Landgericht Hannover
Beschl. v. 04.04.2001, Az.: 3 OH 36/01-057

Leistungspflicht einer Krankheitskostenversicherung für einen Kuraufenthalt; Antrag einer Partei auf Begutachtung durch einen Sachverständigen; Hemmung einer Klagefrist durch die Einleitung des selbstständigen Beweisverfahrens; Begriff der medizinischen Geeignetheit und Notwendigkeit bestimmter Behandlungsmaßnahmen

Bibliographie

Gericht
LG Hannover
Datum
04.04.2001
Aktenzeichen
3 OH 36/01-057
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2001, 30102
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGHANNO:2001:0404.3OH36.01.057.0A

Fundstelle

  • VersR 2001, 1099-1100 (Volltext mit red. LS)

In dem Selbständigen Beweisverfahren
hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Hannover
am 4.4.2001
beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Antragstellers auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

Streitwert. 10.500,- DM.

Gründe

1

Der Antragsteller unterhält bei der Antragsgegnerin eine private Krankheitskosten-Versicherung. Die Parteien streiten um die Frage der Leistungspflicht der Antragsgegnerin für einen Kuraufenthalt des Antragstellers im Juni 2000 auf Ischia (Italien) sowie für physiotherapeutische Maßnahmen (insbesondere Massagen), die der Antragsteller seit Jahren regelmäßig durchführen lässt und auch künftig durchführen lassen will. Die Antragsgegnerin weigert sich, die Kosten für den Kuraufenthalt auf Ischia zu erstatten und auch weiterhin die Kosten für die therapeutischen Maßnahmen zu übernehmen; diese würden zu keinem Behandlungserfolg führen. Der Antragsteller begehrt im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens zu der "Behauptung", die Antragsgegnerin sei zur Erstattung bzw. Übernahme der vorgenannten Kosten verpflichtet; der Sachverständige soll dabei insbesondere zu der Frage der medizinischen Geeignetheit und Notwendigkeit der bereits durchgeführten wie auch der künftig beabsichtigten Behandlungsmaßnahmen Stellung nehmen. Die Antragsgegnerin hält den Antrag für unzulässig.

2

Gemäß § 485 ZPO kann auf Antrag einer Partei (u.a.) die Begutachtung durch einen Sachverständigen angeordnet werden. Dabei ist dieser Antrag nur zulässig, wenn der Gegner zustimmt oder zu besorgen ist, dass das Beweismittel verloren geht oder seine Benutzung erschwert wird (Abs. 1) oder wenn der gegenwärtige Zustand einer Person festgestellt werden soll und der Antragsteller ein rechtliches Interesse an dieser Feststellung hat. Die Voraussetzungen von § 485 Abs. 1 ZPO sind vorliegend auch nach Auffassung des Antragstellers unzweifelhaft nicht gegeben. Aber auch die Voraussetzungen von § 485 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO liegen nicht vor. Zum einen besteht kein rechtliches Interesse des Antragstellers an der Feststellung. Die Antragsgegnerin hat durch Vorlage mehrerer Gutachten ihren Standpunkt untermauert, dass sie zu einer Übernahme/Erstattung der Kosten für die von dem Antragsteller eingeleiteten/beabsichtigten Behandlungsmaßnahmen nicht gewillt ist und zu erkennen gegeben, dass sie auch ein dem Antragsteller "positives" Gutachten nicht akzeptieren würde; ein Rechtsstreit würde durch die Einholung des Gutachtens mithin nicht vermieden werden. Das rechtliche Interesse lässt sich auch nicht mit Rücksicht auf eine drohende Verjährung der etwaigen Ansprüche des Antragstellers bejahen. Soweit diese durch das Schreiben der Antragsgegnerin vom 28.11.2000 zurückgewiesen worden sind, hat die Klagefrist des § 12 Abs. 3 VVG zu laufen begonnen, die, worauf die Antragsgegnerin zu Recht hingewiesen hat, durch die Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens weder gehemmt noch unterbrochen wird.

3

Zum zweiten geht es dem Antragsteller ausweislich der unter Ziffer II. (Ziffer I. betrifft ohnehin keine Sachverständigenfrage, was der Antragsteller auch selbst einräumt) formulierten Beweisfragen gar nicht um die Feststellung und Begutachtung seines Zustandes, sondern um die Klärung der medizinischen Geeignetheit und Notwendigkeit bestimmter Behandlungsmaßnahmen. Hierfür ist das selbständige Beweisverfahren aber nach dem Fragenkatalog in Abs. 2, der Ausschließlichkeitscharakter hat, weder gedacht noch geeignet; die einseitig von dem Antragsteller vorformulierten Fragen sind eher geeignet, die Klärung im normalen Erkenntnisverfahren zu stören. Der Antragsteller übersieht, dass die Frage der Kostenerstattungspflicht der Antragsgegnerin von einer ganzen Reihe von Voraussetzungen abhängt. Zudem enthält der Begriff der "Notwendigkeit" i.S.d. Versicherungsbedingungen eine Einschränkung i.S. eines Wirtschaftlichkeitsgebotes. Das bedeutet: Stehen mehrere unter dem Aspekt der Eignung gleichwertige Behandlungsmethoden zu Gebote, so ist diejenige die notwendige, die die geringsten Kosten verursacht. Die Klärung dieser sowie weiterer Fragen der Leistungspflicht der Antragsgegnerin kann von einem selbständigen Beweisverfahren nicht geleistet werden, vielmehr bedarf es dazu der Schlüssigkeits- und Erheblichkeitsprüfung des normalen Zivilprozesses und der darin vorgesehenen Wege zur Beweiserhebung.

4

Der Antrag ist deshalb insgesamt zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Kammer übersieht dabei nicht, dass bei einem selbständigen Beweisverfahren grundsätzlich eine Kostenentscheidung nicht ergeht und auch nicht veranlasst ist. In Fällen wie diesem, bei denen der Gegner am Beweisverfahren beteiligt worden ist und sich infolgedessen kostenpflichtig anwaltlicher Hilfe bedient hat, ist es allerdings nicht gerechtfertigt, dem Gegner (dem kein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch zusteht) entstandene Kosten nicht zu ersetzen, wenn sich der Antrag als unzulässig erweist (OLG Frankfurt/Main MDR 1998, S. 128 [OLG Frankfurt am Main 15.07.1997 - 7 U 234/94]).

Streitwertbeschluss:

Streitwert: 10.500,- DM.