Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 30.07.2015, Az.: 4 LA 168/15

Bedarf; Berufungszulassung; Kostenentscheidung; Schulgeld; Unterhalt

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
30.07.2015
Aktenzeichen
4 LA 168/15
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2015, 45329
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 16.04.2015 - AZ: 4 A 28/15

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Im Ausbildungsförderungsrecht ist eine Berücksichtigung von Schulgeld bei der Bedarfsermittlung generell ausgeschlossen.
2. In einem Berufungszulassungsantrag kann die Fehlerhaftigkeit der erstinstanzlichen Kostenentscheidung nicht gerügt werden.

Tenor:

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück - Einzelrichter der 4. Kammer - vom 16. April 2015 wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Berufungszulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts hat keinen Erfolg. Denn die von der Klägerin geltend gemachten Berufungszulassungsgründe ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sowie einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegen nicht vor bzw. sind von ihr nicht hinreichend dargelegt worden.

Die Berufung ist nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.

Das Verwaltungsgericht hat die auf die Gewährung höherer Ausbildungsförderungsleistungen für den Bewilligungszeitraum vom 1. August 2014 bis zum 31. Juli 2015 gerichtete Klage mit der Begründung abgewiesen, dass es für die von der Klägerin begehrte Hinzurechnung des von ihr entrichteten Schulgeldes in Höhe von monatlich 320 EUR zum ausbildungsförderrechtlichen Bedarf keine Rechtsgrundlage gebe. § 1 Abs. 2 HärteV sehe lediglich beim Besuch von privaten Schulen, denen ein Tagesheim organisatorisch angegliedert ist, die Anerkennung eines zusätzlichen Bedarfs für die neben dem Schulgeld zu entrichtenden Kosten bis zu einer Höhe von monatlich 77 EUR abzüglich der darin enthaltenen Aufwendungen für die Verpflegung der Schüler vor. Von dieser Regelung werde der von der Klägerin geltend gemachte Bedarf in Form des Schulgeldes offensichtlich nicht erfasst.

Die Klägerin wendet hiergegen ein, dass eine Regelung über die Berücksichtigung des Schulgeldes als zusätzlichem Bedarf nicht danach differenzieren dürfe, ob der Ausbildungsstätte ein Tagesheim angegliedert sei oder nicht; die darin liegende Schlechterstellung von Auszubildenden, die nicht eine Tagesheimschule besuchen, entbehre eines sachlichen Grundes und sei daher gleichheitswidrig.

Ernstliche Zweifel ergeben sich aus diesem Vorbringen nicht, denn die von der Klägerin behauptete Ungleichbehandlung liegt nicht vor. § 1 Abs. 2 HärteV ermöglicht auch beim Besuch von Tagesheimschulen nicht die Anerkennung eines zusätzlichen Bedarfs zum wirtschaftlichen Ausgleich für die Erhebung eines Schulgeldes und regelt daher insoweit auch nicht die von der Klägerin behauptete Besserstellung von Tagesheimschülern gegenüber anderen Auszubildenden. Wie das Verwaltungsgericht bereits zutreffend hervorgehoben hat, sieht § 1 Abs. 2 HärteV beim Besuch von Tagesheimschulen einen zusätzlichen Bedarf nur für die Kosten vor, die neben dem Schulgeld zu entrichten sind, also gerade nicht für das Schulgeld selbst. Die frühere Regelung in § 1 Abs. 1 HärteV über einen zusätzlichen Bedarf bei der Entrichtung von Schulgeld oder Studiengebühren ist bereits mit Wirkung zum 1. Juli 1983 aufgehoben worden (vgl. dazu Rothe/Blanke, BAföG, § 14a Rn. 6). Nach heutigem Ausbildungsförderungsrecht können Schulgeldzahlungen somit auf der Bedarfsseite generell nicht mehr berücksichtigt werden (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 26.4.2012 - OVG 6 B 3.11 -). Die Belastung eines Auszubildenden mit Schulgeld kann lediglich noch dazu führen, dass ihm gemäß § 23 Abs. 5 BAföG auf besonderen Antrag ein zusätzlicher Härtefallfreibetrag bei der Anrechnung seines Einkommens auf den Bedarf einzuräumen ist (vgl. dazu den Senatsbeschl. v. 22.8.2008 - 4 PA 758/07 -). Bei der Klägerin kommt dies allerdings schon deshalb nicht in Betracht, weil in ihrem Fall kein eigenes Einkommen auf den Bedarf angerechnet worden ist.

Soweit die Klägerin darüber hinaus geltend macht, dass entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts eine sachlich nicht gerechtfertigte Diskrepanz zwischen der familienunterhaltsrechtlichen Bedarfsberechnung, in deren Rahmen die Belastung des unterhaltsberechtigten Kindes mit Schulgeldzahlungen berücksichtigungsfähig sei, und den hiervon abweichenden Regelungen im Ausbildungsförderungsrecht bestehe, hat sie rechtliche Gesichtspunkte, aus denen sich ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils ergeben könnten, nicht in ausreichender Weise dargelegt. Soweit es die Anrechnung von Eltern- oder Ehegatteneinkommen auf den Bedarf des Auszubildenden betrifft, ist es im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass das Bundesausbildungsförderungsgesetz von einem eigenständigen pauschalierenden Einkommensbegriff ausgeht, der sich nicht notwendig und in allen Einzelheiten mit den zivilrechtlichen Bestimmungen zur Ermittlung der jeweiligen Unterhaltsverpflichtung decken muss (vgl. BVerfG, Urt. v. 6.11.1985 - 1 BvL 47/83 -, BVerfGE 71, 146; Senatsbeschl. v. 19.3.2013 - 4 PA 52/13 - u. v. 23.9.2009 - 4 PA 201/09 -). Für den Senat sind keine Gründe ersichtlich, die dafür sprechen, abweichend hiervon die ebenfalls pauschalierende ausbildungsförderungsrechtliche Bedarfsermittlung einer engeren Bindung an familienunterhaltsrechtliche Maßstäbe zu unterwerfen, zumal der Gesetzgeber auch sonst nicht gehalten ist, Empfänger von Ausbildungsförderung mit anderen bedürftigen Personengruppen, etwa den Empfängern von Wohngeld, wirtschaftlich in jeder Hinsicht gleichzustellen (vgl. BVerfG, Urt. v. 14.10.1997 - 1 BvL 5/93 -, BVerfGE 96, 330). Hiervon ausgehend ergeben sich allein aus der von der Klägerin pauschal gerügten „Diskrepanz“ zwischen der ausbildungsförderungsrechtlichen und der unterhaltsrechtlichen Berücksichtigung von Schulgeld auf der Bedarfsseite der Anspruchsberechnung noch keine handgreifbaren Anhaltspunkte für einen Gleichheitsverstoß. Das gilt insbesondere auch deshalb, weil die mit der Entrichtung des Schulgeldes einhergehende zusätzliche finanzielle Belastung der Klägerin bereits seit dem Beginn ihrer Ausbildung im Schuljahr 2012/13 kontinuierlich besteht, die Klägerin aber gleichwohl weder im Berufungszulassungsverfahren noch im erstinstanzlichen Klageverfahren vorgetragen hat, dass sie deshalb einem erheblichen wirtschaftlichen Druck ausgesetzt sei, die Ausbildung abzubrechen. Mutmaßlich steht die Klägerin derzeit sogar im Begriff, die dreijährige Ausbildung abzuschließen.

Die Berufung ist auch nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, denn die Klägerin hat eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht hinreichend dargelegt.

Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine höchstrichterlich oder obergerichtlich noch nicht beantwortete Rechtsfrage oder eine obergerichtlich bislang ungeklärte Tatsachenfrage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die sich im Rechtsmittelverfahren stellen würde und im Interesse der Einheit der Rechtsprechung oder der Weiterentwicklung des Rechts einer fallübergreifenden Klärung durch das Berufungsgericht bedarf (vgl. Senatsbeschlüsse vom 16.1.2014 - 4 LA 29/13 -, 7.4.2011 - 4 LA 98/10 -, 8.10.2009 - 4 LA 234/09 - und 24.2.2009 - 4 LA 798/07 -; Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 124 Rn. 30 ff. m.w.N.). Daher ist die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache nur dann im Sinne des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt, wenn eine derartige Frage konkret bezeichnet und darüber hinaus erläutert worden ist, warum diese Frage im angestrebten Berufungsverfahren entscheidungserheblich und klärungsbedürftig wäre und aus welchen Gründen ihre Beantwortung über den konkreten Einzelfall hinaus dazu beitrüge, die Rechtsfortbildung zu fördern oder die Rechtseinheit zu wahren (vgl. Schoch/Schneider/Bier, a.a.O., § 124 a Rn. 103 ff.  m.w.N.).

Diesen Vorgaben genügt der Zulassungsantrag der Klägerin bereits deshalb nicht, weil sie eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage, die sie in einem Berufungsverfahren geklärt wissen will, nicht bezeichnet hat.

Schließlich ist die Berufung auch nicht zum Zwecke der von der Klägerin begehrten Änderung der erstinstanzlichen Kostenentscheidung zuzulassen. Denn in einem Zulassungsantrag kann die Fehlerhaftigkeit einer Kostenentscheidung nicht gerügt werden. Gemäß § 158 Abs. 1 VwGO ist die Anfechtung der Entscheidung über die Kosten nur zulässig, wenn gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt wird. Die Anfechtung der Kostenentscheidung setzt danach voraus, dass das Rechtsmittel selbst bereits zugelassen ist. Die Bestimmung bezweckt, die Gerichte davon freizustellen, ohne Entscheidung zur Hauptsache isoliert die Kostenentscheidung überprüfen zu müssen. Deshalb steht sie einer Anfechtung (auch) der Kostenentscheidung nur dann nicht entgegen, wenn das Rechtsmittel in der Hauptsache zu einer Sachentscheidung führen kann. Bei Rechtsmitteln, die der Zulassung bedürfen, ist dies erst nach der Zulassung möglich (BVerwG, Beschl. v. 6.3.2002 - 4 BN 7/02 -, NVwZ 2002, 1385; Bay. VGH, Beschl. v. 22.2.2008 - 15 ZB 07.1141 -).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 188 VwGO.