Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 01.07.2008, Az.: 4 A 217/06

Zahlungsansprüche; Härtefall; Härtefall; Landschaftsschutzgebiet; Zahlungsansprüche

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
01.07.2008
Aktenzeichen
4 A 217/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 45890
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGLUENE:2008:0701.4A217.06.0A

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Zuweisung von weiteren Zahlungsansprüchen im Rahmen der einheitlichen Betriebsprämienregelung aufgrund eines geltend gemachten Härtefalles.

2

Der Kläger beantragte am 17. Mai 2005 bei der Landwirtschaftskammer Hannover die Festsetzung von Zahlungsansprüchen. Unter Ziffer II.5 des Formularantrages ("außergewöhnliche Umstände/ höhere Gewalt") stellte er dabei einen Antrag auf Festsetzung von Zahlungsansprüchen für Flächen, die im Rahmen einer öffentlichen Infrastrukturmaßnahme vorübergehend zu nicht landwirtschaftlichen Zwecken genutzt werden. In dem beigefügten "Vordruck O" und dem Schreiben vom 15. Mai 2005 erklärte der Kläger hierzu, die Flächen des Schlages 2 und 3 im "C." zur Größe von 17,887 ha abzüglich der Hof- und Gebäudefläche in Größe von 0,217 ha seien seit dem 3. März 1995 unter Landschaftsschutz gestellt und daher nicht mehr zu bewirtschaften. In der Folge sei eine Verbuschung und Bewaldung auf den Flächen eingetreten. Es sei ihm bisher keine Entschädigung gezahlt worden, daher beantrage er ab dem Jahr 2005 Agrarförderung für diese Flächen.

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Mit Bescheid vom 7. April 2004 setzte die Beklagte die dem Kläger zustehenden Zahlungsansprüche fest, und zwar 5,27 Zahlungsansprüche ohne OGS-Genehmigung im Wert von 230,72 EUR. Den Härtefall-Antrag lehnte die Beklagte ab mit der Begründung, es handele sich nicht um eine öffentliche Infrastrukturmaßnahme.

4

Am 23. Mai 2006 hat der Kläger Klage erhoben.

5

Er trägt unter Wiederholung und Vertiefung seines Vorbringens im Verwaltungsverfahren vor, die Flächen im "C." seien am 3. März 1995 mit Sicherstellungsverfügung sichergestellt und am 27. Februar 1997 unter Landschaftsschutz gestellt worden. Er habe seinerzeit keine Entschädigung erhalten. Er wolle für den Fall, dass der Landschaftsschutz in den kommenden Jahren aufgehoben werde und er die Flächen wieder landwirtschaftlich nutzen könne, die Möglichkeit sichern, Betriebsprämie für die Flächen gewährt zu bekommen.

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Der Kläger beantragt,

  1. die Beklagte zu verpflichten, ihm für weitere 10,515 ha Zahlungsansprüche zum Wert von 230,72 EUR und für weitere 7,155 ha Zahlungsansprüche zum Wert von 386,09 EUR zuzuweisen, und den Bescheid vom 7. April 2006 aufzuheben, soweit er dem entgegensteht.

7

Die Beklagte beantragt,

  1. die Klage abzuweisen.

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Der Härtefallantrag hinsichtlich der Festsetzung von Zahlungsansprüchen für Flächen, die im Rahmen einer öffentlichen Infrastrukturmaßnahme vorübergehend der landwirtschaftlichen Nutzung entzogen wurden, sei abzulehnen gewesen, da es sich bei einer Maßnahme des Landschaftsschutzes nicht um eine öffentliche Infrastrukturmaßnahme handele. Für Flächen, die durch eine Landschaftsschutzmaßnahme der landwirtschaftlichen Nutzung entzogen worden seien, sehe die Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 keine Zahlungsansprüche vor, so dass eine Berücksichtigung der Fläche nicht erfolgen könne.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage hat in der Sache keinen Erfolg.

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Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuweisung weiterer Zahlungsansprüche für die Flächen der Schläge 2 und 3 ("C."). Die Voraussetzungen der maßgeblichen Bestimmungen des Titel III der VO (EG) Nr. 1782/2003 des Rates vom 29. September 2003 mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe (ABl. Nr. L 270/1) sind nicht gegeben. Danach entspricht die Anzahl der Zahlungsansprüche je Betriebsinhaber der Hektarzahl der beihilfefähigen Flächen im Sinne des Art. 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1782/2003, die er im ersten Jahr der Anwendung der Betriebsprämienregelung angemeldet hat, außer im Fall höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände im Sinne des Art. 40 Abs. 4 VO (EG) Nr. 1782/2003 [Art. 59 Abs. 4 VO (EG) Nr. 1782/2003]. Nach dieser Vorschrift werden als höhere Gewalt oder außergewöhnliche Umstände von der zuständigen Behörde unter anderem anerkannt a) Tod des Betriebsinhabers, b) länger andauernde Berufsunfähigkeit des Betriebsinhabers, c) eine schwere Naturkatastrophe, die die landwirtschaftliche Fläche des Betriebs erheblich in Mitleidenschaft zieht, d) unfallbedingte Zerstörung von Stallgebäuden des Betriebs, e) Seuchenbefall des ganzen oder eines Teils des Tierbestands des Betriebsinhabers.

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Nach Maßgabe dieser Bestimmungen kann der Kläger die Berücksichtigung der Flächen der Schläge 2 und 3 im "C." bei der Festsetzung der Anzahl seiner Zahlungsansprüche nicht beanspruchen. Es handelt sich bei den Flächen nicht um beihilfefähige Fläche im Sinne von Art. 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1782/2003. Diese umfasst jede landwirtschaftliche Fläche des Betriebs, die als Ackerland oder Dauergrünland genutzt wird, ausgenommen die für Dauerkulturen, Wälder oder nicht landwirtschaftliche Tätigkeiten genutzten Flächen. Die Flächen der Schläge 2 und 3 sind nach Angaben des Klägers unter Landschaftsschutz gestellt. Sie sind nach seinen Angaben seit dem Jahr 1995 in keiner Weise für landwirtschaftliche Tätigkeiten genutzt worden. Die Flächen sind aber auch nicht nach Art. 59 Abs. 4 i.V. mit Art. 40 Abs. 4 VO (EG) Nr. 1782/2003 zu berücksichtigen. Ein Fall von höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände im Sinne von Art. 40 Abs. 4 VO (EG) Nr. 1782/2003 liegt nicht vor. Aus dem Wortlaut der Vorschrift ("unter anderem") ergibt sich, dass es sich bei den dort angeführten Fällen um keine abschließende, sondern lediglich um eine beispielhafte Aufzählung handelt und auch andere als die ausdrücklich genannten Ereignisse als höhere Gewalt bzw. außergewöhnliche Umstände anerkannt werden können, soweit sie diesen gleichzustellen sind. Von höherer Gewalt im gemeinschaftsrechtlichen Sinne sind grundsätzlich alle ungewöhnlichen und unvorhersehbaren Ereignisse erfasst, auf die derjenige, der sich auf höhere Gewalt beruft, keinen Einfluss hat und deren Folgen trotz Anwendung der gebotenen Sorgfalt nicht hätten vermieden werden können (EuGH, Urt.v.  5.10.2006 - C-105/02 - juris, Urt.v.  22.1.1986 - C-266/84 - juris). Der Begriff der höheren Gewalt ist dabei unter Berücksichtigung des Zusammenhangs, in dem er steht, auszulegen (EuGH, Urt.v.  22.1.1986 - C-266/84 - juris). Unter außergewöhnlichen Umständen im Sinne des Art. 40 Abs. 4 VO (EG) Nr. 1782/2003 können aufgrund der Systematik der Vorschrift, die beide Begrifflichkeiten zusammen unter Anführung gemeinsamer Beispiele nennt, nur solche Fälle gefasst werden, die denen höherer Gewalt gleichstehen. Wesentliches gemeinsames Merkmal der in Art. 40 Abs. 4 beispielhaft aufgezählten Fälle von höherer Gewalt und außergewöhnlichen Umständen ist dabei, dass sie sämtlich ein tatsächliches Ereignis betreffen, das unmittelbar den Betriebsinhaber oder den Betrieb beeinträchtigt (vgl. VG Aachen, Urt.v. 2.1.2008 - 6 K 1456/06 - juris).

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Unter Anwendung dieses Maßstabs liegt hinsichtlich der Flächen der Schläge 2 und 3 des Klägers kein Fall von höherer Gewalt oder außergewöhnlichen Umständen im Sinne von Art. 40 Abs. 4 VO (EG) Nr. 1782/2003 vor. Es ist weder einer der in der Vorschrift beispielhaft aufgezählten Fälle gegeben, noch liegt ein gleichzustellender Fall vor. Zunächst liegt der im Formularantrag auf Festsetzung von Zahlungsansprüchen unter Ziffer II.5 vorgesehene Härtefall einer öffentlichen Infrastrukturmaßnahme offensichtlich nicht vor. Darüber hinaus ist aber auch kein anderer gleichzustellender Fall gegeben. Darin, dass die Flächen des Klägers unter Landschaftsschutz gestellt worden sind, liegt kein tatsächliches Ereignis, das sich unmittelbar produktionsbeeinträchtigend auf den Betrieb des Klägers ausgewirkt hätte. Es handelt sich hierbei vielmehr um einen Rechtsakt, der unmittelbar zu der rechtlichen Konsequenz führte, dass es dem Kläger fortan untersagt war, die Flächen landwirtschaftlich zu nutzen. Dass Rechtsakte bzw. rechtliche Umstände oder Bedingungen nicht unter den Begriff der höheren Gewalt und außergewöhnlichen Umstände fallen, verdeutlicht auch Art. 40 Abs. 5 VO (EG) Nr. 1782/2003. Dieser bestimmt ausdrücklich eine entsprechende Anwendung der Regelung der Fälle höherer Gewalt und außergewöhnlicher Umstände auf den Fall von Betriebsinhabern, die während des Bezugszeitraums Verpflichtungen bezüglich bestimmter Agrarumweltmaßnahmen unterlagen.

14

Im Übrigen hat die Erklärung zum Landschaftsschutzgebiet langfristige Folgen, während sich Art. 40 Abs. 4 VO (EG) Nr. 1782/2003 sowohl nach dessen Wortlaut als auch nach dessen Systematik und Sinn und Zweck grundsätzlich auf vorübergehende Umstände bzw. Produktionsbeeinträchtigungen bezieht. Dies ergibt sich schon daraus, dass Zahlungsansprüche für den betroffenen Landwirt nur von Nutzen sind, wenn sie mit den entsprechenden Flächen aktiviert werden können. Dies ist bei Flächen, die unter Landschaftsschutz gestellt worden sind, aber grundsätzlich auf absehbare Zeit nicht der Fall. So stehen die hier fraglichen Flächen nach Angaben des Klägers bereits seit 1995 bzw. 1997 unter Landschaftsschutz. Dass die Landschaftsschutzgebietsverordnung - nach dem Vorbringen des Klägers - möglicherweise in den kommenden Jahren aufgehoben wird, ändert nichts an der grundsätzlich langfristigen Perspektive der Erklärung zum Landschaftsschutzgebiet.

15

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

16

Gründe für eine Zulassung der Berufung (§§ 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4, 124a Abs. 1 VwGO) liegen nicht vor.