Landessozialgericht Niedersachsen
Urt. v. 18.10.2001, Az.: L 10 LW 12/01
Beitragszuschuss für einen Landwirt; Einkommensverhältnisse eines Landwirtes; Gewinnermittlung bei einem Landwirt
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen
- Datum
- 18.10.2001
- Aktenzeichen
- L 10 LW 12/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 15900
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2001:1018.L10LW12.01.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Oldenburg - 21.03.2001 - AZ: S 10 LW 70/99
- nachfolgend
- BSG - 17.07.2003 - AZ: B 10 LW 23/01 R
Rechtsgrundlagen
- § 32 Abs.1 ALG
- § 4 Abs.1 EStG
Prozessführer
XXX
Prozessgegner
Landwirtschaftliche Alterskasse Oldenburg-Bremen,
den Geschäftsführer, Im Dreieck 12, 26127 Oldenburg,
hat der 10. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen in Celle
ohne mündliche Verhandlung am 18. Oktober 2001
durch
den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht C.,
den Richter am Landessozialgericht D.
den Richter am Sozialgericht E. sowie
die ehrenamtlichen Richter F.
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 21. März 2001 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger ab Mai 1999 Beitragszuschuss nach § 32 Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) zusteht.
Der Kläger ist versicherungspflichtiger Landwirt. Seit 1. Juli 1997 betreibt er seine Landwirtschaft als buchführungspflichtiger Einzelunternehmer. Bis 30. Juni 1997 wurde das landwirtschaftliche Unternehmen von einer nichtbuchführungspflichtigen Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) betrieben, an der der Kläger zu 20 % beteiligt war. Nachdem der Kläger den ihn betreffenden Einkommensteuerbescheid des Finanzamts G. für das Jahr 1997 vorgelegt hatte, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 29. Juni 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Oktober 1999 für die Zeit ab 1. Mai 1999 eine Gewährung von Beitragszuschuss ab, weil die Einkommensgrenze von 40.000,00 DM überschritten sei. Das berücksichtigungsfähige Arbeitseinkommen aus Land- und Forstwirtschaft betrage 47.770,00 DM. Hierbei legte die Beklagte das sich aus dem Einkommensteuerbescheid für 1997 ergebende, im zweiten Halbjahr 1997 erzielte Einkommen des Klägers als landwirtschaftlicher Einzelunternehmer sowie die Hälfte des nach dem am 1. Juli 1998 bestehenden Wirtschaftswert des Unternehmens gemäß § 32 Abs. 5 und 6 ALG ermittelten Arbeitseinkommens in Höhe von 27.179,50 DM (= 54.359,00 DM : 2) zugrunde. Dass der Kläger im ersten Halbjahr 1997 lediglich zu 20 % an der das Unternehmen betreibenden GbR beteiligt gewesen sei, führe nicht zu einer lediglich anteiligen Berücksichtigung des Arbeitseinkommens, denn im maßgeblichen Zeitpunkt der in Rede stehenden Zuschussgewährung, also dem 1. Mai 1999, sei der Kläger Alleinunternehmer gewesen.
Im nachfolgenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Oldenburg hat der Kläger geltend gemacht, dass das nach Beziehungswerten ermittelte hälftige Jahresarbeitseinkommen nur zu 20 % berücksichtigt werden dürfe, denn tatsächlich sei er in der ersten Jahreshälfte 1997 nur zu 20 % an dem landwirtschaftlichen Unternehmen beteiligt gewesen. Das SG hat sich dieser Rechtsauffassung des Klägers angeschlossen. Mit Urteil vom 21. März 2001 hat es die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides verurteilt, dem Kläger ab Mai 1999 Beitragszuschuss zu zahlen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, dass das anhand des am 1. Juli 1998 bestehenden Wirtschaftswerts ermittelte hälftige Jahreseinkommen von 27.179,50 DM im Hinblick auf das erste Halbjahr 1997 entsprechend der Unternehmensbeteilung des Klägers nur zu 20 %, mithin in Höhe von 5.435,90 DM berücksichtigt werden dürfe. Danach ergebe sich ein berücksichtigungsfähiges Jahreseinkommen von 26.026,00 DM. Die Einkommensgrenze von 40.000,00 DM werde daher nicht überstiegen, so dass dem Kläger ab Mai 1999 ein Anspruch auf Beitragszuschuss zustehe.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 4. April 2001 zugestellte Urteil am 30. April 2001 Berufung eingelegt. Sie meint, dass das auf der Grundlage des am 1. Juli 1998 bestehenden Wirtschaftswerts errechnete hälftige Jahreseinkommen in Höhe von 27.179,50 DM in voller Höhe zu berücksichtigen sei, weil der Kläger zu diesem Stichtag alleiniger Unternehmer gewesen sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des SG Oldenburg vom 21. März 2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Oldenburg vom 21. März 2001 zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zugestimmt.
Dem Senat haben außer den Prozessakten die Verwaltungsakten der Beklagten vorlegen. Sie sind Gegenstand der Beratung gewesen. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und damit zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist entgegen der Auffassung des SG nicht rechtswidrig. Dem Kläger steht ab Mai 1999 kein Anspruch auf Beitragszuschuss gemäß § 32 ALG zu. Das mit der Berufung angegriffene Urteil des SG war deshalb aufzuheben, und die Klage war abzuweisen.
Gemäß § 32 Abs. 1 ALG in der bis zum 31. Dezember 1999 geltenden Fassung erhielt ein versicherungspflichtiger Landwirt Beitragszuschuss, wenn sein zugrunde zu legendes jährliches Einkommen 40.000,00 DM nicht überstieg. Die Beklagte hat das maßgebliche Jahreseinkommen des Klägers zutreffend auf 47.770,00 DM berechnet. Hieraus folgt ohne Weiteres, dass dem Kläger ab Mai 1999 kein Anspruch auf Beitragszuschuss zustand.
Der dem vorliegenden Rechtsstreit zugrundeliegende Sachverhalt ist von der Besonderheit geprägt, dass sich im Jahr 1997 zum 1. Juli sowohl die Art der Gewinnermittlung des Unternehmens als auch dessen Unternehmensform bzw. Inhaberschaft geändert hatten.
Im Hinblick auf die zum 1. Juli 1997 eingetretene Buchführungspflicht des Unternehmens und die damit verbundene Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) folgt der erkennende Senat der vom Bundessozialgericht (BSG) in seinem Urteil vom 8. Oktober 1998 (Az.: B 10 LW 1/97 R) befürworteten Auffassung, dass in einem solchen Fall das Jahreseinkommen eines Landwirts vorrangig gemäß § 32 Abs. 3 ALG und - soweit in Teilen des von dem vorliegenden Einkommensteuerbescheid erfassten Jahres keine Buchführungspflicht bestand - nach § 32 Abs. 5 ALG zu ermitteln ist. Diese Ermittlungsmethode ist im vorliegenden Fall von der Beklagten angewandt worden und wird vom Kläger auch nicht in Zweifel gezogen. Danach ist für die Prüfung eines Anspruchs auf Beitragszuschuss ab Mai 1999 zunächst gemäß § 32 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 ALG auf den das zeitnächste Veranlagungsjahr betreffenden Einkommensteuerbescheid abzustellen. Das ist im vorliegenden Fall der Einkommensteuerbescheid des Finanzamts G. für 1997. Daraus ergibt sich für die der Buchführungspflicht unterliegende Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 1997 ein Halbjahreseinkommen von 20.591,00 DM. Die andere Hälfte des zu berücksichtigenden jährlichen Einkommens ist sodann nach § 32 Abs. 5 und 6 ALG zu berechnen. Hierbei ist indes nicht auf das erste Halbjahr 1997 abzustellen, sondern gemäß § 32 Abs. 6 Satz 5 ALG auf den Wirtschaftswert des Unternehmens am 1. Juli des jeweiligen Vorjahres, d. h. hier auf den 1. Juli 1998. Entsprechend den in § 32 Abs. 6 Satz 1 ALG getroffenen Regelungen hat die Beklagte rechtsfehlerfrei unter Berücksichtigung der maßgeblichen Beziehungswerte ein Halbjahreseinkommen in Höhe von 27.179,50 DM errechnet, was zusammen mit den zu berücksichtigenden Einkünften nach dem Einkommensteuerbescheid für 1997 in Höhe von 27.179,50 DM unter Beachtung der in § 32 Abs. 2 Satz 2 ALG vorgeschriebenen Abrundung das von der Beklagten zugrundegelegte Jahreseinkommen in Höhe von insgesamt 47.770,00 DM ergibt.
Das nach § 32 Abs. 3 und Abs. 5 ALG ermittelte Gesamtjahreseinkommen von 47.770,00 DM ist entgegen den Auffassungen des SG und des Klägers im vorliegenden Fall nicht gemäß § 32 Abs. 6 Satz 7 ALG anteilig zu mindern. Hierzu besteht nach der gesetzlichen Regelung weder Anlass noch Berechtigung. § 32 Abs. 6 Satz 7 ALG bestimmt, dass Mitunternehmern das aus dem Wirtschaftswert des Unternehmens der Landwirtschaft ermittelte Arbeitseinkommen entsprechend ihrer Gewinnbeteiligung zuzurechnen ist. Im vorliegenden Fall ist das hälftige Jahreseinkommen gemäß § 32 Abs. 5 und Abs. 6 ALG unter Zugrundelegung des am 1. Juli 1998 gegebenen Wirtschaftswerts berechnet worden. Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger jedoch ebenso wie zur Zeit des hier streitigen Anspruchszeitraums ab dem 1. Mai 1999 alleiniger Unternehmer des landwirtschaftlichen Betriebes. Dass er bis 30. Juni 1997 lediglich zu 20 % an Gewinn und Verlust der das Unternehmen betreibenden GbR beteiligt war, muss im vorliegenden Fall schon deshalb außer Betracht bleiben, weil für die Einkommensermittlung nach § 32 Abs. 5 und Abs. 6 ALG nicht die betrieblichen Verhältnisse im ersten Halbjahr 1997 oder zu einem früheren Zeitpunkt maßgeblich waren, sondern vielmehr erst der 1. Juli 1998 den maßgeblichen Stichtag darstellte.
Der erkennende Senat kann es im Ergebnis dahinstehen lassen, ob für die Anwendung von § 32 Abs. 6 Satz 7 ALG auf die unternehmerischen Beteiligungsverhältnisse im Zeitpunkt des streitigen Anspruchszeitraums (so die Beklagte in ihrem Widerspruchsbescheid unter Berufung auf den Kommentar des Gesamtverbandes der Landwirtschaftlichen Alterskassen zur Alterssicherung der Landwirte, § 32 S. 5.3 und 5.4) oder auf den für den Wirtschaftswert maßgeblichen Stichtag nach § 32 Abs. 6 Satz 4 ALG (so die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung) abzustellen ist, denn zu beiden Zeitpunkten war der Kläger Alleinunternehmer des landwirtschaftlichen Betriebes. Der Senat neigt insoweit jedoch eher zu der Auffassung, dass maßgeblich auf den Zeitraum der geltendgemachten Anspruchsberechtigung abzustellen ist. Zum einen ergibt sich aus § 32 Abs. 6 ALG, dass der in Satz 4 genannte Stichtag lediglich die den Wirtschaftswert bedingenden betrieblichen Verhältnisse betrifft, zu denen die Frage der Unternehmerschaft nicht gehört. Demgegenüber wird in Satz 6 unabhängig von diesem Stichtag für Mitunternehmer eine ihrer Gewinnbeteiligung entsprechende anteilige Zurechnung des Arbeitseinkommens bestimmt. Dass dies im Hinblick auf die Verhältnisse zur Zeit des Stichtages im Sinne von Satz 4 geschehen soll, sagt das Gesetz nicht. Zum anderen ist in diesem Zusammenhang folgendes zu berücksichtigen: Ob ein Landwirt Anspruch auf Beitragszuschuss nach § 32 ALG hat, ist in erster Linie nach den bei der Anspruchstellung bestehenden Umständen zu beantworten. Dazu gehört zunächst der gegenwärtige Status als versicherungspflichtiger Landwirt. Auch hinsichtlich der Frage, ob ein Landwirt verheiratet ist und ggf. von seinem Ehegatten nicht dauernd getrennt lebt (vgl. § 32 Abs. 2 ALG), kommt es allein auf die gegenwärtigen Umstände an. Soweit sodann die Einkommensverhältnisse maßgeblich sind, kann allein aus rein praktischen Gründen nicht auf das gegenwärtige Arbeitseinkommen des Landwirts abgestellt werden, weil dieses nicht zuverlässig zu ermitteln ist. Hier muss notwendigerweise auf in der Vergangenheit liegende Zeiträume abgestellt werden. Das Gesetz ordnet insoweit jedoch an, dass möglichst nah in der Vergangenheit liegende Zeiten maßgeblich sind. So ist im Rahmen der Einkommensermittlung nach § 32 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ALG auf den sich auf das zeitnächste Veranlagungsjahr beziehenden Einkommensteuerbescheid abzustellen, und im Falle der Einkommensermittlung nach § 32 Abs. 5 und 6 ALG ist der Wirtschaftswert des Unternehmens am 1. Juli des vorangegangenen Jahres maßgebend. Vor diesem Hintergrund spricht alles dafür, bei der Anwendung von § 32 Abs. 6 Satz 7 ALG auf die Unternehmerschaft im Zeitpunkt des geltendgemachten Anspruchszeitraums abzustellen. Wer zu diesem Zeitpunkt Alleinunternehmer ist, muss sich das volle Jahreseinkommen zurechnen lassen. Eine anteilige Einkommenszurechnung kommt hingegen nur für den Landwirt in Betracht, der zum gegenwärtigen Zeitpunkt lediglich prozentual an Gewinn und Verlust des Unternehmens beteiligt ist. Nur bei dieser Sichtweise ist eine gerechte Annäherung des aus der in der Vergangenheit liegenden Bezugswerten ermittelten Arbeitseinkommens an die gegenwärtigen Einkommensverhältnisse des Landwirts möglich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.