Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 29.07.2008, Az.: 4 A 220/06

OGS - Genehmigung; Zahlungsansprüche

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
29.07.2008
Aktenzeichen
4 A 220/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 45938
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGLUENE:2008:0729.4A220.06.0A

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Zuweisung von Genehmigungen, die für die Betriebsprämienregelung angemeldeten Flächen auch zur Produktion von Obst, Gemüse oder anderen Kartoffeln als Stärkekartoffeln zu nutzen (sog. OGS-Genehmigungen).

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Die Klägerin ist Inhaberin eines landwirtschaftlichen Betriebes, welcher hauptsächlich Heidelbeeren sowie Spargel und Rhabarber anbaut. Der Betrieb ist zuvor von ihrem Ehemann geführt worden. Mit Pachtvertrag vom 1. Oktober 2003 verpachtete dieser die Flächen des Betriebes mit Wirkung ab dem 1. Oktober 2003 für die Dauer von elf Jahren an die Klägerin. Die Klägerin zeigte der Landwirtschaftskammer Hannover die Betriebsübernahme unter Vorlage des Pachtvertrages vom 1. Oktober 2003 am 16. Dezember 2004 an. Zuvor, mit "Erklärung zum OGS-Anbau 2003/2004" vom 26. Oktober 2004, machte die Klägerin der Landwirtschaftskammer Hannover Angaben zu der OGS-Anbaufläche in den Jahren 2003 und 2004.

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Die Klägerin stellte am 13. Mai 2005 einen Antrag auf Festsetzung von Zahlungsansprüchen bei der Landwirtschaftskammer Hannover. Dabei beantragte sie unter Ziffer II.6 des Formularantrages die Zuweisung von OGS-Genehmigungen im Umfang der nachgewiesenen Anbauflächen, die 2003 bzw. 2004 mit OGS als Hauptkultur bestellt waren. Mit Bescheid vom 7. April 2006 setzte die Beklagte die der Klägerin zustehenden Zahlungsansprüche fest, und zwar 19,03 Zahlungsansprüche ohne OGS-Genehmigung zum Wert von 255,12 EUR.

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Mit Bescheid vom 1. September 2006 hob die Beklagte die durch Bescheid vom 7. April 2006 festgesetzte Anzahl von OGS-Genehmigungen auf und wies der Klägerin OGS-Genehmigungen für 0 ha zu. Um den nachträglich bekannt gewordenen Mehrbedarf an OGS-Genehmigungen in der Region Niedersachsen/Bremen decken zu können, müsse eine weitere Kürzung der OGS-Genehmigungen erfolgen, weil ansonsten die der Region zustehende Obergrenze von 76 347 überschritten werde. Im Übrigen bleibe der Festsetzungsbescheid vom 7. April 2006 unverändert.

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Zuvor, am 24. Mai 2006, hat die Klägerin Klage gegen den Bescheid vom 7. April 2006 erhoben.

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Zur Begründung trägt sie vor, es könne nicht sein, dass ihr Antrag auf Anerkennung der OGS- Anbaugrundlagen mit dem Hinweis abgelehnt werde, dass in 2003 ihr Ehemann Betriebsinhaber gewesen sei. Die unterschiedliche Behandlung der Fallkonstellation, in welcher der Betrieb von dem Ehemann im Rahmen der Erbfolge übernommen werde, sei nicht gerechtfertigt. Da für ihren Sonderkulturanbau bis 2005 keine Prämiengewährung vorgesehen gewesen sei, hätten weder sie noch ihr Ehemann einen Antrag auf Prämiengewährung zu den jeweiligen Antragsterminen in den Jahren 2000 bis 2004 gestellt. Die angeforderte Anbauaufstellung für die Jahre 2003 und 2004 mit entsprechenden Nachweisen, aus denen hervorgehe, dass ein Sonderkulturanbau in diesen Jahren wirklich bestanden habe, habe sie eingereicht. Nach dem europäischen Gemeinschaftsrecht sei zudem auf die Fläche, und damit auf den Betrieb, und nicht auf die wirtschaftende Person abzustellen.

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Die Klägerin beantragt,

  1. die Beklagte zu verpflichten, ihr für eine Fläche von 19,13 ha abzüglich der regionalen Plafondkürzung OGS-Genehmigungen zu erteilen, und den Bescheid der Beklagten vom 7. April 2006 aufzuheben, soweit er dem entgegensteht.

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Die Beklagte beantragt,

  1. die Klage abzuweisen.

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Die Klägerin habe ausweislich des Pachtvertrages vom 1. Oktober 2003 den Betrieb erst zum 1. Oktober 2003 von ihrem Ehemann übernommen. Nicht die Klägerin, sondern ihr Ehemann hätte daher die Erklärung zum OGS- Anbau 2003/2004 abgeben müssen. Die Flächen hätten diesem und nicht der Klägerin im Jahr 2003 zur Produktion von Kulturarten im Sinne von Art. 60 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1782/2003 zur Verfügung gestanden. Maßgeblich sei dabei die Bewirtschaftung zum 15. Mai 2003, wie sich aus § 11 Abs. 1 Nr. 1 InVeKoSV ergebe. Aus diesem Grunde seien der Klägerin keine OGS- Genehmigungen zuzuweisen gewesen. Entgegen der Auffassung der Klägerin seien die Zahlungsansprüche an die Person und nicht an den Betrieb gebunden. Daher hätten die OGS- Genehmigungen vom Ehemann der Klägerin mittels der Vordrucke X und Y auf die Klägerin übertragen werden müssen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage hat Erfolg. Sie ist zulässig und begründet.

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Die Klage ist zunächst zulässig. Insbesondere ist das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin nicht dadurch entfallen, dass die maßgebenden gemeinschaftsrechtlichen Grundlagen mit Wirkung ab dem 1. Januar 2008 geändert wurden und künftig OGS - Genehmigungen nicht mehr erforderlich sein werden [vgl. VO (EG) Nr. 1182/2007 des Rates vom 26.9.2007, ABl. Nr. L 273/1]. Die Klägerin wäre durch die Bewilligung zusätzlicher OGS - Genehmigungen nach wie vor begünstigt, weil sie in 2005 und den folgenden Jahren Obst auf Flächen angebaut hat, mit denen sie wegen fehlender OGS- Genehmigungen Zahlungsansprüche im Sinne der Regelungen über die einheitliche Betriebsprämie in Titel III der VO (EG) Nr. 1782/2003 des Rates vom 29. September 2003 mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe (ABl. Nr. L 270/1) nicht aktivieren konnte. Die Beklagte hat der Klägerin mit Schreiben vom 14. Juni 2006 zugesichert, den für das Jahr 2005 ergangenen Bescheid über die Bewilligung der Betriebsprämie dem Ausgang des vorliegenden Verfahrens anzupassen.

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Das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin für ihre auf Zuweisung von OGS - Genehmigungen gerichtete Klage ist auch nicht durch den Bescheid vom 1. September 2006 entfallen. Dieser Bescheid enthält keine bestandskräftige neue Regelung zu der hier umstrittenen Frage, ob der Klägerin die Zuweisung von OGS - Genehmigungen beanspruchen kann. Er diente allein der Korrektur mit Rücksicht auf die regionale Obergrenze und wiederholt im Fall der Klägerin lediglich die Entscheidung vom 7. April 2006 zu den OGS- Genehmigungen, indem diese wiederum auf 0 festgesetzt werden.

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Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf OGS- Genehmigungen im Umfang der OGS- Anbaufläche im Jahr 2003 abzüglich der Kürzung im Hinblick auf den Plafond der Region Niedersachsen/Bremen. Die Beihilfen im Rahmen der Betriebsprämienregelung nach Titel III der VO (EG) Nr. 1782/2003 werden gemäß Art. 36 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1782/2003 auf der Grundlage der Zahlungsansprüche für eine entsprechende Hektarzahl beihilfefähiger Flächen im Sinne des Art. 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1782/2003 gezahlt. Jeder Zahlungsanspruch gibt zusammen mit je einem Hektar beihilfefähiger Fläche Anspruch auf die Zahlung des mit dem Zahlungsanspruch festgesetzten Betrags [Art. 44 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 1782/2003]. Bis zum 31. Dezember 2007 durften die Betriebsinhaber die für die Betriebsprämienregelung angemeldeten Flächen u.a. nicht für die Produktion von Obst, Gemüse oder anderen Kartoffeln als Stärkekartoffeln - OGS - nutzen [Art. 51 VO (EG) Nr. 1782/2003 in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung]. Machte ein Mitgliedstaat - wie hier die Bundesrepublik Deutschland - von der Möglichkeit Gebrauch, die Betriebsprämienregelung in Form des sog. Kombinationsmodells anzuwenden [vgl. Art. 58, 59 VO (EG) Nr. 1782/2003, §§ 2, 5 BetrPrämDurchfG], wurde einem Betriebsinhaber im Rahmen der für die betreffende Region nach Art. 60 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1782/2003 bestimmten Obergrenze gestattet, die zur Betriebsprämienregelung angemeldeten Flächen für die Produktion der genannten Erzeugnisse zu nutzen und zwar innerhalb der Obergrenze der Hektarzahl, die er für diese Erzeugnisse im Jahr 2003 genutzt hat [Art. 60 Abs. 3 lit. a) VO (EG) Nr. 1782/2003]. Voraussetzung war eine Genehmigung, die innerhalb der betreffenden Region zusammen mit dem entsprechenden Zahlungsanspruch verwendet wurde [Art. 60 Abs. 6 und 7 VO (EG) Nr. 1782/2003]. Die Genehmigung war im Antrag auf Festsetzung der Zahlungsansprüche unter Beifügung geeigneter Nachweise bis zum 15. Mai 2005 zu beantragen (§ 14 Abs. 1 InVeKoSV in der Fassung v. 3.12.2004, BGBl. I, S. 3194).

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Nach Maßgabe dieser Vorschriften liegen die Voraussetzungen für die Zuweisung von Zahlungsansprüchen mit OGS- Genehmigung auf der Grundlage einer Anbaufläche von 19,13 ha im Fall der Klägerin vor. Die Klägerin hat die formellen Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 InVeKoSV in der Fassung vom 3. Dezember 2004 erfüllt. Sie hat die Zuweisung von OGS- Genehmigungen unter Ziffer II.6 des Formularantrages auf Festsetzung von Zahlungsansprüchen beantragt. Sie hat ferner mit ihrer "Erklärung zum OGS- Anbau 2003/2004" vom 26. Oktober 2004 die erforderlichen Nachweise für die OGS- Anbaufläche in 2003 und 2004 vorgelegt.

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Auch materiell erfüllt die Klägerin die Voraussetzungen der Zuweisung von OGS- Genehmigungen auf der Grundlage einer Anbaufläche von 19,13 ha. Sie hat im maßgeblichen Jahr 2003 im genannten Umfang OGS- Erzeugnisse angebaut. Die Klägerin hat die Flächen des zuvor von ihrem Ehemann geführten Betriebs mit Pachtvertrag vom 1. Oktober 2003 zu diesem Datum übernommen. In der Folge hat die Klägerin die Flächen von Oktober bis Dezember 2003 bewirtschaftet, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist maßgeblicher Zeitpunkt der Bewirtschaftung im Rahmen des Art. 60 Abs. 3 lit. a) VO (EG) Nr. 1782/2003 nicht der 15. Mai 2003. Die Vorschrift stellt vielmehr auf das Jahr 2003 ab, ohne ein konkretes Datum zu bestimmen. Für die Auffassung der Beklagten lässt sich auch keine andere Rechtsgrundlage finden. Die von der Beklagten zitierte Vorschrift des § 11 Abs. 1 Nr. 1 i.V. mit § 7 Abs. 2 Nr. 2 lit. a) InVeKoSV in der Fassung vom 3. Dezember 2004 bestimmt lediglich, dass in dem Antrag auf Festsetzung der Zahlungsansprüche für alle im Sammelantrag aufgeführten Flächen anzugeben ist, in welchem Umfang sie zum 15. Mai 2003 als Flächen für den Anbau von Obst, Gemüse und anderen Kartoffeln im Sinne des Artikels 60 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1782/2003 genutzt wurden. Es werden hierdurch nicht die materiellen Voraussetzungen für die Zuweisung von OGS- Genehmigungen aus Art. 60 Abs. 3 lit. a) VO (EG) Nr. 1782/2003 konkretisiert. Zwar mag der deutsche Verordnungsgeber bei Erlass der InVeKoS- Verordnung davon ausgegangen sein, dass für die Bestimmung der Anzahl der OGS- Genehmigungen die Angabe der OGS- Fläche zum 15. Mai 2003 erforderlich war (vgl. die Empfehlung d. Agrarausschusses v. 25.10.2004, BT-Drucks. 729/1/04, S. 7 sowie den Zustimmungsbeschl.d. Bundesrates v. 5.11.2004, BT-Drucks. 729/04, S. 5/6). Dies ist nach den maßgeblichen Vorschriften jedoch nicht der Fall.

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Der europäische Verordnungsgeber hat vielmehr in den Fällen, in welchen der Zeitpunkt, der für die für 2003 gestellten Beihilfeanträge "Flächen" vorgesehen ist - in der Bundesrepublik Deutschland gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 FlächenZV der 15. Mai 2003 - maßgeblich sein soll, dies ausdrücklich angeordnet [vgl. Art. 54 Abs. 2 sowie Art. 61 VO (EG) Nr. 1782/2003]. Wenn er dies in Art. 60 Abs. 3 lit. a) VO (EG) Nr. 1782/2003 hingegen unterlassen hat und ausdrücklich lediglich auf das Jahr 2003 abstellt, steht dies der Annahme entgegen, es sei nach dem Willen des europäischen Verordnungsgebers auch hier das für den Beihilfeantrag 2003 vorgesehene Fristende des 15. Mai 2003 maßgeblich. Es ist nach dem Wortlaut des Art. 60 Abs. 3 lit. a) VO (EG) Nr. 1782/2003 vielmehr davon auszugehen, dass es ausreichend ist, wenn der Betriebsinhaber innerhalb des maßgeblichen Jahres 2003 die Bewirtschaftung der OGS- Flächen aufgenommen hat, unabhängig davon ob dies vor oder nach dem 15. Mai 2003 geschehen ist.

18

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

19

Gründe für eine Zulassung der Berufung (§§ 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4, 124a Abs. 1 VwGO) liegen nicht vor.