Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 17.09.2004, Az.: 6 K 585/04
Widerruf der Bestellung zum Steuerberater; Vermutung des Vermögensverfalls
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 17.09.2004
- Aktenzeichen
- 6 K 585/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 34049
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2004:0917.6K585.04.0A
Rechtsgrundlage
- § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG
Fundstellen
- DStRE 2005, 1430-1431 (Volltext mit amtl. LS)
- NWB direkt 2005, 11
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Die Bestellung als Steuerberater ist zu widerrufen, wenn dieser in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Auftraggeber nicht gefährdet sind.
- 2.
Die durch Eintragung im Schuldnerverzeichnis begründete Vermutung des Vermögensverfalls kann nur durch die genauen Angaben von Tatsachen widerlegt werden, aus denen sich ergibt, dass im Einzelfall trotz bestehender Eintragung tatsächlich kein Vermögensverfall gegeben ist.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um den Widerruf des Klägers als Steuerberater.
Der 1955 geborene Kläger wurde 1984 zum Steuerbevollmächtigten und 1990 zum Steuerberater bestellt. Er war in der Folgezeit selbständig tätig.
Mit Beschluss vom 22. Januar 2004 lehnte das Amtsgericht H. - Insolvenzgericht - den Antrag des Finanzamts H. auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers mangels Masse ab. Daraufhin ermittelte die Beklagte die finanzielle Situation des Klägers und gab diesem mit Schreiben vom 5. März 2004 die Gelegenheit, sich zu einem drohenden Widerruf der Bestellung als Steuerberater wegen Vermögensverfalls zu äußern. Da der Kläger diese Möglichkeit verstreichen ließ, widerrief die Beklagte die Bestellung des Klägers als Steuerberater mit Bescheid vom 13. Mai 2004. Wegen der Widerrufsgründe im Einzelnen wird auf die ausführliche Darstellung der Vermögensverhältnisse des Klägers im Widerrufsbescheid (Bl. 21 ff. Finanzgerichtsakte) Bezug genommen.
Am 28. Juli 2004 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers eröffnet.
Gegen den Widerruf wendet sich der Kläger mit der vorliegenden Klage. Er räumt ein, dass seine wirtschaftlichen Verhältnisse augenblicklich sehr angespannt seien. Er versuche aber derzeit, sich von vorhandenen, verlustbringenden Immobilien zu trennen und führe gleichzeitig Verhandlungen über die Aufnahme eines Darlehens, das zur Ablösung der Verbindlichkeiten gegenüber den Gläubigern auf der Bankenseite wie auch gegenüber dem Finanzamt (FA) dienen solle. Mit diesem Darlehen könnten auch offene Lohnsteuer- und Sozialversicherungsrückstände beglichen werden. Außerdem habe sich seine Situation seit dem Widerruf derart geändert, dass er nunmehr als angestellter Steuerberater bei einer Steuerberatungsgesellschaft beschäftigt werden könne. Dies schließe insoweit auch die Gefährdung von Auftraggeberinteressen aus. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 30.08.2004 (Bl. 17 f. FG-Akte) Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
den Widerrufsbescheid vom 13. Mai 2004 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Kläger befinde sich nach wie vor in Vermögensverfall, da er seine Verbindlichkeiten i.H.v. ca. 230.000 EUR nicht bedienen könne. Im Übrigen nimmt sie auf die im Widerrufsbescheid vom 13. Mai 2004 dargelegten Gründe Bezug.
Gründe
Die Klage ist unbegründet. Die Beklagte hat die Bestellung des Klägers als Steuerberater zu Recht widerrufen.
1.
Der Widerrufsbescheid vom 13. Mai 2004 ist rechtmäßig. Aufgrund des ihm seinerzeit bekannt gewesenen Sachverhalts konnte die Beklagte davon ausgehen, zum Widerruf der Bestellung des Klägers als Steuerberater verpflichtet zu sein.
Nach § 46 Abs. 2 Nr. 4 Steuerberatungsgesetz (StBerG) ist die Bestellung als Steuerberater zu widerrufen, wenn dieser in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Auftraggeber nicht gefährdet sind.
a)
Der Kläger war zum Zeitpunkt des Widerrufs der Bestellung als Steuerberater in Vermögensverfall geraten. Nach § 46 Abs. 2 Nr. 4 2. Halbsatz wird ein Vermögensverfall vermutet, wenn der Steuerberater in das vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis nach § 915 der Zivilprozessordnung (ZPO) eingetragen ist. Nachdem das Amtsgericht H. - Insolvenzgericht - mit Beschluss vom 22.01.2004 den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers mangels Masse abgewiesen hatte, erfolgte gem. § 26 Abs. 2 Satz 1 Insolvenzordnung (InsO) eine Eintragung des Klägers in das Schuldnerverzeichnis.
Zwar kann die durch die Eintragung im Schuldnerverzeichnis begründete Vermutung des Vermögensverfalls widerlegt werden; dazu ist jedoch die genaue Angabe von Tatsachen erforderlich, aus denen sich ergibt, dass im Einzelfall trotz der bestehenden Eintragung tatsächlich kein Vermögensverfall gegeben ist (vgl. BFH-Beschluss vom 11. Oktober 1994 VII B 129/94, BFH/NV 1995, 441). Solche Umstände hat der Kläger gegenüber der Beklagten jedoch nicht vorgetragen. Vielmehr sprachen die zum Zeitpunkt des Widerrufs bestehenden Schulden des Klägers (ca. 227.000 EUR) und der Umstand, dass mehrere Vollstreckungsversuche des Finanzamts erfolglos geblieben waren, für die mangelnde wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Klägers.
b)
Der Widerruf der Bestellung zum Steuerberater konnte auch nicht im Hinblick auf möglicherweise nicht gefährdete Mandanteninteressen unterbleiben. Die Bestellung ist nach § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG nicht zu widerrufen, wenn die Interessen der Auftraggeber durch den Vermögensverfall nicht gefährdet sind. Für das Vorliegen dieses Ausnahmetatbestandes trifft den Steuerberater die Darlegungs- und Feststellungslast (vgl. BFH-Urteil vom 6. Juni 2000 VII R 86/99, HFR 86/99, HFR 2000, 741 m.w.N.). Derartige Umstände hat der Kläger jedoch gegenüber dem Beklagten im Anhörungsverfahren nicht dargelegt.
2.
Die Aufhebung des Widerrufsbescheids kommt auch nicht aufgrund der bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 17. September 2004 eingetretenen Änderung der Sach- oder Rechtslage in Betracht. Zwar kann der Widerruf der Bestellung als Steuerberater nicht aufrechterhalten werden, wenn im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung eine Rechtspflicht für eine sofortige Wiederbestellung besteht (BFH-Urteil v. 22. August 1995 VII R 63/94, BStBl II 1995, 909). Ein solcher Anspruch des Klägers besteht jedoch nicht.
a)
Hinsichtlich des Vermögensverfalls hat sich die Sachlage nicht geändert.
Vielmehr ist durch die zwischenzeitlich erfolgte Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers ein weiterer Vermutungstatbestand des § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG erfüllt. Auch tatsächlich befindet sich der Kläger nach wie vor in Vermögensverfall. So hat er mit Schreiben vom 30. August 2004 ausdrücklich eingeräumt, dass sein wirtschaftlichen Verhältnisse sehr angespannt seien. Um darzulegen, dass sich der Kläger nunmehr in geordneten finanziellen Verhältnissen befinde, hätte er im Einzelnen nachweisen müssen, über welche Einkünfte er verfügt, welche Ausgaben für ihn zwingend sind und wie er mit den Überschüssen seine Schulden zu tilgen gedenkt. All dies hat der Kläger trotz Aufforderung durch das Gericht nicht vorgetragen. Allein der Hinweis auf die Umstände, wie er in die aktuell schwierige finanzielle Lage geraten sei, reicht hier für ebenso wenig aus, wie die gegebenen Absichtserklärungen bzgl. der Aufnahme einer Tätigkeit als angestellter Steuerberater sowie die Bemühungen um die Erlangung weiterer Darlehen.
b)
Schließlich hat der Kläger auch nicht darzulegen vermocht, dass durch den Vermögensverfall die Interessen seiner Auftraggeber nicht beeinträchtigt sind. Allein der Hinweis darauf, dass er beabsichtige, eine Tätigkeit als angestellter Steuerberater auszuüben, reicht hierfür nicht aus (vgl. BFH-Beschlüsse vom 28. August 2003 BFH/NV 2004, 90 und vom 4. Dezember 2003 VII B 21/03). Es bestehen vielmehr zahlreiche Anhaltspunkte dafür, dass die Interessen der Auftraggeber des Klägers konkret gefährdet sind. Wegen der Einzelheiten wird auf den Widerrufsbescheid vom 13. Mai 2004 Bezug genommen (§ 105 Abs. 5 Finanzgerichtsordnung - FGO -).
3.
Das Gericht konnte in der Sache entscheiden, obwohl der Kläger zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen war, da er sein Fehlen nicht hinreichend entschuldigt hat und auf die Zulässigkeit einer Entscheidung trotz seines Ausbleibens in der Ladung hingewiesen wurde (§ 91 Abs. 2 FGO).
4.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.