Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 18.06.2003, Az.: 4 K 440/00
Gewährung einer Steuerbegünstigung nach Einkommensteuergesetz für die Errichtung einer Wohnung zurÜberlassung an einen Angehörigen; Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit der Überlassung der Nutzung der neu errichteten Wohnung; Auswirkungen eines Verzichts des Angehörigen auf Ausübung eines Wohnrechts in den zum Altenteil gehörenden Räumlichkeiten; Rechtmäßigkeit der Annahme einer wechselseitigen Nutzungsüberlassung
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 18.06.2003
- Aktenzeichen
- 4 K 440/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 25881
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2003:0618.4K440.00.0A
Rechtsgrundlage
- § 10h Abs. 1 S. 1 EStG
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Das Tatbestandsmerkmal der Vollunentgeltlichkeit setzt voraus, dass die Berechtigung des Nutzungsberechtigten vom Stpfl. abgeleitet wird. Außerdem darf keinerlei Gegenleistung für die Nutzungsüberlassung erbracht werden.
- 2.
Bestellt ein Stpfl. seiner Mutter einen Altenteil (Wohnrecht) an einer im Obergeschoss einer Hofstelle belegenen Wohnung, nutzt er die zum Altenteil gehörigen Räumlichkeiten aber anschließend selbst undüberlässt seiner Mutter unentgeltlich eine andere, nach Einräumung des Altenteils fertiggestellte Wohnung, so liegt keine vollunentgeltliche Wohnungsüberlassung vor. Vielmehr ist eine wechselseitige Nutzungsüberlassung, d.h. ein tauschähnliches Verhältnis, gegeben.
Tatbestand
Streitig ist die Gewährung der Steuerbegünstigung nach § 10 h Einkommensteuergesetz (EStG).
Der Kläger ist Hoferbe nach der Höfeordnung (HöfeO) seines am 18.01.1978 verstorbenen Vaters. Nach Vollendung seines 25. Lebensjahres übernahm der Kläger den Hof, dessen Verwaltung und Nutznießung bis zu diesem Zeitpunkt seiner Mutter oblag (§ 14 Abs. 1 HöfeO), und bestellte seiner Mutter ein Altenteil. Dieses Altenteil bestand u.a. aus einem im Grundbuch eingetragenen lebenslänglichen und unentgeltlichen Wohnrecht an der im Obergeschoss der Hofstelle belegenen Wohnung, bestehend aus drei Räumen nebst Küche, Bad und Nebengelass, sowie Mitbenutzung aller Belegenheiten, die gemeinsam benutzt zu werden pflegen, insbesondere des Kellers, des Bodens und der Waschküche. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Bestellungsurkunde UR ... des Notars ..., ..., Bezug genommen.
In den Jahren 1994/95 baute der Kläger - gemäß den baurechtlichen Bestimmungen - die Bodenräume der Hofstelle zu einer Wohnung (122qm) aus. Die am 30.09.1995 fertiggestellte Wohnung überließ der Kläger anschließend seiner Mutter zu Wohnzwecken. Die von der Mutter geräumten zum Altenteil gehörigen Räumlichkeiten wurden sodann ausschließlich vom Kläger, seiner Ehefrau und Kindern genutzt. Eine Umschreibung des Altenteils erfolgte nicht. Miete oder Nutzungsentschädigung in bar wurde weder von der Mutter noch vom Kläger gezahlt.
Für die Jahre 1995 und 1996 wurde dem Kläger für die neu errichtete und von seiner Mutter bewohnte Wohnung die Steuerbegünstigung nach § 10 h EStG in Höhe von jeweils 18.974 DM (6% der Herstellungskosten von 316.230 DM) gewährt. Für das Jahr 1997 wurde dem Kläger die Steuerbegünstigung versagt.
Dagegen richtet sich nach erfolglos gebliebenen Vorverfahren die Klage. Die Steuerbegünstigung des § 10 h EStG sei zu gewähren, weil die Mutter des Klägers das Recht zur Nutzung der neuen Wohnung nicht aus ihrem Altenteilsrecht, sondern unmittelbar vom Kläger als Eigentümer der Wohnung ableite. Die Wohnung sei der Mutter auch voll unentgeltlich überlassen worden. Der Verzicht der Mutter auf die Nutzung der zum Altenteil gehörenden Räumlichkeiten führe zu keiner anderen Beurteilung. Die Bestellung des Altenteils sei unentgeltlich erfolgt. Folglich könne der Verzicht auf die Nutzung dieser Räumlichkeiten nicht zu einer entgeltlichen Nutzung der neu errichteten Wohnung führen.
Der Kläger beantragt,
den Einspruchsbescheid vom 17.08.2000 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid vom 01.05.2000 dahingehend zu ändern, dass unter Gewährung der Steuerbegünstigung nach § 10 h EStG in Höhe von 18.974 DM die Einkommensteuer 1997 anderweitig festgesetzt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Steuerbegünstigung könne nicht gewährt werden, weil die neue Wohnung der Mutter nicht voll unentgeltlich überlassen worden sei.
Gründe
Die Klage ist unbegründet. Der Beklagte hat zu Recht die Steuerbegünstigung nach § 10 h EStG versagt.
Nach § 10 h Abs. 1 Satz 1 EStG kann der Steuerpflichtige von den Aufwendungen, die ihm durch Baumaßnahmen zur Herstellung einer Wohnung entstanden sind, im Jahr der Fertigstellung und in den drei folgenden Jahren jeweils bis zu 6 vom Hundert, höchstens jeweils 19.800 DM, und in den darauffolgenden Jahren jeweils bis zu 5 vom Hundert, höchstens jeweils 16.500 DM, wie Sonderausgaben abziehen. Voraussetzung ist u.a. nach Nr. 4 der Vorschrift, dass der Steuerpflichtige die Wohnung insgesamt im jeweiligen Jahr des Zeitraums nach Satz 1 voll unentgeltlich an einen Angehörigen im Sinne des§ 15 Abs. 1 Nr. 3 und 4 der Abgabenordnung auf Dauer zu Wohnzwecken überlassen hat. Das Tatbestandsmerkmal der vollen Unentgeltlichkeit setzt voraus, dass die Berechtigung des Nutzungsberechtigten vom Steuerpflichtigen abgeleitet wird (vgl. BFH-Urteile vom 14.10.1998 X R 130/96 - BFH/NV 1999, 606 - und X R 56/96 - BFH/NV 1999, 550). Außerdem darf keinerlei Gegenleistung für die Nutzungsüberlassung - auch nicht teilweise - erbracht werden. Dabei ist zu beachten, dass mögliche Gegenleistungen nicht nur Geldleistungen sind, sondern auch in Sach- und Dienstleistungen oder in Nutzungsüberlassungen bestehen können. Werden solche Leistungen von dem Nutzenden der neuen Wohnung erbracht, obliegt es dem Steuerpflichtigen, nachzuweisen oder glaubhaft zu machen, dass diese Leistungen nicht in zeitlichem und wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Überlassung der Wohnung stehen.
Im Streitfall leitete die Mutter des Klägers ihr Recht zur Nutzung der neuen Wohnung unmittelbar vom Kläger ab. Denn das Altenteil, das der Mutter ein eigenes Nutzungsrecht gibt, erstreckt sich nicht auf diese neue Wohnung, sondern auf nur die Räumlichkeiten in der anderen Wohnung. Das Altenteil konnte sich deshalb nicht auf die neue Wohnung beziehen, weil diese bei der Bestellung des Altenteils noch nicht vorhanden war.
Die Steuerbegünstigung scheitert jedoch daran, dass der Mutter die neue Wohnung nicht voll unentgeltlich überlassen wurde. Die Gegenleistung ist darin zu erblicken, dass die Mutter des Klägers auf die Ausübung ihres Wohnrechts in den zum Altenteil gehörenden Räumlichkeiten verzichtet und diese dem Kläger zur eigenen Nutzungüberlassen hat. Diese wechselseitige Nutzungsüberlassung stellt ein tauschähnliches Verhältnis dar, weil jeweils die Nutzungsüberlassung der einen Wohnung/Räumlichkeiten durch die eine Seite die Gegenleistung für die Nutzungsgewährung der andern Wohnung/Räumlichkeiten durch die anderen Seite bildet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.