Landessozialgericht Niedersachsen
Beschl. v. 18.10.2001, Az.: L 3 KA 72/01 ER
Vorläufiger Rechtsschutz für Vertragszahnärzte gegen einen Honorarrückforderungsbescheid ; Abgrenzung des Entgelts von Seiten der Kassenzahnärztlichen Vereinigung von Leistungen der sozialen Sicherheit ; Analoge Anwendung des § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Garantie effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG); Vermeidung einer Vorwegnahme der Hauptsache ; Anforderungen eines einen Anordnungsgrund begründenden schweren Nachteils ; Hinreichende Bestimmtheit eines einstweiligen Verwaltungsakts bei Vorwegleistungen ; Qualifizierung des Hinweises auf eine nur "möglicherweise" erforderlich werdende Neuregelung der Honorarverteilung ; Begrenzung der Bindungswirkung einstweiliger Bescheide auf den Zeitraum bis zum Erlass des endgültigen Bescheides
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen
- Datum
- 18.10.2001
- Aktenzeichen
- L 3 KA 72/01 ER
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2001, 15902
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2001:1018.L3KA72.01ER.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Hannover - 20.07.2001 - AZ: S 31 KA 686/01 ER
Rechtsgrundlagen
- § 97 Abs. 1 SGG
- § 80 Abs. 5 VwGO
- § 47 Abs. 1 Ziff. 1 SGB X
- § 33 Abs. 1 SGB X
Prozessführer
1. A...,
B...,
Prozessgegner
Kassenzahnärztliche Vereinigung Niedersachsen, D...,
Im vorliegenden Rechtsstreit begehren Zahnärzte vorläufigen Rechtsschutz gegen einen Honorarrückforderungsbescheid der Kassenzahnärztlichen Vereinigung.
Im Ergebnis erachtet der Senat die begehrte Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage für geboten, da sowohl Anordnungsgrund als auch Anordnungsanspruch zu bejahen sind. Begründet wird dies im Wesentlichen mit einer analogen Anwendung des § 80 Abs. 5 VwGO unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Garantie effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz, da ansonsten schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglichen Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre. Solche seien auch bei finanziell eher gut gestellten Bürgern gegeben, denn die Verpflichtung zur Zahlung eines Betrages von knapp 24.000,00 DM beinhaltet einen empfindlich spürbaren Nachteil.
Außerdem setze sich die KV im Rahmen der Zahlung des Honorarbetrags zu einem Zeitpunkt, in dem sie nach eigener Einschätzung noch gar nicht überblicken konnte, ob die Antragsteller eine vollständige Auszahlung des abgerechneten Honorarvolumens beanspruchen konnten, letztlich in Widerspruch zu diesem eigenen vorausgegangenen Verhalten, wenn sie sich nunmehr auf die sofortige Vollziehbarkeit des Rückforderungsbescheides beruft.
Erhebliche Zweifel äußert der Senat insbesondere hinsichtlich der hinreichenden Bestimmtheit, wenn man davon ausgeht, die vorläufige Honorargewährung stelle einen einstweiligen Verwaltungsakt dar. Denn der als eher diffus zu beurteilende Hinweis auf eine nur "möglicherweise" erforderlich werdende (Neu)regelung der Honorarverteilung dürfte letztlich offen gelassen haben, ob die Vierteljahresbescheide eine endgültige oder nur eine vorläufige Regelung enthalten sollten.
Selbst wenn die Einstweiligkeit der Bewilligung hinreichend deutlich zum Ausdruck gekommen sein sollte, fehlt es nach Ansicht des Senats an einer weiteren Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für den Erlass eines endgültigen Honorarbescheides, weil die Bindungswirkung einstweiliger Bescheide auf den Zeitraum bis zum Erlass des endgültigen Bescheides begrenzt ist. Dies bedeute umgekehrt, dass einstweilige Bewilligungsbescheide auch nur durch einen endgültigen Bewilligungsbescheid, nicht jedoch durch einen weiteren sich ebenfalls nur vorläufige Geltung beimessenden einstweiligen Bescheid ersetzt werden dürfen. Hier hat die Antragsgegnerin in dem Rückforderungsbescheid jedoch ausdrücklich hervorgehoben, dass dieser (jedenfalls teilweise) nur als "vorläufig" zu qualifizieren sei.
hat der 3. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen in Celle
am 18. Oktober 2001
durch
die Richterin am Landessozialgericht E. - als Vorsitzende -,
den Richter am Landessozialgericht F. und
den Richter am Landessozialgericht G.
beschlossen:
Tenor:
Der Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 20. Juli 2001 wird aufgehoben.
Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragsteller gegen den Honorarrückforderungsbescheid der Antragsgegnerin vom 29. November 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27. Februar 2001 wird angeordnet.
Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller aus beiden Rechtszügen.
Gründe
I .
Die Antragsteller begehren vorläufigen Rechtsschutz gegen einen Honorarrückforderungsbescheid der Antragsgegnerin.
Die Antragsteller sind als Zahnärzte in Niedersachsen niedergelassen und nahmen 1997 an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Im Rahmen der vertragszahnärztlichen Versorgung rechneten sie insgesamt Leistungen in einem Umfang von 906.421,43 DM ab, von denen 730.016,43 DM auf die ersten drei Quartale des Jahres 1997, 69.317,00 DM auf den Monat Oktober 1997, 64.453,27 DM auf den Monat November 1997 und 42.634,73 DM auf den Monat Dezember 1997 entfielen. Entsprechend den Honorarabrechnungen der Antragsteller erkannte die Antragsgegnerin diesen zunächst mit den jeweils im Folgequartal erlassenen "Bescheiden zur Vierteljahresabrechnung" für die Quartale I bis IV/1997 ein Honorar für ihre vertragszahnärztliche Tätigkeit im abgerechneten Gesamtumfang von 906.421,43 DM zu. Diese Honorarbescheide ergingen jeweils "unter dem Vorbehalt noch ausstehender gesamtvertraglichen Vergütungsregelung für das Jahr 1997 und daraus möglicherweise erforderlich werdender Regelung der Honorarverteilung".
Dabei sah der 1997 geltende Honorarverteilungsmaßstab vor, dass die gesamtvertraglich vereinbarten bzw. vom Schiedsamt festzulegenden Gesamtvergütungen zunächst auf der Grundlage der geltenden Vertragspunktwerte verteilt werden sollten. Sofern die in einem Monat vorhandenen Mittel nicht mehr ausreichten, um die in diesem Monat erbrachten Sachleistungen vollständig zu vergüten, sollte die auf der Grundlage der geltenden Einzelleistungspunktwerte berechnete Vergütung quotiert werden.
Im Ersatzkassen(EK)bereich wurde in der zweiten Jahreshälfte 2000 zwischen der Antragsgegnerin und den EK-Verbänden eine abschließende vergleichsweise Regelung der Gesamtvergütungsansprüche für die Zeiträume 1996 bis 1998 getroffen. Die danach von den EK zu entrichtenden Gesamtvergütungen waren geringer als die Erwartungen bzw. Hoffnungen, von denen sich die Antragsgegnerin bei Erlass der Bescheide zur Vierteljahresabrechnung leiten ließ.
Im Zuge der daraufhin von ihr veranlassten Neuberechnungen der Honoraransprüche der niedersächsischen Zahnärzte gelangte die Antragsgegnerin zu der Einschätzung, dass die nach Abgeltung der in den Monaten Januar bis November 1997 erbrachten Leistungen für den Monat Dezember 1997 verbleibenden Gesamtvergütungsanteile nicht ausreichten, um die von den Vertragszahnärzten in diesem Monat abgerechneten Leistungen in voller Höhe zu vergüten, dass vielmehr für den Monat Dezember 1997 lediglich eine anteilige Vergütung mit einer Quote von 25,41 % in Betracht kam.
Dementsprechend nahm die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 29. November 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27. Februar 2001 eine Neuberechnung der Honoraransprüche der Antragsteller für das Jahr 1997 mit der Maßgabe vor, dass die von den Antragstellern im Monat Dezember 1997 abgerechneten Leistungen in einem Umfang von 42.634,73 DM nur im Rahmen der Quote von 25,41 %, entsprechend 10.834,45 DM, zu vergüten waren. Unter Berücksichtigung von Nachhonorierungsansprüchen der Antragsteller aufgrund von Punktwertnachberechnungen im VdAK/AEV- und GKK-Bereich ergab sich daraus im Ergebnis ein Rückforderungsanspruch der Antragsgegnerin in Höhe von 23.947,96 DM.
Der Rückforderungsbescheid über 23.947,96 DM enthielt folgenden Zusatz:
"Hinsichtlich der Zuteilung des Honorars auf HVM-relevante Leistungen ersetzt dieser Bescheid alle bisherigen Honorarbescheide 1997, die insoweit gegenstandslos werden. Der Honorarbescheid ist vorläufig im Hinblick auf die noch nicht rechtskräftigen Vergütungsregelungen für 1997. Insoweit stehen die .... festgesetzten Honorarbeträge unter dem Vorbehalt der Rückforderung."
Gegen den Rückforderungsbescheid vom 29. November 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27. Februar 2001 haben die Antragsteller am 02. April 2001 Klage erhoben (S 31 KA 207/01).
Nachdem die Antragsgegnerin die zwangsweise Beitreibung des Rückforderungsbetrages von 23.947,96 DM durch Einschaltung des Inkassobüros H. Inkasso GmbH eingeleitet hatte, haben die Antragsteller ferner am 08. Juni 2001 um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht.
Mit Beschluss vom 20. Juli 2001, den Antragstellern zugestellt am 27. Juli 2001, hat das Sozialgericht Hannover den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt: Die Erfolgsaussichten der Klage seien als offen zu beurteilen, soweit dies im Rahmen der gebotenen summarischen Beurteilung der Sach- und Rechtslage abgesehen werden könne. Überwiegende schutzwürdige Interessen der Antragsteller seien nicht zu erkennen, vielmehr hätten weder diese, noch die Antragsgegnerin entscheidungsrelevante Umstände für die Wahrung ihrer Interessen vorgetragen. Bei dieser Sachlage bestehe keine Veranlassung, entgegen der gesetzgeberischen Grundentscheidung der Klage im Hauptsacheverfahren aufschiebende Wirkung beizumessen.
Mit der am 27. August 2001 eingelegten Beschwerde machen die Antragsteller geltend, dass ihrer Klage bereits nach der gesetzlichen Regelung des § 97 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) aufschiebende Wirkung habe. Jedenfalls sei ihr Rechtsschutzbegehren aber im Wege einer ausdehnenden Anwendung des § 97 Abs. 2 SGG begründet. Im Hauptsacheverfahren beständen offensichtliche Erfolgsaussichten, überdies habe das Sozialgericht außer Acht gelassen, dass sie im Zeitpunkt des Erlasses des Rückforderungsbescheides gar nicht mehr vertragszahnärztlich tätig gewesen seien. Da sie in keinem öffentlich-rechtlichen Verhältnis zu der Antragsgegnerin mehr gestanden hätten, hätten sie auch davon ausgehen dürfen, dass sämtliche Verbindlichkeiten aus ihrer früheren vertragszahnärztlichen Tätigkeit erledigt gewesen seien.
Die Antragsteller beantragen,
- 1.
den Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 20. Juli 2001 aufzuheben und
- 2.
die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen den Honorarrückforderungsbescheid vom 29. November 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27. Februar 2001 festzustellen,
hilfsweise,
diese aufschiebende Wirkung anzuordnen.
Die Antragsgegnerin hat sich im Beschwerdeverfahren zur Sache nicht geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat mit ihrem Hilfsantrag Erfolg.
1.
Soweit sich die Antragsteller bei ihrem auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gerichteten Hauptantrag von der Rechtsauffassung leiten lassen, dass die mit dem angefochtenen Bescheid geregelte Rückforderung von Honorarzahlungen als eine "Rückforderung von Leistungen" im Sinne des § 97 Abs. 1 Ziff. 2 SGG zu qualifizieren sei, so dass bereits von Gesetzes wegen ihrer Klage eine aufschiebende Wirkung beizumessen sei, vermag ihnen der Senat ebenso wenig wie das Sozialgericht zu folgen. Das Honorar der Vertragszahnärzte stellt keine Leistung im Sinne dieser Vorschrift dar, weil mit ihm die zuvor erbrachten vertragsärztlichen Tätigkeiten vergütet werden, mithin ein Entgelt von Seiten der Kassenzahnärztlichen Vereinigung und keine Leistung der sozialen Sicherheit erbracht wird (vgl. Peter/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, 4. Aufl., § 97 SGG Rd.Nr. 20 m.w.N.).
2.
Demgegenüber erachtet der Senat entgegen der Auffassung des Sozialgerichts im vorliegenden Fall die hilfsweise begehrte Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage für geboten, da sowohl Anordnungsgrund als auch Anordnungsanspruch zu bejahen sind.
Nach der derzeit noch geltenden Fassung des SGG's hat eine Anfechtungsklage - anders als beispielsweise im Verwaltungsprozess nach § 80 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) - grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung. Ein allgemeiner Grundgedanke, dass Rechtsbehelfe aufschiebende Wirkung haben sollen, wenn der Bürger durch die Vollstreckung des angefochtenen Hoheitsaktes einen erheblichen Nachteil erleiden würde und öffentliche Belange eine sofortige Vollstreckung nicht erfordern, lässt sich dem SGG in seiner derzeitigen Fassung nicht entnehmen. Der Rechtsschutz des Bürgers und das öffentliche Interesse fordern in der Sozialgerichtsbarkeit in der Regel nach derzeitiger Rechtslage nicht den Aufschub des Vollzuges des angefochtenen Verwaltungsaktes bis zur rechtskräftigen Erledigung des Anfechtungsverfahrens. Insbesondere enthält § 97 Abs. 1 SGG lediglich eine abschließende Aufzählung der - im vorliegenden Zusammenhang nicht einschlägigen - Fälle, in denen die Klage ausnahmsweise aufschiebende Wirkung hat (vgl. BSG, Urteil vom 11. Juni 1986 - 6 RKa 4/85 - B 60, 122).
Allerdings ist außerhalb des Anwendungsbereiches des § 97 Abs. 1 SGG eine analoge Anwendung des § 80 Abs. 5 VwGO unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Garantie effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) geboten. Diese Bestimmung verlangt jedenfalls dann vorläufigen Rechtsschutz, wenn ohne diesen schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglichen Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. ebenfalls BSG, Urteil vom 11. Juni 1986, a.a.O.).
Wann in diesem Sinn schwere und unzumutbare Nachteile anzunehmen sind, ist in Abhängigkeit von der prozessualen Ausgangslage zu beurteilen. Wenn der Vertragsarzt einen Leistungsanspruch bereits im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens durchsetzen und sich diesbezüglich nicht auf das Hauptsacheverfahren verweisen lassen will, sind strenge Anforderungen an den Anordnungsgrund zu stellen. Dies ist insbesondere im Hinblick darauf geboten, dass im Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nur ausnahmsweise die Hauptsache vorweg genommen werden darf, wenn anderenfalls schwere, nachträglich nicht mehr auszugleichende Nachteile drohen.
Gerade der Gesichtspunkt der Vermeidung einer Vorwegnahme der Hauptsache spricht aber dafür, die Anforderungen an die Annahme eines schweren Nachteiles geringer zu bemessen, wenn der Vertragsarzt seinerseits sich gegen eine (vorläufig vollziehbare) Regressforderung zur Wehr setzt. In diesem Fall begehrt er nicht die Vorwegnahme der Hauptsache, sondern setzt sich gegen eine solche - aus der vorläufigen Vollziehbarkeit des Regressbescheides folgende - gerade zur Wehr. Durch Art. 19 Abs. 4 GG sollen irreparable Entscheidungen, wie sie durch die sofortige Vollziehung einer hoheitlichen Maßnahme eintreten können, soweit wie möglich ausgeschlossen werden. Hierin liegt die verfassungsrechtliche Bedeutung des Suspensiveffektes verwaltungsprozessualer Rechtsbehelfe, ohne den der Verwaltungsrechtsschutz wegen der notwendigen Verfahrensdauer häufig hinfällig würde. Überwiegende öffentliche Belange können es allerdings rechtfertigen, den Rechtsschutzanspruch des Einzelnen einstweilen zurückzustellen, um unaufschiebbare Maßnahmen im Interesse des allgemeinen Wohls rechtzeitig in die Wege zu leiten. Dies muss jedoch die Ausnahme bleiben. Eine Verwaltungspraxis, die dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis umkehrte, indem zum Beispiel Verwaltungsakte generell für sofort vollziehbar erklärt würden, wäre mit der Verfassung nicht vereinbar (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 1979 - 1 BvR 699/77 - E 51, 268).
Bei der wertenden Beurteilung, ob im vorliegenden Fall den Antragstellern ein schwerer Nachteil droht, kann der Senat auch nicht unberücksichtigt lassen, dass der Gesetzgeber in der - allerdings erst zum 02. Januar 2002 in Kraft tretenden - Neufassung des SGG durch das 6. Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes (6. SGGÄndG vom 17. August 2001, BGBl. I S. 2144) den Interessen des Bürgers an der vorläufigen Verschonung von einer Vollstreckung belastender Verwaltungsakte auch im Bereich des Sozialrechts höheres Gewicht beigemessen hat. Nach § 86 a SGG in der zum 02. Januar 2002 in Kraft tretenden Neufassung haben Widerspruch und Anfechtungsklage generell aufschiebende Wirkung, sofern nicht einer der in Abs. 2 ausdrücklich normierten Ausnahmefälle eingreift, die die vorliegende Fallgestaltung nicht erfassen. Auch wenn diese Gesetzesänderung noch nicht in Kraft getreten ist, so bringt sie doch eine Wertung des Gesetzgebers zum Ausdruck, die der Senat schon zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht außer Acht lassen kann.
Dementsprechend sieht der Senat einen Anordnungsgrund begründenden schweren Nachteil bei dem Begehren der Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Anfechtungsklage jedenfalls dann für gegeben an, wenn die vorläufige Befolgung des angefochtenen Verwaltungsaktes für den betroffenen Bürger mit erheblichen Nachteilen verbunden ist. Solche sind im vorliegenden Fall auch dann zu bejahen, wenn zu Gunsten der Antragsgegnerin eine günstige Einkommenssituation der Antragsteller unterstellt wird. Auch bei finanziell eher gut gestellten Bürgern beinhaltet die Verpflichtung zur Zahlung eines Betrages von knapp 24.000,00 DM einen empfindlich spürbaren Nachteil.
Zudem darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Antragsgegnerin den streitigen Honorarbetrag sehenden Auges zu einem Zeitpunkt gezahlt hat, in dem sie nach eigener Einschätzung noch gar nicht überblicken konnte, ob die Antragsteller eine vollständige Auszahlung des abgerechneten Honorarvolumens beanspruchen konnten. Sie setzt sich letztlich in Widerspruch zu diesem eigenen vorausgegangenen Verhalten, wenn sie sich nunmehr auf die sofortige Vollziehbarkeit des Rückforderungsbescheides beruft.
Auch der erforderliche Anordnungsanspruch ist in dem Sinn zu bejahen, dass der angefochtene Bescheid der Antragsgegnerin erhebliche Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit aufwirft, die der Senat im Rahmen der ihm im vorliegenden Verfahren allein möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht auszuräumen vermag.
Bezeichnenderweise benennt der Rückforderungsbescheid vom 29. November 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27. Februar 2001 nicht einmal eine Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Rückforderungsanspruch in Höhe von 23.947,96 DM. Auch im vorliegenden Gerichtsverfahren ist ein solcher von der Antragsgegnerin nicht benannt worden, obwohl von Seiten der Antragsteller ausführlich das aus ihrer Sicht gegebene Fehlen der erforderlichen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage dargetan worden ist.
Der angefochtene Rückforderungsbescheid kann zunächst nicht auf § 47 Abs. 1 Ziff. 1 Sozialgesetzbuch Buch X Verwaltungsverfahren (SGB X) gestützt werden. Selbst wenn zu Gunsten der Antragsgegnerin unterstellt werden könnte, dass den zunächst erlassenen Vierteljahres-Honorarbescheiden ein Widerrufsvorbehalt beigefügt war, käme nach dieser Vorschrift ein Widerruf lediglich mit Wirkung für die Zukunft in Betracht, wohingegen die Antragsgegnerin die Honorarbescheide rückwirkend aufgehoben hat.
Soweit die Antragsgegnerin sich von der Vorstellung leiten lassen haben könnte, dass sie den Antragstellern mit den Vierteljahresbescheiden das Honorar für die vertragszahnärztliche Tätigkeit nicht endgültig, sondern nur durch einstweiligen, d. h. vorläufigen, Verwaltungsakt im Rahmen einer so genannten Vorwegzahlung gewährt habe, bestehen ebenfalls im Rahmen der im vorliegenden Verfahren allein möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Rückforderungsbescheides.
Vorwegleistungen setzen zunächst voraus, dass der Wortlaut der (einstweiligen) Bescheide dem Adressaten hinreichend verdeutlicht, dass die Leistungen nur einstweilig bewilligt werden. Ein solcher einstweiliger Verwaltungsakt ist nur dann im Sinne des § 33 Abs. 1 SGB X hinreichend bestimmt verlautbart worden, wenn für den Adressaten ersichtlich ist, dass der Bescheid nur für eine Übergangszeit, nämlich bis zum Erlass eines endgültigen Verwaltungsaktes oder nur bis zu einem bestimmten Zeitpunkt als vorläufig, danach aber als endgültig gelten soll. Es muss für den verständigen Erklärungsempfänger deutlich sein, dass es sich bei der bekannt gegebenen Regelung - zum Teil oder insgesamt - "derzeit noch nicht"um "das letzte Wort der Verwaltung", d. h. um eine das Verwaltungsverfahren endgültig abschließende Regelung handelt. Der Behörde, in deren Hand eine klare und unzweideutige Ausgestaltung des Bescheides liegt, fällt zur Last, wenn dieser sich nicht hinreichend bestimmt erklärt (vgl. BSG, Urteil vom 28. November 1990 - 4 RLw 5/90 - SozR 3-1300 § 32 SGB X Nr. 4). Es bestehen jedenfalls erhebliche Zweifel, ob der den Bescheiden zur Vierteljahresabrechnung beigefügte Zusatz, dass diese "unter dem Vorbehalt noch ausstehender gesamtvertraglicher Vergütungsregelung für das Jahr 1997 und daraus möglicherweise erforderlich werdender Regelung der Honorarverteilung" ergehen sollten, für die betroffenen Zahnärzte hinreichend deutlich machte, dass in jedem Fall noch ein abschließender Verwaltungsakt ergehen würde. Ebenso wenig dürfte mit diesem Zusatz hinreichend verdeutlicht worden sein, dass und gegebenenfalls von welchem Zeitpunkt ab die Gewährung auch ohne Erlass eines weiteren Verwaltungsaktes endgültig Bestand haben sollte. Gerade der als eher diffus zu beurteilende Hinweis auf eine nur "möglicherweise" erforderlich werdende (Neu)regelung der Honorarverteilung dürfte letztlich offen gelassen haben, ob die Vierteljahresbescheide eine endgültige oder nur eine vorläufige Regelung enthalten sollten.
Selbst wenn die Einstweiligkeit der Bewilligung hinreichend deutlich zum Ausdruck gekommen sein sollte, dürfte es im Übrigen an einer weiteren Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für den Erlass eines - den einstweiligen Verwaltungsakt ersetzenden - endgültigen Honorarbescheides fehlen: Die Bindungswirkung entsprechender einstweiliger Bescheide ist auf den Zeitraum bis zum Erlass des endgültigen Bescheides begrenzt (vgl. BSG, Urteil vom 28. November 1990, a.a.O. und Urteil vom 19. September 2000 - B 9 SB 1/00 R - Breithaupt 2001, 61). Dies bedeutet umgekehrt, dass einstweilige Bewilligungsbescheide auch nur durch einen endgültigen Bewilligungsbescheid, nicht jedoch durch einen weiteren sich ebenfalls nur vorläufige Geltung beimessenden einstweiligen Bescheid ersetzt werden dürfen. Indem die Antragsgegnerin in dem Rückforderungsbescheid vom 29. November 2000 jedoch ausdrücklich hervorgehoben hat, dass dieser (jedenfalls teilweise) nur als "vorläufig" zu qualifizieren sei, dürfte sie selbst zum Ausdruck gebracht haben, dass die vorstehend erläuterte Voraussetzung im vorliegenden Zusammenhang fehlt.
Bei dieser Sachlage ist nur ergänzend darauf hinzuweisen, dass der Senat im Rahmen der ihm im vorliegenden Verfahren allein möglichen summarischen Beurteilung der Rechtslage auch erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des dem Rückforderungsbescheid vom 29. November 2000 zugrunde liegenden Honorarverteilungsmaßstabes für das Jahr 1997 hat, soweit in dessen Anwendung sich erheblich differierende Vergütungsquoten für die in den verschiedenen Kalendermonaten des Jahres 1997 erbrachten vertragszahnärztlichen Leistungen ergeben. Nach den Berechnungen der Antragsgegnerin sind auf der Grundlage dieses Honorarverteilungsmaßstabes die in den Monaten Januar bis November 1997 erbrachten vertragszahnärztlichen Leistungen zu 100 %, die im Monat Dezember 1997 erbrachten Leistungen jedoch nur zu 25,41 % zu vergüten gewesen. Damit dürfte die Vertreterversammlung der Antragsgegnerin bei Erlass des Honorarverteilungsmaßstabes ihre Verpflichtung zur strikten Beachtung des Gleichheitsgebotes (Art. 3 Abs. 1 GG, vgl. dazu BSG, Urteil vom 29. September 1993 - 6 RKa 65/91 - E 73, 131, 138) verletzt haben. Der sich hieraus und aus Art. 12 Abs. 1 GG ergebende Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit wird verletzt, wenn vom Prinzip der gleichmäßigen Vergütung abgewichen wird, obwohl zwischen den betroffenen Fallgruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass eine ungleiche Behandlung gerechtfertigt ist (vgl. BSG, Urteil vom 07. Februar 1996 - 6 RKa 68/94 - E 77, 288, 294). Der Senat vermag in keiner Weise zu erkennen, dass zwischen der Erbringung einer vertragszahnärztlichen Leistung in den Monaten Januar bis November 1997 und der Erbringung einer solchen Leistung im Monat Dezember 1997 Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass die im Monat Dezember 1997 erbrachte Leistung nur mit einem Viertel des Betrages zu vergüten ist, wie die in den Vormonaten erbrachte Leistung. Auch wenn seinerzeit die - vom Gesetzgeber gerade auch als Reaktion auf die von ihm als sachwidrig empfundene Honorargestaltung der Antragsgegnerin beschlossene - Spezialregelung des § 85 Abs. 4 Satz 5 Sozialgesetzbuch Buch V Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) noch nicht in Kraft war, dürfte die von der Antragsgegnerin gewählte Form der Honorarverteilung bereits den sich aus den allgemeinen Anforderungen des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit ergebenden Geboten widersprochen haben. Die krass unterschiedliche Honorierung der in den einzelnen Kalendermonaten erbrachten Leistungen führte zu sachwidrigen Ergebnissen, ohne dass dafür auch nur ansatzweise rechtfertigende Gründe nach derzeitigem Sach- und Streitstand zu erkennen sind. Um den Vorgaben der Budgetierung Rechnung zu tragen, standen zahlreiche in anderen Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen erprobte Honorarverteilungsmodelle zur Verfügung, die eine derartige gravierende Ungleichbehandlung in Abhängigkeit vom jeweiligen Kalendermonat der Erbringung der Leistung vermieden. Die bei dem von der Vertreterversammlung der Antragsgegnerin gewählten Honorarverteilungsmaßstab zumindest nachhaltig drohende erheblich reduzierte Vergütung der in dem oder den letzten Kalendermonaten eines Jahres erbrachten vertragszahnärztlichen Leistungen barg erhebliche Gefahren für die Sicherstellung der vertragszahnärztlichen Versorgung in sich. Einerseits konnten Vertragszahnärzte durch eine solche Gebührenregelung dazu verleitet werden, zum Schluss eines Kalenderjahres die Versorgung der Versicherten nicht mehr im vollen erforderlichen Umfang sicher zu stellen, andererseits wurde damit ein Anreiz ausgeübt, einen möglich großen Teil der vertragszahnärztlichen Tätigkeit auf die ersten neun bis zehn Monate eines Kalenderjahres zu konzentrieren, und zwar auch dann, wenn damit eine die Gefahr von Qualitätseinbußen nach sich ziehende vorübergehende Überlastung der betroffenen Zahnärzte drohte. Darüber hinaus beinhaltete die isolierte Absenkung der Vergütungsquote für den oder die letzten Kalendermonate erhebliche - durch Sachgründe nicht gerechtfertigte - Nachteile für diejenigen Zahnärzte, die ihre vertragszahnärztliche Tätigkeit erst gegen Ende eines Kalenderjahres aufnahmen.
Die Entscheidung über die Kosten im vorliegenden Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes folgt aus § 193 SGG.