Landgericht Hannover
Urt. v. 08.03.2001, Az.: 3 S 1562/00 - 101 -

Anforderungen an das Vorliegen eines Anspruchs auf Beteiligung an der von einem Finanzamt geleisteten Steuerrückzahlung; Zulässigkeitsvoraussetzungen der zivilprozessualen Geltendmachung von mit dem Einkommensteuerausgleich unter Ehegatten zusammenhängenden Ansprüchen; Ausgestaltung der Prüfbarkeit der erstinstanzlichen Gerichtszuständigkeit im Berufungsverfahren; Aufrechenbarkeit mit einer Gegenforderung auf Beteiligung an der Hälfte der für die zuvor gemeinsam bewohnte Wohnung zu zahlenden Miete

Bibliographie

Gericht
LG Hannover
Datum
08.03.2001
Aktenzeichen
3 S 1562/00 - 101 -
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 32422
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGHANNO:2001:0308.3S1562.00.101.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Hannover - 31.07.2000 - AZ: 517 C 10580/99

Fundstelle

  • FamRZ 2002, 29-30 (Volltext mit red. LS)

Verfahrensgegenstand

Ausgleichsanspruch bei Steuerrückerstattung

In dem Rechtsstreit
...
hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Hannover
auf die mündliche Verhandlung vom 15. Februar 2001
unter Mitwirkung
des Vorsitzenden Richters am Landgericht ... sowie
der Richterinnen am Landgericht ... und ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 31.7.2000 - 517 C 10580/99 - geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 3.351,76 DM (Wert der Klageforderung und Wert der Gegenforderung, mit der der Beklagte hilfsweise die Aufrechnung geltend gemacht hat, § 19 Abs. 3 GKG).

Entscheidungsgründe

1

- Ohne Tatbestand gemäß § 543 Abs. 1 ZPO -.

2

Die Berufung ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Infolge der von dem Beklagten hilfsweise erklärten Aufrechnung mit einer Gegenforderung gegen die Klägerin steht dieser kein Anspruch auf Beteiligung an der von dem Finanzamt Hannover-Land II für das Jahr 1997 geleisteten Steuerrückzahlung in Höhe von 3.351,77 DM zu.

3

Vorab ist festzuhalten, dass entgegen der Auffassung des Beklagten die Klage zulässig ist. Für alle mit dem Einkommensteuerausgleich unter Ehegatten zusammenhängenden Ansprüche sind nicht etwa die Familiengerichte zuständig, vielmehr sind derartige Ansprüche vor der Prozeßabteilung der ordentlichen Gerichte geltend zu machen. Eine Klage auf "Aufteilung" der Einkommensteuererstattung hat keine Familiensache im Sinne von § 23 b Abs. 1 GVG zum Gegenstand, denn sie betrifft weder die durch die Ehe begründete Unterhaltspflicht noch wird mit ihr ein güterrechtlicher Anspruch geltend gemacht. Zwar kann der Lohnsteuerjahresausgleich sowohl für die Berechnung des Unterhaltsanspruchs als auch für die des Zugewinnausgleichs von Bedeutung sein. Dies betrifft aber alle vermögensrechtlichen Forderungen von Eheleuten untereinander. Das Familiengericht soll jedoch nur für solche Forderungen zuständig sein, die das persönliche Verhältnis der Ehegatten und die in § 23 b GVG zugewiesenen Fragen angehen, nicht aber auch für Fragen aus dem Bereich der allgemeinen Vermögensauseinandersetzung, die den allgemeinen Zivilgerichten zugewiesen ist. Im übrigen ist die Frage der Zuständigkeit des angerufenen Gerichts in der Berufungsinstanz nicht mehr zu prüfen, § 17 a Abs. 5 GVG analog. § 17 a GVG ist im Verhältnis der ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit zur freiwilligen Gerichtsbarkeit analog anwendbar (vgl. MünchKomm ZPO-Wolf, § 17 a GVG, Rdn. 4; Baumbach/Albers, ZPO, 59. Auf., § 17 a Rdn. 3).

4

Die Klage ist indessen nicht begründet.

5

Die Parteien haben keine Vereinbarung darüber getroffen, wie eine eventuelle Steuerrückzahlung im Innenverhältnis aufzuteilen ist. Die Frage, wie Steuererstattungen zwischen den (inzwischen getrenntlebenden oder geschiedenen) Ehegatten aufzuteilen sind, die aus einem Veranlagungszeitraum resultieren, in dem noch die Zusammenveranlagung erfolgte, ist in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten. Nach Auffassung etwa des Landgerichts Hildesheim (vgl. Nds. Rpfl. 1989, Seite 106 f.) sind Ehegatten gegenüber dem Finanzamt Gesamtgläubiger und im Innenverhältnis hälftig am Erstattungsbetrag zu beteiligen. Der Annahme einer Gesamtgläubigerschaft steht jedoch die ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs entgegen. Die zusammenveranlagten Ehegatten sind danach zwar hinsichtlich einer etwaigen Steuerschuld Gesamtschuldner; daraus ergibt sich aber nicht, dass sie auch Gesamtgläubiger eines Erstattungsanspruchs sind; insoweit fehlt es an einer gesetzlichen Regelung. Etwas anderes folgt auch nicht aus § 36 Abs. 4 Satz 3 EStG. Danach wirkt bei zusammenveranlagten Ehegatten die Auszahlung an einen der Ehegatten auch für und gegen den anderen. Dies besagt aber nur, dass das Finanzamt befugt ist, nach seiner Wahl an den einen oder anderen Ehegatten auszuzahlen und zwar mit befreiender Wirkung (vgl. Staudinger-Noak, BGB, 13. Aufl., § 428 Rdn. 69; Liebelt, NJW 1993, Seite 1741 ff.). Durch die genannte Vorschrift wird nicht geregelt, welcher der Ehegatten die Auszahlung des Erstattungsbetrages fordern darf. Die Norm dient vielmehr nur der Verwaltungsvereinfachung und setzt sich aus Gründen der Arbeitserleichterung des Finanzamtes über die materielle Berechtigung hinsichtlich des Erstattungsbetrages hinweg. Auch aus dem Umstand, dass zusammenveranlagte Eheleute gemäß § 26 b EStG als ein Steuerpflichtiger behandelt werden, ist keine Gesamtgläubigerschaft zu entnehmen. Denn diese Vorschrift verfolgt nur den Zweck, die Steuerbelastung zusammenveranlagter Ehegatten zu mindern, sagt aber nichts darüber aus, welchem Ehegatten eine eventuelle Steuerrückerstattung (gegebenenfalls zu welchem Anteil) zusteht. Nach Auffassung der Kammer ist für das Innenverhältnis der Ehegatten, was ihre Beteiligung an einer Steuerrückerstattung anbelangt, allein ein steuerrechtskonformer Ausgleichsmaßstab angemessen, der zugleich den güterrechtlichen Verhältnissen Rechnung trägt (vgl. auch LG Düsseldorf, NJW-RR 1986, Seite 1333 f.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft (§§ 1363 ff. BGB) - wie vorliegend zwischen den Parteien - bürgerlich-rechtlich die Vermögen der Ehegatten und ihrer Erträge getrennt sind. Dieser güterrechtlichen Trennung muß auch die Aufteilung der Steuerlast im Innenverhältnis und umgekehrt die Berechtigung an einem Steuerrückerstattungsbetrag entsprechen. Ein steuerrechtskonformer Ausgleichsmaßstab kann dabei grundsätzlich sowohl in einer Aufteilung der Steuerschuld nach dem Verhältnis der Einkünfte oder aber nach dem Verhältnis der Steuerbeträge bei einer fiktiven getrennten Veranlagung gesehen werden. Gegen eine Aufteilung der Steuerrückerstattung nach dem Verhältnis der bei fiktiven getrennten Veranlagungen entstehenden Steuerbeträge (§ 270 AO) spricht die mangelnde praktische Handhabbarkeit dieser Lösung, so dass eine Verteilung nach dem Verhältnis der von den Ehegatten beiderseits erzielten Einkünfte vorzuziehen ist (vgl. hierzu auch LG Köln, NJW-RR 1991, Seite 1027; OLG Düsseldorf, Anwaltsblatt 1988, Seite 184; LG Tübingen, NJW-RR 1990, Seite 1221 f.). Dies führt hierzu folgendem Ergebnis: Ausweislich des von den Parteien eingereichten Einkommenssteuerbescheids des Finanzamtes Hannover-Land II für 1997 erzielte die Klägerin 1997 einen Bruttolohn von 13.478,00 DM, der Beklagte erzielte ein Bruttoeinkommen von 40.405,00 DM. Das Verhältnis der beiderseitigen Einkünfte der Parteien zueinander beträgt demnach 1/4 zu 3/4 zu Gunsten des Beklagten mit der Folge, dass der Klägerin gegen den Beklagten ursprünglich ein Anspruch auf Zahlung in Höhe von 837,94 DM (1/4 des Steuerrückerstattungsbetrages von 3.351,77 DM) zustand.

6

Diese Forderung der Klägerin ist jedoch durch die von dem Beklagten hilfsweise erklärte Aufrechnung mit einem Gegenanspruch gegen die Klägerin auf Beteiligung der Klägerin an der Hälfte der für die zuvor gemeinsam bewohnte Wohnung zu zahlende Miete erloschen,§§ 387, 389 BGB. Wie der Beklagte durch Vorlage des Mietvertrages für die früher von den Parteien gemeinsam bewohnte Wohnung in dem Haus ... nachgewiesen hat, war der Mietvertrag von der Vermieterin auf der einen Seite und den beiden Parteien dieses Rechtsstreits auf der anderen Seite geschlossen und unterschrieben worden. Die Klägerin und der Beklagte hafteten danach für die zu zahlende Miete als Gesamtschuldner. Die Haftung auch der Klägerin für die Miete ist durch deren Auszug aus der Wohnung im Juli 1998 nicht erloschen, vielmehr war die Klägerin bis zum Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist verpflichtet, sich weiterhin an der Miete zu beteiligen. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn sich die Klägerin zuvor um eine Zustimmung des Beklagten und auch der Vermieterin, sie aus dem Mietvertrag zu entlassen, erfolgreich bemüht hätte - derartiges hat die Klägerin aber nicht vorgetragen - oder wenn das weitere Wohnen in der Mietwohnung für sei unzumutbar gewesen wäre, etwa weil der Beklagte sie tätlich angegriffen hätte. Auch hierzu fehlt jeder Vortrag seitens der Klägerin. Aus nachwirkender ehelicher Treuepflicht ist sie deshalb verpflichtet, sich im Innenverhältnis der Parteien zueinander zur Hälfte an den Mietkosten zu beteiligen. Die Klägerin könnte sich insoweit auch nicht darauf berufen, dass sie die Wohnung ab Mitte Juli 1998 nicht mehr genutzt hat. Denn durch ihren Auszug hat sie dem Beklagten die Alleinnutzung gegen seinen Willen quasi aufgedrängt, ohne dass dieser sich dagegen hätte "wehren" können. Unstreitig belief sich die monatliche Miete auf 1.555,50 DM. Der Beklagte hat seinen Vortrag in der mündlichen Verhandlung vom 15.2.2001 näher dahin konkretisiert, dass er gegenüber der Klageforderung mit einem Anspruch gegen die Klägerin auf hälftige Beteiligung an den Mietkosten für die Monate August, September und Oktober 1998 (in dieser Reihenfolge) aufrechne. Durch die Aufrechnungserklärung ist danach der Anspruch des Beklagten gegen die Klägerin auf Beteiligung an der Augustmiete 1998 sowie darüber hinaus - in geringem Umfang - an der Miete für September 1998 erloschen, im Gegenzug ist damit auch die Klageforderung erloschen. Dies hat zur Folge, dass die Klage auf die Berufung des Beklagten hin mit der sich aus § 97 ZPO ergebenden Kostenfolge abzuweisen war.