Verwaltungsgericht Lüneburg
Beschl. v. 11.07.2003, Az.: 1 B 13/03

Amtsangemessene Beschäftigung; Besoldungsgruppe; Beurteilungsspielraum; Bewertungsmodell; Dienstherr; Dienstpostenbewertung; organisatorische Gestaltungsfreiheit

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
11.07.2003
Aktenzeichen
1 B 13/03
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 48155
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Zur Bewertung von Dienstposten

2. Zum Eilrechtsschutz beim Anspruch auf amtsangemessener Beschäftigung.

Gründe

1

I. Der Antragsteller, der bei dem Antragsgegner als Bauoberrat im Dienst steht, begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung dem Antragsgegner aufzugeben, ihm umgehend einen nach der Besoldungsgruppe A 14 Bundesbesoldungsordnung bewerteten Dienstposten zu übertragen.

2

Der Antragsteller war bei dem Antragsgegner zunächst Leiter des Tiefbauamtes. Im Rahmen der Umstrukturierung des Verwaltungsaufbaus wurde ihm mit Wirkung vom 1. Juli 2000 zunächst die Leitung des neu eingerichteten Umweltamtes übertragen. Mit Verfügung vom 8. August 2001 setzte der Antragsgegner den Antragsteller auf die Stelle „Leiter Wasserwirtschaftsabteilung“ um.

3

Gegen diese Umsetzung erhob der Kläger am 8. November 2001 vor dem hiesigen Gericht Klage (1 A 326/01), über die noch nicht entschieden ist. Ein gleichzeitig gestellter Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz hatte insoweit Erfolg, als das Gericht mit Beschluss vom 7. Dezember 2001 (1 B 71/01) feststellte, dass der Antragsgegner verpflichtet sei, dem Antragsteller vorläufig bis zur Entscheidung des Hauptsacheverfahrens 1 A 326/01 entsprechend seinem statusrechtlichen Amt als Bauoberrat (Besoldungsgruppe A 14 BBesO) zu beschäftigen.

4

Nachdem das vom Antragsgegner eingeleitete Verfahren zur Dienstpostenneubewertung durch ein privates Unternehmen erkennen ließ, dass der bisherige Stellenzuschnitt der Leitung der Abteilung Wasserwirtschaft den Anforderungen an eine Stelle der Besoldungsgruppe A 14 nicht gerecht bzw. nicht ganz gerecht wird, beantragte der Antragsteller erneut vorläufigen Rechtsschutz.

5

Während des Verfahrens auf vorläufigen Rechtsschutz hat der Antragsgegner mit Verfügung vom 21. März 2003 den Aufgabenbereich des Antragstellers im Rahmen des neuen Geschäftsverteilungsplans ab 24. März 2003 neu definiert. Der Antragsgegner vertritt die Auffassung, dass der Dienstposten des Antragstellers nunmehr die Zuordnung zu einem Amt der Besoldungsgruppe A 14 der Bundesbesoldungsordnung rechtfertige. Der Antragsteller, der seinen Antrag aufrecht erhält, tritt dem entgegen.

6

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der Beiakte A zum Verfahren 1 B 71/01 Bezug genommen.

7

II. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig, aber nicht begründet.

8

Das Gericht kann gemäß § 123 Abs. 1 VwGO eine einstweilige Anordnung treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (§ 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO - Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes zulässig, wenn die Regelung - insbesondere bei dauernden Rechtsverhältnissen - zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint (§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO - Regelungsanordnung). Beide Formen der einstweiligen Anordnung setzen voraus, dass sowohl ein Anordnungsgrund als auch ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht werden (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 12. Aufl. 2000, § 123 Rn. 6).

9

Der Antragsteller erstrebt mit seinem Verpflichtungsbegehren nicht nur eine vorläufige, sondern eine endgültige Regelung, die er grundsätzlich nur in einem Hauptsacheprozess erreichen könnte. Eine solche regelmäßig unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache im Verfahren auf vorläufigen Rechtsschutz nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO (vgl. aber zur Kritik Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4. Aufl. 1998, Rn 211 ff) wäre nur ausnahmsweise unter dem Gesichtspunkt des verfassungsrechtlichen Gebotes effektiver Rechtsschutzgewährung dann zulässig, wenn ein Antragsteller einerseits Nachteile geltend machen könnte, die nach einem Obsiegen in einem Hauptsacheverfahren nicht mehr ausgeglichen werden können und die hinzunehmen nicht zuzumuten sind, und wenn andererseits ein Obsiegen in dem Hauptsacheverfahren mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erwartet werden kann (vgl. Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz in Verwaltungsstreitverfahren, 4. Aufl. 1998, Rn 216 ff.). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist hier nicht glaubhaft gemacht.

10

Es ist bei der im vorliegendem Verfahren nur gebotenen summarischen Prüfung der Sachlage nicht erkennbar, dass der Antragsteller mit seinem Begehren im Hauptsacheverfahren mit überwiegender Wahrscheinlichkeit obsiegen wird. Denn der vom Antragsteller geltend gemachte Anspruch auf Übertragung eines nach der Besoldungsgruppe A 14 bewerteten Dienstpostens ist nicht hinreichen deutlich, da der Antragsgegner dem Antragsteller einen derartigen Dienstposten nunmehr im hier maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung doch wohl zugewiesen haben dürfte.

11

Der Antragsgegner hat dem Antragsteller mit Verfügung vom 21. März 2003 die im neuen Geschäftsverteilungsplan unter der Stellennummer 610300/Weiserzeichen 61.30 beschriebenen Aufgaben eines Sachbearbeiters mit Wirkung ab 24. März 2003 zugewiesen. Den derart beschriebenen Dienstposten hat der Antragsgegner als Planstelle der Besoldungsgruppe A 14 ausgebracht. Damit dürfte der Dienstposten amtsgerecht bewertet, d.h. dem statusrechtlichen Amt eines Bauoberrats der Besoldungsgruppe A 14 zugeordnet sein.

12

Diese Bewertung des Dienstpostens dürfte entgegen der Ansicht des Antragstellers gerichtlich auch nicht zu beanstanden sein. Die rechtliche Bewertung von Dienstposten, d.h. ihre Zuordnung zur statusrechtlichen Ämtern einer bestimmten Besoldungsgruppe, erfolgt im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben des Besoldungs- und des Haushaltsrechts durch den Dienstherrn gemäß dessen organisatorischer Gestaltungsfreiheit. Für die im vorliegenden Fall streitige Zuordnung des Dienstpostens der Stellennummer 610300 des Antragsgegners zur Besoldungsgruppe A 14 enthält das Gesetz, abgesehen von dem allgemeinen Grundsatz der sachgerechten Bewertung gemäß § 18 Satz 1 BBesG (§ 9 Abs. 1 Nds. LBesG), keine konkreten Vorgaben. Der Haushaltssatzungsgeber entscheidet mit der - Rahmen des Besoldungsrechts vorzunehmenden - Ausbringung von Planstellen über die - insbesondere qualitativen - Anforderungen an die Erfüllung der auf dem betreffenden Dienstposten wahrzunehmenden öffentlichen Aufgaben. Diese Entscheidung, einschließlich einer möglichen Abwägung der Prioritäten im Verhältnis zu anderen Aufgaben, dient allein dem öffentlichen Interesse und unterliegt der weiten organisatorischen Gestaltungsfreiheit des Haushaltssatzungsgebers. Dessen Erwägungen können daher im allgemeinen gerichtlich nur daraufhin überprüft werden, ob sie durch Ermessensmissbrauch geprägt sind. Eine Beanstandung kommt nur dann in Betracht, wenn sich der Antragsgegner bei der Bewertung des Dienstpostens nicht von sachbezogenen Erwägungen hat leiten lassen, sondern solche Erwägungen nur vorgeschoben hätte, um den Antragsteller weiter auf einen Dienstposten zu verwenden, dem er in Wahrheit selbst nicht eine dem statusrechtlichen Amt entsprechende Bedeutung beimisst (vgl. zu allem BVerwG, Urteil vom 28.11.1991 - 2 C 7.89 -, NVwZ 1992, 573 m.w.N.).

13

Der vorliegende Sachverhalt, insbesondere die für die Bewertung der übertragenen Aufgaben gegebenen Begründungen, bieten noch keinen hinreichenden Anhalt für die Annahme, dass die Zuordnung des Dienstpostens zu einem Amt der Besoldungsgruppe A 14 der Bundesbesoldungsordnung ermessensmissbräuchlich wäre. Die nach dem Bewertungsmodell der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung Köln für den jetzigen Dienstposten vergebene Wertzahl von 604 Punkten, die eine Zuordnung zu einem Amt der Besoldungsgruppe A 14 rechtfertigt, ist für sich genommen schlüssig und nachvollziehbar begründet worden. Soweit der Antragsteller dem entgegenhält, dass die deichrechtlichen Aufgaben zu hoch bewertet worden seien, setzt er damit lediglich seine eigene Bewertung an die Stelle derjenigen des Antragsgegners und übersieht damit dessen Beurteilungsspielraum. Dass der Antragsgegner hier die deichrechtlichen Aufgaben jedenfalls handgreiflich fehlgewichtet hat, lässt sich nicht feststellen. Soweit der Antragsteller darlegt, dass es die im Geschäftsverteilungsplan unter Nr. 12 angesprochenen Einzelprojekte von großer/sehr großer Auswirkung bei zutreffender Interpretation des Niedersächsischen Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz nicht gäbe und es sich um eine rein fiktive Aufgabe handele, lässt sich dies so nicht nachvollziehen. Entscheidend hierbei ist nicht, dass es solche Projekte bereits gibt. Ausreichend ist es, wenn solche Projekte durchaus möglich sind und zumindest Vorprüfungen ausgelöst werden. Dass solche Projekte im Gebiet des Antraggegners oder mit Auswirkung auf dessen Gebiet völlig ausgeschlossen sind, lässt sich anhand der derzeitigen Sachlage im vorliegenden Verfahren noch nicht abschließend feststellen und muss letztlich dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

14

Es ist darüber hinaus nicht zu erwarten, dass der Antragsteller unzumutbar schweren, anders nicht abwendbaren Nachteilen ausgesetzt wäre, wenn er derzeit auf das Hauptsacheverfahren verwiesen wird. So hat der Antragsteller als Beamter zwar grundsätzlich einen Anspruch auf Übertragung eines amtsangemessenen Aufgabenbereichs, der hier inhaltlich den höheren Ansprüchen eines A 14 - Amtes genügt. Andererseits ist im Beamtenrecht anerkannt, dass einem Beamten aus dienstlichen Gründen für eine vorübergehende Zeit auch eine nicht seinem Amt entsprechende Tätigkeit übertragen werden darf (vgl. § 27 Abs. 2 BBG, § 31 Abs. 2 NBG). Die zeitliche Grenze einer solchen „unterwertigen Tätigkeit“ liegt je nach Einzelfall bei etwa 3 bis 5 Jahren. In Anbetracht dieser Rechtslage sowie des Umstandes, dass mit der Umsetzung des Antragstellers auf seinen neuen Dienstposten weder ein Wechsel des Dienstortes noch der Dienststelle verbunden war, ist ihm ein weiteres Zuwarten noch zumutbar.

15

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.