Landessozialgericht Niedersachsen
Urt. v. 31.10.2001, Az.: L 3 KA 148/00
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen
- Datum
- 31.10.2001
- Aktenzeichen
- L 3 KA 148/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 40425
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BSG - 21.05.2003 - AZ: B 6 KA 25/02 R
Rechtsgrundlagen
- § 85 Abs 4b SGB 5
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Zur Frage des Verhältnisses zwischen einer Überschrei-tung der individuellen Bemessungsgrundlage und einem Degressionsbetrag nach § 85 Abs. 4 b SGB V.
2. Zu den tatbestandlichen Voraussetzungen der Ausnahme-regelungen für Praxisanfänger im HVM (Zahnärzte) 1994.
Tenor:
Das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 19. April 2000 S 31 KA 697/96 wird geändert.
Der Honorarbescheid der Beklagten für das Quartal IV/1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06. August 1996 wird aufgehoben, soweit in diesem ein höherer Budgetabzug aufgrund einer Überschreitung der individuellen Bemessungsgrundlage als 160.507,49 DM festgesetzt worden ist.
Im Übrigen werden die Berufungen zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers im Ausgangsverfahren S 21 KA 697/96 und in dem Berufungsverfahren gegen das Urteil S 21 KA 697/96 zu tragen; im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger ist seit dem 01. Juli 1988 als Vertragszahnarzt in A niedergelassen. Im vorliegenden Verfahren wendet er sich gegen die Festsetzungen seiner individuellen Bemessungsgrundlage für die Jahre 1994 und 1995 sowie gegen die Festsetzung eines Budgetabzuges aufgrund einer Überschreitung der individuellen Bemessungsgrundlage im Jahr 1995.
Die Vertreterversammlung der Beklagten beschloss am 09. Juli 1994 mit Rückwirkung zum 01. Januar 1994 einen Honorarverteilungsmaßstab (HVM) für die Jahre 1994 und 1995. Dieser sah vor, dass die Vertragszahnärzte für die Leistungsbereiche konservierend-chirurgische Behandlung, PAR-Behandlungen und Kieferbruchbehandlungen (im Folgenden: budgetierte Leistungsbereiche) Vergütungsansprüche aufgrund ihrer vertragszahnärztlichen Tätigkeit gegen die Beklagte in voller Höhe bis zu der jeweiligen individuellen Bemessungsgrundlage erhalten sollten. Aus der Gesamtvergütung, die die Beklagte bezogen auf die vorstehend genannten Leistungsbereiche von den Krankenkassen erhält, sollten zunächst die Vergütungsansprüche der Vertragszahnärzte bis zur Erreichung der jeweiligen Bemessungsgrundlage befriedigt werden (Ziff. 3.2.2). Ein danach verbleibender Anteil der Gesamtvergütung sollte schließlich anteilig nach Maßgabe der weitergehenden Vergütungsansprüche auf diejenigen Vertragszahnärzte verteilt werden, die ihre jeweilige individuelle Bemessungsgrundlage im Abrechnungsjahr überschritten (Ziff. 3.2.1. und 3.2.2.).
Die danach maßgebliche individuelle Bemessungsgrundlage errechnete sich für das Jahr 1994 für jeden an der vertragszahnärztlichen Versorgung teilnehmenden Vertragszahnarzt nach der Grundregel der Ziff. 2.1. des HVM aus dem Mittelwert der Summe der abgerechneten Leistungen für die budgetierten Leistungsbereiche aus dem die Jahre 1991 bis 1993 umfassenden Bemessungszeitraum, wobei dieser Wert um einen Abschlag von 8 % zu kürzen war (Ziff. 2.3.).
Für Vertragszahnärzte, die -- anders als der Kläger -- noch keine vollen fünf Jahre niedergelassen waren, sah Ziff. 2.5. des HVM Ausnahmen vor.
Ausweislich der Ziff. 2.6.5.1.1 der ebenfalls rückwirkend zum 01. Januar 1994 in Kraft getretenen Neufassung des HVM vom 11. Januar 1995 führt die Beschäftigung eines Vorbereitungsassistenten zur Erhöhung der Bemessungsgrundlage um 150.000,00 DM im Jahr, wenn in den Bemessungszeiträumen von 1991 -- 1993 kein Assistent beschäftigt wurde. Für einen nicht ganzjährige Beschäftigung berechnet sich der Betrag zeitanteilig monatlich.
Der Kläger beschäftigte in den Jahren 1991 -- 1993 keinen Vorbereitungsassistenten. Hingegen war im Jahr 1994 ein Vorbereitungsassistent für zwei Monate und 1995 ganzjährig in seiner Praxis tätig. Im Durchschnitt der Jahre 1991 -- 1993 rechnete der Kläger in den budgetierten Leistungsbereichen jährlich 298.374,05 DM ab.
Die Einwohnerzahl in A stieg von 5.445 im Jahr 1991 auf 6.596 im Jahr 1995. Während in A in den Jahren 1991 und 1992 nur drei Zahnärzte zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen waren, betrug die Zahl der Vertragszahnärzte von 1993 -- 1996 vier.
Mit Bescheid vom 25. August 1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19. Dezember 1994 und des Änderungsbescheides vom 07. März 1995 setzte die Beklagte die individuelle Bemessungsgrundlage des Klägers für das Jahr 1994 unter Berücksichtigung der Beschäftigung eines Vorbereitungsassistenten für einen Zeitraum von zwei Monaten auf 297.504,13 DM fest. Für das Jahr 1995 setzte sie die individuelle Bemessungsgrundlage unter Berücksichtigung der ganzjährigen Beschäftigung eines Vorbereitungsassistenten mit Bescheid vom 13. Juli 1995 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 13. September 1995 und 08. Dezember 1995 und des Widerspruchsbescheides vom 03. Juni 1996 auf 412.504,12 DM fest.
Im Jahr 1995 rechnete der Kläger in den budgetierten Leistungsbereichen jedoch mit 581.470,14 DM weitaus mehr ab, als die ihm zuerkannte individuelle Bemessungsgrundlage in Höhe von 412.504,12 DM. In Höhe der Differenz von 168.966,02 DM nahm die Beklagte mit der Honorarabrechnung für das Quartal IV/1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06. August 1996 einen Abzug aufgrund einer Überschreitung der individuellen Bemessungsgrundlage vor. Des Weiteren kürzte die Beklagte den Honoraranspruch des Klägers für das Jahr 1995 in Anwendung der Degressionsvorschrift des § 85 Abs. 4 b Sozialgesetzbuch Buch V Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) um einen Betrag von zunächst 8.538,36 DM. Die hiergegen von Kläger erhobene frühere Klage ist in beiden Instanzen ohne Erfolg geblieben, soweit die Beklagte einen Degressionsbetrag in Höhe von 8.458,53 DM festgesetzt hatte (vgl. das Berufungsurteil des Senates vom 30. Mai 2001 -- L 3/5 KA 65/99 --).
Die gegen die Bescheide über die Festsetzung der individuellen Bemessungsgrundlage für die Jahre 1994 (S 31 KA 29/95) und 1995 (S 21 KA 501/96) und über den Budgetabzug für das Jahr 1995 in Höhe von 168.966,02 DM (S 21 KA 697/96) vom Kläger am 17. Januar 1995, 03. Juli 1996 und 29. August 1996 erhobenen Klagen sind vom Sozialgericht jeweils mit Urteilen vom 19. April 2000, dem Kläger zugestellt am 14. und 25. August und am 15. September 2000, abgewiesen worden. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt, dass die Honorarverteilungsregelungen der Beklagten den höchstrichterlichen Vorgaben Rechnung trügen. Das Bundessozialgericht -- BSG -- habe in mehreren Entscheidungen vom 21. Oktober 1998 das von der Vertreterversammlung der Beklagten beschlossene System der Aufteilung der Vergütung zahnärztlicher Sachleistungen in den budgetierten Leistungsbereichen nach einem festen Punktwert bis zu einer individuellen Bemessungsgrundlage und die Verteilung einer abschließenden Restvergütung (im Fall eines Überschusses der Gesamtvergütung) anteilsmäßig nach floatenden Punktwerten für rechtmäßig erklärt. Der Kläger könne sich auch auf keinen der in der Rechtsprechung des BSG anerkannten Ausnahmefälle berufen.
Mit seinen am 14. und 21. September und am 02. Oktober 2000 eingelegten Berufungen, die vom Senat zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden sind, wird vom Kläger die prinzipielle Rechtmäßigkeit des HVM der Beklagten nicht mehr in Zweifel gezogen. Er macht aber geltend, dass zu seinen Gunsten die Härtefallregelung der Ziff. 2.6.7 im Sinne einer Erhöhung der ihm zuerkannten individuellen Bemessungsgrundlage zur Anwendung gelangen müsse. Er stamme aus den Niederlanden und habe daher als ortsfremder Ausländer in den ersten Jahren nach Eröffnung der Praxis in dem dörflich geprägten A Akzeptanzprobleme erfahren. Erst in den Jahren ab 1991 sei er von der ortsansässigen Bevölkerung als Zahnarzt voll akzeptiert worden, was sich auch in entsprechend deutlich steigenden Umsatzzahlen ausgewirkt habe. Darüber hinaus habe das erhebliche Anwachsen der Einwohnerzahl in A auch zu einem entsprechenden Anstieg der Nachfrage nach zahnärztlichen Dienstleistungen geführt, zumal ein erheblicher Teil der zugewanderten Bevölkerung aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion stamme und aufgrund seines Spätaussiedlerschicksals einen erheblichen Sanierungsbedarf im Gebissbereich aufgewiesen habe.
Der Kläger beantragt,
1. die Urteile des Sozialgerichts Hannover vom 19. April 2000 aufzuheben;
2. den Bescheid der Beklagten vom 25. August 1994 betreffend die individuelle Bemessungsgrundlage für das Jahr 1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19. Dezember 1994 und des Änderungsbescheides vom 07. März 1995, den Bescheid der Beklagten vom 13. Juli 1995 betreffend die individuelle Bemessungsgrundlage für das Jahr 1995 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 13. September 1995 und vom 08. Dezember 1995 und des Widerspruchsbescheides vom 03. Juni 1996 und die Honorarabrechnung für das Quartal IV/1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06. August 1996, soweit in dieser Abzüge aufgrund der Überschreitung der individuellen Bemessungsgrundlage vorgenommen worden sind, aufzuheben und
3. die Beklagte zu verurteilen, die für ihn in den Jahren 1994 und 1995 jeweils maßgebliche individuelle Bemessungsgrundlage unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senates erneut festzusetzen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass im vorliegenden Zusammenhang kein Raum für die Annahme eines Härtefalles ist. Der Anstieg der Einwohnerzahlen in Ankum sei dadurch mehr als kompensiert worden, dass auch die Zahl der Vertragszahnarztpraxen gestiegen sei. Nach den Bestimmungen ihres HVM sei der Berechnung des Überschreitungsbetrages zudem die Leistungsabrechnung und nicht etwa eine degressierte Leistungsabrechnung zugrunde zu legen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung hat nur teilweise Erfolg. Die Beklagte hat zu Recht die individuelle Bemessungsgrundlage des Klägers für das Jahr 1994 auf 297.504,13 DM und für das Jahr 1995 auf 412.504,12 DM festgesetzt. Dementsprechend begegnet es im Grundsatz auch keinen Bedenken, wenn die Beklagte die darüber hinausgehenden Honoraranmeldungen des Klägers im Jahr 1995 in den budgetierten Leistungsbereichen nicht vergütet hat, was sie in der Honorarabrechnung für das Quartal IV/1995 mit der Ausweisung zweier als "Budget-Abzug aus Restz." bezeichneten Abzugspositionen in einer Gesamthöhe von 168.966,02 DM zum Ausdruck gebracht hat. Allerdings hat die Beklagte die Höhe dieses Betrages rechtsfehlerhaft ermittelt. Richtigerweise hätte sie nur einen Teilbetrag von 160.382,64 DM von der Vergütung ausnehmen dürfen.
1. Die Festsetzungen der individuellen Bemessungsgrundlage für die Jahre 1994 und 1995 verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Das BSG hat bereits in mehreren Urteilen vom 21. Oktober 1998 (-- B 6 KA 65/97 R -- SozR 3-2500 § 85 SGB V Nr. 27 und -- B 6 KA 71/97 R -- SozR 3-2500 § 85 SGB V Nr. 28) dargelegt, dass der vorstehend bereits erläuterte HVM der Beklagten den gesetzlichen Vorgaben Rechnung trägt. Die Beklagte war namentlich berechtigt, der Budgetierung der Gesamtvergütungen durch Einführung einer am bisherigen Umsatz der einzelnen Praxis orientierten Bemessungsgrenze Rechnung zu tragen. Wegen der Einzelheiten nimmt der Senat auf die zitierten Urteile des BSG zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug. Weiterer Ausführungen zu diesem Punkt bedarf es schon deshalb nicht, weil dies im Berufungsverfahren auch von Seiten des Klägers nicht mehr in Zweifel gezogen wird.
Ausgehend von den vom Kläger in den Jahren 1991 -- 1993 in den budgetierten Leistungsbereichen erzielten Abrechnungsergebnissen und unter Berücksichtigung der Beschäftigung eines Vorbereitungsassistenten für einen Zeitraum von zwei Monaten im Jahr 1994 und während der gesamten Dauer des Jahres 1995 hat die Beklagte die Höhe der dem Kläger zustehenden individuellen Bemessungsgrundlage auch sachlich und rechnerisch richtig auf 297.504.13 DM für das Jahr 1994 und auf 412.504,12 DM für das Jahr 1995 festgesetzt.
Allerdings hat das BSG den HVM der Beklagten nur mit der Maßgabe gebilligt, dass kleinen Praxen stets die Chance belassen werden muss, durch eine Steigerung der Fallzahlen das durchschnittliche Umsatzniveau der Zahnarztgruppe zu erreichen (a.a.O.). Das arithmetische Jahresmittel der Abrechnungsergebnisse aller niedersächsischen Vertragszahnärzten in den budgetierten Leistungsbereichen betrug in dem insoweit maßgeblichen Abrechnungsjahr 1993 (nach Einbeziehung des sich gemäß Ziff. 2.3 ergebenden Abzuges von 8 %) 230.253,00 DM. Die dem Kläger zuerkannte individuelle Bemessungsgrundlage überschritt diesen Durchschnittswert mithin ohnehin bereits bei weitem.
Eine besonders schwere Härte im Sinne der Ziff. 2.6.7 des HVM ist ebenso wenig ersichtlich. Angesichts der Vielzahl der im Rahmen des Systems praxisindividueller Bemessungsgrenzen denkbaren Konstellationen kann auf eine allgemein gehaltene General- bzw. Härteregelung nicht verzichtet werden (vgl. dazu und zum Folgenden ebenfalls BSG, Urteil vom 21. Oktober 1998 -- B 6 KA 65/97 R --, a.a.O.). Deshalb ist es sachgerecht, im HVM ausdrücklich vorzusehen, dass in Ausnahmefällen, insbesondere wenn die reguläre Festlegung der Bemessungsgrenze zu einer schweren Härte führen würde, diese Grenze nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles festzusetzen ist. Diese Generalklausel kann namentlich zur Anwendung kommen, wenn sich überraschend Änderungen in der Versorgungsstruktur in einer bestimmten Region ergeben, weil etwa einer von wenigen Vertragszahnärzten in einer Stadt unvorhergesehen aus der vertragszahnärztlichen Versorgung ausgeschieden ist.
Eine solche eine besondere Härte beinhaltende überraschende Änderung in der Versorgungsstruktur lässt sich jedoch im vorliegenden Zusammenhang nicht feststellen. Dabei braucht der Senat nicht abschließend zu klären, unter welchen Voraussetzungen eine kontinuierliche erhebliche Steigerung der Einwohnerzahl, wie sie in Ankum unter Zugrundelegung der vom Kläger vorgelegten gemeindlichen Einwohnerstatistiken in Form einer Zunahme der Zahl der Einwohner von 5.443 im Jahr 1991 auf 6.641 im Jahr 1995 festzustellen ist, den Tatbestand der Härteklausel erfüllen kann. Im vorliegenden Fall ist jedenfalls schon deshalb kein Raum für die Annahme einer schweren Härte unter diesem Gesichtspunkt, weil die Zunahme der Zahl der Einwohner und damit zugleich der Zahl der potenziellen Patienten durch die gleichzeitig festzustellende Zunahme der Zahl der Vertragszahnärzte von drei in den Jahren 1991 und 1992 auf vier in den Jahren von 1993 -- 1995 mehr als kompensiert worden ist. Im Jahr 1991 entfielen im Durchschnitt auf jeden Vertragszahnarzt 1.841 Einwohner, im Jahr 1992 ... 1.880 Einwohner und im Jahr 1993 (aufgrund der Erhöhung der Zahl der Vertragszahnärzte) nur noch 1.505 Einwohner, so dass in dem für die Festsetzung der individuellen Bemessungsgrundlage maßgeblichen Bezugszeitraum durchschnittlich auf einen Zahnarzt 1.742 Einwohner entfielen. Die entsprechenden Werte für die Jahre 1994 und 1995 lagen mit 1.564 und 1.660 hierunter, so dass allein unter Berücksichtigung der Entwicklung der Einwohnerzahlen und der Vertragszahnarztzahlen ein Rückgang der Fallzahl je Zahnarzt zu erwarten gewesen wäre. Die gleichwohl beim Kläger festzustellende erhebliche Zunahme der Fallzahlen kann daher nicht auf die Einwohnerentwicklung zurückgeführt werden.
Dies zeigt sich auch daran, dass die durchschnittliche Fallzahl je Zahnarzt in den Bezugsjahren 1991 -- 1993 ... 1.902 betrug, wohingegen sie im Jahr 1994 ... 1.795 ausmachte. Auch unter diesem Gesichtspunkt wäre in der klägerischen Praxis im Jahr 1994 im Vergleich zu den Vorjahren ein Rückgang der Fallzahlen zu erwarten gewesen, wohingegen der Kläger eine kontinuierliche Steigerung der Fallzahlen von 1.685 im Jahr 1991 auf 2.437 im Jahr 1994 und 2.997 im Jahr 1995 erzielen konnte.
Anderweitige Gründe für die Annahme einer besonderen Härte sind ebenso wenig erkennbar. Soweit der Kläger auf eine aus seiner Sicht nur unzureichende Akzeptanz in den ersten Jahre nach Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit hinweist, ist dies rechtlich nicht relevant. Zum einen haben sich die Abrechnungsergebnisse in den Jahren vor 1991 ohnehin nicht auf die Festsetzung der individuellen Bemessungsgrundlage ausgewirkt, zum anderen umfasst das vom Zahnarzt selbst zu tragende wirtschaftliche Risiko namentlich auch die Akzeptanz seiner Person im jeweiligen Umfeld der Praxis, so dass nur ergänzend noch einmal in Erinnerung zu rufen ist, dass die dem Kläger zuerkannte individuelle Bemessungsgrundlage ohnehin das durchschnittliche Abrechnungsergebnis aller niedersächsischen Vertragszahnärzte nachhaltig überschritten hat.
Ebenso wenig kann eine besondere Härte darin gesehen werden, dass sich die Praxis des Klägers 1994/1995 noch in den Aufbaujahren befunden hat. Für Vertragszahnarztpraxen in der Gründungsphase enthält Ziff. 2.4 des HVM (in der Fassung des HVM vom 11. Januar 1995) detaillierte Ausnahmeregelungen. Allerdings gelten diese nach dem klaren Satzungswortlaut nur für solche Vertragszahnärzte, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des HVM noch keine vollen fünf Jahre niedergelassen waren. Auf diese Bestimmung kann sich der Kläger mithin nicht berufen, da er bereits seit dem 01. Juli 1988 und damit vor dem 01. Januar 1989 als dem nach dem HVM maßgeblichen Stichtag als Vertragszahnarzt zugelassen worden ist. Dabei begegnet es von Rechts wegen auch keinen Bedenken, wenn die Vertreterversammlung der Beklagten in Ausübung ihres weiten Regelungsermessens den Anwendungsbereich der Sonderregelungen für Berufsanfänger in diesem Sinne beschränkt hat. Der Anwendungsbereich solcher Ausnahmeregelungen bedarf einer klaren Festlegung durch Festsetzung eines Stichtages, und zwar ungeachtet dessen, dass mit jeder Bestimmung eines Stichtages Härten verbunden sind. Eine Verpflichtung der Vertreterversammlung, einen noch größeren Zeitraum für die Anwendung der Ausnahmebestimmungen für Praxisanfänger vorzusehen ist nicht ersichtlich, zumal unter Berücksichtigung der erläuterten BSG-Rechtsprechung ohnehin jeder Vertragszahnarzt unabhängig vom Datum der Erstzulassung in Niedersachsen die Chance belassen werden muss, durch eine Steigerung der Fallzahlen das durchschnittliche Abrechnungsniveau der niedersächsischen Vertragszahnärzte zu erreichen.
Wenn der Kläger auch noch nach Ablauf der ersten fünf Praxisjahre deutliche Fallzahlsteigerungen erzielt hat, dann kann dies unter der mangels gegenteiliger Anhaltspunkte zu unterstellenden Annahme einer korrekten Leistungserbringung und eines ordnungsgemäßen Abrechnungsverhaltens nur dahingehend interpretiert werden, dass der Kläger auch nach Abschluss der fünfjährigen Gründungsphase weitere Vorteile im Wettbewerb mit den übrigen Zahnarztpraxen am Niederlassungsort erzielen konnte. Derartige Vorteile können aber von vornherein keine besondere Härte begründen, weil sonst jeder Zahnarzt mit steigenden Fallzahlen auch eine Erhöhung der individuellen Bemessungsgrundlage beanspruchen könnte. Damit würde aus dem Ausnahmefall einer besonderen Härte der Regelfall, womit zugleich dem System der Verteilung des Honorars nach Maßgabe individueller Bemessungsgrundlagen die Grundlage entzogen würde.
Dabei ist dem Kläger zuzugestehen, dass die Vergütung vertragszahnärztlicher Leistungen nach einem festen Punktwert bis zur Erreichung der jeweiligen Bemessungsgrenze in der Tat mit einer Anreizminderung im zahnärztlichen Wettbewerb verbunden ist. Dies ist auch vom BSG in seinem Urteil vom 21. Oktober 1998 (B 6 KA 71/97 R) ausdrücklich eingeräumt worden, wobei das BSG selbst hervorhebt, dass mit einer solchen Wettbewerbsbeschränkung auch Qualitätseinbußen in der zahnärztlichen Versorgung verbunden sein können. Wenn sich die demokratisch legitimierte Vertreterversammlung der Beklagten gleichwohl zu einer entsprechenden Honorarverteilungsregelung entschlossen hat, dann ist dies von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Dem System der vertragszahnärztlichen Versorgung sind ohnehin erhebliche Wettbewerbseinschränkungen eigen. So ist ein Preiswettbewerb im Bereich der vertragszahnärztlichen Versorgung überhaupt nicht vorgesehen. Darüber hinaus durfte die Beklagte bei der Verabschiedung der Honorarverteilungsregelung auch berücksichtigen, dass das vom Kläger angegriffene System der Honorarverteilung für die betroffenen Vertragszahnärzte mit erheblichen Vorteilen verbunden ist. Die Vergütung der abgerechneten Leistungen nach einem festen Punktwert bis zur jeweiligen individuellen Bemessungsgrundlage gewährleistet in einem erheblichen Bereich eine Planungs- und Kalkulationssicherheit, die die Existenz der vertragszahnärztlichen Praxen sichern hilft und damit gleichzeitig zur Verwirklichung des Sicherstellungsauftrages aus § 75 Abs. 1 SGB V beiträgt.
Dabei ist hervorzuheben, dass das BSG die Honorarverteilung unter Zugrundelegung einer am bisherigen Praxisumsatz orientierten individuellen Bemessungsgrenze zunächst nur "für eine gewisse Zeit" für rechtmäßig erachtet hat (a.a.O. E 83, 52, 57). Da dieser Zeitraum im Jahr 1995 noch nicht abgelaufen war, besteht im vorliegenden Verfahren kein Anlass, im Einzelnen zu klären, ab welchem Zeitpunkt gegebenenfalls die Beibehaltung individueller Bemessungsgrenzen und die damit einhergehende Zementierung des Wettbewerbs unter den bereits ein überdurchschnittliches Abrechnungsvolumen aufweisenden Zahnarztpraxen rechtswidrig werden könnte.
2. Die Festsetzung der individuellen Bemessungsgrundlage des Klägers für das Jahr 1995 auf 412.504,12 DM hatte zur Folge, dass er in diesem Jahr nur im Rahmen dieser Bemessungsgrundlage in den budgetierten Leistungsbereichen nach Ziff. 3.1 des HVM Anspruch auf Einzelleistungsvergütung nach dem jeweils geltenden Punktwert gegen die Beklagte hatte. Darüber hinausgehende Abrechnungen waren lediglich im Rahmen der so genannten Restvergütung (Ziff. 3.2. des HVM) zu honorieren.
Dementsprechend ist es im Grundsatz nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte die darüber hinausgehenden Leistungsabrechnungen des Klägers für das Jahr 1995 in den budgetierten Leistungsbereichen zunächst -- vorbehaltlich der erst später zu gewährenden so genannten Restvergütung -- nicht vergütet hat. Dies hat sie buchungstechnisch in der Honorarabrechnung IV/1995, die insoweit unter Berücksichtigung des Widerspruchsbescheides vom 06. August 1996 auch die erforderliche Bestimmtheit aufweist, dadurch zum Ausdruck gebracht, dass sie als Gutschriften die Gesamthöhe der vom Kläger abgerechneten Leistungen ausgewiesen und dann in Höhe der Überschreitung der individuellen Bemessungsgrundlage entsprechende Lastschriften mit der Kennzeichnung "Budget-Abzug aus Restz." gebucht hat. Allerdings ist die Höhe des von der Beklagten nicht vergüteten Honorarvolumens rechtsfehlerhaft ermittelt worden. Im Ergebnis hat die Beklagte dem Kläger nicht einmal die ihm zuerkannte individuelle Bemessungsgrundlage in Höhe von 412.504,12 DM belassen, sondern diesen Betrag weiter um einen Degressionsabzug in Höhe von 8.583,38 DM gekürzt. Dabei hat sie außer Acht gelassen, dass richtigerweise zunächst die Auswirkungen einer nach § 85 Abs. 4 b SGB V vorzunehmenden Degression zu bestimmen sind. Erst die danach degressierten Honoraransprüche sind in einem weiteren Prüfungsschritt von der Beklagten daraufhin zu überprüfen, ob eine weitere Kürzung des Honoraranspruchs aufgrund einer Überschreitung der nach Maßgabe des HVM bestimmten individuellen Bemessungsgrundlage geboten ist. Nur dieses Verhältnis der beiden im vorliegenden Fall vorzunehmenden Kürzungsschritte trägt den gesetzlichen Vorgaben Rechnung und berücksichtigt namentlich, dass die gesetzliche Punktwertdegression vorrangig der Sicherung der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung dienen soll (vgl. dazu bereits das Urteil des Senates vom 30. Mai 2001 in dem Degressionsrechtsstreit des Klägers L 3/5 KA 65/99). Für die Anwendung des HVM der Beklagten bedeutet dies zugleich, dass die Honorarverteilung nach Ziff. 3.1 "im Rahmen der Bemessungsgrundlage" solange vorzunehmen ist, bis diese durch das dem Zahnarzt auszuzahlende Honorar erschöpft ist. Eine Honorarkürzung aufgrund einer Überschreitung der individuellen Bemessungsgrundlage kommt nur dann in Betracht, wenn das an den Zahnarzt tatsächlich auszuzahlende Honorar für die budgetierten Leistungsbereiche die individuelle Bemessungsgrundlage überschreitet. Hingegen ist es nicht zulässig, wie dies von der Beklagten gefordert wird, anstelle des tatsächlichen Honoraranspruchs auf einen fiktiven Honoraranspruch abzustellen, der sich unter Außerachtlassung der gesetzlich vorgegebenen Degressionsbestimmung des § 85 Abs. 4 b SGB V ergeben würde. Ein solches Verständnis wäre bereits mit dem Wortlaut der Ziff. 3.1 des HVM nicht vereinbar, da die betroffenen Vertragszahnärzte dann gerade nicht im vollständigen "Rahmen der Bemessungsgrundlage" Anspruch auf eine vollständige Vergütung ihrer jeweils erbrachten Leistungen nach Maßgabe der jeweils geltenden (gegebenenfalls durch § 85 Abs. 4 b SGB V modifizierten) Punktwert hätten. Auch unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Honorarverteilungsbestimmungen der Beklagten ist kein Grund dafür ersichtlich, dass die von der Degressionsregelung betroffenen Vertragszahnärzte nicht einmal bis zur Erreichung der jeweiligen individuellen Bemessungsgrundlage Anspruch auf vollständige Gewährung ihres Honorars haben sollten.
Dementsprechend sind die von dem Kläger für das Jahr 1995 in den budgetierten Leistungsbereichen abgerechneten Leistungen in einer Gesamthöhe von 581.470,14 DM zunächst um den Betrag von 8.458,53 DM zu kürzen, in dessen Höhe die Beklagte ausweislich des Senatsurteiles vom 30. Mai 2001 zu Recht den Degressionsbetrag zu Lasten des Klägers festgesetzt hat. Soweit die Beklagte, wie ebenfalls in dem Urteil vom 30. Mai 2001 erläutert, rechtsfehlerhaft von der Festsetzung eines höheren Degressionsbetrages abgesehen hat, ist ihre Entscheidung zu Gunsten des Klägers in Bestandskraft erwachsen, so dass auch im vorliegenden Zusammenhang kein höherer Betrag in Ansatz gebracht werden kann. Nach Abzug des Degressionsbetrages von 8.458,53 DM verbleiben von dem Abrechnungsbetrag über 581.470,14 DM nur noch 573.011,61 DM, so dass der Kläger die individuelle Bemessungsgrundlage von 412.504,12 DM auch nur um einen Betrag von 160.507,49 DM überschritten hat. Nur insoweit war die Beklagte zu einem entsprechenden Budgetabzug, d. h. zu einer Nichthonorierung der abgerechneten Leistungen nach Ziff. 3.1 des HVM (vorbehaltlich der nachträglichen Gewährung einer so genannten Restvergütung nach Ziff. 3.2) berechtigt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG; Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht gegeben.