisen aus Rumänien hat auch ein besonderer Härtefall im Sinne von § 65a I Satz 2 SGB I vorgelegen.

Eine Übernahme der Kosten für die Besuche der Schwester von C. als Annexkosten der Hilfe nach § 34 SGB VIII oder gemäß § 65a SGB I scheidet hingegen aus. Denn es ist weder ersichtlich noch vom Kläger dargelegt worden, dass sich auch die Schwester in Deutschland hat aufhalten müssen, um die mit der Hilfe nach §§ 27 i. V. m. 34 SGB VIII verfolgten Ziele zu erreichen. Dass die Schwester von C. nach dem Vorbringen von Frau D., ohne dass dies durch Vorlage von ärztlichen Stellungnahmen näher dargelegt worden ist, an Epilepsie erkrankt ist, begründet keinen erzieherischen Bedarf im Sinne von § 27 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, der dazu geführt hat, dass zur Erreichung der Hilfeziele auch kurzzeitige Aufenthalte der Schwester in Deutschland erforderlich gewesen wären. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Teilnahme der Schwester an den Hilfeplangesprächen nach § 36 SGB VIII erforderlich gewesen ist. Die Schwester ist nämlich erstmals im Januar 2014 bei einem Hilfeplangespräch anwesend gewesen. Im Übrigen hat der Kläger ihre Teilnahme an den Hilfeplangesprächen auch nicht verlangt und hätte eine Teilnahme an den Gesprächen auf der Grundlage der §§ 61 oder 62 SGB I auch nicht verlangen können, da die Schwester von C. nicht Beteiligte des Verwaltungsverfahrens gewesen ist. Die Voraussetzungen einer Übernahme von Reisekosten für die Schwester von C. als Annexkosten nach §§ 27 i. V. m. 34 SGB VIII SGB VIII oder nach § 65a SGB I haben daher nicht vorgelegen.

Der Umfang des Erstattungsanspruchs des Klägers gemäß § 102 Abs. 1 SGB X  für die Leistungen, die der Beklagte rechtmäßig hätte erbringen können, richtet sich nach § 102 Abs. 2 SGB X nach den für den vorleistenden Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften. Maßgeblich ist die Höhe der rechtmäßig erbrachten Vorleistungen (BVerwG, Urt. v. 20.5.2014 - 5 C 33.13 -). Im Zeitraum vom 9. Januar 2008 bis zum 2. Mai 2014 sind Leistungen in Höhe von 269.668,18 EUR rechtmäßig erbracht worden. Dieser Betrag setzt sich im Einzelnen wie folgt zusammen:

Die Höhe der rechtmäßig erbrachten Vorleistungen für die Unterbringung von C. in der Erziehungsstelle bzw. in der Wohngruppe „Am N.“ des I. K. in M. beläuft sich ausweislich der vom Kläger eingereichten Übersicht seiner Aufwendungen in der Zeit vom 9. Januar 2008 bis zum 2. Mai 2014 auf  260.302,79 EUR. Die am 11. Juni 2014 vom Kläger gezahlten 8.919,01 EUR für den Zeitraum 1. April bis zum 31. Mai 2014 sind nur anteilig für den Zeitraum vom 1. April bis zum 2. Mai 2014 zu erstatten, und zwar in Höhe von 4.741,02 EUR.

Die Höhe der rechtmäßigen erbrachten Vorleistungen in Form der Übernahme der Aufwendungen für die Fahrten von C. zur Mutter in Rumänien und den Hilfeplangesprächen nach Berlin beläuft sich auf 3.010,87 EUR. Die Auszahlung vom 7. November 2014 ist nur in Höhe von 284,- EUR erstattungsfähig, da der Kläger vorläufig Leistungen in dieser Höhe für die Teilnahme von C. an Hilfeplangesprächen am 8. Mai 2013 und am 3. Januar 2014 erbracht hat, die nach § 102 Abs. 1 SGB X erstattungspflichtig sind. Eine Erstattungspflicht der Kosten für die Teilnahme von C. an dem Hilfeplangespräch am 26. Mai 2014 - nach Bewilligung der Hilfe für junge Volljährige - besteht - wie bereits ausgeführt - gemäß § 102 Abs. 1 SGB X nicht.

Die rechtmäßig erbrachten Vorleistungen in Form der Erstattung der Reisekosten der Mutter belaufen sich ausweislich der von dem Kläger eingereichten Aufstellung seiner Aufwendungen - unter anteiligem Abzug der vom Kläger erstatteten Reisekosten der Schwester von C. (Zahlungen vom  27. Januar 2010, vom 29. Juni 2010, vom 13. Oktober 2011, vom 15. Mai 2012, vom 3. Dezember 2012 und vom 16. Dezember 2013) auf 2.779,81 EUR, wobei die in der Aufstellung geltend gemachte Zahlung vom 16. Mai 2013 in Höhe von 769,- EUR für Reisekosten (der Mutter) nicht (anteilig) berücksichtigt werden können, da es an Nachweisen zu den entstandenen Reisekosten in den Verwaltungsvorgängen fehlt.

Die rechtmäßig geleisteten einmaligen Beihilfen nach § 39 Abs. 3 SGB VIII (Klassenfahrt/Konfirmation) sind in Höhe von 1.048,35 EUR zu erstatten. Die Höhe der zu erstattenden Kosten für die Gewährung von Krankenhilfe gemäß § 40 SGB VIII beträgt 2.526,36 EUR. Die Zahlung des Klägers vom 7. November bleibt insoweit unberücksichtigt, da diese die Gewährung von Krankenhilfe für das 4. Quartal 2014 betrifft.

Einen Anspruch auf Erstattung von weiteren im Jugendhilfefall D. erbrachten Leistungen hat der Kläger gegen den Beklagten indes nicht. Der Erstattungsanspruch nach § 102 SGB X besteht - wie ausgeführt - nur für die Aufwendungen, die der Kläger für dem Zeitraum vom 9. Januar 2008 bis zum 2. Mai 2014 gehabt hat. Einen Anspruch auf Erstattung weiterer Leistungen außerhalb dieses Zeitraums nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag scheidet aus, da ein Erstattungsanspruch im Anwendungsbereich der §§ 102 ff. SGB X hierauf nicht gestützt werden kann (vgl. BSG, Urt. v. 18.11.2014 - B 1 KR 12/14 -). Auch ein Anspruch auf Kostenerstattung nach § 89 c Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 86d SGB VIII besteht ersichtlich nicht, weil der Kläger hier nicht im Rahmen einer Verpflichtung nach § 86d SGB VIII tätig geworden ist. § 86d SGB VIII verpflichtet nämlich nur den Leistungsträger vorläufig zum Tätigwerden, in dessen Bereich sich das Kind vor Beginn der Leistung tatsächlich aufgehalten hat. Vor Beginn der Leistung hat sich das Kind C. aber nicht in Berlin, sondern in M. aufgehalten. Auch eine - vom Kläger geltend gemachte - analoge Anwendung des § 86d SGB VIII führt daher nicht zu einem Erstattungsanspruch des Klägers. Im Übrigen ist für eine analoge Anwendung des § 86d SGB VIII hier kein Raum, da ersichtlich keine planwidrige Regelungslücke besteht.

Der Erstattungsanspruch des Klägers gegen den Beklagten gemäß § 102 SGB X in Höhe von 269.668,18 EUR ist gemäß § 291 Satz 1 i.V.m. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen, und zwar auf einen Betrag von 34.624,68 EUR ab dem 5. Dezember 2008, auf einen Betrag von 3.217,26 ab dem 21. Januar 2009 und auf einen Betrag von 231.826,64 EUR ab dem 30. März 2015.

Bei öffentlich-rechtlichen Geldforderungen sind in sinngemäßer Anwendung des § 291 Satz 1 i.V.m. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB Prozesszinsen zu entrichten, wenn das einschlägige Fachrecht keine gegenteilige Regelung trifft (BVerwG, Urt. v. 22.2.2001 - 5 C 34.00 -). Eine gegenteilige Regelung im Fachrecht besteht für verwaltungsgerichtliche Erstattungsklagen, die auf den §§ 102 ff. SGB X gründen, nicht  (BVerwG, Urt v. 23.1.2014 - 5 C 8/13 -). Grundsätzlich wird eine Geldforderung allerdings nur dann rechtshängig im Sinne von § 291 BGB, wenn der Kläger eine Leistungsklage auf Zahlung einer bestimmten (bezifferten) Geldsumme erhebt. Es entspricht allerdings für den Verwaltungsrechtsstreit allgemeiner Auffassung, dass auch bei einer Feststellungsklage die Annahme gerechtfertigt ist, mit ihrer Erhebung sei die Geldforderung selbst rechtshängig geworden, wenn sie ausnahmsweise als eine der Leistungsklage gleichwertige Rechtsschutzform anerkannt ist (BVerwG, Urt. v. 22.2.2001 - 5 C 34.00 -). Dies ist hier - wie oben ausgeführt - der Fall. Die Rechtshängigkeit setzt auch in diesem Fall jedoch voraus, dass die Höhe der zu verzinsenden Geldschuld hinreichend bestimmt ist, also beziffert ist oder jederzeit aufgrund einer bloßen Rechenoperation, d. h. ohne eine weitere Rechtsanwendung ermittelt werden kann (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 31.10.2008 - 12 A 525/07 -). Der Kläger hat im erstinstanzlichen Verfahren die von ihm geltend gemachte Forderung für seine Aufwendungen erstmals mit Schriftsatz vom 2. Dezember 2008, bei Gericht eingegangen am 5. Dezember 2008, beziffert und damit rechtshängig gemacht. Zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit bestand ein fälliger Erstattungsanspruch des Klägers für die von ihm bis November 2008 erbrachten Leistungen in Höhe von 34.624,68 EUR, die von diesem Zeitpunkt an mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen ist. Der mit Schriftsatz vom 2. Dezember 2008 ebenfalls geltend gemachte Erstattungsanspruch in Höhe von 3.217,26 EUR (richtigerweise allerdings 3.217,56 EUR) für die Unterkunftskosten für Dezember 2008 ist erst mit Auszahlung, hier am 21. Januar 2009, fällig geworden, so dass auch erst ab diesem Zeitpunkt diese Forderung in der geltend gemachten Höhe zu verzinsen ist. Da der Kläger die weiteren ihm entstandenen Aufwendungen in Höhe von 231.826,64 EUR erst im Berufungsverfahren mit Schriftsatz vom 24. März 2015, bei Gericht am 30. März 2015 eingegangen, beziffert hat und seine Forderung insoweit erst zu diesem Zeitpunkt rechtshängig geworden ist, ist der Betrag von 231.826,64 EUR ab dem 30. März 2015 zu verzinsen.

Dem Kläger steht ein weitergehender Zinsanspruch auch nicht nach anderen Anspruchsgrundlagen zu. § 108 Abs. 2 SGB X, wonach ein Erstattungsanspruch der Träger der Sozialhilfe, der Kriegsopferfürsorge und der Jugendhilfe von anderen Leistungsträgern unter bestimmten weiteren Voraussetzungen auf Antrag mit 4 vom Hundert zu verzinsen ist, ohne dass es insoweit auf die Rechtshängigkeit des Erstattungsanspruchs kommt, scheidet als Anspruchsgrundlage im Verhältnis gleichgeordneter Träger und damit auch im Verhältnis der Träger der Jugendhilfe untereinander aus (BVerwG, Urt. v. 22.2.2001 - 5 C 34.00 -).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 und § 161 Abs. 2 VwGO. Es entspricht billigem Ermessen, dem Beklagten die Kosten des eingestellten Teils des Verfahrens aufzuerlegen, weil er ohne die Teilerledigung des Klageantrags zu 1. im erstinstanzlichen Verfahren bei einer streitigen Entscheidung diesbezüglich unterlegen gewesen wäre.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.