Landgericht Hannover
Beschl. v. 26.03.2001, Az.: 12 T 1510/00, 12 T 1650/00
Berechnung des Vergütungsanspruchs für Tätigkeiten i.R.d. Nachlasspflegschaft für die noch unbekannten Erben eines Erblassers; Ausgestaltung des Verfahrens zur Festsetzung der Vergütung eines Nachlasspflegers
Bibliographie
- Gericht
- LG Hannover
- Datum
- 26.03.2001
- Aktenzeichen
- 12 T 1510/00, 12 T 1650/00
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2001, 32423
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGHANNO:2001:0326.12T1510.00.12T165.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Wennigsen - 12.07.2000 - AZ: 2 VI 450/99
Rechtsgrundlagen
- § 1836 BGB
- § 1915 Abs. 1 BGB
- § 1 BVormVG
Fundstelle
- NJW-RR 2002, 653-654 (Volltext mit red. LS)
Verfahrensgegenstand
Festsetzung der Vergütung der Nachlaßpflegerin
In der Nachlaßsache
hat die 12. Zivilkammer des Landgerichts Hannover
am 26. März 2001
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht Jacob,
die Richterin am Landgericht Dr. Cramer-Frank und
die Richterin am Landgericht Jans-Müllner
beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 2) vom 05.08.2000 gegen den Beschluß des Amtsgerichts Wennigsen vom 12.07.2000 - 2 VI 450/99 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Der Beschwerdewert beträgt 526,35 DM.
Die weitere Beschwerde wird zugelassen.
Gründe
Durch Beschluß vom 22.11.1999 ordnete das Amtsgericht Wennigsen die Nachlaßpflegschaft für die noch unbekannten Erben des Erblassers mit dem Wirkungskreis der Sicherung, Erhaltung und Verwaltung des Nachlasses sowie Ermittlung der Erben an. Zur Nachlaßpflegerin wurde die Beteiligte bestellt. Am 28.06.2000 reichte die Beteiligte einen Vergütungsantrag bei dem Nachlaßgericht ein, nach welchem sie insgesamt 16,50 Stunden als Nachlaßpflegerin tätig gewesen ist und eine Vergütung von 80,- DM pro Stunde in Rechnung stellte. Mit Beschluß vom 12.07.2000 setzte das Amtsgericht die Vergütung der Beteiligten auf 1.004,85 DM fest, wobei es einen Stundensatz von 52,50 DM zuzüglich Mehrwertsteuer zugrunde legte. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Beteiligten.
Die Beschwerde ist gemäß §§ 19 Abs. 1, 20 Abs. 1, 56 g Abs. 5 S. 1 FGG zulässig, sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
Das Verfahren zur Festsetzung der Vergütung eines Nachlaßpflegers richtet sich seit dem Inkrafttreten desBetreuungsrechtsänderungsgesetzes (BtÄndG) zum 01.01.1999 nach der Vorschrift des § 1836 BGB in Verbindung mit § 1 BVormVG, die gemäß § 1915 Abs. 1 BGB auch auf Pflegschaften anzuwenden sind. Zwar gilt das in § 1 BVormVG festgelegte Stundensatzsystem, das sich nach den nutzbaren Fachkenntnissen des Betreuers richtet, ausdrücklich nur für die Berufsnachlaßpfleger von mittellosen Nachlässen. Nach der Rechtsprechung des BGH sind die Stundensätze bei bemittelten Betreuten nicht zwingend anwendbar, sie stellen jedoch eine wesentliche Orientierungshilfe und Richtlinie auch für die Vergütung bei werthaltigen Nachlässen dar, was bedeutet, daß sie nicht unterschritten werden dürfen und im Regelfall angemessen sind, so daß sie nur dann überschritten werden dürfen, wenn dies die Schwierigkeit der Pflegschaft ausnahmsweise gebietet, da die Betreuung bemittelter und mittelloser Personen nach dem Willen des Gesetzgebers grundsätzlich nach den gleichen Kriterien vergütet werden soll (BGH ZEV 2001, 33 = NJW 2000, 3709; vgl. auch Wagenitz/Engers, FamRZ 1998, 1275). Diese Entscheidung ist auf die Pflegschaften wegen der Verweisung in§ 1915 Abs. 1 BGBübertragbar, so daß die Vergütung von Berufsnachlaßpflegern vermögender Nachlässe grundsätzlich nach dem Stundensatzsystem des § 1 BVormVG zu erfolgen hat.
Den Vorgaben des BVerfG, wonach berufsmäßig tätige Vormündern auch Zeitaufwand und anteilige Bürokosten zu erstatten sind, genügen die in § 1 Abs. 1 BVormVG festgelegten Sätze von 35, 45 und 60 DM, und sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BVerfG FamRZ 2000, 1277 ff.). Damit sind die Stundensätze festgelegt, mit denen ein Berufsbetreuer und somit auch ein Berufsnachlaßpfleger in der Regel auszukommen hat, so daß er nach dieser Vorgabe den Aufwand an Sach- und Personalkosten einrichten muß (BGH a.a.O.).
Die Kammer hält daher folgende Stundensätze, die von den nutzbaren Fachkenntnissen des Nachlaßpflegers abhängen, für angemessen, aber auch ausreichend:
Einfache Abwicklung | Mittlerer Schwierigkeitsgrad | Schwierige Abwicklung | |
---|---|---|---|
Normale Kenntnisse i.S.v § 1 Abs. 1 S. 1 BVormVG | 35,- DM | 45,- DM | 60,- DM |
Kenntnisse aufgrund abgeschlossener Lehre o.a., § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BVormVG | 45,- DM | 60,- DM | 75,- DM |
Kenntnisse-Hochschulabschluß oder vergleichbare Ausbildung, § 1 Abs. 1 | 60,- DM | 75,- DM | 90,- DM |
S. 2 Nr. 2 BVormVG |
Daß die vergütungsrechtliche Ungleichbehandlung sich nach dem formalen Bildungsabschluß der Betreuer und Nachlaßpfleger richtet, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BVerfG FamRZ 2000, 1277). Dies gilt auch dann, wenn man im Einzelfall bei Angehörigen der Vergütungsgruppen identische nutzbare Kenntnisse unterstellt, weil eine Vergütungsregelung für Massengeschäfte in ihrer Anwendung praktisch handhabbar bleiben muß. Nach der gesetzgeberischen Zielsetzung soll die Kalkulierbarkeit der Einnahmen für die Betreuer selbst sichergestellt werden, indem sich die Vergütungssätze vorrangig an der Qualifikation des Betreuers orientieren, wobei im Interesse der problemlosen Handbarkeit die Qualifikation nach der Art der Ausbildung typisiert wird (BVerfG a.a.O.).
Gemäß § 2 BVormVG können sich berufserfahrene Betreuer und somit auch Nachlaßpfleger durch Fortbildung oder Umschulung qualifizieren, so daß die einmal erworbene Ausbildung nicht für alle Zeit die Vergütung des Betreuers festlegt.
Die Beteiligte verfügt aufgrund ihrer Ausbildung zur Fachgehilfin in wirtschafts- und steuerberatenden Berufen, ihrer langjährigen Tätigkeit als Nachlaßpflegerin und ihrer Fortbildung, insbesondere durch den Erwerb des Zertifikats als Nachlaßpflegerin über Fachkenntnisse, die für die Führung von Nachlaßpflegschaften nutzbar sind und aufgrund derer sie unter die Vergütungsstufe des § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BVormVG fällt. Daß sie im Land Niedersachsen (noch) nicht die Möglichkeit hat, weitere Nachqualifizierungen zu erwerben, beeinträchtigt die Beteiligte nicht in ihren Grundrechten wie das BVerfG in vergleichbaren Fällen entschieden hat (BVerfG FamRZ 2000, 1277 ff.).
Die Kammer hält die vom Amtsgericht festgesetzte Vergütung der Beteiligten nicht für zu niedrig, da es sich um eine einfache Abwicklung einer Nachlaßpflegschaft gehandelt hat. Es waren lediglich die Erben zu ermitteln, Verbindlichkeiten des Erblassers zu begleichen, Konten aufzulösen, die Wohnung des Erblassers an den Vermieter zu übergeben u.ä..
Die Beteiligte kann sich auch nicht auf die bis zum 30.06.2001 geltende Übergangsregelung des § 1 Abs. 2 BVormVG berufen. Diese Übergangsregelung leitet sich ab aus dem Gebot des Vertauensschutzes mit dem Ziel der Besitzstandswahrung, um für die bisher im Beruf Tätigen Härten abzumildern. Der Bundesgesetzgeber hat den Ländern die Möglichkeit eingeräumt, eigene Nachqualifizierungskonzepte zu entwickeln oder die Nachqualifikation, die in anderen Bundesländer erworben wurde, anzuerkennen (BverfG FamRZ 2000, 1277, 1279). Diese Möglichkeit betrifft aber nur bereits tätige, aber nicht durch eine hinreichende Ausbildung qualifizierte Betreuer (Wagnitz/Engers a.a.O.), zu denen die Beteiligte nicht zählt.
Da das Nachlaßgericht der Beteiligten mit dem angefochtenen Beschluß eine Vergütung zugesprochen hat, die über den vorstehenden Sätzen liegt, war die Beschwerde zurückzuweisen.
Die weitere Beschwerde wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Dr. Cramer-Frank
Jans-Müllner