Verwaltungsgericht Lüneburg
Beschl. v. 30.07.2008, Az.: 1 B 22/08

Anforderungsprofil; Auswahlentscheidung; Begründung; Bewerberkonkurrenz; Laufbahnvorsprung; Leistungsgrundsatz; nachträgliche Bekanntgabe; Notenvorsprung; Oberstudienrätin; Unterrichtsbesichtigung

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
30.07.2008
Aktenzeichen
1 B 22/08
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2008, 55006
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
OVG Niedersachsen - 30.12.2008 - AZ: 5 ME 350/08

Tenor:

1. Der Antragsgegnerin wird im Wege einstweiliger Anordnung untersagt, die Stelle einer Studiendirektorin am Gymnasium C. in A. mit dem Beigeladenen zu besetzen und diesen zu befördern, bevor nicht über den Bewerbungsantrag der Antragstellerin rechtskräftig entschieden ist.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 26.861,70 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin wendet sich gegen die Besetzung der Stelle einer Studiendirektorin/-s zur Koordinierung schulfachlicher Aufgaben (BesGr. A 15) an der C. in A. mit dem Beigeladenen.

2

Nachdem die gen. Stelle erstmals im Schulverwaltungsblatt Nr. 01/2007 und dann gem. § 7 Abs. 4 NGG erneut im Schulverwaltungsblatt Nr. 05/2007 ausgeschrieben worden war, bewarb sich neben dem Beigeladenen (Studienrat seit 1. August 2002), dessen erste Bewerbung gem. Schreiben vom 27. Februar 2007 in das neue Bewerbungsverfahren einbezogen wurde, mit Schreiben vom 21. Mai 2007 auch die Antragstellerin (Oberstudienrätin seit 1. Februar 2005). Ein Anforderungsprofil war mit der Ausschreibung nicht verbunden, wurde jedoch dem Auswahlvorschlag - gegliedert nach "Tätigkeitsbereichen" und "erforderlichen Qualifikationen" - beigegeben (Bl. 3 der VerwV.).

3

Beide Bewerber wurden - gestützt auf Unterrichtsbesichtigungen, Tätigkeitsberichte der Schulleiter und stellenbezogene Bewerbergespräche - am 17. bzw. 21. Januar 2008 dienstlich beurteilt - die Antragstellerin mit der Note "gut" und der Beigeladene mit der Note "sehr gut". Auf die entsprechenden Beurteilungen wird Bezug genommen. Der Beigeladene arbeitet seit August 2004 an der C., die Antragstellerin seit August 2004 am Gymnasium D. in A..

4

Aufgrund des Auswahlvorschlags vom 29. Januar 2008 wurde - nach Beanstandung der vorgesehenen Auswahl durch die Frauenbeauftragte vom 6. Februar 2008 - durch Auswahlvermerk vom 11. Februar 2008 entschieden, dass die gen. Stelle mit dem Beigeladenen zu besetzen sei. Mit Schreiben vom 16. Mai 2008 teilte die Antragsgegnerin demgemäß der Antragstellerin mit, dass die Entscheidung "aufgrund eines Notenvorsprungs in der Beurteilung" zu Gunsten des Beigeladenen ausgefallen sei.

5

Zur Begründung ihres am 4. Juni 2008 eingegangenen Antrages auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes trägt die Antragstellerin vor, das Schreiben vom 16. Mai 2008, das ein Verwaltungsakt sei, enthalte keine ausreichende Begründung der getroffenen Auswahlentscheidung; insoweit werde auf den Beschluss des Nds. OVG v. 14.1.2008 - 5 ME 317/07 - Bezug genommen. Denn sie befinde sich als Oberstudienrätin in einem höheren statusrechtlichen Amt als der ausgewählte Bewerber, so dass nicht ohne Weiteres von einem "Notensprung" ausgegangen werden könne. Andere Auswahlerwägungen seien dem Schreiben nicht zu entnehmen, könnten zudem auch nur begrenzt nachträglich ergänzt werden. Auch in der Sache sei die Entscheidung rechtswidrig, da sie auf einen Notenunterschied nicht gegründet werden könne. Schließlich habe sich die Antragsgegnerin über die Beanstandung der Stellenbesetzung durch die Frauenbeauftragte hinweggesetzt.

6

Die Antragstellerin beantragt,

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der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, die ausgeschriebene Stelle einer Studiendirektorin am Gymnasium C. in A. mit einer anderen Person als der Antragstellerin zu besetzen oder eine andere Person zu ernennen, bevor nicht über den Bewerbungsantrag der Antragstellerin rechtskräftig entschieden ist.

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Die Antragsgegnerin beantragt,

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den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückzuweisen.

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Sie ist der Auffassung, der sog. Laufbahnvorsprung der Antragstellerin sei ihr bei der Auswahlentscheidung bewusst gewesen, komme jedoch nur bei gleichen Noten zum Zuge, woran es hier fehle. Der Beigeladene habe als Bewerber im Eingangsamt "die bessere Note erzielt", so dass sie nicht auf den Laufbahnvorsprung der Antragstellerin verwiesen gewesen sei, sondern zulässigerweise den Beigeladenen "als den um eine ganze Notenstufe besser Beurteilten" habe auswählen können. Auch habe sie bei dieser Lage der Dinge anhand weiterer, den Leistungsgrundsatz wahrender Kriterien ihre Auswahl treffen können, so dass sie sich aus den im Auswahlvorschlag dargelegten Gründen für den Beigeladenen habe entscheiden können. Schließlich habe - ohne dass dies ausschlaggebende Bedeutung gehabt habe - das Kollegium ausdrücklich den Beigeladenen favorisiert.

11

Der Beigeladene beantragt ebenfalls,

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den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.

13

Er verweist darauf, dass bei anlassbezogenen Beurteilungen mit ihrer Zukunftsorientierung der Vergleich von Statusämtern zurückzutreten habe, solche Beurteilungen somit "statusamtsunabhängig" seien. Es sei daher nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin auf den Vollnotenvorsprung des Beigeladenen abgestellt habe.

14

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin Bezug genommen.

II.

15

Der nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu beurteilende Antrag hat Erfolg.

16

Das Gericht kann gemäß § 123 VwGO sowohl eine Sicherungs- wie auch eine Regelungsanordnung treffen. Beide Formen einstweiliger Anordnung setzen voraus, dass neben einem Anordnungsgrund vor allem ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht wird (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 123 Rn. 6). Hier erstrebt der Antragsteller eine Sicherungsanordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO, deren Voraussetzungen erfüllt sind.

17

So hat das Bundesverfassungsgericht (NVwZ 2003, 200) für eine Sicherungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO entschieden:

18

"Auf Grund dieser Verfahrensabhängigkeit des sich aus Art. 33 II GG ergebenden subjektiven Rechts sind die Verwaltungsgerichte bei der Auslegung und Anwendung des § 123 I 1 VwGO im so genannten beamtenrechtlichen Konkurrentenstreit gehalten, den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes gerade im Eilverfahren besonders Rechnung zu tragen. Art. 19 IV GG garantiert nicht nur das formelle Recht und die theoretische Möglichkeit, die Gerichte anzurufen, sondern auch eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle (vgl. BVerfGE 35, 263 [274] = NJW 1973, 1491; BVerfGE 40, 272 [275] = NJW 1976, 141 [BVerfG 29.10.1975 - 2 BvR 630/73]; BVerfGE 61, 82 [110f.] = NJW 1982, 2173 [BVerfG 08.07.1982 - 2 BvR 1187/80]; BVerfGE 77, 275 [284] = NJW 1988, 1255 [BVerfG 02.12.1987 - 1 BvR 1291/85]; BVerfGE 79, 69 [74f.] = NJW 1989, 827; BVerfGE 93, 1 [13] = NJW 1995, 2477 [BVerfG 16.05.1995 - 1 BvR 1087/91]; BVerfGE 97, 298 [315] = NJW 1998, 2659; BVerfGE 101, 106 [122f.] = NJW 2000, 1175 [BVerfG 27.10.1999 - 1 BvR 385/90]; BVerfGE 103, 142 [156] = NJW 2001, 1121 [BVerfG 20.02.2001 - 2 BvR 1444/00]; st. Rspr.). Droht dem Ast. bei Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes eine erhebliche, über den Randbereich hinausgehende Verletzung in seinen Grundrechten, die durch eine der Klage stattgebende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, so ist - erforderlichenfalls unter eingehender tatsächlicher und rechtlicher Prüfung des im Hauptverfahren geltend gemachten Anspruchs - einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren, wenn nicht ausnahmsweise gewichtige Gründe entgegenstehen. Hierbei muss das Gericht das Verfahrensrecht in einer Weise auslegen und anwenden, die dem Gebot effektiven Rechtsschutzes Rechnung trägt (vgl. BVerfGE 79, 69 [75] = NJW 1989, 827 [BVerfG 25.10.1988 - 2 BvR 745/88]; BVerfGE 97, 298 [315] = NJW 1998, 2659 [BVerfG 20.02.1998 - 1 BvR 661/94]).“

19

Demgemäß hat auch das Bundesverwaltungsgericht (NJW 2004, 870 f. [BVerwG 21.08.2003 - BVerwG 2 C 14.02]) entschieden, dass bei offenem Verfahrensausgang eines Hauptsacheverfahrens im vorläufigen Rechtsschutzverfahren eine erneute Entscheidung beansprucht werden kann:

20

„Art. 19 IV GG garantiert nicht nur das formelle Recht und die theoretische Möglichkeit, die Gerichte anzurufen, sondern auch eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle (vgl. BVerfGE 101, 106 [122f.] = NJW 2000, 1175 [BVerfG 27.10.1999 - 1 BvR 385/90] m.w. Nachw. = NVwZ 2000, 428 L; st. Rspr.). Einstweiliger Rechtsschutz ist deswegen unter eingehender tatsächlicher und rechtlicher Prüfung des im Hauptsacheverfahren geltend gemachten Bewerbungsverfahrensanspruchs zu gewähren. Ein abgelehnter Bewerber, dessen subjektives Recht aus Art. 33 II GG durch eine fehlerhafte Auswahlentscheidung des Dienstherrn verletzt worden ist, kann eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung zumindest dann beanspruchen, wenn seine Erfolgsaussichten bei einer erneuten Auswahl offen sind, seine Auswahl also möglich erscheint."

21

Ein den Erlass einer einstweiligen Anordnung rechtfertigender Anordnungsgrund, die Dringlichkeit einer Eilentscheidung, ist hier unter Berücksichtigung des Art. 19 Abs. 4 GG gegeben. Denn mit Vollzug der beabsichtigten Übertragung des Dienstpostens an den Beigeladenen wäre der Dienstposten anderweitig besetzt und das Stellenbesetzungsverfahren zu seinen Gunsten abgeschlossen.

22

Der Antragstellerin steht auch der erforderliche Anordnungsanspruch zur Seite, für den es ausreicht, dass ein berücksichtigungsfähiger Auswahlfehler vorliegt, der für die Auswahl potentiell kausal war (OVG Münster, NVWBl. 2002, 111; OVG Bremen, DöD 1985, 42f.; vgl. auch VGH Mannheim, 19. 5. 1999 - 4 S 1138/99 - / unveröff., S. 2 des Entscheidungsumdrucks). Bei der hier getroffenen Auswahlentscheidung sind der Antragsgegnerin Fehler unterlaufen, die sich zu Lasten der Antragstellerin ausgewirkt haben, so dass ihre Auswahl bei einer erneuten Entscheidung zumindest möglich erscheint.

23

Die der Übertragung eines höherwertigen Dienstpostens vorausgehende Auswahlentscheidung des Dienstherrn unterliegt grundsätzlich als Ermessensentscheidung einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle, die sich allerdings in vollem Umfange darauf erstreckt, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat oder ob sie von einem unrichtigen bzw. unvollständigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachwidrige Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften oder mit höherrangigem Recht vereinbare Richtlinien (Verwaltungsvorschriften) verstoßen hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.8.2001 - 2 A 3.00 -, DVBl 2002, 131; Nds. OVG, Beschl. v. 26.8.2003 -5 ME 162/03 -, NVwZ-RR 2004, 197 m. w. N.; Beschl. v. 8.12.2003 - 5 ME 360/03 -). Der Dienstherr hat vor allem den Bewerbungsverfahrensanspruch des Beamten zu beachten, der das Recht auf eine faire und chancengleiche Behandlung der Bewerbung umfasst (BVerfG, aaO.; BVerwG, aaO.; vgl. daneben auch VGH Kassel, Beschl. v. 18.2.1991 - 1 TH 85/91 -, NVwZ-RR 1992, 34, 35).

24

Im Rahmen des Bewerbungsverfahrensanspruchs hat der Dienstherrn sich an dem aus Art. 33 Abs. 2 GG und § 7 BRRG folgenden Leistungsgrundsatz zu orientieren, so dass die Auswahl unter den Bewerbern nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung vorzunehmen ist. Darauf hat der Beamte einen Rechtsanspruch. Bei der Beurteilung der Frage, welcher der Bewerber am besten geeignet und befähigt sowie am leistungsstärksten ist, hat der Dienstherr nur auf unmittelbar leistungsbezogene Kriterien zurückzugreifen.

25

1. Die Begründung des Schreibens vom 16. Mai 2008 genügt hier nicht den Anforderungen, die an eine zureichende Begründung der Auswahlentscheidung zu stellen sind. Vgl. dazu Nds. OVG v. 14.1.2008 - 5 ME 317/07 -:

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"Als Verwaltungsakt unterliegt die Ablehnung der Auswahl eines Beförderungsbewerbers einem Begründungserfordernis. Diesem Begründungserfordernis ist nicht bereits dann genügt, „wenn nach ständiger Verwaltungspraxis bekannt und gewährleistet ist, dass dem abgelehnten Bewerber die Gründe für die Auswahlentscheidung durch Auskunft oder Einsichtnahme zugänglich gemacht werden“. Vielmehr folgt aus Art. 33 Abs. 2 i. V. m. Art. 19 Abs. 4 GG eine Verpflichtung der Antragsgegnerin, die wesentlichen Auswahlerwägungen schriftlich niederzulegen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 9. 7. 2007 - 2 BvR 206/07 -, DÖD 2007, 279 [280 f.]). Die alleinige Möglichkeit, auf Anfrage Auskünfte über den Inhalt dieser Auswahlerwägungen zu erhalten, würde daher schon aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht genügen. Über die verfassungsrechtlichen Anforderungen hinausgehend ergibt sich zudem einfachgesetzlich aus den §§ 1 Abs. 1 NVwVfG, 39 Abs. 1 VwVfG, dass dem erfolglosen Beförderungsbewerber bereits in der Begründung, mit der die Behörde ihren ablehnenden schriftlichen Verwaltungsakt zu versehen hat, diejenigen der wesentlichen Auswahlerwägungen mitzuteilen sind, die dafür maßgeblich waren, dass gerade dem Adressaten des ablehnenden Bescheides der Ausgewählte vorgezogen wurde (vgl. Nds. OVG, Beschlüsse v. 16. 5. 2007 - 5 ME 116/07 -, JURIS, RdNr. 5 und 7 des Langtextes sowie - 5 ME 167/07 -, NVwZ-RR 2007 637 [OVG Niedersachsen 16.05.2007 - 5 ME 167/07] [638])."

27

Tragfähig ist die Begründung deshalb nicht, weil der sog. "Laufbahnvorsprung", der hier zu Gunsten der Antragstellerin als Oberstudienrätin zum Zuge kommen kann, überhaupt nicht erwähnt und bewertet worden ist, die Begründung vielmehr allein und sachlich nicht zutreffend auf einen "Notenvorsprung" des Beigeladenen abstellt.

28

2. Die Schlussfolgerung der Antragsgegnerin, wer didaktisch-methodisch sehr guten Unterricht erteilen könne, so wie das für den Beigeladenen in der Unterrichtsbesichtigung vom 21. Januar 2008 im Fach Englisch festgestellt worden sei, der habe auch (automatisch) eine sehr gute fachliche Eignung für die ausgeschriebene Stelle aufzuweisen (so S. 4 des Auswahlvermerks, Pkt. 11 / Beig.), stellt sich als kurzschlüssig dar. Die im Anforderungsprofil (S. 3 des Auswahlvermerks) aufgezählten Qualifikationen treten nicht schon dann sichtbar hervor, wenn ein didaktisch-methodisch sehr guter Unterricht in einer Schulklasse gehalten wird. Insofern ist die Auswahlentscheidung auf einen Gesichtspunkt gestützt, der für die ausgeschriebene Stelle mit ihren sehr viel weitergehenden Anforderungen (vergl. S. 3 des Auswahlvermerks unter II "erforderliche Qualifikationen") nicht tragfähig ist. Dieser Mangel der Auswahlentscheidung ist von der Antragsgegnerin in einer erneuten Entscheidung sachgerecht und kompetent auszugleichen.

29

Im Hinblick auf das Anforderungsprofil werden der Antragstellerin im Auswahlvermerk vom Februar 2008 "hohe Kommunikationsfähigkeit, Beratungskompetenz, Überzeugungskraft, Durchsetzungsvermögen sowie Kooperations- und Teamfähigkeit" attestiert. Damit hat sie bei einer erneuten Auswahlentscheidung gute Chancen, selbst ausgewählt zu werden. Insofern ist ihr Bewerbungsverfahrensanspruch tangiert.

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3. Soweit die Antragsgegnerin den Versuch unternommen hat, die erkennbar mangelhafte Begründung des Schreibens vom 16. Mai 2008 und ihrer Auswahlentscheidung nachzubessern und durch tatsächlich bereits vorliegende, zunächst jedoch nicht ausreichend wiedergegebene Gründe iSe "nachträglichen Bekanntgabe" zu ergänzen, ist dieser Versuch hier misslungen. Denn der konstatierte Unterschied in der Vollnote war und ist die tragende Begründung dafür, die Antragstellerin nicht auszuwählen. Dafür spricht schon die Darstellung (S. 2 d. Schr. 17.6.2008), dass der Statusvorsprung der Antragstellerin erst dann zum Zuge kommen könne, wenn ein Notengleichstand festzustellen sei, vorher jedoch nicht. Das bedeutet, dass hier der Notenunterschied in der dienstlichen Beurteilung für die Auswahlentscheidung allein maßgeblich war, worauf die Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 17. Juni 2008 ja auch nochmals verwiesen hat (S. 2 : "die dienstlichen Beurteilungen … schließen mit unterschiedlichen Noten ab").

31

Zwar hat die Antragsgegnerin unter Bezug auf den Auswahlvermerk ergänzend auch auf die Kompetenz des Beigeladenen abgehoben, bei der planerischen Arbeit mit der "Schulsoftware" vorbildlich umgehen zu können, woran es der Antragstellerin derzeit noch mangele, aber dieser Gesichtspunkt wird nur als ein "weiterer, den Leistungsgrundsatz wahrender" Punkt eingeführt (S. 2 unten des Schr. v. 17.6.2008), wobei angemerkt sei, dass dieser Gesichtspunkt nicht - als PC- und Software-Kompetenz - im Anforderungsprofil selbst enthalten ist. Es dürfte für die zu treffende Auswahlentscheidung auch zu kurz greifen, lediglich auf die angesprochene Kompetenz zurückzugreifen, ohne andere, das Anforderungsprofil abgreifende Gesichtspunkte aufzugreifen und zu bewerten.

32

Auch kann wohl nicht ausgeschlossen werden, dass es der Antragstellerin, wie sie im stellenbezogenen Bewerbergespräch ausgeführt hat, in kurzer Zeit gelingen wird, die entsprechenden Lücken schnell zu schließen - zumal sie bereits die Präsentation des Fachs Latein auf der schuleigenen Homepage des Gymnasiums D. eingerichtet hat, ihr also der Umgang mit Software geläufig ist.

33

Eine Verlagerung des Schwerpunktes der getroffenen Auswahlentscheidung weg von der bloßen Notendifferenz und hin zu anderen Ergänzungskriterien ist jedoch nicht (mehr) möglich:

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"Diese Möglichkeit findet ihre Grenzen aber dort, wo das Wesen der ursprünglichen Auswahlentscheidung verändert wird (BVerwG, Beschl. v. 20. 8. 2003 - BVerwG 1 WB 23.03 -, in: Schütz, BeamtR ES/A II 1.4 Nr. 107), indem sie der Dienstherr gleichsam mit einem neuen argumentativen Unterbau versieht (Nds. OVG, Beschl. v. 16. 5. 2007 - 5 ME 116/07 -, JURIS, RdNr. 7 des Langtextes, m. w. N.). Die Errichtung eines solchen dem ursprünglichen nicht wesensgleichen Unterbaus stellt es indessen dar, dass die Antragsgegnerin die Ablehnung der Auswahl des Antragstellers nunmehr statt mit einer Vollnotendifferenz zwischen den Gesamturteilen in den letzten dienstlichen Beurteilungen tragend auf einen Leistungsvergleich anhand des „Kriterienkatalogs“ zu stützen versucht." - Nds. OVG, Beschl. v. 14.1.2008 - 5 ME 317/07 -.

35

4. Schließlich führt auch eine Abwägung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dazu, dass hier die erstrebte einstweilige Anordnung zu erlassen ist: Unterbliebe nämlich die einstweilige Anordnung, so könnte dem ausgewählten Beigeladenen die ausgeschriebene Stelle übertragen werden. Stellte sich später im Klageverfahren die Rechtswidrigkeit der angegriffenen Auswahlentscheidung heraus, ließe sich der Eingriff in das Bewerbungsverfahrensrecht der Antragstellerin durch eine erneute Durchführung des Auswahlverfahrens nicht mehr korrigieren (vgl. BVerwGE 80, 127 [129f.] = NVwZ 1989, 158 [BVerwG 25.08.1988 - BVerwG 2 C 62/85]; zur Verfassungskonformität BVerfG [ 3. Kammer des Zweiten Senats ], NJW 1990, 501 [BVerfG 19.09.1989 - 2 BvR 1576/88]; BVerwG , NVwZ 2002, 604 = DVBl 2002, 203 [204]).

36

Gegenüber dem Rechtsverlust, der der Antragstellerin damit drohte, sind die Nachteile, die entstünden, wenn die einstweilige Anordnung erlassen würde, der rechtshängigen Klage aber später der Erfolg zu versagen wäre, weniger gewichtig. Denn in diesem Fall hätte der Beigeladene lediglich einen Zeitverlust hinsichtlich der Wahrnehmung neuer Aufgaben hinzunehmen. Dies erscheint im Interesse einer sachgerechten Rechtsfindung und Entscheidung hinnehmbar.

37

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 3, 52 Abs. 1 und 2 GKG.