Finanzgericht Niedersachsen
Beschl. v. 13.09.2004, Az.: 11 V 322/04

Anspruch auf Herabsetzung der Einkommensteuer; Zulässigkeit eines Rechtsbehelfs gegen Steuerbescheid; Verfristung eines Einspruchs; Urkundliche Beziehung zwischen Postzustellungsurkunde und Schriftstück durch Angabe der Geschäftsnummer; Versendung mehrerer Schriftstücke in einem Umschlag

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
13.09.2004
Aktenzeichen
11 V 322/04
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2004, 19986
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2004:0913.11V322.04.0A

Fundstellen

  • DStR 2004, XII Heft 51-52 (amtl. Leitsatz)
  • DStRE 2005, 114-116 (Volltext mit amtl. LS)
  • StBW 2004, 1-2

Verfahrensgegenstand

Einkommensteuer 2001 (Aussetzung der Vollziehung)

Amtlicher Leitsatz

Anforderungen an den Gegenbeweis bei mehreren durch PZU zugestellten Schriftstücken.

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Ist zwischen den Beteiligten streitig, ob der gegen den Steuerbescheid eingelegte Rechtsbehelf zulässig ist oder nicht, kommt eine Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung des Bescheids wegen Zweifeln an seiner Rechtmäßigkeit nur in Betracht, wenn sich bei summarischer Prüfung ergibt, dass außer ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des Bescheids auch ernstliche Zweifel an der Unzulässigkeit der Anfechtung bestehen.

  2. 2.

    Werden mehrere Schriftstücke verschiedenen Inhalts in einem Briefumschlag zugestellt, dann muss sich aus der auf dem Briefumschlag zur Herstellung der urkundlichen Beziehung zu dessen Inhalt angebrachten Geschäftsnummer ergeben, welchen Inhalt die Sendung hat; nur auf diese Weise kann der Adressat einer mehrere Schriftstücke umfassenden Sendung deren Vollständigkeit überprüfen.

Gründe

1

Streitig ist im seit Dezember 2003 bei Gericht anhängigen Hauptsacheverfahren xxx, ob der Beklagte auf Grund eines gegen einen Schätzungsbescheid zur Einkommensteuer 2001 erhobenen Einspruchs verpflichtet ist, die dort festgesetzte Einkommensteuer entsprechend den Angaben einer zwischenzeitlich eingereichten Einkommensteuererklärung für das Streitjahr herabzusetzen.

2

Die Antragstellerin reichte ihre Einkommensteuererklärung für das Streitjahr beim Beklagten am 1. Juli 2003 ein. Der zuständige Sachbearbeiter des Antragsgegners führte die Veranlagung am 9. Juli 2003 durch. Bei der Veranlagung wich er in mehreren Punkten von den Angaben der Erklärung ab. So wurden die Abschreibungen für Abnutzung der vermieteten Objekte B-Straße und G-Straße nicht anerkannt, weil die Klägerin wie in den Vorjahren 1998 bis 2000 die erforderlichen Unterlagen nicht beigefügt hatte.

3

Die Einnahmen aus der Witwenrente der Antragstellerin wurden mangels entsprechender Nachweise mit monatlich 550 DM geschätzt.

4

Eine Anrechnung der geltend gemachten Steuerabzugsbeträge bei den Einnahmen der Antragstellerin aus Kapitalvermögen erfolgte nicht, weil die Originalsteuerbescheinigungen fehlten.

5

Das Rechenzentrum der Oberfinanzdirektion Hannover führte die Erstellung des Verwaltungsakts am 10. Juli 2003 mit dem Erlassdatum 21. Juli 2003 durch, der ausgedruckte Bescheid wurde nicht an die Antragstellerin, sondern an den Beklagten übersandt. Die Abweichungen von den Erklärungen waren in einem Erläuterungstext zum Bescheid dargestellt. Der zuständige Sachbearbeiter des Antragsgegners vermerkte auf dem Hinweisblatt, das dem Bescheid vom Rechenzentrum beigefügt worden war, dass eine Zustellung mit PZU erfolgen sollte.

6

Nach den Angaben auf einer von der Deutschen Post AG am 22. Juli 2003 ausgefüllten Postzustellungsurkunde war dem Bevollmächtigten der Antragstellerin an diesem Tag eine Sendung des Beklagten durch Niederlegung in dessen Briefkasten förmlich zugestellt worden. Der Sachbearbeiter hatte auf der Urkunde unter der Rubrik Aktenzeichen die Steuernummer der Antragstellerin und zudem vermerkt, dass sich neben verschiedenen Einspruchsentscheidungen auch der Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 21. Juli 2003 in dem Briefumschlag befand.

7

Am 25. August 2003 erhob die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten gegen den Einkommensteuerbescheid Einspruch. Zur Begründung verwies sie darauf, dass die Steuerbescheinigungen für die Abzugsbeträge immerhin in Kopie vorgelegen hätten. Die einzelnen Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung seien durch Buchungen der Baubelege zumindest glaubhaft gemacht worden.

8

Am 28. August 2003 teilte der Antragsgegner dem Bevollmächtigten mit, dass der Einspruch verspätet eingegangen sei. Der angefochtene Bescheid sei am 22. Juli 2003 förmlich durch Postzustellungsurkunde zugestellt worden, sodass die Rechtsbehelfsfrist am 22. August 2003 abgelaufen sei. Für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fehlten nach seiner Ansicht jegliche Anhaltspunkte.

9

Mit Schreiben vom 29. September 2003 teilte der Bevollmächtigte daraufhin mit, der fragliche Bescheid sei ihm mit einfachem Brief bekannt gegeben worden. Der Einspruch sei daher fristgerecht; vorsorglich beantrage er Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

10

Am 8. Oktober 2003 erläuterte der Antragsgegner dem Bevollmächtigten erneut seine abweichende Rechtsauffassung. Der Bescheid sei mit Postzustellungsurkunde am Dienstag, den 22. Juli 2003 zugestellt worden, sodass die Rechtsbehelfsfrist am Freitag, den 22. August 2003 abgelaufen sei. Der Einspruch sei bei ihm aber erst am Montag, den 25. August 2003 eingegangen. Gründe für eine Wiedereinsetzung seien bislang nicht vorgebracht worden.

11

Am 8. Oktober 2003 meldete sich der Bevollmächtigte der Antragstellerin beim Beklagten. Er führte aus, dass er dem Antragsgegner bereits mit Schreiben vom 30. Juli 2003 mitgeteilt hätte, dass der fragliche Bescheid sich nicht - wie auf dem mit PZU übermittelten Umschlag vermerkt - in diesem Umschlag befunden habe sondern mit einfacher Post bei ihm eingegangen sei. Das Schreiben des Bevollmächtigten befand sich allerdings nicht in den Steuerakten des Antragsgegners und wurde am 13. Oktober 2003 in Kopie diesem übersandt.

12

Der Einspruch wurde mit Einspruchsbescheid vom 21. November 2003 als unzulässig verworfen. In der Begründung führte der Antragsgegner aus, es könne nach Aktenlage ausgeschlossen werden, dass der angegriffene Einkommensteuerbescheid mit einfachem Brief zur Post gegeben worden sei. Der Einspruch sei daher verfristet und Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand seien nicht erkennbar.

13

Gegen den Bescheid erhob die Klägerin Klage, mit der sie geltend machte, der von ihrem Bevollmächtigten erhobene Einspruch sei fristgerecht erhoben worden. Über die Klage ist noch nicht entschieden worden.

14

Mit Schreiben vom 10. Juni 2003 stellte die Antragstellerin bei Gericht einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung, nachdem ein entsprechender Antrag vom Antragsteller abgelehnt worden war. Zur Begründung wiederholte sie die bereits gegenüber dem Antragsgegner vorgebrachten Einwände.

15

Sie beantragt,

die Vollziehung des Einkommensteuerbescheids 2001 vom 21. Juli 2003 auszusetzen, soweit die festgesetzte Einkommensteuer den Angaben in der Einkommensteuererklärung für dieses Jahr nicht entspricht.

16

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

17

Er hält an seiner im Einspruchsbescheid geäußerten Rechtsansicht fest.

18

Der Berichterstatter hat am 27. August 2004 einen Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten durchgeführt und hierbei die für die Verwaltung der Posteingänge beim Bevollmächtigten zuständige Angestellte, Frau G, befragt. Auf das Protokoll vom 27. August 2004 wird Bezug genommen.

19

Der Antrag ist unbegründet.

20

Die Aussetzung der Vollziehung soll gemäß § 69 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Abs. 3 Satz 1 zweiter Halbsatz Finanzgerichtsordnung (FGO) erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

21

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sprechende Gründe zu Tage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatsachen bewirken (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. Februar 1984 III B 40/83, BStBl II 1984, 454, und vom 30. Dezember 1996 I B 61/96, BStBl II 1997, 466). Ist zwischen den Beteiligten streitig, ob der gegen den Steuerbescheid eingelegte Rechtsbehelf zulässig oder unzulässig ist, kommt eine Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung des Bescheids wegen Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit nur in Betracht, wenn sich bei summarischer Prüfung ergibt, dass außer ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des Bescheids auch ernstliche Zweifel an der Unzulässigkeit der Anfechtung - z.B. wegen verspäteter Einlegung des Einspruchs oder Erhebung der Klage - bestehen (BFH-Beschluss vom 31. März 1998 I S 8/97, BFH/NV 1998, 1318 m.w.N.).

22

Entsprechend des summarischen Charakters des Aussetzungsverfahrens ist der Mitwirkungspflicht der Antragstellerin bereits durch die Glaubhaftmachung von Tatsachen genügt. Eine Glaubhaftmachung verlangt aber Beweise, die das Gericht sofort erheben kann. Daher sind nicht präsente Beweismittel im Rahmen des Aussetzungsverfahrens ausgeschlossen. In diesem gerichtlichen Aussetzungsverfahren ist die Antragstellerin der ihr obliegenden Mitwirkungspflicht - wegen fehlender präsenter Beweismittel - nicht nachgekommen. Dies hat zur Folge, dass der Nachteil der verbleibenden Ungewissheit wegen der bei ihr liegenden objektiven Beweislast zu ihren Lasten geht.

23

Bei summarischer Prüfung bestehen keine ernstlichen Zweifel, dass der am 25. August 2003 beim Antragsgegner eingegangene Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 2001 außerhalb der Rechtsbehelfsfrist eingelegt worden ist, sodass er wegen Verfristung zu Recht als unzulässig verworfen wurde.

24

Gemäß § 355 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung (AO) ist ein Einspruch innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts einzulegen. Der Senat hat keine ernsthaften Zweifel, dass der Einkommensteuerbescheid 2001 dem Bevollmächtigten der Antragstellerin nach § 122 Abs. 5 AO in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG) durch Postzustellungsurkunde am 22. Juli 2003 förmlich zustellt worden ist. Die Einspruchsfrist begann daher nach § 108 Abs. 1 AO in Verbindung mit§ 187 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) am Mittwoch, den 23. Juli 2003 und endete mit Ablauf des Freitags, den 22. August 2003 (§§ 108 Abs. 1 AO, 188 Abs. 2 BGB). Der am Montag, den 25. August 2003 per Fax übermittelte Einspruch war daher verspätet.

25

Nach § 122 Abs. 5 AO wird ein schriftlicher Verwaltungsakt zwecks Bekanntgabe zugestellt, wenn dies gesetzlich vorgeschrieben oder behördlich angeordnet ist. Der Antragsgegner hatte sich entsprechend dem Vermerk auf dem Hinweisblatt des Rechenzentrums für die Zustellung des Einkommensteuerbescheids entschieden. Die durch Erstellung der Postzustellungsurkunde dokumentierte Zustellung beim Bevollmächtigten der Antragstellerin genügt unstreitig zwischen den Beteiligten den Anforderungen, die §§ 3 Abs. 3 VWZG, 195 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) an die Wirksamkeit einer Zustellung mittels Zustellungsurkunde stellt. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin steht auch mit hinreichender Sicherheit fest, dass sich in dem Umschlag, der der Deutschen Post AG vom Antragsgegner zur Zustellung übergeben worden ist, auch der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2001 befand. Der Sachbearbeiter des Antragsgegners hatte den Bescheid mit ausreichender Deutlichkeit auf dem Feld des Briefumschlags und der Urkunde, auf dem die Geschäftsnummer zu vermerken sind, inhaltlich beschrieben. Auch unter Würdigung der Aussage der Angestellten des Bevollmächtigten Frau G zu den Vorgängen bei derÖffnung der Post am 22. Juli 2003 ist der Beweiswert, der der schriftlichen Erklärung des Sachbearbeiters hinsichtlich des Inhalts der zugestellten Sendung zukommt, nicht erschüttert.

26

Durch die Angabe der Geschäftsnummer nach § 3 Abs. 1 Satz 2 VwZG soll der Inhalt der zuzustellenden Sendung eindeutig bestimmbar werden. Bei der Zustellung eines Verwaltungsakts durch die Post mit Postzustellungsurkunde tritt an die Stelle der unmittelbarenÜbergabe des Schriftstücks die Aushändigung einer verschlossenen Postsendung. Da die Postzustellungsurkunde nicht die Übergabe des Schriftstücks selbst, sondern nur die Übergabe einer Sendung bezeugt, stellt die Angabe der Geschäftsnummer auf der Sendung sowie auf der Postzustellungsurkunde die einzige urkundliche Beziehung zwischen dieser und dem zuzustellenden Schriftstück her. Wegen der gebotenen Gewähr für die Nämlichkeit und den unveränderten Inhalt der Sendung muss die Geschäftsnummer die Identifizierung der zugestellten Sendung ermöglichen. Deshalb muss sie geeignet sein, den Verwaltungsakt, die Gerichtsentscheidung oder das sonstige Schriftstück, dessen Zustellung vorgenommen worden ist, zu konkretisieren. Werden - wie im Streitfall - mehrere Schriftstücke verschiedenen Inhalts in einem Briefumschlag zugestellt, dann muss sich aus der auf dem Briefumschlag angebrachten Geschäftsnummer ergeben, welchen Inhalt die Sendung hat; nur auf diese Weise kann der Adressat einer mehrere Schriftstücke umfassenden Sendung deren Vollständigkeit prüfen (BFH-Urteil vom 23. Mai 2000 VIII R 20/99, BFH/NV 2000, 1359 m.w.N.). Fehlt eine von mehreren Sendungen, so muss sich der Empfänger unverzüglich beim Adressaten melden und die fehlerhafte Zustellung rügen (FG Berlin, Urteil vom 15. November 1993 VIII 144/91, EFG 1994, 374, rkr.). Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Briefumschlag und auch die Postzustellungsurkunde eine hinreichende Bezeichnung des Einkommensteuerbescheids für 2001 enthielt, da auf dem Feld für die Geschäftsnummer die entsprechende Steuer ("ESt 2001"), ein "B" für Bescheid sowie das Erlassdatum vom 21. Juli 2003 vermerkt worden waren.

27

Nach der Rechtsprechung enthält nicht nur die vom Postzusteller ausgefertigte Postzustellungsurkunde eine öffentliche Urkunde im Sinne des § 418 Abs. 1 ZPO, die vollen Beweisüber den Vorgang der Zustellung begründet. Auch die Angaben des Sachbearbeiters des Antragsgegners in dem Geschäftsnummerfeld stellen eine eigenständige öffentliche Urkunde im Sinne dieser Vorschriftüber den Vorgang dar, welche Bescheide und sonstigen Schriftstücke in den zu verschließenden Briefumschlag eingelegt worden sind (FG Berlin, Urteil vom 15. November 1993 VIII 144/91, EFG 1994, 374, rkr.; vgl. ferner BFH-Urteile vom 12. September 1995 IX R 72/94, BStBl II 1995, 898, 899, und vom 23. Mai 2000 VIII R 20/99, BFH/NV 2000, 1359, 1361). Obwohl § 82 FGO die Regelungen der ZPO über den Urkundsbeweis nicht in Bezug nehmen, ist nach der Rechtsprechung des BFH die Regelung des § 418 ZPO im finanzgerichtlichen Verfahren analog anwendbar (vgl. nur BFH-Beschluss vom 27. Februar 2001 X B 65/00, BFH/NV 2001, 1035). Der Adressat hat daher den Inhalt einer zugestellten Sendung zu prüfen und muss sodann ggf. den Beweis der Unrichtigkeit der in der Postzustellungsurkunde in Verbindung mit den Angaben auf dem Geschäftsnummerfeld bezeugten Zustellungen nach § 418 Abs. 2 ZPO führen. Dieser Gegenbeweis ist der Antragstellerin bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht mit hinreichender Sicherheit gelungen.

28

Der Prozessbevollmächtigte hat in dem Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage vorgetragen, dass in seinem Büro auf Grund eines Vorfalls in der Vergangenheit immer sofort geprüft werde, ob die sich nach den Angaben auf dem Geschäftsnummerfeld verzeichneten Bescheide und sonstigen Schriftstücke sich auch tatsächlich in dem zugestellten Briefumschlag befänden. Es sei im Büro bekannt, dass man sich beim Absender der Sendung unverzüglich melden müsse, wenn ein Bescheid nicht angekommen sei. Unter Berücksichtigung dieser Aussage ist es dem Senat nicht nachvollziehbar, warum der Bevollmächtigte nach seinem Bekunden sich erst eine Woche später - nämlich mit Schriftsatz vom 30. Juli 2003 - beim Antragsteller gemeldet haben will. Auch die Erläuterung seiner Angestellten, der Bescheid sei im Fristenbuch verblieben, um sie an ein entsprechendes Schreiben an den Antragsgegner zu erinnern, kann die verbleibenden Zweifel an der Darstellung nicht entkräften.

29

Diese Zweifel werden durch den Zustand des im Erörterungstermin vorgelegten Einkommensteuerbescheid 2001 und den Geschehensablauf, wie er in der Steuerakte dokumentiert ist, noch erhärtet. Der Sachbearbeiter des Antragsgegners hatte auf dem Hinweisblatt des Rechenzentrums vermerkt, dass der Bescheid durch Postzustellungsurkunde zusammen mit anderen Bescheiden zugestellt werden sollte. Sofern der Bearbeiter entgegen seinem Vermerk den angefochtenen Verwaltungsakt mit einfachem Brief zur Post gegeben haben sollte, hätte es nahe gelegen, diesen aus fünf Blättern bestehenden Verwaltungsakt zu knicken, um ihn entsprechend der Weisungen preisgünstig versenden zu können. Der Originalbescheid weist aber keine Knickspuren auf, er wurde folglich mit einem DIN A4-Umschlag verschickt.

30

Des Weiteren ist nicht erklärlich, warum der Bevollmächtigte der Antragstellerin in seinem Antwortschreiben vom 29. September 2003 nicht auf sein erstes Schreiben vom 30. Juli 2003, mit dem er den Antragsgegner auf das Fehlen des fraglichen Bescheids aufmerksam gemacht haben will und das beim Antragsgegner sich nicht in seinen Steuerakten befindet, hingewiesen hat. Der Antragsteller hatte nach seinem Schriftsatz vom 28. August 2003 dieses erste Schreiben des Bevollmächtigten offensichtlich nicht zur Kenntnis genommen. Es hätte daher nahe gelegen, ihn auf dieses Schreiben nochmals ausdrücklich aufmerksam zu machen. Das Schreiben des Bevollmächtigten vom 29. September 2003 ist demgegenüber so formuliert, dass dem Antragsgegner zum ersten Mal der Umstand einer Bekanntgabe mittels einfachen Briefes mitgeteilt werden sollte.

31

Auch das im Erörterungstermin vom Bevollmächtigten der Antragstellerin vorgelegte Fristenbuch kann die verbleibenden Zweifel nicht erschüttern. Es erscheint durchaus nachvollziehbar, dass bei derÖffnung der Briefsendungen der Angestellten ein Fehler unterlaufen ist und sie irrtümlich gedacht hat, der Einkommensteuerbescheid sei mit separater Post beim Bevollmächtigten eingegangen.

32

Der Antragsgegner hat zu Recht eine Wiedereinsetzung in der vorigen Stand nach § 110 Abs. 1 AO abgelehnt. Gründe für eine Wiedereinsetzung hatte die Antragstellerin nicht vorgetragen, sie sind nach Aktenlage auch nicht ersichtlich. Sofern der Angestellten des Bevollmächtigten bei der Öffnung des zugestellten Briefumschlags ein Fehler unterlaufen ist und sie irrtümlich eine Bekanntgabe mittels einfachen Briefes angenommen hat, liegt ein Überwachungsverschulden des Bevollmächtigten vor, das der Antragstellerin nach § 110 Abs. 1 Satz 2 AO zuzurechnen ist. Der Bevollmächtigte der Antragstellerin hätte Vorsorge dafür treffen müssen, dass derartige Schreiben ihm unverzüglich vorgelegt werden und er dann beim Antragsgegner reagiert. Keinesfalls hätte die Angestellte von sich aus die Rechtsbehelfsfrist berechnen dürfen, ohne vorher mit dem Bevollmächtigten Rücksprache zu halten.

33

Ebenso wenig ist die Aussetzung geboten, weil die Vollziehung des angefochtenen Bescheides für die Antragstellerin eine unbillige Härte zur Folge hätte. Die Vollziehung eines - noch nicht bestandskräftigen - Steuerbescheides ist für den Steuerpflichtigen unbillig hart, wenn ihm dadurch wirtschaftliche Nachteile drohen, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und die nicht oder nur sehr schwer wieder gut zu machen wären, oder wenn sogar die wirtschaftliche Existenz gefährdet wäre (vgl. Beschluss des BFH vom 24. März 1994 IV S 1/94, BStBl II 1994, 398). Solche Gründe sind weder aus den Akten ersichtlich, noch hat sie die Antragstellerin substantiiert vorgetragen.

34

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.