Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 18.07.2008, Az.: 4 B 15/08
Untersagung eines Heimbetriebs gem. § 19 Abs. 1 i.V.m. § 11 Heimgesetz (HeimG); Aktivlegitimation des Insolvenzverwalters bei einem Insolvenzverfahren über das Vermögen des Betreibers eines Altenpflegezentrums; Wirksame Vertretung von Gesellschaften nach Auflösung durch Insolvenz
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 18.07.2008
- Aktenzeichen
- 4 B 15/08
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2008, 30194
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGLUENE:2008:0718.4B15.08.0A
Rechtsgrundlagen
- § 35 Abs. 1 InsO
- § 80 Abs. 1 InsO
- § 131 Abs. 1 Nr. 3 HGB
- § 161 Abs. 2 HGB
- § 164 HGB
- § 35 GmbHG
- § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG
- § 35 GewO
- § 11 HeimG
- § 19 Abs. 1 HeimG
Fundstellen
- BtMan 2009, 35
- PflR 2008, 506-511 (Volltext mit red. LS u. Anm.)
- ZInsO 2009, 973-974
Gründe
I.
Die Antragstellerin betreibt das Altenpflegezentrum F. in G.. Der Heimbetrieb wurde von der Antragstellerin mit Wirkung ab 1. Januar 2002 von der bisherigen Betreiberin übernommen. Im Laufe des Jahres 2002 wurde ein Insolvenzverfahren beim Amtsgericht H. über das Vermögen der Antragstellerin anhängig. Anfang Februar 2003 wurde der die Antragstellerin in diesem Verfahren vertretende Insolvenzverwalter ernannt.
Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung Niedersachsen (MDKN) führte im Auftrag der Verbände der gesetzlichen Pflegekassen in Niedersachsen in der Einrichtung der Antragstellerin mehrere Qualitätsprüfungen durch. Mitarbeiter des Antragsgegners beteiligten sich regelmäßig an den Überprüfungen. Die Erhebungen und Bewertungen der Qualitätsprüfung am 11. Dezember 2007, eine anlassbezogene Teilprüfung, wurde von dem MDKV in einem Prüfbericht vom 14. Januar 2008 festgehalten. Mit Bescheid der Verbände der gesetzlichen Pflegekassen in Niedersachsen (hier: VdAK) vom 12. Februar 2008 wurde der Einrichtung aufgegeben, bis zum 25. März 2008 im Einzelnen ziffernmäßig nach den Prüfbericht aufgeführte Maßnahmen (kurzfristiger Handlungsbedarf) umzusetzen. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig. Am 18. März 2008 erklärte die Heimleitung die Umsetzung der geforderten Maßnahmen.
Am 29. April 2008 fand unter Beteiligung der Heimaufsicht des Antragsgegners eine erneute Qualitätsprüfung des MDKN statt, in deren Rahmen unter anderem einzelne Punkte der Versorgung und Pflege von fünf Heimbewohnern der Pflegestufe III geprüft wurde. Unter ihnen befand sich eine Person, deren Heimbetreuung bereits bei der vorangegangenen Überprüfung in den Blick genommen worden war. Das Ergebnis der Überprüfung wurde in einem Prüfbericht des MDKN vom 5. Mai 2008 zusammengefasst. Danach waren nur wenige Maßnahmen des Bescheides vom 12. Februar 2008 umgesetzt. Die nicht erledigten Maßnahmen wurden neu benannt. Aus der aktuell begutachteten Pflegesituation resultierten zusätzliche Empfehlungen und es wurde weiterer sog. kurzfristiger Handlungsbedarf gesehen, der zu den einzelnen Prüfpunkten aufgelistet wurde. Die Antragstellerin wurde dazu angehört. Am 20. Mai 2008 fand ein Gespräch bei dem MDKN in H. statt. Mit Schreiben vom 27. Mai 2008 an den VdAK trat der Insolvenzverwalter der Antragstellerin dem Prüfbericht entgegen.
Die Heimaufsicht des Antragsgegners verfügte aufgrund der Prüfung vom 29. April 2008 einen sofortigen Aufnahmestopp, wobei zwischen den Beteiligten umstritten ist, ob ein solcher Aufnahmestopp bereits mündlich am 29. April 2008 vor Ort ausgesprochen wurde oder erst durch einen an die Antragstellerin gerichteten Bescheid vom 16. Mai 2008, für den die sofortige Vollziehung angeordnet wurde.
Am 5. Juni 2008 hat die Antragstellerin, vertreten durch den Insolvenzverwalter, gegen den Bescheid vom 16. Mai 2008 Klage (4 A 113/08) erhoben und beantragt die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 16. Mai 2008 wieder herzustellen, hilfsweise den Bescheid des Antragsgegners vom 16. Mai 2008 dahingehend zu ändern, dass der Sofortvollzug nur Personen zur Heimaufnahme der Pflegestufe III betrifft.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Er scheitert bereits daran, dass ein zulässiger Antrag der Antragstellerin nicht vorliegt.
Der Insolvenzverwalter, der als Vertreter der Antragstellerin auftritt, kann die Antragstellerin nicht wirksam vertreten. Eine Kommanditgesellschaft (KG) wird von dem Komplementär vertreten ( § 164 HGB), hier einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), die durch ihre Geschäftsführung vertreten wird ( § 35 GmbHG). Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens sowohl über das Vermögen der KG als auch über das der GmbH sind beide Gesellschaften zwar aufgelöst worden (§ 161 Abs. 2 i.V.m. § 131 Abs. 1 Nr. 3 HGB und § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG). Aber die Auflösung durch Insolvenz führt nicht zur Liquidation (vgl. § 66 Abs. 1 GmbHG). Die Organe der Gesellschaft bleiben (zunächst) bestehen und behalten ihre Zuständigkeiten, so dass der Geschäftsführer weiterhin der Vertreter der Gesellschaft ist, soweit nicht der Insolvenzverwalter im Rahmen seiner Verwaltungs- und Verfügungsgewalt nach § 80 Abs. 1 InsO handelt. Dann tritt dieser aber nicht als Vertreter der insolventen Gesellschaft auf sondern im eigenen Namen als Inhaber seines Amtes in Bezug auf die Insolvenzmasse.
Das von den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin in den Raum gestellte Auswechseln des Aktivbeteiligten und die Fortführung des Verfahrens durch den Insolvenzverwalter wäre nicht sachdienlich gewesen. Denn Adressat der angegriffenen Verfügung ist die Antragstellerin als insolvente Gesellschaft, vertreten durch die Geschäftsführung, und der Antragsgegner hat seinen Bescheid damit auch an den richtigen Adressaten gerichtet.
Der verfügte Aufnahmestopp ist nicht etwa gegenüber dem Insolvenzverwalter auszusprechen gewesen. Er führt zwar das Unternehmen der Antragstellerin, u.a. den Heimbetrieb in G., fort (vgl. § 157 Abs. 1 InsO), wird damit aber nicht selbst Betreiber des Heims (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 18.1.2006 - 6 C 21.05 -). Er erlangt durch § 80 Abs. 1 InsO das Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Schuldners in Bezug auf das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen. Dies ist das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zurzeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt ( § 35 Abs. 1 InsO). Rechtspositionen ohne Vermögensbezug, insbesondere höchstpersönliche Rechtsbeziehungen, fallen nicht in die Insolvenzmasse (vgl. Braun, InsO, Kommentar 3. Aufl. 2007, § 35 Rdnr. 6). Ein Vermögensbezug besteht hier zwar insoweit, als der von der Antragsgegnerin verfügte Aufnahmestopp Vermögenswerte der Antragstellerin dadurch beeinträchtigt, dass ihre Geschäftstätigkeit eingeschränkt wird und damit unmittelbar auch ihr Vermögen betroffen wird, das zur Befriedigung der Gläubiger dient (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.12.2006 - 6 C 17.06 -). Ordnungsrechtliche und gefahrenrechtliche Verfügungen, die die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens einschränken oder verbieten, betreffen daher die Insolvenzmasse. Gegen solche Verfügungen kann der Insolvenzverwalter sich wenden (vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 23.9.2004
- 7 C 22.03 -; Beschluss vom 18.1.2006 - 6 C 21.05 -). Soweit aber eine Gewerbeuntersagung nach § 35 GewO wegen Unzuverlässigkeit in Rede steht, wird von der Behörde vorrangig an die berufliche Betätigung aus in der Person des Schuldners liegenden Gründen angeknüpft, so dass in erster Linie er selbst betroffen ist und dies zu den höchstpersönlichen Rechtsbeziehungen zählt, die nicht zur Insolvenzmasse gehören und gegen die sich demzufolge nicht der Insolvenzverwalter wenden kann, sondern der Schuldner dies selbst tun muss.
Der von dem Antragsgegner ausgesprochene Aufnahmestopp, der an das Heimgesetz anknüpft, hat zwar in Bezug auf die Antragstellerin, d.h. ihre Geschäftsführung, keine direkte persönliche Komponente. Der Aufnahmestopp wird vielmehr auf Umstände gestützt, die aus dem aktuellen Heimbetrieb herrühren, der unter der Regie des Insolvenzverwalters geführt wird. Da der Insolvenzverwalter durch die Fortführung des Heimes aber nicht selbst Gewerbetreibender (s. o.) und damit auch nicht Betreiber des Heimes wird, ist der an die Betreibereigenschaft anknüpfende Aufnahmestopp in Bezug auf den Adressaten wie eine Gewerbeuntersagung zu behandeln.
Nach alledem wäre der Eilantrag von der Antragstellerin, vertreten durch ihre Geschäftsführung, zu stellen gewesen. Der Insolvenzverwalter wäre lediglich beizuladen gewesen (vgl. in diesem Zusammenhang auch BVerwG, Urteil vom 13.4.2005 - 6 C 4.04 -).
Aber auch ein zulässiger Antrag wäre nicht erfolgreich gewesen. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 16. Mai 2008 wäre nicht wiederherzustellen gewesen.
Die aufschiebende Wirkung einer Klage ist dann gemäß § 80 Abs. 5 VwGO wieder herzustellen, wenn der für sofort vollziehbar erklärte Verwaltungsakt offensichtlich rechtsfehlerhaft ist, seine Anfechtung mithin aller Voraussicht nach zum Erfolg führen wird, oder wenn das private Interesse des Antragstellers, von der Vollziehung zunächst verschont zu werden, das nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO erforderliche besondere öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung überwiegt.
Die angegriffene Verfügung vom 16. Mai 2008 begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Unerheblich ist an dieser Stelle, ob der Aufnahmestopp bereits am 29. April 2008 ausgesprochen worden ist, und ob eine mögliche mündliche Verfügung wirksam gewesen ist. Denn der schriftlich verfügte Aufnahmestopp ist jedenfalls an den richtigen Adressaten gerichtet (s. o.) und nach der Sachlage, wie sie sich bei der in diesem Verfahren nur möglich summarischen Prüfung darstellt, materiell rechtlich begründet.
Der ausgesprochene Aufnahmestopp, also die Untersagung neue Heimbewohner aufzunehmen, ist bei Betrachtung des objektiven Regelungsgehaltes eine (Teil) - Untersagung des Heimbetriebes nach § 19 Abs. 1 i.V.m. § 11 HeimG. Unerheblich ist, dass der Antragsgegner seine Verfügung auf die §§ 11, 12 und 17 Abs. 1 HeimG gestützt hat und damit als Anordnung qualifiziert hat. Denn jedenfalls sind die in § 11 Abs. 1 HeimG aufgeführten Anforderungen, die für den Betrieb eines Heims gegeben sein müssen, nicht alle erfüllt, so dass die Heimaufsicht zum Einschreiten verpflichtet ist.
Der Antragsgegner hat sich in dem angefochtenen Bescheid auf die Feststellungen des MDKN in dem Prüfbericht vom 5. Mai 2008 bezogen und den dort aufgeführten sog. kurzfristigen Handlungsbedarf. Es handelt sich um 20 Punkte mit 58 Unterpunkten, wobei ein großer Teil der zugrunde liegenden Beanstandungen bereits bei der vorangegangenen Überprüfung am 11. Dezember 2007 festgestellt worden war. Auf die den Beteiligten bekannten Prüfberichte, deren Feststellungen hier nicht im Einzelnen wiedergegeben werden müssen, wird Bezug genommen. Der Antragsgegner hat in seinem Bescheid insbesondere folgende Mängel hervorgehoben, die er mit sehr hoher Priorität für die dem Heim anvertrauten Bewohner wertet:
"- teilweise keine ausreichende Wahrnehmung der leitungsbezogenen Aufgaben durch die verantwortliche Pflegekraft,
- teilweise kein sachgerechter Umgang bei Dekubitusgefährdung,
- teilweise kein sachgerechter Umgang bei vorliegendem Dekubitus,
- teilweise kein sachgerechter Umgang bei Inkontinenz (ohne Blasenverweilkatheter),
- teilweise kein sachgerechter Umgang bei einen Sturzrisiko,
- teilweise kein sachgerechter Umgang bei Einschränkungen in der selbständigen Nahrungs- und Flüssigkeitsausnahme."
Dies sind Qualitätsmängel in der Betreuung und Pflege, die geeignet sind, die Gesundheit der Bewohner in erheblichem Maße zu beeinträchtigen (vgl. § 11 Abs. 1 Nr. 3 HeimG). Unter sachgerechter Leitung des Heimbetriebes wäre zu erwarten gewesen, dass derart gravierende Mängel nicht vorkommen.
Die Kammer hat keine Veranlassung, die seitens des MDKN getroffenen Feststellungen und die pflegerische Bewertung mit den beschriebenen Risiken für die zu betreuenden Heimbewohner in Zweifel zu ziehen. Das von dem MDKN gefundene Ergebnis der Qualitätsprüfung basiert u.a. auf der Begutachtung der Pflege und Betreuung von fünf Versicherten der Pflegestufe III. In der Anlage zum Prüfbericht vom 5. Mai 2008 ist detailliert aufgeführt, welche körperlichen Beeinträchtigungen bei den Versicherten vorgelegen haben und welche Zustände vorgefunden worden sind, bzw. welcher Handlungs- und auch Dokumentationsbedarf nach Ansicht der Prüferinnen bestanden hat und der durch die Einrichtung nicht erfüllt worden ist.
Den detaillierten Aufzeichnungen ist die Antragstellerin im Wesentlichen nicht substantiiert entgegen getreten. Der Insolvenzverwalter der Antragstellerin hat zwar in seinem Schreiben vom 27. Mai 2008 an den VdAK, das der Antragsschrift beigefügt worden ist, die Feststellungen des Prüfberichts angegriffen. Unabhängig davon, dass dieses Schreiben bereits kein Mittel der Glaubhaftmachung darstellt, sind die beschriebenen Defizite und Mängel dadurch nicht nachhaltig entkräftet.
Hinsichtlich der Versicherten zu 1. (Frau I.), bei der vier größere Wunden vorhanden waren (Dekubitus und Ulcus cruris) behauptet er, dass diese Heimbewohnerin erst zwei Wochen vor der Prüfung mit noch größeren Wunden in die Einrichtung der Antragstellerin aufgenommen worden sei und sich die Wunden unter der Wundversorgung und Pflege gebessert hätten. Dazu ist zu bemerken, dass diese Heimbewohnerin laut Prüfbericht am 9. April 2008, also 20 Tage vor der Prüfung, in die Einrichtung aufgenommen worden ist und offenbar eine Wundversorgung stattgefunden hat, aber gerade die Entwicklung nicht präzise dokumentiert worden ist. In dem Bericht heißt es z. B. unter Punkt 16.1 c. weiter:
"Bei ermittelter Dekubitusgefahr und fehlendem Pflegeprozess ist keine Planung individueller Bewegungsintervalle unter Beobachtung des Hautstatus nachvollziehbar. Des Weiteren wurden keine Pflegeziele benannt. Auf dem Bewegungsprotokoll findet sich die Ausweisung 2 bis 3 stündlich. Eine Beschreibung, wie die Versicherte zu lagern ist, fehlt."
Eine durchgehende Umlagerung der Versicherten, wie sie in dem Schreiben vom 27. Mai 2008 behauptet wird, ist damit jedenfalls nicht belegt.
Hinsichtlich der Versicherten zu 2. (Frau J.), bei der ein Dekubitusrisiko bestand (Punkt 16.1 b.) ist in dem Prüfbericht unter Punkt 16.1 f. die Feststellung getroffen worden, dass dem Bewegungsprotokoll Lagerungszeiten nicht entsprechend der Planung zu entnehmen seien. Daraus ergäben sich lagerungsfreie Intervalle von bis zu 19 Stunden. Dazu wird in dem Schreiben vom 27. Mai 2008 nicht Stellung bezogen. Es wird in diesem Zusammenhang lediglich behauptet, dass eine Gutachterin des MDKN geäußert habe, der Pflegezustand der Versicherten sei sehr gut. Diese Behauptung erscheint auf der Grundlage des ausführlichen Prüfberichtes haltlos, zumal darin nicht nur die Lagerung der Versicherten angesprochen worden ist, sondern z.B. auch eine dokumentierte defizitäre Flüssigkeitszufuhr und unterbliebene Infusionen (Punkt 16.8 f., h.).
Hinsichtlich der Versicherten zu 3. (Frau K.) ist u.a. ein auffälliger Gewichtsverlust (17,5 kg innerhalb eines Jahres, bzw. 9,5 kg in fünf Monaten) beschrieben worden, der offenbar nicht ärztlich abgeklärt worden ist (Punkt 16.8 b., c., e., g., i.). die Wechseldruckmatratze ist nicht entsprechend dem Körpergewicht eingestellt gewesen (Punkt 16.1 d.). Ob diese Gewichtsabnahme ursächlich auf die in dem Schreiben vom 27. Mai 2008 dargestellten Umstände, nämlich vorheriges Übergewicht, dann Erleiden eines Schlaganfalls vor einem Jahr und Ausbleiben der künstlichen Ernährung aufgrund einer Patientenverfügung, zurückzuführen ist, ist nicht verifiziert worden. Dies gilt auch für den in dem Schreiben vom 27. Mai 2008 weiter geschilderten Pflegeerfolg, dass bei der Versicherten Schluckreflexe beim Zähneputzen entdeckt worden seien und die Versicherte inzwischen normal oral ernährt werde. Derart pflegerisch wichtige Umstände hätten ausführlich und nachvollziehbar dokumentiert sein müssen. Eine solche Dokumentation ist indessen nicht aktenkundig. Die Antragstellerin kann sich hier deshalb nicht erfolgreich entlasten.
Hinsichtlich der Versicherten zu 4 (Frau L.) wird in dem Prüfbericht u.a. unter Punkt
16.5 der sachgerechte Umgang bei Sturzrisiko verneint. Dazu findet sich unter Punkt
16.5 c., f., g. folgende Bemerkung:
"Das ermittelte sehr hohe Sturzrisiko findet sich im Pflegeprozess nicht erfasst. Prophylaxen werden nicht durchgeführt. Es sollte einrichtungsseitig reflektiert werden, ob bei der Versicherten effektiv ein Sturzrisiko vorliegt, da sie nahezu vollständig auf Hilfe im Bereich 'sich bewegen' angewiesen ist und sich selbstständig nicht mehr fortbewegen kann."
Möglicherweise ist die Heimbewohnerin nach dieser Bemerkung nicht wirklich sturzgefährdet und damit in ihrer Gesundheit insoweit nicht bedroht, so dass dann keine unmittelbare Gefährdung vorliegen würde. Das Schreiben vom 27. Mai 2008 verhält sich dazu nicht weiter, so dass für die hier zutreffende Entscheidung der Prüfbericht mit dem aufgeführten Mangel zu Grunde gelegt wird. Darüber hinaus ist bei der Versicherten zu 4. unter Punkt 16.8 der nicht sachgerechte Umgang mit der Pflegesituation bei Einschränkungen in der selbstständigen Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme festgestellt worden. Unter Punkt 16.8 f., h. heißt es:
"Bezüglich der Flüssigkeitszufuhr sind im Pflegeprozess 'trinkt mindestens 1,5 - 2 Liter' ausgewiesen. Beim stichprobenartigen Abgleichen der Protokolle mit dem festgestellten Bedarf ist ersichtlich, dass die Versicherte diesen häufig nicht erreicht (z.B. am 12.04.2008 mit 800 ml, am 13.04.2008 mit 1100 ml, am 14.04.2008 mit 1200 ml, am 20.04.2008 mit 1000 ml, usw.). Eine Auswertung der defizitären Flüssigkeitssituation erfolgte einrichtungsseitig bisher nicht erkennbar. Im Zufuhrprotokoll ist ersichtlich, dass der Versicherten offensichtlich an manchen Tagen keine Flüssigkeit zwischen 18:00 Uhr bis zum nächsten Morgen angeboten wird, bzw. es eventuell versäumt wird, zu dokumentieren, z.B. am 15.04.2008, am 16.04.2008, am 17.04.2008, am 18.04.2008."
Dagegen wird in dem Schreiben vom 27. Mai 2008 eingewandt, dass der Hausarzt hinzugezogen worden sei und eine zusätzliche Flüssigkeitszufuhr durch subkutane Infusion abgelehnt habe. Dies sei in der Dokumentation vermerkt. Dieses Vorbringen ist mit den Angaben zur Versorgungslage der Versicherten nicht in Einklang zu bringen. Das Nicht- verabreichen einer Infusion wird der Einrichtung nicht angelastet. Vielmehr nimmt die Heimbewohnerin offenbar selbst Flüssigkeit zu sich, in dem sie trinkt. Der Prüfbericht greift folglich das in den genannten Zeitabschnitten fehlende Angebot an Trinkflüssigkeit auf.
Hinsichtlich des Versicherten zu 5. (Herr M.) wird unter Punkt 16.3 der Umgang bei
Harninkontinenz (ohne Blasenkatheter) , unter Punkt 16.5 der Umgang in der Pflegesituation bei Sturzrisiko sowie unter Punkt 16.8 der Umgang in der Pflegesituation bei Einschränkungen in der selbstständigen Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme beschrieben. Defizite sind im Einzelnen aufgeführt. Auf diese Punkte geht das Schreiben vom 27. Mai 2008 nicht ein. Dort wird lediglich die mündlich geäußerte Bewertung des Pflegezustandes als "einwandfrei" wiedergegeben. Zusätzlich wird geschildert, dass der Bewohner seine Bewegungen nicht unter Kontrolle habe, er aus Gründen der Eigen- und Fremdgefährdung fixiert werde, mit ihm aber täglich Laufübungen gemacht würden. Diese Darstellung geht in keiner Weise auf die Kritikpunkte des Prüfberichtes ein, so dass auf die Wiedergabe von Einzelheiten hier verzichtet werden kann.
Soweit die Antragstellerin und ihr Insolvenzverwalter rügen, dass die Qualitätsprüfung am 29. April 2008 in einer emotional angespannten Situation stattgefunden habe, mag dies zutreffen. Dies liefert aber deshalb noch keinen Anhalt dafür, dass die Feststellungen im Prüfbericht etwa nicht korrekt aufgenommen worden waren. Der Insolvenzverwalter behauptet in seinem Schreiben vom 27. Mai 2008 zwar, dass Sachverhalte nicht ordnungsgemäß ermittelt und falsche Tatsachen wiedergegeben worden seien. Die Ausführungen im Einzelnen vermögen diese pauschale Behauptung aber nicht zu stützen (s. o.).
Die in dem Prüfbericht vom 5. Mai 2008 wiedergegebene, qualitativ nicht angemessene Betreuung der Heimbewohner (vgl. § 11 Abs. 1 Nr. 3 HeimG) führt zwingend zur Untersagung des Heimbetriebes, wenn Anordnungen nicht ausreichen (vgl. § 19 Abs. 1 HeimG). So liegt es hier. Nicht unerhebliche Qualitätsmängel sind bereits im Dezember 2007 festgestellt worden und die Ende April 2008 durchgeführte Begutachtung hat ergeben, dass nicht nur keine signifikante Verbesserung in der Betreuung eingetreten ist, sondern das sich noch zahlreiche weitere Beanstandungen ergeben haben und nicht das ernsthafte Bestreben der Heimleitung erkennbar geworden ist, für eine grundlegende Verbesserung der Versorgung der Heimbewohner zu sorgen. Vor diesem Hintergrund ist nicht anzunehmen, dass andere Anordnungen, als die hier ausgesprochene (Teil-) Untersagung des Heimbetriebs ausreichen würden, um hier den Anforderungen des Heimgesetzes entsprechende Pflegezustände zu erreichen. Allerdings wird durch die Untersagung neue Heimbewohner aufzunehmen, die Qualität in der Betreuung der verbliebenen Heimbewohner nicht verbessert, wobei aber gerade bei deren Betreuung Mängel festgestellt worden sind und die Fürsorge für diese Menschen das Einschreiten der Heimaufsicht erforderlich macht. Die (Teil-) Untersagung wird hier deshalb als erste Stufe gewertet im Rahmen einer Untersagung des gesamten Heimbetriebs. Denn im Fall einer Untersagung müssen die Heimbewohner in anderen Einrichtungen aufgenommen werden. Dies ist mit erheblichen persönlichen Belastungen für die zum Umzug gezwungenen Bewohnern verbunden. Es erscheint sachgerecht, dass der Beklagte diese Auswirkungen einer im Raum stehenden Untersagung des gesamten Heimbetriebs vorbeugend für neue Heimbewohner durch die ausgesprochene (Teil-) Untersagung verhindern will.
Daraus ergibt sich auch, dass der Hilfsantrag, der darauf abzielt, wenigstens neue Heimbewohner aufnehmen zu können, die unterhalb der Stufe III pflegebedürftig sind, keinen Erfolg haben könnte. Im Übrigen ist ergänzend anzumerken, dass die festgestellten Qualitätsmängel in der Betreuung von Bewohnern der Pflegestufe III nicht den Schluss zulassen, dass die Betreuung der Bewohner in den Pflegestufen I und II nicht zu beanstanden sondern sachgerecht ist. Vielmehr ist die Annahme nahe liegend, dass in einer Einrichtung, in der ihr aufgegebener sog. kurzfristiger Handlungsbedarf in der Zeit von Februar 2008 (Bescheid des VdAK vom 12.02.2008) offenbar im Wesentlichen nicht umgesetzt worden ist und sogar noch erheblicher weiterer sog. kurzfristiger Handlungsbedarf Ende April 2008 festgestellt worden ist, insgesamt den einzuhaltenden Qualitätsstandards entsprechende Betreuung und Versorgung nicht stattfindet.
Der angeordnete Sofortvollzug ist von dem Antragsgegner gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ordnungsgemäß begründet worden und ein das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegendes Suspensivinteresse der Antragstellerin ist nicht gegeben. Der Antragsgegner handelt im Interesse von alten und pflegebedürftigen Menschen, um deren bedarfsgerechte Betreuung sicher zu stellen. Demgegenüber ist dem wirtschaftlich geprägten Interesse der Antragsgegnerin geringeres Gewicht beizumessen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 53 Abs. 3, 52 Abs. 1 und 2 GKG, der mit dem Halbjahresbetrag des angegebenen monatlichen Verlustes durch den Aufnahmestopp in Höhe von 5.000,00 EUR angenommen wird.