Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 11.05.2005, Az.: 2 K 561/00

Unterbrechung des außergerichtlichen Verwaltungsverfahrens durch Eröffnung eines Konkurses, einer Insolvenz oder eines Gesamtvollstreckungsverfahrens; Zulässigkeit von Handlungen des Finanzamts mit Außenwirkung bis zur Aufnahme des Verfahrens nach den für den Konkurs geltenden Vorschriften oder bis zur Aufhebung des Konkursverfahrens; Zulässigkeit des Erlasses von Besteuerungsgrundlagen feststellenden oder festsetzenden Bescheiden nach Eröffnung des Konkurses; Grundsatz des Vorrangs des Gesamtvollstreckungsrechts vor dem Steuerrecht; Begrenzung des Grundsatzes der Einheitlichkeit des Feststellungsverfahrens durch den Vorrang des Konkursrechts; Beschränkung der Unterbrechung des Gewinnfeststellungsverfahrens auf die Feststellung des Gewinnanteils des in Konkurs gefallenen Gesellschafters; Änderung eines Verwaltungsakts zum Nachteil des Einspruchsführers im Einspruchsverfahren; Abhängigkeit der Zulässigkeit einer Verböserung von der Möglichkeit des Einspruchsführers zur Äußerung; Schädlichkeit des unterbliebenen Hinweises auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
11.05.2005
Aktenzeichen
2 K 561/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 17236
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2005:0511.2K561.00.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - AZ: XI R 24/05

Fundstellen

  • EFG 2005, 1740-1742 (Volltext mit amtl. LS)
  • NWB direkt 2005, 3

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Im Konkurs über das Vermögen eines Gesellschafters darf das von diesem betriebene Einspruchsverfahren so lange nicht fortgesetzt und ein Einspruchsbescheid nicht erlassen werden, bis sich der Gesamtvollstreckungsverwalter dazu geäußert hat, ob er das Verfahren aufnimmt oder nicht.

  2. 2.

    Diese Einschränkung wirkt nicht gegenüber den übrigen Gesellschaftern. Die abändernde Einspruchsentscheidung im Verfahren über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Einkünften, ist in der Regel aber nur dann zulässig, wenn auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung hingewiesen wird.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte gegen den Kläger für das Streitjahr 1989 eine Einspruchsentscheidung erlassen durfte, ohne ihm zuvor durch einen Verböserungshinweis die Möglichkeit zu geben, seinen Einspruch zurück zu nehmen.

2

Der Kläger war im Streitjahr 1989 Mitgesellschafter der Sozietät A-B-C. Der Kläger sowie die beiden weiteren Gesellschafter B und C waren an dieser Gesellschaft zu jeweils 1/3 beteiligt. Zum 31. Januar des Streitjahrs 1989 schied der Gesellschafter C aus der Gesellschaft aus. Die Gesellschaft setzte sich darauf hin auf den selben Stichtag auseinander.

3

In der im Jahre 1991 abgegebenen Feststellungserklärung für das Streitjahr 1989 war der Gewinn der Gesellschaft mit 776.335 DM erklärt. Nach der Erklärung sollte sich der Gewinn wie folgt auf die Gesellschafter verteilen:

4

Laufender Gewinn:

Name des GesellschaftersGewinnanteilSonder-BAGesamt
A1.454 DM196.237 DM197.691 DM
C1.454 DM1.454 DM
B1.454 DM196.237 DM197.691 DM
Gesamt396.836 DM
5

Veräußerungsgewinn:

A0 DM
C1.173.171 DM
B0 DM
Gesamt1.173.171 DM
6

Der Beklagte stellte den Gewinn erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest und gab den Feststellungsbescheid dem gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten B für die Gesellschafter A und B sowie dem Gesellschafter C im Wege der Einzelbekanntgabe bekannt.

7

Der Gesellschafter C legte gegen den Bescheid Einspruch ein, über den der Beklagte zunächst nicht entschied.

8

Im Anschluss an eine im Jahre 1995 begonnene Außenprüfung erließ der Beklagte im Jahre 1997 einen Änderungsbescheid, mit dem er den Gesamtgewinn der Sozietät zwar mit 776.335 DM der Höhe nach unverändert beließ. Er änderte aber die Verteilung des Gewinns auf die Gesellschafter. Im Einzelnen enthielt der Änderungsbescheid folgende Feststellungen:

9

Laufender Gewinn:

Name des GesellschaftersGewinnanteilSonder-BAGesamt
A1.454 DM59.254 DM60.708 DM
C1.454 DM1.454 DM
B1.454 DM59.254 DM 60.707 DM
Gesamt122.869 DM
10

Veräußerungsgewinn

A0 DM
C899.204 DM
B0 DM
Gesamt899.204 DM
11

Der Beklagte gab den Änderungsbescheid den Gesellschaftern jeweils im Wege der Einzelbekanntgabe bekannt. Gleichzeitig teilte er die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung mit.

12

Alle drei Gesellschafter legten Einspruch gegen den Änderungsbescheid ein. Die Gesellschafter A und B begehrten mit ihren Einsprüchen für sich die jeweils hälftige Hinzurechnung eines laufendes Verlusts in Höhe von 396.836 DM. Der Gesellschafter C hingegen begehrte, keinen Veräußerungsgewinn zugerechnet zu bekommen.

13

Noch während des Einspruchsverfahrens, nämlich am 29. Juni 1999, wurde über das Vermögen des Gesellschafters C das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet. Zum Gesamtvollstreckungsverwalter wurde der Beigeladene zu 2., X bestellt.

14

Im Rahmen des Einspruchsverfahrens kam der Beklagte nunmehr zu der Auffassung, dem Gesellschafter C sei kein Veräußerungsgewinn mehr zuzurechnen. Der Beklagte betrieb die Einspruchsverfahren der drei Einspruchsführer unabhängig von einander. So hielt er den Schriftwechsel der Einspruchsführer A/B einerseits und C andererseits getrennt und informierte die Einspruchsführer untereinander nicht über den Verfahrensstand des anderen Einspruchsverfahrens. Erst mit der Einspruchsentscheidung verband er die beiden vom Gesellschafter C eingelegten Einsprüche sowie die Einsprüche der Gesellschafter A und B zur gemeinsamen Entscheidung. Im Rahmen dieser zusammengefassten Einspruchsentscheidung verwarf er den erneuten Einspruch des Gesellschafters C gegen den Änderungsbescheid als unzulässig, da es sich insoweit um einen unzulässigen Zweiteinspruch gegen einen Bescheid handele, der nach § 365 Abs. 3 AO zum Gegenstand des bereits seit dem Jahre 1991 anhängigen Einspruchsverfahrens geworden sei. Weiterhin änderte der Beklagte im Rahmen der Einspruchsentscheidung die Gewinnfeststellung. Er setzte den Gewinn der Gesellschaft nunmehr von 776.335 DM auf 521.335,83 DM herab. Weiterhin änderte er nochmals die Gewinnverteilung. Im Einzelnen stellte er die Besteuerungsgrundlagen wie folgt fest:

15

Laufender Gewinn

Name des GesellschaftersGewinnanteilSonder-BAGesamt
A1.454 DM0 DM1.454 DM
C1.454 DM0 DM1.454 DM
B1.454 DM0 DM1.454 DM
Gesamt4.362 DM
16

Veräußerungsgewinn

A262.849 DM
C0 DM
B262.849 DM
Gesamt525.698 DM
17

Der Beklagte wies vor Erlass der Einspruchsentscheidung keinen der Einspruchsführer auf eine mögliche Verböserung hin. Auch fragte er nicht beim Beigeladenen zu 2., X, an, ob dieser das anhängige Einspruchsverfahren aufnehme. Die Einspruchsentscheidung erging am 24. Juli 2000 und wurde X sowie den Gesellschaftern A und B jeweils im Wege der Einzelbekanntgabe bekannt gegeben.

18

Gegen diesen Einspruchsbescheid richtet sich die Klage. Der Kläger ist der Auffassung, der Einspruchsbescheid hätte ihm gegenüber nicht ohne vorherigen Verböserungshinweis ergehen dürfen und sei deshalb aufzuheben. Auch hätte der Beklagte die Einspruchsverfahren im Zeitpunkt der Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens über das Vermögen des Gesellschafters C nicht fortsetzen dürfen, da der Gesamtvollstreckungsverwalter das Verfahren nicht aufgenommen habe. Das Einspruchsverfahren hätte mithin bis zur Erklärung des Gesamtvollstreckungsverwalters ruhen müssen. Das Ruhen des Verfahrens bezüglich auch nur eines Gesellschafters einer GbR habe aber zur Folge, dass auch die Einspruchsverfahren der übrigen Gesellschafter der GbR nicht fortgeführt werden dürften, da es sich insoweit um ein einheitliches Verfahren handele. Auch aus diesem Grunde hätte der Einspruchsbescheid nicht ergehen dürfen.

19

Während des Klageverfahrens, nämlich am 17. Januar 2001, ist über das Vermögen des Gesellschafters B das Insolvenzverfahren eröffnet worden.

20

Der Kläger beantragt,

wie erkannt zu entscheiden.

21

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

22

Er hält an seiner Auffassung fest, der Einspruchsbescheid habe ergehen dürfen. Ein Verböserungshinweis sei nicht erforderlich gewesen. Es habe sich nämlich in Bezug auf den Gewinn der Gesellschaft nicht um eine Verböserung gehandelt, da der Gewinn der Sozietät in der Summe niedriger geworden sei. Nach der erneuten Überprüfung des Sachverhalts im Einspruchsverfahrens habe sich ergeben, dass der Gewinn des Gesellschafters C zu hoch und der der übrigen Gesellschafter bisher zu niedrig festgestellt worden sei. Gegenüber einem einzelnen Gesellschafter sei eine Verböserung jedoch auch ohne Verböserungshinweis zulässig. Nach dem BFH-Urteil vom 12. November 1991, IX R 31/90, BFH/NV 1992, 436 sei eine Verböserung gegenüber einem hinzugezogenen Feststellungsbeteiligten zulässig, wenn über den Streitpunkt zwangsläufig nur einheitlich entschieden werden könne. Dies müsse auch gelten, wenn - wie im Streitfall - sämtliche Feststellungsbeteiligten Einspruchsführer seien.

Entscheidungsgründe

23

Die Klage ist begründet. Der Beklagte hat zu Unrecht über den Einspruch des Klägers mit Einspruchsbescheid entschieden, ohne ihm zuvor durch einen Verböserungshinweis die Möglichkeit zu geben, den Einspruch zurück zu ziehen.

24

1.

Entgegen der Auffassung des Klägers war der Beklagte allerdings nicht schon grundsätzlich durch die Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens über das Vermögen des Gesellschafters C daran gehindert, das Einspruchsverfahren des Klägers fortzusetzen und ggf. einen Einspruchsbescheid zu erlassen. Das Einspruchsverfahren des Klägers war nämlich dadurch nicht unterbrochen.

25

a)

Die §§ 347ff. AO enthalten keine Regelungen über die Unterbrechung des außergerichtlichen Verwaltungsverfahrens durch Eröffnung eines Konkurses, einer Insolvenz oder des Gesamtvollstreckungsverfahrens. Sie sind insoweit lückenhaft. Die bestehende Gesetzeslücke ist nach allgemein vertretener Auffassung in entsprechender Anwendung des § 240 der Zivilprozessordnung (ZPO) zu schließen (vgl. dazu u.a. BFH-Urteil vom 18. Dezember 2002, I R 33/01 in BStBl II 2003, 630; Tipke/Kruse § 251 AO Tz. 42, 147, m.w.N.; Klein/Brockmeyer, Abgabenordnung, 8. Aufl., § 251 Rz. 14; Bundesministerium der Finanzen --BMF--, Schreiben vom 17. Dezember 1998, BStBl I 1998, 1500, Tz. 3; zur Unterbrechung des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens; BFH-Urteil vom 2. Juli 1997, I R 11/97, BStBl II 1998, 428, m.w.N.). Das hat zur Folge, dass Handlungen des FA mit Außenwirkung entweder ganz oder mit Wirkung für den in Konkurs gefallenen Gesellschafter solange unzulässig sind, bis das Verfahren nach den für den Konkurs geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Konkursverfahren aufgehoben wird.

26

b)

Der BFH hat in seinem Urteil in BStBl II 1998, 428 ausgeführt, dass nach Eröffnung des Konkurses auch keine Bescheide mehr erlassen werden dürfen, in denen Besteuerungsgrundlagen festgestellt oder festgesetzt werden, die die Höhe der zur Konkurstabelle anzumeldenden Steuerforderungen beeinflussen könnten. Denn andernfalls könnten die Finanzbehörden das in § 141 KO vorgeschriebene Verfahren unterlaufen. Dass Bescheide, durch die lediglich Besteuerungsgrundlagen festgestellt oder festgesetzt werden, nicht unmittelbar auf eine Befriedigung der Steuergläubiger gerichtet sind, ist nach dem Urteil unerheblich. Es genüge, dass die festgestellten oder festgesetzten Besteuerungsgrundlagen für das Konkursverfahren insoweit präjudiziell sind, als sie Steuern betreffen, die Konkursforderungen sein können.

27

Der BFH hat diese Rechtsprechung für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestätigt (BFH-Urteil in BStBl II 2003, 630). Die Regelungen zu Insolvenz und Konkurs sind auf das Gesamtvollstreckungsverfahren grundsätzlich entsprechend anzuwenden (BFH-Urteile vom 8. Oktober 1997, XI R 25/97, BStBl. II 1998, 69 und vom 18. November 1999, V B 73/99, BFH/NV 2000, 548). Von diesem Grundsatz des Vorrangs des Gesamtvollstreckungsrechts vor dem Steuerrecht ist auch im Verfahren der gesonderten und einheitlichen Feststellung von Einkünften auszugehen.

28

Dies bedeutet, dass im Konkurs über das Vermögen eines Gesellschafters diesem gegenüber kein gesonderter und einheitlicher Feststellungsbescheid erlassen werden kann, ein solcher Bescheid wirkt nur gegenüber den anderen Gesellschaftern (BFH-Urteil vom 24. August 2004, VIII R 14/02, BFHE nn). Der Vorrang des Konkursrechts begrenzt insoweit den Grundsatz der Einheitlichkeit des Feststellungsverfahrens. Diese Begrenzung ist jedoch hinzunehmen. Sie wirkt nicht gegenüber den übrigen Gesellschaftern und ist auch gegenüber der Konkursmasse nur eine vorläufige. Die Unterbrechung des Gewinnfeststellungsverfahrens ist auf die Feststellung des Gewinnanteils des in Konkurs gefallenen Gesellschafters beschränkt; sie hindert den Fortgang dieses Verfahrens gegen die übrigen Gesellschafter nicht. Auf die insofern weiteren Ausführungen des BFH-Urteils vom 24. August 2004, VIII R 14/02 (BFHE nn) wird verwiesen.

29

c)

Nach diesen Grundsätzen durfte der Beklagte für den Gesellschafter C keinen Einspruchsbescheid erlassen und das von diesem Gesellschafter bis zur Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahren betriebene Einspruchsverfahren nicht fortsetzen, bis sich der Gesamtvollstreckungsverwalter dazu geäußert hat, ob er das Verfahren aufnehme oder nicht oder das Gesamtvollstreckungsverfahren aufgehoben worden ist.

30

Der Beklagte hat dies aber dennoch getan. Er hat eine Einspruchsentscheidung gegen den Gesamtvollstreckungsverwalter erlassen, ohne dass dieser die Aufnahme des Verfahrens erklärt hatte. Insoweit richtet sich die Einspruchsentscheidung an den falschen Bekanntgabeadressaten und ist insoweit mangels wirksamer Bekanntgabe unwirksam. Der Beklagte beruft sich insoweit auch zu Unrecht auf Tz. 3 des, die Gerichte ohnehin nicht bindenden, BMF-Schreibens vom 17. Dezember 1998 (BStBl. I 1998, 1500), wonach Bescheide zur einheitlichen und gesonderten Feststellung des Gewinns von Personengesellschaften auch im Fall der Insolvenz noch erlassen und an den Insolvenzverwalter bekannt gegeben werden dürfen. Abgesehen davon, dass diese Auffassung spätestens durch das, im Bundessteuerblatt veröffentlichte und damit allgemein auch von der Finanzverwaltung anzuwendende, BFH-Urteil vom 18. Dezember 2002, I R 33/01 (BStBl. II 2003, 630) überholt sein dürfte und durch das BMF-Schreiben vom 12. Januar 2004, IV A 4 - S 0062 - 12/03 insoweit auch aufgehoben wurde, geht es im Streitfall auch nicht um den Erlass eines Erstbescheids im Gesamtvollstreckungsverfahren sondern um die Aufnahme eines bereits anhängigen, aber unterbrochenen Einspruchsverfahrens.

31

d)

Weiterhin durfte der Beklagte nach diesen Grundsätzen die Einspruchsverfahren der nicht in Insolvenz gefallenen Einspruchsführer weiter führen. Im Falle des Erlasses von weiteren (geänderten) Feststellungsbescheiden im Rahmen dieser Verfahren hätte er dann die den in Gesamtvollstreckung befindlichen Gesellschafter betreffenden Feststellungen "informatorisch" für die Gesellschaft und ihre Gesellschafter aufnehmen können und müssen (vgl. BFH-Urteil vom 24. August 2004, VIII R 14/02, BFHE nn, juris).

32

2.

Der Einspruchsbescheid hätte jedoch gegen den Kläger nicht ohne vorherigen Verböserungshinweis ergehen dürfen.

33

a)

Nach § 367 Abs. 1 Satz 1 AO entscheidet die Finanzbehörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, durch Einspruchsentscheidung. Einer Einspruchsentscheidung bedarf es nach § 367 Abs. 2 Satz 3 AO allerdings nur insoweit, als die Finanzbehörde dem Einspruch nicht abhilft. Im Einspruchsverfahren hat die Finanzbehörde nach § 367 Abs. 2 Satz 1 AO die Sache in vollem Umfang erneut zu prüfen. Dabei kann nach § 367 Abs. 2 Satz 2 AO der Verwaltungsakt auch zum Nachteil des Einspruchsführers geändert werden, wenn dieser auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung hingewiesen und ihm Gelegenheit gegeben wurde, sich hierzu zu äußern.

34

Ausnahmsweise ist der unterbliebene Hinweis auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung nach § 367 Abs. 2 Satz 2 AO unschädlich, wenn der angegriffene Steuerbescheid auch nach Rücknahme des Einspruchs zum Nachteil des Einspruchsführers geändert werden kann, z.B. weil er unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 AO) steht (BFH-Urteil vom 10. November 1989, VI R 124/88, BStBl II 1990, 414). Denn die Vorschrift des § 367 Abs. 2 Satz 2 AO ermöglicht es dem Steuerpflichtigen lediglich, durch Zurücknahme seines Einspruchs eine Entscheidung zu seinem Nachteil zu vermeiden. Kann sich der Steuerpflichtige aber der Änderung selbst nach Rücknahme des Einspruchs und Bestandskraft des Bescheids der Änderung des Bescheids zu seinem Nachteil nicht entziehen, so ist der unterbliebene Hinweis auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung unschädlich.

35

Im Streitfall durfte der Hinweis auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung aber nicht ausnahmsweise unterbleiben. Der Kläger hätte sich nämlich, wenn auch möglicherweise nicht endgültig, durch die Rücknahme seines Einspruchs einer Änderung des Bescheids zu seinem Nachteil entziehen können. Denn der zum Nachteil des Klägers geänderte Feststellungsbescheid stand nach Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung mit dem im Anschluss an die Außenprüfung ergangenen Änderungsbescheid vom 14. August 1997 nicht mehr unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 AO). Gegen diese Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung hat sich auch keiner der Gesellschafter mit seinem Einspruch gewandt. Da die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung aber einer Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht, bleibt es dem Steuerpflichtigen überlassen, ob er sich sowohl gegen die Aufhebung des Vorbehalts als auch gegen die Steuerfestsetzung als solche (nach Grund und Höhe) wenden will (BFH-Beschluss vom 30. Juni 1997, V B 131/96, BFH/NV 1998, 817). Der geänderte Feststellungsbescheid vom 14. August 1997 war mithin endgültig geworden.

36

Dem Beklagten stand auch keine andere Änderungs- oder Berichtigungsvorschrift zur Verfügung, um den Bescheid auch nach Bestandskraft zum Nachteil des Klägers ändern zu dürfen. Das vom Kläger in Gang gesetzte Einspruchsverfahren wäre mit der Einspruchsrücknahme abgeschlossen gewesen. Ohne weiteres hätte der Beklagte keine Möglichkeit mehr gehabt, den Bescheid zum Nachteil des Klägers zu ändern.

37

b)

Lediglich verfahrensrechtlich hätte dann im Streitfall für den Beklagten noch eine Möglichkeit bestanden, im Ergebnis den Feststellungsbescheid noch zum Nachteil des Klägers zu ändern, nämlich dann, wenn es ihn an den Einspruchsverfahren der beiden anderen Gesellschafter durch Hinzuziehung beteiligt hätte. Nach dem vom Beklagten zitierten BFH-Urteil vom 12. November 1991, IX R 31/90 (BFH/NV 1992, 436) ist nämlich eine verbösernde Entscheidung gegenüber einem Hinzugezogenen dann zulässig, wenn über den Streitpunkt zwangsläufig nur einheitlich entschieden werden kann, weil sich die Entscheidung notwendigerweise auf alle Feststellungsbeteiligten auswirkt. So liegt es im Streitfall. In der Sache geht es nämlich darum, wem der drei Gesellschafter der GbR im Streitjahr ein Veräußerungsgewinn zuzurechnen ist. Dieser Streitpunkt ist zwangsläufig nur einheitlich zu entscheiden und rechtfertigte eine Hinzuziehung nach § 360 Abs. 3 Satz 1 AO.

38

Tatsächlich hat jedoch der Beklagte von dieser verfahrensrechtlichen Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht und den Kläger nicht zu den Einspruchsverfahren der anderen Gesellschafter hinzugezogen. Dazu hätte der Beklagte nämlich gegenüber dem Kläger einen Verwaltungsakt über seine Hinzuziehung erlassen müssen (vgl. BFH-Urteil vom 29. Mai 2001, VIII R 10/00, BStBl. II 2001, 747), gegen den sich der Kläger wiederum zur Wehr hätte setzen können. Weiterhin hätte der Beklagte dann dem Kläger und dem jeweiligen Einspruchsführer rechtliches Gehör verschaffen müssen und dem Kläger insbesondere Einblick in den Sach- und Streitstand des jeweiligen Einspruchsverfahrens gewähren müssen. Dies alles hat der Beklagte nicht getan. Aus seinem Verhalten im Einspruchsverfahren kann sogar darauf geschlossen werden, dass der Beklagte ganz bewusst den Kläger nicht am Einspruchsverfahren des C beteiligen wollte.

39

Im Streitfall kommt die Besonderheit hinzu, dass der Beklagte das Einspruchsverfahren des Gesellschafters C (wie oben dargestellt) solange nicht weiter betreiben durfte, bis der Gesamtvollstreckungsverwalter das Einspruchsverfahren aufnahm, was er nicht tat. Aufgrund der Akzessorietät der Hinzuziehung zum Einspruchsverfahren hätte damit der Beklagte aber auch eine Hinzuziehung des Klägers in diesem unterbrochenen Verfahren nicht erreichen und den Feststellungsbescheid nicht zum Nachteil des Klägers im Rahmen dieses Einspruchsverfahrens ändern können.

40

Eine Hinzuziehung zum Einspruchsverfahren des Gesellschafters B wäre hingegen grundsätzlich möglich gewesen. Allerdings hätte diese Hinzuziehung und Änderung zum Nachteil an der Einspruchsrücknahme dieses Gesellschafters scheitern können. Denn er begehrte dasselbe wie der Kläger, nämlich eine Erhöhung des ihm zuzuweisenden laufenden Verlusts, bekam aber stattdessen vom Beklagten zusätzlichen Gewinn zugerechnet. Auch ihm gegenüber hätte der Beklagte mithin einen Verböserungshinweis geben müssen, worauf hin er sich durch Einspruchsrücknahme einer Änderung zu seinem Nachteil hätte entziehen können.

41

Letztlich hat der Beklagte dem Kläger keine Beteiligtenstellung i.S.d. § 359 AO in den Einspruchsverfahren der anderen Gesellschafter verschafft. Solange dies aber nicht der Fall ist, müsste der Kläger eine ihm gegenüber verbösernde Einspruchsentscheidung nicht gegen sich gelten lassen. Er könnte gegen eine solche Entscheidung, im Gegensatz zu einem Hinzugezogenen auch keine Klage erheben.

42

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Beklagte die nochmalige Änderung des Feststellungsbescheids durch Einspruchsentscheidung nur durch die unterlassenen Verböserungshinweise an die Gesellschafter A und B und die unzulässige Fortsetzung des durch die Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens über das Vermögen des Gesellschafters C unterbrochenen Einspruchsverfahrens erreicht hat. Dies ist rechtswidrig.

43

Die rechtswidrig ergangene Einspruchsentscheidung war aufzuheben. Mit der wie beantragt ausgesprochenen Aufhebung der Einspruchsentscheidung befindet sich der Kläger wieder im Einspruchsverfahren. Dort hätte er dann die Möglichkeit, wie angekündigt, seinen Einspruch zurück zu nehmen.

44

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

45

4.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), da die Frage, inwieweit die Beteiligtenstellung eines Einspruchsführers der eines Hinzugezogenen im Falle einer Verböserung gleichsteht, höchstrichterlicher Klärung bedarf.