Landessozialgericht Niedersachsen
Urt. v. 23.10.2001, Az.: L 7 AL 182/98

Wehrdienstzeit im europäischen Ausland als Anwartschaftszeit im Sinne des § 104 Arbeitsförderungsgesetz (AFG); Rahmenfrist von drei Jahren zur Bewilligung von Arbeitslosenhilfe unter der Berücksichtigung des spanischen Wehrdienstes

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen
Datum
23.10.2001
Aktenzeichen
L 7 AL 182/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 32871
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2001:1023.L7AL182.98.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Hannover - AZ: S 8 AL 629/96

Der 7. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen in Celle hat
auf die mündliche Verhandlung vom 23. Oktober 2001
durch
den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht D.,
den Richter am Landessozialgericht E.,
die Richterin am Landessozialgericht F. sowie
die ehrenamtlichen Richter G. und H.
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers beider Rechtszüge zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger verlangt die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit vom 25. April bis 29. Mai 1996.

2

Der am 13. Dezember 1974 in L. geborene Kläger ist spanischer Staatsangehöriger und seit seiner Geburt mit seinem ersten Wohnsitz in I. gemeldet. Von September 1991 bis Juli 1994 absolvierte er in einem Betrieb in J. eine Ausbildung zum Energieelektroniker in der Fachrichtung Betriebstechnik. Die niederrheinische Industrie- und Handelskammer erteilte ihm hierüber ein Prüfungszeugnis nach § 34 BBiG. Vom 3. bis 31. August 1994 sowie vom 3. November 1994 bis 20. April 1995 war er bei Zeitarbeitsunternehmen in K. beschäftigt und als Elektriker tätig. Am 21. April 1995 reiste er nach L. aus, wo er vom 18. Mai 1995 bis 15. Februar 1996 seinen Wehrdienst leistete. Am 30. Mai 1996 nahm er eine Beschäftigung bei der Firma M. in K. auf.

3

Der Kläger hatte sich am 25. April 1996 bei der Beklagten arbeitslos gemeldet und die Bewilligung von Alhi beantragt. Den Antrag lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 31. Mai 1996 mit der Begründung ab, dass die Anwartschaftszeit nicht erfüllt sei. Innerhalb der Rahmenfrist der letzten drei Jahre vor der Arbeitslosmeldung habe er nicht mindestens 360 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden. Er habe auch keinen Anspruch auf Alhi, da er innerhalb eines Jahres vor der Arbeitslosmeldung weder Arbeitslosengeld (Alg) bezogen noch mindestens 150 Kalendertage in einer beitragspflichtigen Beschäftigung gestanden habe.

4

Zur Begründung seines Widerspruchs vom 19. Juni 1996 erklärte der Kläger, die Zeit seines Wehrdienstes in L. vom 18. Mai 1995 bis 15. Februar 1996 stehe nach § 134 Abs. 2 Nr. 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) Zeiten einer Beschäftigung im Sinn des Absatzes 1 Nr. 4 Buchst. b AFG gleich. Der in L. geleistete Wehrdienst sei nach europäischem Recht und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes dem in Deutschland geleisteten Wehrdienst gleichzusetzen.

5

Den Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 16. Juli 1996 als unbegründet zurück. Der Kläger habe in dem maßgebenden Einjahreszeitraum vom 25. April 1995 bis 24. April 1996 keine beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt. Er habe auch keine einer beitragspflichtigen Beschäftigung gleichstehende Zeit zurückgelegt. Die Ableistung des Wehrdienstes in L. könne nur anerkannt werden, wenn er insgesamt 20 Jahre seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Bereich der Bundesrepublik Deutschland gehabt hätte. Da er nach seinen eigenen Angaben vom 1. September 1991 bis 8. Juli 1994 in L. einen Facharbeiterbrief erworben habe, habe er die 20-Jahres-Frist nicht eingehalten. Er habe keinen Anspruch auf Alhi aufgrund seiner in L. abgeleisteten Wehrpflicht erworben. Während dieser Zeit sei er nicht beitragspflichtig zur Bundesanstalt für Arbeit gewesen. Daher handele es sich auch nicht um eine Gleichstellungszeit.

6

Gegen den am 18. Juli 1996 zugestellten Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 15. August 1996 Klage erhoben und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen, der in L. abgeleistete Wehrdienst müsse ebenso berücksichtigt werden, als wäre dieser in der Bundesrepublik Deutschland abgeleistet worden.

7

Das Sozialgericht (SG) Hannover hat die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides durch Urteil vom 26. Februar 1998 verurteilt, dem Kläger Alhi zu bewilligen. Der Kläger sei in der Rahmenfrist vom 25. April 1993 bis 24. April 1996 in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt 198 Tage beitragspflichtig beschäftigt gewesen. Der nachgewiesene Zeitraum einer weiteren beitragspflichtigen Beschäftigung vom 1. Dezember 1991 bis 4. Dezember 1992 liege außerhalb der hier maßgebenden Rahmenfrist. Die Zeit des gesetzlichen Wehrdienstes in L. vom 18. Mai 1995 bis 15. Februar 1996 sei als gleichgestellte anwartschaftsbegründende Zeit nach § 107 Abs. 1 Nr. 1 AFG zu berücksichtigen. Zwar sehe die Regelung des § 107 Abs. 1 Nr. 1 AFG in Verbindung mit § 168 Abs. 2 AFG vor, dass nur der in der Bundesrepublik Deutschland abgeleistete Wehrdienst Gleichstellungszeit sein solle. Unter Berücksichtigung des von dem Kläger im Heimatland L. abgeleisteten gesetzlichen Wehrdienstes komme indes durch die Anwendung der EWG-Verordnung Nr. 1408/71 ein Anspruch auf Leistungen in Betracht. Der unter Beibehaltung des Wohnsitzes in Deutschland in seinem Heimatland L. abgeleistete Wehrdienst sei als Wehrdienst im Sinn des § 107 Abs. 1 Nr. 1 AFG zu werten. Zwar habe der Kläger nach Beendigung der beitragspflichtigen Beschäftigung am 20. April 1995 den Wehrdienst erst am 18. Mai 1995 in L. angetreten. Der Zeitraum vom 21. April bis 17. Mai 1995 sei indes als unvermeidbare Zwischenzeit auf dem Weg zur Aufnahme des Wehrdienstes im Heimatland L. zu werten. Dies gelte auch für den Zeitraum nach Ableistung des Wehrdienstes am 15. Februar 1996 bis zur Arbeitslosmeldung am 25. April 1996.

8

Gegen das am 4. Mai 1998 zugestellte Urteil führt die Beklagte mit am 4. Juni 1998 beim Landessozialgericht Niedersachsen (LSG Nds) eingegangenen Schriftsatz Berufung. Der in L. abgeleistete Wehrdienst des Klägers sei nicht anwartschaftsbegründend nach § 107 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AFG in Verbindung mit § 168 Abs. 2 AFG. Die Regelung des Art. 3 Abs. 1 der EWG-VO Nr. 1408/71 enthalte lediglich ein allgemeines Gleichbehandlungsgebot, aus dem nicht die Gleichbehandlung aller im EG-Ausland geleisteten Wehrdienstzeiten im Rahmen des § 107 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AFG geschlossen werden könne.

9

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 26. Februar 1998 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

10

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

11

Er hält an seiner Auffassung fest und verweist auf das Urteil des EuGH vom 14. Oktober 1969 (Az: 15/19 - Ugliola).

12

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf die Prozessakte Bezug genommen. Die den Kläger betreffenden Leistungsakten (StammNr. ...) haben vorgelegen und sind Gegenstand der Verhandlung und Entscheidung gewesen.

Entscheidungsgründe

13

Die Berufung ist kraft Zulassung gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Der Senat ist nach § 144 Abs. 3 SGG an die Zulassung gebunden.

14

Streitgegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 31. Mai 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juli 1996, mit dem die Beklagte den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Alhi mit Wirkung vom 25. April 1996 abgelehnt hat. Dabei geht der Senat davon aus, dass der Kläger nicht nur Alhi, sondern in erster Linie Alg beansprucht und nur hilfsweise einen Anspruch auf Alhi geltend macht. Der Kläger hat zwar ausdrücklich nur Alhi beantragt, jedoch ist nach dem Meistbegünstigungsprinzip davon auszugehen, dass er auch Alg als die günstigere Leistung beansprucht, zumal keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass nur die ausdrücklich bezeichnete Leistung beantragt wurde (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 04.02.1999 - B 7 AL 120/97 R - SozR 3-6050 Art. 71 Nr. 11) Außerdem hat die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid vom 31. Mai 1996 ausdrücklich auch über einen Anspruch des Klägers auf Alg entschieden.

15

Voraussetzung für einen Anspruch auf Alg ist nach § 100 Abs. 1 AFG unter anderem die Erfüllung der Anwartschaftszeit. Nach § 104 Abs. 1 AFG hat die Anwartschaftszeit erfüllt, wer in der dreijährigen Rahmenfrist (§ 104 Abs. 3 AFG) 360 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung ge standen hat. Da die Rahmenfrist dem ersten Tag der Arbeitslosigkeit unmittelbar vorausgeht, an dem die sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg erfüllt sind oder nach § 105 AFG als erfüllt gelten, und sich der arbeitslose Kläger, der zum damaligen Zeitpunkt der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stand, am 25. April 1996 bei der Beklagten arbeitslos gemeldet und Alg beantragt hat, umfasst die dreijährige Rahmenfrist hier den Zeitraum vom 25. April 1993 bis 24. April 1996. In diesem Zeitraum war der Kläger vom 3. August 1994 bis 31. August 1994 sowie vom 3. November 1994 bis 20. April 1995 als Elektriker beitragspflichtig beschäftigt im Sinn des § 168 AFG. Dieser Zeitraum umfasst 198 Tage beitragspflichtiger Beschäftigung. Die Zeit seiner Berufsausbildung in L. vom September 1991 bis Juli 1994 ragt zwar zum Teil in die Rahmenfrist hinein. Sie kann aber bereits deshalb nicht berücksichtigt werden, weil insoweit eine versicherungspflichtige Zeit nur für die Dauer vom 1. Dezember 1991 bis 4. Dezember 1992 durch die Bescheinigung E 301 vom 25. Januar 1997 bescheinigt worden ist; dieser Zeitraum liegt außerhalb des festgestellten Anwartschaftszeitraums.

16

Da die oben genannten Zeiträume Zeiten einer beitragspflichtigen Beschäftigung von weniger als 360 Kalendertage ausmachen, hat der Kläger die Anwartschaftszeit für einen Anspruch auf Alg erfüllt, wenn die Wehrdienstzeit in L. vom 18. Mai 1995 bis 15. Februar 1996 zur Erfüllung der Anwartschaftszeit im Sinn des§ 104 AFG dient.

17

Aus dem Regelungszusammenhang der §§ 104 Abs. 1, 107 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 168 Abs. 2 AFG folgt, dass leistungsrechtlich relevante Zeiten des Wehrdienstes im Sinn des Arbeitsförderungsrechts ausschließlich Zeiten eines aufgrund des deutschen Wehrpflichtgesetzes bei einem deutschen Hoheitsträger abgeleisteten Wehrdienstes sein können (so BSG, Urteil vom 04.02.1999, a.a.O.). Der Kläger hat daher nur dann einen Anspruch auf Alg, wenn die gesamte Wehrdienstzeit vom 18. Mai 1995 bis 15. Februar 1996 nach europarechtlichen Vorschriften zu seinen Gunsten zu berücksichtigen ist.

18

Rechtsgrundlage für eine Berücksichtigung des spanischen Wehrdienstes ist die EWGV 1408/71 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörigen, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern vom 14. Juni 1971 (ABl Nr. L. 149/2). Der Kläger war Arbeitnehmer im Sinn des Art. 1 Buchst. a Ziff ii in Verbindung mit Art. 2 EWGV 1408/71. Arbeitnehmer sind danach alle Personen, die im Rahmen für abhängig Beschäftigte geschaffene Systeme der sozialen Sicherheit gegen eines oder mehrere Risiken geschützt sind, mithin die Versicherteneigenschaft in einem System der sozialen Sicherheit für Arbeitnehmer besitzen (EuGH vom 31.05.1979 - Az: 182/78 - EUGHE 1979, 1977 ff.). Die von dem Kläger geltend gemachten Ansprüche fallen nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. g in den sachlichen Geltungsbereich der EWGV 1408/71, zumal die Bundesrepublik Deutschland in ihrer Erklärung nach Art. 5 EWGV 1408/71 vom 9. Juni 1980 ausdrücklich die Rechtsvorschriften des AFG mit Änderungen und Ergänzungen in der jeweils geltenden Fassung dem Geltungsbereich der EWGV 1408/71 unterstellt hat (BSG, Urteil vom 04.02.1999, a.a.O.).

19

Nach Art. 71 Abs. 1 Buchst. b, Doppelbuchstabe ii EWGV 1408/71 erhalten Arbeitnehmer, die, wie der Kläger, nicht Grenzgänger sind und sich der Arbeitsverwaltung des Mitgliedstaates zur Verfügung stellen, in dessen Gebiet sie wohnen oder in das Gebiet dieses Staates zurückzukehren, bei Vollarbeitslosigkeit Leistungen nach den Rechtsvorschriften des Staates, als ob sie dort zuletzt beschäftigt gewesen wären; diese Leistungen gewährt der Träger des Wohnorts zu seinen Lasten. Die Anwendung dieser Regelung setzt demnach voraus, dass der Wehrdienst einer Beschäftigung gleichsteht, und dass der Kläger während der Ableistung des Wehrdienstes in L. weiterhin im Bundesgebiet gewohnt hat. Diese zuletzt genannte Voraussetzung liegt vor, denn der Kläger hat seit seiner Geburt den Wohnsitz in Deutschland und diesen auch während seiner Wehrdienstzeit in Spanien beibehalten.

20

Nach Auffassung des Senats steht der in L. geleistete Wehrdienst des Klägers einer Beschäftigung im Sinn des Art. 71 Abs. 1 EWGV 1408/71 gleich. Das Bundessozialgericht hat in dem genannten Urteil vom 4. Februar 1999 (a.a.O.) mit näherer Begründung ausgeführt, dass insofern unter europarechtlichen Gesichtspunkten eine Gleichstellung der Wehrdienstzeit mit einer Beschäftigungszeit im Sinn des Art. 71 EWGV 1408/71 systemkonform erscheint. Dies gelte insbesondere unter Berücksichtigung des Ziels des Art. 71 EWGV 1408/71, dem Arbeitslosen die Leistungen in dem Mitgliedsstaat zur Verfügung zu stellen, in dem vermutlich die günstigsten Aussichten auf eine berufliche Wiedereingliederung bestehen. Der EuGH habe zudem in seiner Rechtsprechung Zeiten des Pflichtwehrdienstes als Beschäftigungszeiten im Sinn von Anhang VI Abschnitt J. Nr. 4 Buchst. a und Buchst. c EWGV 1408/71 betrachtet und dabei unter anderem auf die Regelung des Art. 13 Abs. 2 Buchst. e Satz 3 EWGV 1408/71 Bezug genommen. Schließlich könne auch unter Berücksichtigung des Art. 3 der EWGV 1408/71 eine Gleichstellung der Wehrdienstzeit mit Beschäftigungszeiten im Sinn des Art. 71 Abs. 1 Satz 1 EWGV 1408/71 geboten erscheinen, weil sonst der Arbeitslose, der in einem anderen Mitgliedsstaat als dem Wohnstaat Wehrdienst leisten müssen, von den Vergünstigungen dieser Regelung ausgeschlossen wäre, obwohl er beispielsweise nur im Wohnstaat beschäftigt gewesen sei und nach dem Wehrdienst auch in diesen zurückkehren wolle (BSG, a.a.O.). Dieser Auffassung schließt sich der Senat an; ohne dass es für die Gleichstellung der Wehrdienstzeit mit einer Beschäftigungszeit eines Rückgriffes auf Art. 67 Abs. 1 EWGV 1408/71 bedürfte. Der Senat sieht sich aufgrund der Regelung des Art. 177 Abse 2 und 3 EWG-Vertrag auch nicht zur Vorlage an den Gerichtshof verpflichtet.

21

Ist demnach nach Auffassung des Senats davon auszugehen, dass der spanische Wehrdienst nach dem AFG so berücksichtigt werden muss, als ob er im Bundesgebiet zurückgelegt worden ist, ist nach dem Urteil des BSG vom 4. Februar 1999 (a.a.O.) weiter zu prüfen, ob der Kläger auch alle Anspruchsvoraussetzungen für einen Anspruch auf Alg nach den Vorschriften des AFG erfüllt. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Der Kläger war ab dem Zeitpunkt der Antragstellung am 25. April 1996 arbeitslos und verfügbar im Sinn des § 103 AFG.

22

Der spanische Wehrdienst erfüllt auch die Voraussetzungen, bei deren Vorliegen ein deutscher Wehrdienst einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung im Sinn von § 104 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 107 Satz 1 Nr. 1 AFG gleichgestellt ist. Nach § 107 Satz 1 Nr. 1 AFG stehen Zeiten, in denen der Arbeitslose als Wehr- oder Ersatzdienstleistender beitragspflichtig war (§ 168 Abs. 2 AFG), den Zeiten einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gleich. Bei einer Berücksichtigung der Wehrdienstzeit in L. nach den Vorschriften des AFG müsste der Kläger mithin die Tatbestandsvoraussetzungen des § 168 Abs. 2 AFG erfüllt haben. Nach dieser Regelung sind beitragspflichtig auch Personen, die aufgrund der Wehrpflicht Wehr- oder Zivildienst leisten und während dieser Zeit nicht - wie der Kläger - nach § 168 Abs. 1 AFG beitragspflichtig sind, wenn sie für länger als drei Tage einberufen sind, wie dies beim Kläger der Fall war, und unmittelbar vor Dienstantritt eine Beschäftigung gesucht haben, die die Beitragspflicht begründen kann.

23

Die Voraussetzung der Beschäftigungssuche bis "unmittelbar vor Dienstantritt" liegt ebenfalls vor. Der Kläger ist am 21. April 1995 nach L. ausgereist, um dort seinen Wehrdienst zu leisten. Dieser begann am 19. Mai 1995, mithin etwa einen Monat nach der Ausreise. Der Senat schließt sich der Auffassung an, nach der ein Zeitraum von etwa vier Wochen zwischen der letzten Beschäftigung, die im Fall des Klägers am 20. April 1995 beendet war, als unschädlich erachtet wird (vgl. BSG, Urteil vom 04.02.1999, a.a.O. m.w.N.; Gagel, SGB III, § 26 Rdnr 21 zu der inhaltlich anders lautenden Vorschrift des § 26 SGB III; Olk in Wissing, SGB III, § 26 Rdnr 15 - ein Monat - zu der anders lautenden Vorschrift des § 26 Abs. 1 Nr. 2 a SGB III). Dies gilt zumal deshalb, weil die Begrifflichkeit "unmittelbar vor Dienstantritt" weit auszulegen ist (BSG, Urteil vom 04.02.1999, a.a.O.). Erfüllt demnach die in L. geleistete Wehrdienstzeit des Klägers die Gleichstellungsvoraussetzungen des§ 107 Nr. 1 AFG, hat der Kläger damit die Anwartschaftszeit des § 104 AFG erfüllt. Da auch die übrigen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Alg (§ 100 AFG) vorliegen, kann der Kläger Alg unter Berücksichtigung des § 106 Abs. 1 Satz 1 AFG für die Zeit vom 25. April bis 29. Mai 1996 beanspruchen.

24

Eine Prüfung, ob der Kläger Alg (auch) auf der Grundlage des Art. 67 EWGV 1408/71 beanspruchen kann oder der spanische Wehrdienst dem deutschen nach Art. 3 EWGV 1408/71 gleich zustellen ist oder sich eine Berücksichtigung des spanischen Wehrdienstes insbesondere aus Art. 7 der Verordnung (EWG) 1612/68 ergibt, ist demnach nicht geboten.

25

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

26

Der Senat hat die Revision aus Gründen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.