Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 13.01.2016, Az.: 2 PA 409/15
Billigkeitsentscheidung; Prozesskostenhilfebeschwerde; beabsichtigte Rechtsverfolgung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 13.01.2016
- Aktenzeichen
- 2 PA 409/15
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2016, 43163
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 17.11.2015 - AZ: 12 B 4065/15
Rechtsgrundlagen
- § 114 ZPO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Eine Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe bleibt regelmäßig ohne Erfolg, wenn das zu fördernde Sachverfahren - hier: Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung - aus Gründen nicht fortgeführt wird, die in der Verantwortungssphäre des Rechtsschutzsuchenden liegen. Ein solcher Fall liegt auch vor, wenn die Beschwerde zum Sachverfahren wegen Versäumung der Begründungsfrist zu verwerfen ist.
Tenor:
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe im Beschluss des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 12. Kammer - vom 17. November 2015 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Außergerichtliche Kosten der Beteiligten werden nicht erstattet.
Gründe
Die Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe bleibt ohne Erfolg. Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Eilverfahren liegen nicht vor.
Das Verwaltungsgericht hat mit dem angegriffenen Beschluss sowohl den Erlass einer einstweiligen Anordnung dahin abgelehnt, die Antragstellerin vorläufig zu einer Abschlussprüfung zuzulassen, als auch Prozesskostenhilfe versagt. Die Antragstellerin hat darauf
„gegen den die Prozesskostenhilfe verweigernden Beschluss vom 17. November 2015
sofortige Beschwerde
und gegen die Verwehrung vorläufigen Rechtsschutzes im Beschluss vom 17. November 2015
Beschwerde“
eingelegt.
Auf Hinweis zum Fristablauf für die Beschwerdebegründung hat die Antragstellerin die Auffassung vertreten, sie habe „ausschließlich wegen der Frage über Prozesskostenhilfe ein Rechtsmittel eingelegt, sonst nicht“.
Der Senat hat die gegen die Verwehrung vorläufigen Rechtsschutzes gerichtete Beschwerde mit Beschluss von heutigen Tage in der Sache 2 ME 408/15 verworfen.
Infolgedessen hat auch die Beschwerde gegen die Versagung der Prozesskostenhilfe keinen Erfolg.
Prozesskostenhilfe dient dazu, einem Beteiligten ohne zureichendes Einkommen und Vermögen eine beabsichtigte Rechtsverfolgung zu ermöglichen. Die Bezugnahme auf eine „beabsichtigte“ Rechtsverfolgung zeigt dabei, dass es zumindest im Regelfall um die Förderung einer konkreten, in der vom Prozesskostenhilfegesuch erfassten Instanz noch nicht abgeschlossenen Rechtsstreitigkeit gehen muss; denn die Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat nicht die Aufgabe, finanziell bedürftige Personen für prozessbedingte Kosten bzw. dafür eingegangene Verpflichtungen nachträglich zu entschädigen. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe scheidet daher grundsätzlich aus, wenn die zugrundeliegende kostenverursachende Instanz bereits abgeschlossen ist, also nichts mehr gefördert werden kann.
Nach Abschluss des Verfahrens vor dem Gericht des betreffenden Rechtszuges kann Prozesskostenhilfe nur ausnahmsweise bewilligt werden, nämlich dann, wenn der Bewilligungsantrag während des Verfahrens gestellt, aber nicht verbeschieden worden ist und der Antragsteller mit seinem Antrag bereits alles für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe Erforderliche getan hat (vgl. BVerwG, B. v. 1.7.1991 - 5 B 26.91 -; BVerfG, 3. Kammer des 1. Senats, Beschl. v. 14.4.2010 - 1 BvR 362/10 -, beide juris).
Die rückwirkende Bewilligung muss in diesen Fällen der Billigkeit entsprechen (vgl. Senatsbeschlüsse v. 30.10.2012 - 2 PA 335/12 -, NVwZ-RR 2013, 245, v. 7.2.2014 - 2 PA 11/14 -, juris, u.v. 30.11.2015 - 2 PA 327/15 -, juris; OVG Lüneburg, Beschl. v. 20.5.2014 - 11 PA 186/13 -, JurBüro 2014, 428; OVG Münster, Beschlüsse v. 9.3.2012 - 18 E 1326/11 -, juris, v. 21.2.2013 - 6 E 1112/12 -; OVG Schleswig, Beschl. v. 10.12.2014 - 3 O 40/14 -, juris). Das kommt in Betracht, wenn sich das zu fördernde Sachverfahren ohne Zutun des Antragstellers erledigt hat, grundsätzlich aber nicht, wenn er dieses Verfahren aus freiem Entschluss beendet hat, etwa im Wege der Antrags- bzw. Klagerücknahme, einer nicht durch ein erledigendes Ereignis veranlassten Erledigungserklärung - der sich die Gegenseite angeschlossen hat -, möglicherweise eines Vergleichsabschlusses, aber auch im Wege der Nichteinlegung eines möglichen Rechtsmittels, denn ein solches prozessuales Vorgehen entspricht unter wertenden Gesichtspunkten der Fallgruppe der gewillkürten Verfahrensbeendigung (vgl. OVG Münster, Beschl. v. 5.9.2013 - 16 E 847/13 -, juris, v. 9.3.2012 - 18 E 1326/11 -, juris, v. 3.5.2010 - 18 E 586/09 -, juris, v. 19.9.2008 - 5 B 1410/08 u.a. -, NVwZ 2009, 270 und Senatsbeschl. v. 22.1.2015 - 2 PA 414/14 -).
Nichts anderes hat zu gelten, wenn eine Beschwerde zwar (tatsächlich) eingelegt, diese aber wegen Verfristung der Beschwerdebegründung zu verwerfen ist. In solchen Fällen hat sich das Verfahren nicht „ohne Zutun“ des Betroffenen erledigt; die damit eingetretene Beendigung des Verfahrens ist vielmehr der eigenen Verantwortungssphäre des Rechtsschutzsuchenden zuzurechnen, stellt also ebenfalls eine gewillkürte Verfahrensbeendigung dar, die einer Billigkeitsentscheidung für eine rückwirkende Bewilligung Prozesskostenhilfe abträglich ist.
Für den vorliegenden Fall hat dies zur Folge, dass der Prozesskostenhilfebeschwerde unabhängig davon der Erfolg versagt bleiben muss, ob ein Rechtsmittel gegen die „Verwehrung vorläufigen Rechtsschutzes“ nicht eingelegt wurde oder die hierfür vorgelegte Begründung verfristet war.
Im Übrigen wird die Annahme des Verwaltungsgerichts, für das Eilverfahren bestünden keine hinreichenden Erfolgsaussichten, durch die Beschwerdebegründung ohnehin nicht zureichend erschüttert. Diese setzt sich mit der sorgfältigen Begründung des angegriffenen Beschlusses nicht ernsthaft auseinander, sondern meint nur, dass anders hätte entschieden werden müssen, ohne den zu beurteilenden Sachverhalten neue Aspekte abzugewinnen. Der zusätzliche Hinweis auf ein Schreiben der D. Textilien GmbH betrifft nur ein Parallelverfahren.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2 VwGO, 127 Abs. 4 ZPO.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).