Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 21.09.2004, Az.: 9 K 552/03

Anspruch auf Eigenheimzulage für den Umbau eines ehemaligen Kuhstalls zu einem vom Wohnhaus nicht unmittelbar betretbaren Wohnraum; Gleichstellung von Erweiterung und Herstellung einer Wohnung im Inland; Erfordernis der Schaffung von Wohnraum unter wesentlichem Bauaufwand; Voraussetzung der Zurechnung zur bestehenden Wohnung; Bedeutung der bautechnischen Ausgestaltung und der tatsächlichen Nutzung; Erfordernis des Vorliegens einer Baugenehmigung

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
21.09.2004
Aktenzeichen
9 K 552/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 34989
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2004:0921.9K552.03.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - AZ: IX R 24/05

Fundstelle

  • NWB direkt 2006, 7

Amtlicher Leitsatz

Der Umbau eines ehemaligen Kuhstalls zu einem ca. 42 qm großen Wohnraum, der unmittelbar an das Wohnhaus angrenzt, kann einen Anspruch auf Eigenheimzulage begründen, auch wenn dieser Raum vom Wohnhaus nicht direkt betreten werden kann, sondern wenn das Wohnhaus zwecks Betreten zunächst verlassen werden muss und der Raum nur durch zwei Türen, die auf die jeweilige Hofseite des Grundstücks hinausführen, zu erreichen ist.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob dem Kläger für den Umbau eines ehemaligen Kuhstalls zu einem Wohnraum Eigenheimzulage nach dem Eigenheimzulagengesetz (EigZulG) zusteht.

2

Der Kläger ist Eigentümer eines Zweifamilien-Hauses. Die Erdgeschosswohnung bewohnte bis zu ihrem Tode im August 2002 die Mutter des Klägers. Die darüber liegende Wohnung bewohnte der Kläger mit seiner Ehefrau und seinen beiden minderjährigen Kindern. Seit dem Tode der Mutter steht die untere Wohnung überwiegend leer, jedoch wird ein größerer Raum weiterhin von der Tochter als Kinderzimmer genutzt.

3

Im Jahre 2000 baute der Kläger einen unmittelbar an das Wohnhaus im Erdgeschoss angrenzenden ehemaligen Kuhstall zu Wohnzwecken aus. Die Herstellungskosten betrugen 42.806,40 DM. Nach dem Umbau war der Raum zum dauernden Aufenthalt von Menschen geeignet, insbesondere weil er vollständig isoliert, mit Fenstern versehen und beheizbar ist. Der Raum wird überwiegend als Spielzimmer durch den Sohn des Klägers genutzt. Er nutzt diesen Raum auch für sein Gitarrenspiel. Der unmittelbar an das Gebäude angrenzende umgebaute Raum, der ca. 42 m² umfasst, kann vom Wohnhaus nicht direkt betreten werden. Zum Betreten muss das Wohnhaus zunächst verlassen werden. Der Raum kann nur durch zwei Türen, die auf die jeweilige Hofseite des Grundstückes hinausführen, betreten werden.

4

Am 5. Dezember 2001 stellte der Kläger (nachträglich) einen Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung. Die zuständige Behörde erteilte die begehrte Baugenehmigung zunächst nicht, weil es sich um einen Wohnraum handelt, bei dem die Grenzabstände nicht eingehalten werden. Der Aufenthaltsraum an der Grundstücksgrenze sei daher nicht genehmigungsfähig. Daraufhin erreichte der Kläger, dass die betroffenen Nachbarn eine Baulast auf ihren Grundstücken eintragen ließen. Nach Eintragung der Baulast erteilte die zuständige Behörde mit Bescheid vom 13. Januar 2003 die beantragte Baugenehmigung.

5

Bereits am 15. März 2002 beantragte der Kläger die Gewährung von Eigenheimzulage nebst Baukindergeld ab dem Jahr 2000 für den Umbau des Kuhstalles. In den Anträgen gab er jeweils an, dass es sich bei den neu geschaffenen Flächen um einen Wirtschaftsraum handele. Der Beklagte (das Finanzamt -FA-) lehnte die Gewährung von Eigenheimzulage jedoch mit dem Hinweis ab, dass ein Wirtschaftsraum nicht zulagenbegünstigt sei.

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Der daraufhin eingelegte Einspruch blieb erfolglos.

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Hiergegen richtet sich die Klage.

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Der Kläger vertritt mit der Klage weiterhin die Auffassung, dass ihm Eigenheimzulage ab Fertigstellung im Jahre 2000 zu gewähren sei. Der neugeschaffene Wohnraum werde überwiegend als Spiel- und Musikzimmer des Sohnes genutzt. Aber auch die übrigen Familienmitglieder würden sich dort regelmäßig aufhalten. Daher handelt es sich nicht um einen reinen Wirtschaftsraum, sondern um Wohnraum, der zulagenbegünstigt sei. Auch bestehe ein räumlicher Bezug zwischen der bereits selbstgenutzten Wohnung und der Erweiterung, weil der neu entstandene Wohnraum direkt an das Wohnhaus angrenze.

9

Der Kläger beantragt,

das Finanzamt zu verpflichten, unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 22. Juli 2002 und des Einspruchsbescheides vom 19. August 2003 Eigenheimzulage ab dem Jahr 2000 für insgesamt acht Jahre in Höhe von jährlich 1.246 DM nebst Baukindergeld von jährlich 3.000 DM zu gewähren.

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Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

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Räume, die als Wirtschaftsraum genutzt werden, seien nicht zulagebegünstigt. Darüber hinaus fehle es an der notwendigen räumlichen Verbindung. Dem neu geschaffenen Raum fehle es an einem räumlichen Bezug zur bestehenden Wohnung. Beide in dem Anbau befindlichen Türen führten alleine nach Außen und nicht direkt in das Wohngebäude. Daher fehle es an der nach § 2 Abs. 2 Eigenheimzulagengesetz notwendigen Erweiterung einer bestehenden Wohnung durch neuen Wohnraum.

Gründe

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Die Klage ist teilweise begründet.

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Das Finanzamt hat die Gewährung von Eigenheimzulage zu Unrecht für den gesamten Begünstigungszeitraum abgelehnt, weil mit dem Ausbau des ehemaligen Kuhstalles neuer Wohnraum geschaffen wurde und auch ein enger räumlicher Zusammenhang zwischen der bisher selbst genutzten Wohnung und dem Anbau besteht. Jedoch kommt die Gewährung von Eigenheimzulage nur ab dem Jahr 2003 in Betracht, weil erst mit Erteilung der Baugenehmigung die Voraussetzungen für die Gewährung von Eigenheimzulage vorlagen.

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Nach § 2 Abs. 2 EigZulG stehen Erweiterungen an einer Wohnung in einem im Inland belegenen eigenen Haus der Herstellung einer Wohnung i.S. des § 2 Abs. 1 EigZulG gleich. Begünstigt sind nach § 2 Abs. 2 i.V.m. § 8 Satz 2 EigZulG die Herstellungskosten für eine Erweiterung an einer schon vorhandenen Wohnung, wenn unter wesentlichem Bauaufwand Wohnraum geschaffen wird. § 2 Abs. 2 EigZulG erläutert nicht ausdrücklich, was unter "Erweiterungen" zu verstehen ist. Indes wird dieser Begriff in § 17 Abs. 2 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes (II. WoBauG) mit Wirkung auch für das Steuerrecht umschrieben (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29. Juni 1993 IX R 44/89, BFH/NV 1994, 460). § 16 Abs. 1 Nr. 3 des Wohnraumförderungsgesetzes --WoFG-- (Art. 1 des Gesetzes zur Reform des Wohnungsbaurechts vom 13. September 2001, BGBl I, 2376) löst mit Wirkung vom 1. Januar 2002 die bis dahin maßgebende Begriffsbestimmung des § 17 II. WoBauG ab und versteht unter Erweiterung --insoweit übereinstimmend mit der Vorgängervorschrift-- das Schaffen von Wohnraum unter wesentlichem Bauaufwand. Diese Auslegung des Ausdrucks "Erweiterung" stimmt im Wesentlichen überein mit dem nämlichen Begriffsverständnis in § 10e Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG), wie es der ständigen Rechtsprechung des BFH zugrunde liegt (vgl. BFH-Urteile vom 19. Dezember 2000 IX R 12/97, BFH/NV 2001, 1015, und vom 8. März 1995 X R 74/94, BFHE 177, 399, BStBl II 1996, 352; vom 5. September 2001 X R 50/99, Der Betrieb --DB-- 2001, 2531). Aus den Gesetzesmaterialien (vgl. BRDrucks 498/95) ergibt sich nichts dafür, dass insoweit eine Änderung gegenüber der bisherigen Regelung beabsichtigt war (vgl. BFH-Urteil vom 7. März 2001 X R 82/95, BFHE 195, 214, BStBl II 2001, 481; BFH-Beschluss vom 4. Mai 1999 IX B 38/99, BFHE 188, 395, BStBl II 1999, 587, zu § 4 EigZulG). Begünstigt ist danach bereits nach dem Wortlaut der Norm lediglich die Erweiterung an einer Wohnung und das bedeutet: Wird durch eine Baumaßnahme zusätzlicher Wohnraum geschaffen, der mehreren Wohnungen zugute kommt, so handelt es sich auch um mehrere gesondert zu beurteilende Objekte. Dabei kann offen bleiben, ob es unbeschadet eines räumlichen Bezugs zwischen Gebäude und Erweiterung (so --zu § 10e Abs. 2 EStG-- BFH-Urteil vom 2. Juni 1999 X R 16/96, BFHE 189, 67, BStBl II 1999, 596) überdies einer engen räumlichen Verbindung der Erweiterung mit der ursprünglichen Wohnung bedarf (vgl. zum Streitstand B. Meyer in Herrmann/Heuer/Raupach --HHR--, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl., § 10e EStG Anm. 210; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 20. Aufl., § 10e Rz. 14). Ausreichend ist jedenfalls, dass die Erweiterung einer schon vorhandenen Wohnung zugerechnet werden kann (Urteil des BFH vom 26. Februar 2002 IX R 75/00, BStBl. II 2002, 336). Denn nach seinem im Wortlaut der Vorschrift zum Ausdruck kommenden Förderzweck begünstigt § 2 Abs. 2 i.V.m. § 8 Satz 2 EigZulG die Herstellungskosten für Erweiterungen an einer Wohnung, deren Wohnfläche dadurch vergrößert werden soll (so --zu § 10e Abs. 2 EStG und zum Förderzweck der Erweiterung-- BFH-Urteil in BFHE 189, 67, BStBl II 1999, 596; Hausen/Kohlrust-Schulz, Die Eigenheimzulage, 2. Aufl. 1998, Rz. 88).

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Ein solcher enger räumlicher Bezug zu der bisher selbstgenutzten Wohnung in der ersten Etage wird im Streitfall ausreichend gewahrt und der neu geschaffene Wohnraum ist der schon vorhandenen Wohnung zuzurechnen. Der ausgebaute ehemalige Kuhstall grenzt unmittelbar an das als Wohnhaus genutzte Gebäude an. Allein die Tatsache, dass zwischen dem Anbau und der selbstgenutzten Wohnung des Klägers keine unmittelbare Verbindungstür besteht, kann den engen räumlichen Zusammenhang nicht aufheben, weil eine Zurechnung zur bestehenden Wohnung ausreicht (Urteil des BFH vom 26. Februar 2002 IX R 75/00, BStBl. II 2002, 336). Zur Nutzung dieses Anbaues müssen die Familienmitglieder lediglich über die Treppe aus dem ersten Stock hinuntergehen und aus der Haustür heraustreten, weitere wenige Schritte gehen, um dann wieder den Wohnraum zu betreten. Bei verständiger Betrachtungsweise kann hier nicht davon gesprochen werden, dass es an einer räumlichen Verbindung fehlt. Die von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze zur räumlichen Verbindung kann nicht dahingehend überdehnt werden, dass ein unmittelbarer Zugang zu diesem Raum aus der bisher genutzten Wohnung gewährleistet sein muss. Vielmehr ist der neu geschaffene Wohnraum der bisher durch den Kläger und seiner Familie genutzten Wohnung im Obergeschoss zuzurechnen. Es handelt sich bei dem streitigen Ausbau auch um einen Wohnraum im Sinne von § 17 Abs. 2 des II. Wohnungsbaugesetzes, da nach Überzeugung des Gerichts der Anbau als Kinder- und Musikzimmer und im Übrigen als Aufenthaltsraum für die übrigen Familienmitglieder genutzt wird, so dass Eigenheimzulage dem Grunde nach zu gewähren ist.

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Der hier zu entscheidende Fall unterscheidet sich auch wesentlich von dem Sachverhalt, der der Entscheidung des BFH vom 26. Februar 2002 IX R 75/00, BStBl II 2002, 336, zu Grunde lag. Dort hatten die Kläger ein Zweifamilien-Haus, das im Erdgeschoss von den Eltern der Kläger und im Obergeschoss von den Klägern selbst genutzt wurde, um einen Anbau, der sowohl an die Erdgeschoss- als auch an die Obergeschosswohnung angrenzte, erweitert. Zwar hat der BFH in diesem Fall die Eigenheimzulage insoweit verwehrt als der Erweiterungsbau der Erdgeschosswohnung zu Gute kommt, die nicht von den Klägern, sondern von den Eltern der Kläger aufgrund eines Wohnrechtes genutzt wurde. Der entscheidende Unterschied zum vorliegenden Streitfall besteht jedoch darin, dass im Fall, den der BFH zu entscheiden hatte, die Erweiterung im Erdgeschoss aufgrund der bautechnischen Gestaltung und der tatsächlichen Nutzung zweifelsfrei unmittelbar und ausschließlich der Erdgeschosswohnung, die nicht durch die Kläger selbst genutzt wurde, zu Gute kam. Im hier vorliegenden Streitfall ist es jedoch so, dass der Anbau nicht von der Erdgeschosswohnung aus direkt betreten werden kann. Somit kommt eine Zuordnung dieser Flächen zur Erdgeschosswohnung aufgrund der bautechnischen Ausgestaltung gerade nicht in Betracht. Daher ist hier auf die - durch das Gericht zweifelsfrei festgestellte - tatsächliche Nutzung durch die Kläger abzustellen. Der Kläger und seine Familie nutzen den neu geschaffenen Wohnraum zur Befriedigung der eigenen Wohnbedürfnisse, so dass der Ausbau allein der durch den Kläger und seiner Familie bisher genutzten Wohnung zuzurechnen ist.

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Auch scheitert die Gewährung der Eigenheimzulage nicht an der Nutzung des Anbaus. Entgegen der Formulierung im Bauantrag und im Antrag auf Eigenheimzulage handelt es sich nicht um einen Wirtschaftsraum, weil der Raum nach Überzeugung des Gerichts tatsächlich überwiegend als Kinder- und Musikzimmer für den Sohn der Familie genutzt wird. Daher liegt ein Wohnraum im Sinne des § 17 II. WoBauG vor.

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Jedoch konnte Eigenheimzulage erst ab dem Jahr der Erteilung der Baugenehmigung vom 13. Januar 2003 gewährt werden. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH, der sich das Gericht anschließt, kann Eigenheimzulage nur für Bauten gewährt werden, für die eine Baugenehmigung vorliegt (Beschluss des BFH vom 15. Februar 1999 X B 21/98, BFH/NV 1999, 1077). Zulagenbegünstigt sind nur Gebäude, die in Übereinstimmung mit dem öffentlichen Baurecht errichtet wurden. Da die Baugenehmigung erst im Jahre 2003 erteilt wurde, kann erst ab diesem Jahr Eigenheimzulage gewährt werden. Auch eine rückwirkende Gewährung von Eigenheimzulage kommt nicht in Betracht, weil in den Vorjahren der Anbau aufgrund der Verletzung der Grenzabstände mit dem materiellen Baurecht nicht vereinbar war.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

20

Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 151 Abs. 2 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.