Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 02.06.2003, Az.: 1 K 59/02
Kenntnis um das Bestehen einer vermögensteuerlichen Verpflichtung; Schlussfolgerung von der bestehenden Auslandsgeldanlage eines Steuerpflichtigen auf die Kenntnis der Vermögensteuerpflicht; Zweifel beim Vorliegen eines Hinterziehungsvorsatzes; Feststellungslast der Finanzbehörden für steuerbegründende Tatsachen
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 02.06.2003
- Aktenzeichen
- 1 K 59/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 12811
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2003:0602.1K59.02.0A
Rechtsgrundlagen
- § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977
- § 6 Abs. 1 VStG
- § 19 VStG
Fundstellen
- EFG 2003, 1279-1280
- PStR 2003, 248-249
- ZAP 2003, 1291
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Voraussetzung für die Strafbarkeit einer Steuerhinterziehung in der Fallvariante des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO ist, dass der Täter sich der Steuerpflicht bewusst ist. Im Gegensatz zur Einkommensteuer kann im Falle der Vermögensteuer nicht allgemein unterstellt werden, dass jeder Steuerpflichtige von der Existenz dieser Steuer wusste und ihm bewusst war, ab welcher Höhe des Vermögens die Steuerpflicht einsetzte.
- 2.
Die Schlussfolgerung von einer bestehenden Auslandsgeldanlage eines Steuerpflichtigen auf seine Kenntnis der Vermögensteuerpflicht ist nicht zwingend angängig, da die Absicht, sich der Vermögenssteuer zu entziehen, angesichts des geringen Steuersatzes schwerlich als Hauptmotiv beim Transfer des Geldes ins Ausland unterstellt werden kann.
- 3.
Bleiben hinsichtlich der Frage des Vorliegens eines Hinterziehungsvorsatzes Zweifel, so geht dieses zum Nachteil der Finanzverwaltung. Diese trägt die Feststellungslast für die steuerbegründenden Tatsachen. Das Vorliegen einer Steuerhinterziehung stellt im Streitfall eine solche steuerbegründende Tatsache dar.
- 4.
Besitzt ein Steuerpflichtiger ein nicht unerhebliches Vermögen, so hat er sich im Vorfeld seiner Steuererklärung darüber kundig zu machen, ob ihn in Bezug auf dieses Vermögen steuerliche Pflichten treffen.
Tenor:
Hinterziehungsvorsatz bei der Vermögensteuer und geringem Kapitalvermögen.
Frage des Vorsatzes bei Einkommensteuer und Vermögensteuer unterschiedlich zu beurteilen.
Tatbestand
Streitig ist die Frage, ob der Beklagte Vermögensteuer für die Stichtage 01.01.1989, 01.01.1990 und 01.01.1993 festsetzen durfte.
Der Kläger gab in der Vergangenheit keine Vermögensteuererklärungen ab. In seinen Einkommensteuererklärungen 1989 - 1991, die er durch einen Steuerberater erstellen ließ, gab er die Höhe seiner Einnahmen aus Kapitalvermögen mit 661,00 DM (1989), 1.112,00 DM (1990) und 509,00 DM (1991) an. Im Zuge von Ermittlungen gegen Kunden von Sparkassen, die nach Einführung der Zinsabschlagsteuer Geld nach Luxemburg transferiert hatten, stellte das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen (FAFuSt) fest, dass der Kläger im Jahre 1994 Wertpapiere von der Sparkasse L. auf die Deka Bank Lux übertragen hatte.
Mit Schreiben vom 15. Dezember 1999 forderte das FAFuSt den Kläger auf, Aufstellungen über die von ihm unterhaltenen Konten und Wertpapierdepots sowie der Kontostände am jeweiligen Jahresende für den Zeitraum 1988 - 1997 einzureichen. In der Folge legte der Kläger entsprechende Bescheinigungen über Kontostände und Erträgnisse bei verschiedenen Banken vor.
Auf der Grundlage dieser Bescheinigungen setzte der Beklagte mit Bescheiden auf den 01.01.1989 und 01.01.1993 vom 27. Dezember 2000 und auf den 01.01.1990 vom 2. Januar 2001 Vermögensteuer fest. Dabei ging er von einem Sonstigen Vermögen des Klägers in Höhe von 175.968,00 DM auf den 01.01.1989, 116.995,00 DM auf den 01.01.1990 und 95.444,00 DM auf den 01.01.1993 aus. Der dagegen gerichtete Einspruch blieb ohne Erfolg.
Der Kläger trägt im Klageverfahren vor, dass die Vermögensteuerbescheide nicht hätten ergehen dürfen, weil die Vermögensteuer verfassungswidrig sei. Das habe das Bundesverfassungsgericht entschieden. Außerdem stehe der Steuerfestsetzung der Eintritt der Festsetzungsverjährung entgegen. Der Kläger habe weiterhin nicht vorsätzlich Vermögensteuer hinterzogen. Er habe nicht von der Existenz der Vermögensteuer gewusst, diese sei nicht allgemein bekannt gewesen. Weder vom Beklagten, noch von seinem damaligen Steuerberater sei er auf die Pflicht zur Abgabe einer Vermögensteuererklärung hingewiesen worden. Das FAFuSt habe die Mitteilungen über die Bankguthaben des Klägers als Selbstanzeige gewertet. Im Übrigen habe der Beklagte von dem Erwerb eines bebauten Grundstücks im Verkehrswert von 264.000,00 DM gewusst. Das hätte aber Anlass sein müssen, ihn auf die Vermögensteuerpflicht hinzuweisen. Schließlich habe der Beklagte die Verbindlichkeiten bei der Bausparkasse Wüstenrot nicht vollständig angesetzt.
Der Kläger beantragt,
die Vermögensteuerbescheide auf den 01.01.1989 vom 27. Dezember 2000, auf den 01.01.1990 vom 2. Januar 2001 und vom 01.01.1993 vom 27. Dezember 2000 sowie die Einspruchsentscheidung vom 23. Januar 2002 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Nach Auffassung des Beklagten habe der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit der Vermögensteuer nur Wirkung für die Veranlagungszeiträume ab 01.01.1997, nicht jedoch für die Vergangenheit. Der Kläger habe zumindest mit bedingtem Vorsatz Vermögensteuer hinterzogen. Er habe bei der Einkommensteuer falsche Angaben hinsichtlich der Höhe der Zinseinkünfte gemacht, was zur Konsequenz gehabt hätte, dass weitere Nachfragen zur Höhe seines Vermögens unterblieben seien. Über sein Vermögen habe er planvoll verfügt. Es habe in den Jahren um 1990 eine intensive Diskussion in der Öffentlichkeit über die Steuerpflicht von Kapitalerträgen gegeben. Das alles deute auf einen zumindest bedingten Vorsatz hin. Die Vermögensteuer dürfe nicht isoliert betrachtet werden, sondern nur im Zusammenhang mit der Einkommensteuer, bei der die Hinterziehung evident sei. Dass der Kläger seinerzeit einen Steuerberater beauftragt habe, entbinde ihn nicht von der Pflicht, der Finanzbehörde gegenüber wahrheitsgemäße Angaben zu machen. Liege eine Steuerhinterziehung vor, so sei noch nicht Festsetzungsverjährung eingetreten.
Soweit der Kläger auf eine angebliche Ermittlungspflichtverletzung des Beklagten verweise, so sei darauf hinzuweisen, dass das Finanzamt davon ausgehen dürfe, dass die Angaben des Steuerpflichtigen in seiner Steuererklärung vollständig und richtig seien. Aus der Kenntnis vom Erwerb eines Grundstücks hätte der Beklagte keinen Rückschluss auf eine Vermögensteuerpflicht ziehen können, weil Grundstücke nur mit dem Einheitswert, nicht aber mit dem Verkehrswert bewertet würden. Die Darlehensschulden des Klägers gegenüber der Bausparkasse Wüstenrot seien in zutreffender Höhe berücksichtigt. Die Schulden seien unmittelbar mit dem Guthaben verrechnet worden.
Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 23. Mai 2002 (Kläger) und vom 17. Juni 2002 (Beklagter) auf mündliche Verhandlung verzichtet und ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat teilweise Erfolg.
1.
Die Klage ist begründet, soweit der Kläger die Aufhebung der Vermögensteuerbescheide auf den 01.01.1989 und auf den 01.01.1990 mit Wirkung für das Jahr 1990 begehrt.
Die Steuerbescheide sind wegen des Eintritts der Festsetzungsverjährung rechtswidrig.
Die Festsetzungsfrist für die Vermögensteuer begann gem. § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO hinsichtlich des Stichtages 01.01.1989 mit Ablauf des dritten auf das Jahr der Entstehung der Steuer folgenden Kalenderjahres, d.h. mit Ablauf des 31.12.1992, da der Kläger keine Vermögensteuererklärungen eingereicht hatte. Sie endete, wenn man von einer fünfjährigen Festsetzungsfrist wegen leichtfertiger Steuerverkürzung (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO) ausgeht, am 31.12.1997. Für den Stichtag 01.01.1990 endete die Festsetzungsfrist ein Jahr später, d.h. am 31.12.1998. Das ergibt sich aus§ 170 Abs. 4 AO, wonach bei der Vermögensteuer der Beginn der Festsetzungsfrist für die Kalenderjahre des Hauptveranlagungszeitraumes jeweils um die gleiche Zeit hinausgeschoben wird.
Damit endete die Festsetzungsfrist für diese Stichtage, bevor durch den Beginn der Ermittlungen der Steuerfahndung eine Hemmung des Ablaufs der Festsetzungsfrist nach § 171 Abs. 5 AO eintreten konnte.
Entgegen der Auffassung des Beklagten betrug die Festsetzungsfrist nicht zehn Jahre. Zehn Jahre beträgt die Festsetzungsfrist gem. § 168 Abs. 2 Satz 2 AO nur insoweit, als eine Steuer hinterzogen worden ist. Dass der Kläger eine Vermögensteuerhinterziehung begangen hat, lässt sich im Streitfall nicht nachweisen. Da der Kläger keine Vermögensteuererklärungen eingereicht und damit auch keine Falschangaben gemacht hatte, könnte eine Steuerhinterziehung hier allenfalls in der Fallvariante des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO vorliegen, nämlich einem pflichtwidrigen In-Unkenntnis-Lassen der Finanzbehörde. Der objektive Tatbestand einer Vermögensteuerhinterziehung lag im Streitfall ohne Frage vor, weil das Gesamtvermögen des Klägers den Freibetrag nach § 6 Abs. 1 Vermögensteuergesetz (VStG) überschritt und er deshalb nach § 19 VStG verpflichtet gewesen wäre, eine Vermögensteuererklärung abzugeben, dieses aber nicht getan hat.
Es kann aber nicht festgestellt werden, dass auch die subjektive Seite des Straftatbestandes der Steuerhinterziehung erfüllt ist. Voraussetzung für die Strafbarkeit einer Steuerhinterziehung in der Fallvariante des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO ist, dass der Täter sich der Steuerpflicht bewusst ist (Kohlmann, Steuerstrafrecht,§ 370 Rn. 88.4.) Im Streitfall hätte der Kläger nur dann vorsätzlich gehandelt und sich strafbar gemacht, wenn ihm auch bewusst gewesen wäre, dass er vermögensteuerpflichtig war und eine Vermögensteuererklärung hätte abgeben müssen. Das wird vom Kläger aber bestritten. Diese Einlassung lässt sich auf der Grundlage der dem Gericht zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel nicht widerlegen. So kann nach Überzeugung des Gerichts im Gegensatz zur Einkommensteuer im Falle der Vermögensteuer nicht allgemein unterstellt werden, dass jeder Steuerpflichtige von der Existenz dieser Steuer wusste und ihm bewusst war, ab welcher Höhe des Vermögens die Steuerpflicht einsetzte. Während nahezu alle erwachsenen Bürger in irgendeiner Form mit der Einkommensteuer in Berührung kommen, war der Kreis derjenigen, die von der Vermögensteuer betroffen waren, eng begrenzt. Die Finanzämter haben auch nicht umfassend Erklärungsvordrucke für die Vermögensteuer versandt oder die Steuerpflichtigen generell aufgefordert, sich dahingehend zu äußern, ob sie über ein die Freibeträgeüberschreitendes Vermögen verfügen. Vielmehr sind die Finanzbehörden in der Regel nur dann tätig geworden, wenn sich aus den Steuererklärungen zu den anderen Steuerarten Anhaltspunkte dafür ergaben, dass der Steuerpflichtige über ein größeres Vermögen verfügte (z.B. hohe Kapitaleinkünfte). Auf diese Weise ist es keinesfalls ausgeschlossen, dass ein Steuerpflichtiger tatsächlich niemals von der Existenz der Vermögensteuer gewusst hatte oder glaubte, diese Steuer betreffe nur Millionäre und nicht einen Durchschnittsbürger.
Nicht weiterführend ist nach Überzeugung des Gerichts auch der Hinweis des Beklagten auf die öffentliche Diskussion in den späten 80-er und frühen 90-er Jahren im Zusammenhang mit der Einführung einer Quellensteuer bzw. Zinsabschlagssteuer. Richtig ist sicherlich daran, dass dadurch die Kenntnis von der Steuerpflicht der Kapitalerträge ins allgemeine Bewusstsein gedrungen ist, zumal seither in die Sparbücher die Aussage "Zinsen sind einkommensteuerpflichtig" eingestempelt wurde. Dies betrifft aber nur die einkommensteuerliche Seite; eine breit geführte öffentliche Diskussion über die Vermögensteuerpflicht von Kapitalvermögen hat es damals nicht gegeben.
Gleiches gilt für den Umstand, dass der Kläger Geld nach Luxemburg transferiert hatte. Den zeitlichen Zusammenhang mit der Einführung der Zinsabschlagsteuer 1993 mag man vielleicht als Indiz auf eine Absicht, Zinseinkünfte zu hinterziehen, werten können. Die Absicht, sich der Vermögensteuer zu entziehen, wird angesichts des geringen Steuersatzes der Vermögensteuer schwerlich das Hauptmotiv beim Transfer des Vermögens ins Ausland spielen. Insofern ist eine Schlussfolgerung von der Auslandsgeldanlage auf eine Kenntnis der Vermögensteuerpflicht nicht angängig.
Irgendwelche individuellen Anhaltspunkte, die den Schluss zulassen, der Kläger habe im Gegensatz zu seiner Behauptung, nicht vorsätzlich gehandelt zu haben, doch von seiner Verpflichtung zur Abgabe einer Vermögensteuererklärung gewusst, lassen sich im Streitfall jedenfalls nicht feststellen. So hat der Kläger, der als Beamter im mittleren Dienst im Amt für Abfallwirtschaft beim Landkreis X beschäftigt ist, von Berufs wegen nichts mit Steuern zu tun. Kenntnisseüber die einzelnen Steuerarten werden im Ausbildungsgang für den mittleren Verwaltungsdienst nicht vermittelt. Im Rahmen seiner Geldanlage hat sich der Kläger auf Standardanlagearten (Bausparguthaben, Termingeld, Sparkonten) beschränkt und keine Geldgeschäfte getätigt, die einen Schluss auf ein besonderes Engagement in Geldangelegenheiten zulassen. Schließlich verfügte der Kläger auch nicht über ein Vermögen in einer Größenordnung, die für sich allein die Behauptung der Unkenntnis von der Vermögensteuer als unglaubhaft erscheinen lässt. So betrug das steuerpflichtige Vermögen hier lediglich zwischen 22.000,00 DM und 95.000,00 DM; damit unterscheidet sich der Fall wesentlich von dem dem Urteil des FG Hamburg vom 5. März 2002 III 300/01, EFG 2002, 955 zu Grunde liegenden Sachverhalt, wo die Kläger ein Vermögen von an einzelnen Stichtagen fast 500.000,00 DM nacherklärt hatten, worauf das FG Hamburg u.a. seine Überzeugung vom Vorliegen eines Hinterziehungsvorsatzes gestützt hatte.
Richtig ist zwar der Hinweis des Beklagten, dass der Kläger in seinen Einkommensteuererklärungen eindeutig zu niedrige Kapitalerträge angegeben und auf diese Weise offensichtlich Einkommensteuer hinterzogen hat. Zutreffend weist der Beklagte auch darauf hin, dass er den Kläger, hätte dieser seine Kapitaleinkünfte ordnungsgemäß erklärt, wohl zur Abgabe einer Vermögensteuererklärung aufgefordert hätte, d.h. die falschen Angaben bei der Einkommensteuer haben nach sich gezogen, dass auch keine Vermögensteuer festgesetzt wurde. Diese Kausalkette besagt aber wiederum nichts darüber, ob der Kläger diese Konsequenz tatsächlich zumindest billigend in Kauf genommen hat.
Bleiben wie hier hinsichtlich der Frage des Vorliegens eines Hinterziehungsvorsatzes Zweifel, so geht dieses zum Nachteil der Finanzverwaltung. Diese trägt die Feststellungslast für die steuerbegründenden Tatsachen (BFH Urteil vom 5. November 1970 V R 71/67, BFHE 101,156, BStBl. II 1971, 220). Das Vorliegen einer Steuerhinterziehung ist im Streitfall steuerbegründende Tatsache, weil ohne dadurch verlängerte Festsetzungsfrist die Vermögensteuerbescheide auf den 01.01.1989 und 01.01.1990 mit Wirkung für 1990 wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung nicht mehr ergehen durften.
2.
Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
a)
Der Festsetzung der Vermögensteuer für die Jahre ab 1991 stand nicht der Eintritt der Festsetzungsverjährung eingetreten. Dass für den Hauptfeststellungsstichtag 01.01.1989 sowie für den Neuveranlagungsstichtag 01.01.1990 bereits Festsetzungsverjährung eingetreten war, hindert nicht die Festsetzung der Vermögensteuer für nachfolgende Kalenderjahre des Hauptveranlagungszeitraums. Das ergibt sich aus §§ 16 Abs. 3 Satz 3 und 15 Abs. 3 VStG, wonach die Haupt- oder Nachveranlagung unter Zugrundelegung der Verhältnisse des Haupt- oder Nachveranlagungszeitpunkts mit Wirkung für einen späteren Veranlagungszeitpunkt vorgenommen werden kann, wenn zwar die Festsetzungsfrist für den Haupt- oder Nachveranlagungszeitpunkt, nicht aber für den späteren Zeitpunkt abgelaufen ist. Gem. § 170 Abs. 4 AO verschob sich der Beginn der Festsetzungsfrist für das Kalenderjahr 1991 gegenüber dem Hauptveranlagungsstichtag 01.01.1989 um zwei Jahre (vgl. obige Berechnung). Die Festsetzungsfrist begann daher mit Ablauf des 31.12.1994 und hätte regelmäßig bei 5-jähriger Festsetzungsfrist wegen leichtfertiger Steuerverkürzung am 31.12.1999 geendet. Der Ablauf der Festsetzungsfrist wurde jedoch gem. § 171 Abs. 5 AO gehemmt. Danach läuft, wenn die mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen vor Ablauf der Festsetzungsfrist beim Steuerpflichtigen mit Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen beginnen, die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor die auf Grund der Ermittlungen zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar werden. Die Steuerfahndung hat am 15. Dezember 1999 und damit vor Ablauf der Festsetzungsfrist für den Stichtag 01.01.1991 den Kläger von der Aufnahme von Ermittlungen gegen ihn in Kenntnis gesetzt; damit wurde von diesem Zeitpunkt an der Ablauf der Festsetzungsfrist gehemmt.
Der Kläger hat sich einer leichtfertigen Steuerverkürzung schuldig gemacht mit der Folge, dass sich die Festsetzungsfrist auf 5 Jahre verlängerte (§ 169 Abs. 2 Satz 2). Das leichtfertige Handeln des Klägers ergibt sich einerseits daraus, dass er angesichts der nicht ganz unbeträchtlichen Höhe seines Vermögens sich hätte kundig machen müssen, ob ihn in Bezug auf dieses Vermögen steuerliche Pflichten treffen. Dies wäre ihm auch ohne größeren Aufwand möglich gewesen, weil er sich seinerzeit der Hilfe eines Steuerberaters bedient hatte und von diesem ohne weiteres entsprechende Auskünfte hätte erlangen können. ImÜbrigen hat der Kläger durch die unzutreffende Angabe seiner Kapitaleinkünfte bei der Einkommensteuer den Beklagten davon abgehalten zu prüfen, ob ein die Freibeträge überschreitendes Vermögen vorhanden ist. Auch dieses begründet den Vorwurf der Leichtfertigkeit.
Für den Vermögensteuerbescheid auf den 01.01.1993 kommt es im Übrigen auf die Frage des Vorliegens einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit nicht an. Dieser ist Bescheid ist noch innerhalb der regulären Festsetzungsfrist von 4 Jahren ergangen (Beginn der Festsetzungsfrist gem. § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO: 31.12.1996; Ende: 31.12.2000, Steuerbescheid vom 27. Dezember 2000).
b)
Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zur Vermögensteuer steht einer Vermögensteuerfestsetzung für die Stichtage 01.01.1990 und 01.01.1993 nicht entgegen. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit der Vermögensteuer vom 22. Juni 1995 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 [BVerfG 22.06.1995 - 2 BvL 37/91], BStBl. II 1995, 655 ausgeführt, dass es nur die Unvereinbarkeit (und nicht die Verfassungswidrigkeit) des Vermögensteuergesetzes feststelle, weil die Erfordernisse verlässlicher Finanz- und Haushaltsplanung und eines gleichmäßigen Verwaltungsvollzuges es rechtfertigen würden, die Regelungen zur Vermögensbesteuerung für zurückliegende Kalenderjahre wie bisher weiter anzuwenden. Um eine stetige Veranlagung der Vermögensteuer zu Gewähr leisten, dürfe das bisher geltende Recht auch bis zum 31. Dezember 1996 weiterhin angewendet werden. Diese Urteilspassage ist zunächst teilweise dahingehend gedeutet worden, dass nach dem 01.01.1997 keine Vermögensteuerbescheide, und zwar auch für vergangene Zeiträume, mehr ergehen dürften. Durch Kammerbeschluss vom 30. März 1998 - 1 BvR 1831/97 - BStBl. II 1998, 422, hat das Bundesverfassungsgericht klargestellt, dass für die Zeiträume bis einschließlich den Stichtag 01.01.1996 Vermögensteuer auch nach dem 01.01.1997 noch festgesetzt werden durfte; Die entsprechende Verfassungsbeschwerde hat es als offensichtlich unbegründet abgewiesen.
c)
Die gegen die Höhe der Steuerfestsetzung gerichteten Einwendungen sind unbegründet. Der Beklagte hat die Verbindlichkeiten des Klägers gegenüber der Bausparkasse Wüstenrot zwar nicht als Schulden berücksichtigt, statt dessen aber vom Sonstigen Vermögen abgezogen. Für die Höhe des Gesamtvermögens bleibt dieses ohne Auswirkungen.
3.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 136 Abs. 1 FGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).