Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 04.06.2003, Az.: 6 K 872/00

Abtretung eines Vorsteuervergütungsanspruchs; Materielle Rechtsgrundtheorie ; Aufrechnung gegen abgetretenen Vergütungsanspruch; Auswirkungen einer rückwirkenden Stundung auf die Aufrechnungslage; Begriff der wirksamen verbindlichen Auskunft

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
04.06.2003
Aktenzeichen
6 K 872/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 17376
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2003:0604.6K872.00.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - 08.07.2004 - AZ: VII R 55/03

Fundstellen

  • DStR 2003, X Heft 42 (Volltext mit amtl. LS)
  • DStRE 2003, 1292-1295
  • EFG 2003, 1433-1435

Amtlicher Leitsatz

Abrechnungsbescheid

Auswirkung einer rückwirkenden Stundung auf gegebene Aufrechnungslage bei abgetretener Forderung

Redaktioneller Leitsatz

Aufrechnungsfähige Gegenforderungen, die dem Schuldner gegen den bisherigen Gläubiger schon vor der Abtretung zugestanden haben, können unter allen Umständen auch gegenüber dem neuen Gläubiger aufgerechnet werden. Dies gilt insbesondere auch bei einer rückwirkenden Stundung, weil der Gläubiger damit nur auf die Säumniszuschläge verzichtet und dem Schuldner Vollstreckungsschutz gewährt, nicht aber ein Hinausschieben der Fälligkeit der ursprünglichen Forderung bewirkt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der Beklagte (das Finanzamt - FA -) gegenüber einer der Klägerin abgetretenen Forderung mit einer dem Zedenten rückwirkend gestundeten Forderung aufrechnen durfte.

2

Die Klägerin ist eine Steuerberatungsgesellschaft. Zu ihren Mandanten zählten auch die beim beklagten FA veranlagten Eheleute C., für die die Klägerin Einkommen- und Umsatzsteuererklärungen fertigte. Am 9. Februar 1999 traten die Eheleute C. u.a. den künftigen von ihnen als "Erstattungsanspruch" bezeichneten Vergütungsanspruch bezüglich Umsatzsteuer 1997 in erwarteter Höhe von 7.662,33 DM an die Klägerin ab. Die auf dem dafür vorgesehenen Vordruck gefertigte Abtretungsanzeige ging dem FA am 10. Februar 1999 zu.

3

Mit Bescheid vom 5. Januar 2000 setzte das FA gegenüber den Eheleuten C. eine Erstattung für Umsatzsteuer 1997 in Höhe von 5.546,80 DM und Erstattungszinsen in Höhe von 248,00 DM fest. In diesem Bescheid wurde weiterhin mitgeteilt, dass ein Teil des Guthabens in Höhe von 7,00 DM auf Säumniszuschläge Einkommensteuer 1996 in Höhe von 7,00 DM umgebucht worden sei; weiterhin erfolge eine Anrechnung auf demnächst fällige Beträge für Umsatzsteuer 1996 in Höhe von 2.540,60 DM und Zinsen Umsatzsteuer 1996 in Höhe von 262,00 DM. Über die Verwendung des verbleibenden Guthabens würden die Steuerpflichtigen eine gesonderte Mitteilung erhalten.

4

In der Folgezeit forderte die Klägerin unter Hinweis auf die erfolgte Abtretung das Umsatzsteuerguthaben beim FA telefonisch an. Eine Auszahlung - auch von Teilbeträgen - erfolgte jedoch nicht. Stattdessen erklärte das FA mit Schreiben vom 28. April 2000 gegenüber der Klägerin die Aufrechnung gegen den an die Klägerin abgetretenen Vergütungsanspruch des Mandanten C. aus der Umsatzsteuer 1997. In dem Schreiben heißt es weiter:

"Das Guthaben wurde entgegen den Erläuterungen im Umsatzsteuerbescheid 1997 vom 05.01.2000 wie folgt umgebucht:

Erstattungsanspruch 1997 5.546,80 DM
./. Einkommensteuer 1996 4.626,00 DM
./. Zinsen Einkommensteuer 1.996.248,00 DM
./. Solidaritätszuschlag 1.996.165,80 DM
./. Säumniszuschläge ESt 1996 7,00 DM
./. Zwangsgeld Abgabe ESt-Erklärung 98.500,00 DM
Restbetrag 0,00 DM

Die Guthaben-Zinsen aus der Umsatzsteuer 1997 in Höhe von 248,00 DM wurden umgebucht auf den Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer 1996."

5

Dieses Schreiben war mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen, nach der gegen diesen "Bescheid" Einspruch eingelegt werden konnte. Nachdem die Klägerin Einspruch erhoben hatte, gelangte das FA zu der Auffassung, dass die Aufrechnungserklärung gemäß § 226 Abgabenordnung (AO) kein rechtsbehelfsfähiger Verwaltungsakt im Sinne des § 118 AO sei. Dementsprechend wertete es den Einspruch gegen die Aufrechnungserklärung als Antrag auf Erteilung eines Abrechnungsbescheides nach § 218 Abs. 2 AO. Ein entsprechender Abrechnungsbescheid wurde am 24. Mai 2000 erteilt. Der Inhalt des Bescheides entspricht exakt der Aufrechnungserklärung vom 28. April 2000.

6

Der Gegenforderung (Anspruch des FA gegen Eheleute C. wegen Einkommensteuer 1996 einschließlich Nebenleistungen) liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

7

Die Klägerin gab für die Eheleute C. die Einkommensteuererklärung für 1996 am 22.10.1998 beim FA ab. Gleichzeitig stellte sie für ihre Mandanten einen Stundungsantrag bis zur Veranlagung des Kalenderjahres 1997, da die Gewinnermittlung für 1997 einen Verlust ausweise.

8

Die Einkommensteuer für 1996 setzte das FA mit Bescheid vom 09.11.1998 in Höhe von 9.562,00 DM fest. Im Abrechnungsteil dieses Bescheides wurde unter Anrechnung bereits getilgter Steuern ein Unterschiedsbetrag von 7.148,00 DM (Einkommensteuer), 248,00 DM (Zinsen) und 450,45 DM (Solidaritätszuschlag), insgesamt 7.846,45 DM, bis zum 14.12.1998 eingefordert.

9

Am 6. Januar 1999 lehnte das FA den Antrag auf Stundung der Einkommensteuer 1996 ab, da die Einkommensteuererklärung 1997 noch nicht vorliege. Nachdem die Einkommensteuererklärung der Eheleute C. für 1997 am 9. Februar 1999 beim FA eingereicht worden war, vermerkte ein Mitarbeiter des FA in den Steuerakten (Bl. 9 der Stundungsakte), dass der Geschäftsführer der Klägerin, Steuerberater S., am 4. März 1999 das FA telefonisch um technische Stundung der Einkommensteuer-Nachzahlung für 1996 gebeten habe, da der zu erwartende Erstattungsanspruch 1997 die Rückstände übersteige. Daraufhin stundete das FA mit Bescheid vom 4. März 1999, abgesandt unter dem 12. März 1999, die Einkommensteuer-Nachzahlung für 1996 einschließlich Zinsen, Solidaritätszuschlag und Säumniszuschlägen in Höhe von insgesamt 7.269,45 DM rückwirkend vom 09.02.1999 an bis zur Durchführung der Einkommensteuerveranlagung für 1997, längstens bis zum 10.11.1999 (Bl. 6 der Stundungsakte). Da die Veranlagung für 1997 bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht durchgeführt war, verlängerte das FA mit Bescheid vom 20. Oktober 1999, abgesandt unter dem 29. Oktober 1999, die Stundung bis zur Durchführung der Einkommensteuerveranlagung für 1997, längstens bis zum 10.05.2000.

10

Schließlich setzte das FA mit Bescheid vom 28.02.2000 die Einkommensteuer 1997 gegenüber den Eheleuten C. in Höhe von 0,00 DM fest, sodass sich unter Anrechnung bereits getilgter Beträge ein Erstattungsbetrag in Höhe von insgesamt 1.795,00 DM ergab. In der Anlage zum Bescheid wurde darauf hingewiesen, dass der Betrag von 1.795,00 DM auf die rückständige Einkommensteuer 1996"laut Stundung vom 29. Oktober 1999" umgebucht werde. In einer weiteren Anlage zum Einkommensteuerbescheid 1997 wurde darauf hingewiesen, dass das Erstattungsguthaben für 1997 nicht ausreiche, um die gestundeten Steuerrückstände 1996 vollständig auszugleichen. Da die Stundung der Einkommensteuer 1996 mit der Durchführung der Veranlagung 1997 beendet sei, sei der Restbetrag von 5.474,00 DM (4.626,00 DM für Einkommensteuer 1996, 248,00 DM für Zinsen zur Einkommensteuer 1996, 142,00 DM für Säumniszuschläge Einkommensteuer 1996, 450,00 DM Solidaritätszuschlag 1996 und 8,00 DM Säumniszuschlag-Solidaritätszuschlag 1996) bis zum 10. März 2000 zu zahlen.

11

Mit Änderungsbescheid vom 28.02.2000 wurde die Einkommensteuer für 1996 gegenüber den Eheleuten C. auf 14.000,00 DM heraufgesetzt, sodass sich ein Nachzahlungsbetrag einschließlich Zinsen und Solidaritätszuschlag in Höhe von 12.384,15 DM ergab. Dieser wurde - in Abweichung zur Zahlungsaufforderung in der Anlage zum Bescheid über Einkommensteuer 1997 vom selben Tag - in Höhe von 5.264,70 DM zum 03.04.2000 und in Höhe von 7.119,00 DM zum 10.05.2000 angefordert. Weitere Säumniszuschläge in Höhe von 150,00 DM wurden ebenfalls zum 10.05.2000 angefordert.

12

Das Zwangsgeld wegen Nichtabgabe der Einkommensteuererklärung für 1998 wurde mit Bescheid vom 01.03.2000 in Höhe von 500,00 DM, zahlbar bis spätestens 13. März 2000, festgesetzt. Die Festsetzung ist inzwischen bestandskräftig.

13

Gegen den Abrechnungsbescheid vom 24. Mai 2000 wendet sich die Klägerin nach erfolglosem Einspruchsverfahren mit der vorliegenden Klage. Zur Begründung macht sie geltend, dass das FA in mehreren Telefonaten, die nach Zugang der Abtretungsanzeige geführt worden seien, die Auszahlung der abgetretenen Forderung noch in Aussicht gestellt habe. Wenn aber das FA mit einer wesentlich älteren Forderung aufrechnen wolle, so hätte sie dies der Klägerin unmittelbar nach Erlangung der Abtretungsanzeige mitteilen müssen. Schließlich sei die Aufrechnung auch nicht mehr möglich, da zum Zeitpunkt der Abtretung (9./10. Februar 1999) eine Aufrechnungslage nicht bestanden habe. Insoweit sei entscheidend, dass die Gegenforderung (Einkommensteuerforderung für 1996 gegenüber den Eheleuten C.) zu diesem Zeitpunkt gestundet gewesen sei.

14

Es werde bestritten, dass der Geschäftsführer der Klägerin am 4. März 1999 telefonisch um technische Stundung der Einkommensteuer der Eheleute C. für 1996 gebeten habe. Wegen des Weiteren Vorbringens der Klägerin wird auf die Schriftsätze vom 30.11.2000 (Bl. 9 ff der Finanzgerichtsakte - FGA -), vom 02.07.2001 (Bl. 24 ff FGA) und vom 04.06.2003 (Bl. 79 ff FGA) Bezug genommen.

15

Nachdem die Klägerin ursprünglich beantragt hat, dass FA zur Zahlung von 9.363,33 DM nebst Zinsen zu verurteilen, hat es den Antrag nach einem Hinweis des Gerichts mit Zustimmung des FA eingeschränkt.

16

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihren Abrechnungsbescheid vom 24.05.2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30.08.2000 abzuändern und diesen neu zu fassen mit dem Inhalt, dass das Umsatzsteuerguthaben 1997 der Eheleute C. in Höhe von 5.546,80 DM (= 2.836,03 EUR) durch Aufrechnung nicht erloschen ist und weiter auszusprechen, dass der Betrag von 5.546,80 DM mit 4 % Zinsen seit dem 10.02.1999 zu verzinsen ist,

17

hilfsweise,

den Rechtsstreit an das Landgericht Oldenburg, Kammer für Staatshaftung, zu verweisen.

18

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

19

Er ist der Auffassung, dass er die Aufrechnung gemäß § 226 Abs. 1 AO in Verbindung mit § 406 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) erklären durfte. So bestimme§ 406 BGB, dass der Schuldner (=beklagtes FA) grundsätzlich auch gegenüber dem Zessionar (= Klägerin) aufrechnen könne. Von diesem Grundsatz 1asse § 406 BGB lediglich zwei Ausnahmen zu, von denen vorliegend allenfalls die in § 406 2. Halbsatz 2. Alternative BGB genannte in Betracht komme. Danach sei die Aufrechnung nicht möglich, wenn die Gegenforderung erst nach der Erlangung der Kenntnis von der Abtretung und später als die abgetretene Forderung fällig geworden sei. Im Zeitpunkt der Kenntniserlangung von der Abtretung am 10.02.1999 sei die Gegenforderung fällig gewesen. Zwar habe das FA ca. 1 Monat später die Gegenforderung mit Wirkung vom 09.02.1999 gestundet; die Bezeichnung "rückwirkende Stundung" beruhe aber auf den Erfordernissen der EDV-Eingabe und der besonderen Zinsenberechnung im Steuerrecht. Zivilrechtlich handele es sich insoweit um eine Stundung ex-nunc verbunden mit einem Verzicht auf zwischenzeitlich aufgelaufene Säumniszuschläge.

20

Im Übrigen sei die Aufrechnungserklärung des FA auch deswegen wirksam, weil sich die Klägerin damit durch den (erneuten) Antrag auf Verrechnungsstundung vom 4. März 1999 konkludent einverstanden erklärt habe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 19.05.2003 (Bl. 72 ff FGA) verwiesen.

Entscheidungsgründe

21

I.

Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet; im Übrigen ist sie unbegründet.

22

1.

Auch wenn die Klägerin ihren Antrag als Verpflichtungsantrag formuliert hat, so ist dieser nach dem durch ihr sonstiges Vorbringen zu Tage tretenden tatsächlichen Begehren dahingehend auszulegen, dass eineÄnderung des angegriffenen Bescheides begehrt wird. Dementsprechend hat das Gericht nach § 100 Abs. 2 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) die begehrte Änderung selbst ausgesprochen.

23

2.

Die Klage ist in Höhe von 500,00 DM begründet. Soweit im Abrechnungsbescheid vom 24. Mai 2000 festgestellt wird, dass der abgetretene Umsatzsteuererstattungsanspruch in Höhe von 500,00 DM durch Aufrechnung mit einer Forderung des FA wegen Zwangsgeld 1998 erloschen ist, ist dieser Bescheid rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.

24

Die Rechtsverletzung der Klägerin resultiert daraus, dass das FA zu Unrecht das Erlöschen einer der Klägerin wirksam abgetretenen Forderung durch Aufrechnung festgestellt hat.

25

a)

Die Klägerin ist durch Abtretung Gläubigerin des Vorsteuervergütungsanspruchs 1997 geworden.

26

Die nach § 46 Abs. 1 AO zulässige Abtretung wurde durch ordnungsgemäße Anzeige gemäß § 46 Abs. 2 und 3 AO am 10. Februar 1999 wirksam. Im Rahmen der Veranlagung zur Umsatzsteuer 1997 stand den Eheleuten C. eine Forderung in Höhe von 5.546,80 DM zu; dieser Betrag ergab sich durch eine Abweichung der Jahreserklärung von den zuvor abgegebenen Umsatzsteuer-Voranmeldungen für die ersten drei Quartale 1997 bezüglich der Vorsteuern. Soweit dieser Vorsteuervergütungsanspruch von den Beteiligten teilweise als Erstattungsanspruch bezeichnet wird, schadet diese Falschbezeichnung nicht, da durch die von den Beteiligten gewählte Formulierung der Anspruch hinreichend deutlich gemacht wird und letztlich eindeutig bestimmbar ist.

27

Weiterhin ist unschädlich, dass der von der Klägerin errechnete und damit der Abtretung zu Grunde liegende Erstattungsbetrag von 7.662,33 DM den tatsächlichen Vergütungsanspruch von 5.546,80 DM übersteigt. Insoweit ist die Abtretung hinsichtlich des niedrigeren tatsächlichen Anspruchs, der in dem erwarteten höheren Anspruch enthalten ist, wirksam.

28

Schließlich steht einer wirksamen Abtretung auch nicht entgegen, dass der Vorsteuervergütungsanspruch 1997 erst mit Bescheid vom 5. Januar 2000 und damit nach der Abtretung und der Abtretungsanzeige festgesetzt worden ist. Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Abtretung ist nach § 46 Abs. 2 AO, dass die Abtretung nach Entstehung des Anspruchs angezeigt wird. Nach der materiellen Rechtsgrundtheorie entsteht der Erstattungsanspruch bereits dann, wenn etwas gezahlt wird, was nach dem materiellen Recht nicht geschuldet wird, unabhängig davon, ob der Anspruch festgesetzt ist oder nicht (BFH-Urteil vom 6. Februar 1990 VII R 86/88, Bundessteuerblatt (BStBl) II 1990, 523; vgl. auch BFH-Urteil vom 15. Oktober 1997 II R 56/94, BStBl II 1997, 796 m.w.N. auch zur anderen Ansicht). Dies gilt auch für Vergütungsansprüche (BFH-Urteil vom 30. März 1993 VII R 108/92, BFH/NV 1993, 583). Der erkennende Senat schließt sich der genannten Ansicht für den hier zu entscheidenden Fall der Abtretung an. Danach ist der Vorsteuervergütungsanspruch für 1997 bereits mit Ablauf des Kalenderjahres 1997 - und damit vor Eingang der Abtretungsanzeige - entstanden, § 37 i.V. mit § 38 AO i.V.m. §§ 15, 16, 18 KStG.

29

b)

Gegenüber dem abgetretenen Vergütungsanspruch konnte das FA nicht mit ihrer Zwangsgeldforderung wegen Nichtabgabe der Einkommensteuererklärung 1998 gegen die Eheleute C. aufrechnen.

30

Zwar ist eine Aufrechnung mit Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis sowie die Aufrechnung gegen diese Ansprüche unter sinngemäßer Anwendung der Vorschriften des bürgerlichen Rechts nach § 226 Abs. 1 AO grundsätzlich möglich; auch liegen die allgemeinen Voraussetzungen der Aufrechnung nach§ 387 ff BGB vor; es fehlt jedoch an den Tatbestandsvoraussetzungen des § 406 BGB. Nach dieser Vorschrift kann der Schuldner eine ihm gegen den bisherigen Gläubiger zustehende Forderung auch dem neuen Gläubiger gegenüber aufrechnen, es sei denn, dass die Forderung erst nach der Erlangung der Kenntnis von der Abtretung und später als die abgetretene Forderung fällig geworden ist (§ 406 2. Halbsatz 2. Alternative BGB).

31

Dieser die Aufrechnung ausschließende Ausnahmetatbestand ist vorliegend erfüllt. Das FA als Schuldner des Vorsteuervergütungsanspruchs 1997 hatte gegen die Eheleute C. (bisherige Gläubiger) eine Zwangsgeldforderung in Höhe von 500,00 DM. Diese Forderung wurde mit Bescheid vom 1. März 2000 festgesetzt und am 13. März 2000 fällig. Der Vorsteuervergütungsanspruch wurde nach § 168 Satz 2 AO in Verbindung mit§ 220 Abs. 2 Satz 2 AO erst mit Bekanntgabe der Umsatzsteuerfestsetzung am 8. Januar 2000 fällig (vgl. BFH-Urteil vom 28. Februar 1996 XI R 42/94, BStBl II 1996, 660). Die Kenntnis von der Abtretung des Vorsteuervergütungsanspruchs erlangte das FA am 10. Februar 1999. Damit wurde die Zwangsgeldfestsetzung erst nach der Erlangung der Kenntnis von der Abtretung durch das FA und später als die abgetretene Forderung fällig.

32

c)

Eine Aufrechnung des FA mit der Zwangsgeldforderung war auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer konkludenten Einverständniserklärung seitens der Klägerin möglich.

33

Zwar hat der BFH mit Urteil vom 18. Februar 1986 (VII R 8/81, BStBl II 1986, 506) entschieden, dass eine Aufrechnung auch beim Vorliegen der einer Aufrechnung grundsätzlich entgegenstehenden Voraussetzungen des § 406 2. Halbsatz BGB möglich ist, wenn der Gläubiger sich mit der Aufrechnung konkludent einverstanden erklärt. Diese konkludente Einverständniserklärung sah der BFH in einem Stundungsantrag des Abtretungsempfängers als Bevollmächtigtem des Abtretenden bezüglich der vom FA später in Anrechnung gebrachten Gegenforderung. Eine solche (konkludente) Einverständniserklärung hat die Klägerin vorliegend jedoch nicht abgegeben. Insoweit kommt es auf dieÄußerung in dem vom FA behaupteten Telefonat vom 4. März 1999 zwischen dem Geschäftsführer der Klägerin und einem Mitarbeiter des FA nicht an. Auch nach dem Vortrag des FA bezog sich der Stundungsantrag des Geschäftsführers der Klägerin nur auf die Einkommensteuerforderung für 1996 gegenüber den Eheleuten C.. Es ist weder vorgetragen noch aus der Akte ersichtlich, dass auch über eine Stundung des Zwangsgeldes gesprochen worden wäre.

34

2.

Da das FA mit der Zwangsgeldforderung in Höhe von 500,00 DM nicht aufrechnen konnte, ist der an die Klägerin abgetretene Vergütungsanspruch in dieser Höhe nicht erloschen. Der Abrechnungsbescheid vom 24. Mai 2000 war daher entsprechend zu korrigieren.

35

II.

Im Übrigen ist die Klage unbegründet.

36

1.

In Höhe der verbleibenden 5.046,80 DM ist der an die Klägerin abgetretene Vorsteuervergütungsanspruch durch Aufrechnung erloschen.

37

Die Klägerin ist zwar durch wirksame Abtretung (siehe oben) Gläubigerin des Vorsteuervergütungsanspruchs geworden. Das FA durfte jedoch nach § 226 Abs. 1 AO i.V. mit §§ 387 ff BGB mit ihrer Forderung gegen die Eheleute C. wegen Einkommensteuer 1996 und Nebenleistungen aufrechnen. Insoweit lagen die allgemeinen Voraussetzungen der Aufrechnung (§ 387 BGB) unzweifelhaft vor.

38

a)

Die Aufrechnung durfte gemäß § 406 BGB auch gegenüber der Klägerin als neuem Gläubiger erklärt werden, da der entgegenstehende Ausnahmetatbestand des § 406 2. Halbsatz 2. Alternative BGB nicht erfüllt war.

39

aa)

Nach § 406 2. Halbsatz 2. Alternative BGB ist die Aufrechnung gegenüber dem neuen Gläubiger nicht zulässig, wenn die Gegenforderung erst nach Erlangung des FA von der Kenntnis der Abtretung und später als die abgetretene Forderung fällig geworden ist.

40

Die Forderung des FA gegen die Eheleute C. wegen Einkommensteuer 1996 (Gegenforderung) wurde in der zur Aufrechnung gestellten Höhe mit Bescheid vom 9. November 1998 festgesetzt und dementsprechend am 14.12.1998 fällig. Gleiches gilt für die zur Aufrechnung gestellten Zinsen und dem Solidaritätszuschlag. Die zur Aufrechnung gestellten Säumniszuschläge zur Einkommensteuer 1996 in Höhe von 7,00 DM wurden nach § 240 Abs. 1 AO mit Beginn des auf dem Fälligkeitstag der Einkommensteuer 1996 folgenden Monats, also am 15.12.1998 fällig. Damit waren alle vom FA zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen zum Zeitpunkt der Erlangung der Kenntnis von der Abtretung (10. Februar 1999) fällig. Demzufolge war der Ausnahmetatbestand des§ 406 2. Halbsatz 2. Alternative nicht erfüllt, sodass die Aufrechnung erfolgen durfte.

41

bb)

Daran ändert auch der Umstand nichts, dass das FA die Forderung gegen die Eheleute C. wegen Nachzahlung Einkommensteuer 1996 einschließlich Nebenleistungen am 4. März 1999/12. März 1999 rückwirkend vom 9. Februar 1999 an bis zur Durchführung der Einkommensteuer-Veranlagung für 1997"gestundet" hat.

42

Die Stundung ist ein einseitiger, rechtsgestaltender Verwaltungsakt, der die Fälligkeit eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis hinausschiebt (Tipke-Kruse, Kommentar zur Abgabenordnung, § 222 Tz. 1). Durch das Hinausschieben der Fälligkeit fällt grundsätzlich eine Voraussetzung der Aufrechnung weg, sodass die Finanzbehörde mit einer gestundeten Forderung nicht aufrechnen kann; sie muss vielmehr die Stundung vor der Aufrechnung widerrufen (BFH-Urteil vom 25. April 1989 VII R 36/87, BStBl II 1990, 352).

43

Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht für rückwirkende Stundungen. Die rückwirkende Stundung ist nach allgemeiner Meinung möglich (vgl. BFH-Urteil vom 22. April 1988 III R 269/84, BFH/NV 1989, 428 m.w.N.). Durch die (rückwirkende) Hinausschiebung der Fälligkeit werden die materiell-rechtlichen Verzugsfolgen aufgehoben (Tipke-Kruse, § 222 AO Tz. 2 m.w.N.). Dies bedeutet, dass mangels Fälligkeit keine Säumniszuschläge entstehen. Bei einer rückwirkenden Stundung verzichtet das FA somit auf die Säumniszuschläge, die ab dem Tag der Rückbeziehung der Stundung entstanden sind. Stattdessen fallen nur Stundungszinsen an. Ebenso entfällt bei der rückwirkenden Stundung die Wirksamkeit bereits durchgeführter Vollstreckungsmaßnahmen, allerdings erst durch ausdrückliche Aufhebung (Tipke-Kruse, a.a.O. § 222 Tz. 2). Damit stellt sich die rückwirkende Stundung als Vollstreckungsschutz und Verzicht des FA auf die bislang angefallenen Säumniszuschläge dar. Eine rückwirkende Vernichtung der bestehenden Aufrechnungslage bewirkt die Rückwirkung der Stundung nicht.

44

Insoweit verbleibt es bei dem Grundsatz, dass aufrechnungsfähige Gegenforderungen, die dem Schuldner gegen den bisherigen Gläubiger schon vor der Abtretung zugestanden haben, unter allen Umständen auch gegenüber dem neuen Gläubiger aufgerechnet werden können (Busche in Staudinger, Kommentar zum BGB, § 406 Rdnr. 13). Dies entspricht auch den Interessen der beteiligten Personen. Da die Klägerin zum Zeitpunkt der Abtretung der Forderung wusste, dass eine Aufrechnungslage bestand, war sie in ihrem Vertrauen auf die Abtretung nicht schutzwürdig. Andererseits hat das FA mit der Aufrechnungslage eine schützenswerte Position erlangt, die ihr nach dem Sinn und Zweck des§ 406 BGB durch die Abtretung nicht wieder entzogen werden soll. Hierin unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem vom BFH am 25. April 1989 (VII R 36/87, BStBl II 1990, 352) entschiedenen Fall, da dort eine Aufrechnungslage zu keinem Zeitpunkt bestanden hatte. Nur für diesen Fall ist es gerechtfertigt, die Finanzbehörde an der von ihr ausgesprochenen Stundung mit der Folge festzuhalten, dass eine Aufrechnung während der Stundung nicht möglich ist.

45

b)

Das FA war an der Aufrechnung auch nicht durch die nach der Abtretung mit dem Geschäftsführer der Klägerin geführten Telefonate gehindert. Der Inhalt dieser Telefonate ist zwischen den Beteiligten streitig. Doch selbst wenn man den Vortrag der Klägerin als wahr unterstellt, dass die bezeichnete Mitarbeiterin des FA telefonisch die Auszahlung der abgetretenen Forderung an die Klägerin zugesagt habe, so kann die Klägerin hieraus keine Rechte für sich herleiten.

46

Soweit die Klägerin aus der telefonischen Zusage einen direkten Leistungsanspruch herleitet, ist dieser nicht Gegenstand des Verfahrens. Eine wirksame Zusage auf Auszahlung könnte sich jedoch dahingehend auswirken, dass das FA hierdurch an einer Aufrechnung gehindert wäre und somit der angegriffene Abrechnungsbescheid rechtswidrig wäre.

47

An einer wirksamen verbindlichen Auskunft (Zusage) fehlt es jedoch vorliegend. Bei mündlichen Auskünften liegt bereits die Annahme nahe, dass es sich nur um eine unverbindliche Meinungsäußerung gehandelt hat (BFH-Urteil vom 13. Dezember 1989 X R 208/87, BStBl II 1990, 274). Daher sind bei mündlichen Zusagen besonders strenge Anforderungen an den Nachweis der Bindung zu stellen. Insbesondere muss zweifelsfrei feststehen, dass der Sachverhalt und die steuerrechtliche Frage zutreffend dargelegt sowie von dem Auskunft erteilenden Beamten richtig verstanden worden sind, und dass dieser zur Entscheidung auch befugt war. Unklarheiten gehen insoweit zu Lasten dessen, der sich auf die Verbindlichkeit einer Auskunft beruft (BFH-Urteil in BStBl II 1990, 274 m.w.N.). Gegen einen Bindungswillen seitens des FA spricht bereits, dass die behauptete Zusage nur mündlich gegeben wurde. Entscheidend aber ist, dass die von der Klägerin benannte Beamtin lediglich für die Veranlagung zuständig war. Die hier in Rede stehenden Fragen der Aufrechnung hätte durch den zuständigen Beamten der Erhebungsstelle entschieden werden müssen.

48

2.

Auch soweit die Klägerin die Verzinsung des nicht durch Aufrechnung erloschenen Betrages beantragt, ist die Klage unbegründet. Soweit die Klägerin mit diesem Antrag eine Verurteilung des Beklagten zur Zahlung erreichen will, kann dem nicht entsprochen werden, da Leistungsansprüche der Klägerin nicht Gegenstand des Verfahrens sind. Soweit die Klägerin den angegriffenen Abrechnungsbescheid um die Festsetzung von Zinsen erweitern will, kann diesem Antrag ebenfalls nicht entsprochen werden. Die Festsetzung von Zinsen bleibt nach§ 239 AO einem gesonderten Verfahren vorbehalten.

49

3.

Schließlich ist auch der Hilfsantrag der Klägerin unbegründet.

50

Die beantragte Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Oldenburg geht über das Begehren der Klägerin, das den Streitgegenstand ausmacht, nämlich die Änderung des angegriffenen Abrechnungsbescheides, hinaus. Einen Amtshaftungsanspruch hat die Klägerin im vorliegenden Verfahren nicht geltend gemacht. Da das Gericht somit über das gesamte Klagebegehren entschieden hat, verbleibt kein Substrat, dass noch an das Landgericht Oldenburg verwiesen werden könnte. Es bleibt der Klägerin offen, dort eine eigenständige Klage wegen Amtshaftung anhängig zu machen.

51

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 3 Finanzgerichtsordnung (FGO). Unter Berücksichtigung des ursprünglichen Klagebegehrens hat die Klägerin nur in einem geringen Umfang obsiegt. Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Die Frage, ob eine rückwirkende Stundung eine vorhandene Aufrechnungslage rückwirkend beseitigt mit der Folge, dass eine Aufrechnung bei zwischenzeitlicher Abtretung erst nach Aufhebung der Stundung möglich ist, hat grundsätzliche Bedeutung.