Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 08.07.2003, Az.: 2 A 62/02

Ausschlusswirkung; Raumbedeutsamkeit; regionales Raumordnungsprogramm; Vorranggebiet; Windenergieanlage; Windkraftanlage

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
08.07.2003
Aktenzeichen
2 A 62/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 48517
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Windenergieanlagen sind im norddeutschen Flachland in der Regeln ab einer (Gesamt-) Höhe von 100 m raumbedeutsam.

§ 35 Abs. 3 S. 3 BauGB und § 7 Abs. 4 ROG stellen zusammen mit den §§ 7, 8 NROG eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Ausweisung von Vorranggebieten für Windenergieanlagen mit (regelmäßiger) Ausschlusswirkung für die Zulassung derartiger Vorhaben an anderer Stelle dar. § 7 Abs. 4 ROG ist eine gem. Art. 75 Abs. 2 GG unmittelbar geltende Rechtsvorschrift. Dafür spricht insbesondere § 245 b BauGB.

Tatbestand:

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Ersetzung ihres Einvernehmens zugunsten eines Vorhabens der Beigeladenen zur Errichtung von zwei Windkraftanlagen.

2

Die Beigeladene beabsichtigt die Errichtung von zwei Windenergieanlagen vom Typ Vestas V 80/2,0 MW mit einer Nabenhöhe von 78 m und einer Gesamthöhe von 114 m auf den Flurstücken 46/0 und 12/0 der Flur 21, Gemarkung F., im Gemeindegebiet der Klägerin in unmittelbarer Nähe der Bundesautobahn A G.. Die Klägerin hat die Erteilung ihres Einvernehmens hierzu verweigert und zur Begründung darauf hingewiesen, dass die von ihr verabschiedete Flächennutzungsplanung die Errichtung von Windenergieanlagen im Gemeindegebiet ausschließe.

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Der Beklagte hat daraufhin im Rahmen des von der Beigeladenen eingeleiteten Baugenehmigungsverfahrens mit Bescheid vom 31. Juli 2001 das von der Antragstellerin versagte Einvernehmen nach § 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB ersetzt. Zur Begründung hat er ausgeführt, das Vorhaben der Beigeladenen sei im Außenbereich privilegiert. Öffentliche Belange stünden seiner Verwirklichung nicht entgegen. Das gelte auch für die Darstellungen des Flächennutzungsplans sowie die Belange von Naturschutz und Landschaftspflege, die von der Klägerin geltend gemacht worden seien. Die zu erwartenden Beeinträchtigungen, insbesondere der Avifauna, würden von seiner Seite als ausgleichbar beurteilt. Mangels Ausweisung von Vorrangflächen für die Windkraftnutzung in der Flächennutzungsplanung der Klägerin greife auch die Ausschlusswirkung des § 35 Abs. 3 BauGB nicht ein.

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Der gegen die Ersetzung ihres Einvernehmens gestellte Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hatte bei der erkennenden Kammer Erfolg (Beschluss der Kammer v. 11. Oktober 2001 - 2 B 85/01 -). Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat im Beschwerdeverfahren den vorläufigen Rechtsschutzantrag abgelehnt (Beschluss des 1. Senats v. 20.12.2001 - 1 MA 3579/01 -).

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Den eingelegten Widerspruch wies die Bezirksregierung Lüneburg mit Bescheid vom 5. Februar 2002 zurück. Zur Begründung hat sie auf die Ausführungen des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts in dessen Beschluss vom 20. Dezember 2001 verwiesen, in dem der Antrag der Klägerin auf vorläufigen Rechtsschutz abgelehnt wurde, und ergänzend ausgeführt, dass dem im Außenbereich belegenen Vorhaben insbesondere der Flächennutzungsplan der Klägerin nicht entgegengehalten werden könne. Zwar sei der in Frage stehende Bereich darin als Fläche für die Landwirtschaft dargestellt, diese Planaussage sei jedoch nicht als sachlich und räumlich eindeutige "positive" Standortverplanung zu qualifizieren. Die Klägerin habe bei der 4. Änderung ihres Flächennutzungsplans zwar verdeutlicht, dass sie das Gemeindegebiet insgesamt für Windenergieanlagen für ungeeignet halte, mangels Ausweisung einer Konzentrationsfläche sei die Ausschlusswirkung des § 35 Abs. 3 BauGB jedoch vorliegend nicht eingetreten. Die Ersetzung des Einvernehmens sei daher rechtmäßig erfolgt.

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Hiergegen hat die Klägerin am 4. März 2002 Klage erhoben. Zur Begründung hat sie ausgeführt, das Vorhaben der Beigeladenen sei unzulässig, weil es gegen ihren Flächennutzungsplan verstoße. Diese Planung enthalte zwar keine Konzentrationsfläche für Windenergieanlagen, sie sei jedoch nach sachgerechter Prüfung zu dem Ergebnis gelangt, dass im gesamten Gemeindegebiet kein geeigneter Standort für Windkraftanlagen vorhanden sei. Es bedürfe daher keiner Steuerungsmöglichkeit nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB, weil der Errichtung von Windkraftanlagen auch unter Berücksichtigung der Privilegierung an allen Standorten im Gemeindegebiet öffentliche Belange entgegen stünden. Sie sei darüber hinaus der Auffassung, dass das Regionale Raumordnungsprogramm 2000 des Beklagten dem Vorhaben der Beigeladenen entgegenstehe. Der gegenteiligen Auffassung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts, das in seinem Beschluss vom 20. Dezember 2001 die Auffassung vertreten habe, dass das Regionale Raumordnungsprogramm 2000 unwirksam sei, vermöge sie sich nicht anzuschließen. Im Regionalen Raumordnungsprogramm 2000 seien insgesamt zehn Vorrangstandorte für Windenergienutzung ausgewiesen worden. Die ausgewiesenen Vorrangstandorte für Windenergienutzung, die zusätzlichen Festlegungen für nicht raumbedeutsame Windkraftanlagen in den Flächennutzungsplänen der Städte und Gemeinden im Landkreisgebiet sowie die bereits bestehenden Anlagen außerhalb der planerischen Steuerung überträfen bei weitem die vom Land Niedersachsen empfohlene Leistung von 50 MW für das Kreisgebiet. Der Beklagte habe bei der Aufstellung seines Regionalen Raumordnungsprogramms 2000 nicht nur entsprechend dem Erlass des Niedersächsischen Innenministeriums vom 11. Juli 1996 die Flächen bestimmt, die für raumbedeutsame Windenergienutzung nicht zur Verfügung ständen, sondern im Rahmen einer darüber hinausgehenden Positivplanung auch Vorrangstandorte festgelegt. Nachdem inzwischen absehbar sei, dass innerhalb der nächsten Jahre diese Vorrangstandorte vollständig besetzt werden würden, habe der Beklagte bereits den notwendigen Aufstellungsbeschluss gefasst, um weitere Entwicklungsperspektiven für die bundes- und landespolitisch gewollte Windenergienutzung zu schaffen. Die schrittweise Freigabe der Flächen im Rahmen planvoller Steuerung liege im ureigenen Interesse der Windkraftbetreiber und Anlagenhersteller. Während Anfang der 90er Jahre noch 80 kW-Anlagen den Stand der Technik dargestellt hätten, seien es am Ende der Dekade bereits die 500 kW-Anlagen gewesen. Die derzeitige Generation umfasse bereits 1,5 Megawattanlagen. Größere und effektivere Anlagen seien in der Entwicklungs- und Testphase. Auch für diese Anlagen sollten künftig noch Standorte planungsrechtlich möglich sein. Wie wichtig die regionalplanerischen Überlegungen des Landkreises hinsichtlich der Ausweisung der Vorrangstandorte für Windenergieanlagen insbesondere hinsichtlich ihrer Windhöffigkeit gewesen seien, ergebe sich daraus, dass in den letzten Jahren die Windkraftanlagen nicht kostendeckend hätten arbeiten können, weil schlicht zu wenig Wind geweht habe. All dies spreche für die Richtigkeit des Regionalen Raumordnungsprogramms 2000. Entgegen der Auffassung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts sei von dessen Wirksamkeit daher nach wie vor auszugehen. Zumindest die südliche Windenergieanlage halte darüber hinaus den erforderlichen Abstand zu reinen Wohngebieten, in diesem Fall dem Bebauungsplangebiet "H.", von 750 m nicht ein. Hinzu komme, dass die Beigeladene die Windkraftanlagen in einer räumlichen Entfernung von ungefähr 500 m zu der in ihrem Flächennutzungsplan dargestellten Wohnbaufläche "I." plane. Die Immissionspunkte zur Berechnung der Belastung durch Schattenwurf in dem dem Bauantrag beigefügten Gutachten lägen zudem im Wesentlichen entlang der J. Straße. Sie seien damit nicht repräsentativ. Vielmehr müsse aufgrund des geringeren Abstands zum Wohngebiet häufiger mit erheblichem Schattenwurf gerechnet werden als bisher angenommen. Außerdem seien die Lärmeinwirkungen unzutreffend ermittelt worden, weil die Klägerin unrichtig bei dem östlich angrenzenden Gebiet von einem MI-Gebiet ausgehe, während es sich tatsächlich um ein WA-Gebiet handele. Die vom Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in seinem genannten Beschluss angeführte Möglichkeit, dem durch zeitweise Abschaltung der Windenergieanlage zu begegnen, sei im vorliegenden Fall nicht geeignet. Die Baugenehmigung vom 28. Januar 2002 enthalte zudem lediglich Angaben zu den einzuhaltenden Immissionsrichtwerten, ohne die Betriebszeiten zu regeln, so dass diese als rechtswidrig anzusehen sei. Darüber hinaus könne die Erschließung nicht als gesichert angesehen werden. Für die Realisierung seines Vorhabens müsse die Beigeladene öffentliche Wege mit Fahrzeugen von Achslasten von über 12 Tonnen in Anspruch nehmen. Sie befürchte, dass die Wege dieser Beanspruchung nicht standhalten würden.

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Die Klägerin beantragt,

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den Bescheid des Beklagten vom 31. Juli 2001 und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Lüneburg vom 5. Februar 2002 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung hat er sich auf seinen Vortrag im Verfahren 2 B 19/02 bezogen.

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Die Beigeladene hat ebenfalls beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung hat sie ausgeführt, das Einvernehmen sei zu Recht ersetzt worden. Die Flächennutzungsplanung der Klägerin entwickle keine Ausschlusswirkung nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB, weil sie keinen Vorrangstandort ausweise. Die im gerichtlichen Verfahren von der Klägerin vertretene Auffassung, es gebe in ihrem Gemeindegebiet keinen Standort, an dem nicht öffentliche Belange durch die Errichtung von Windenergieanlagen beeinträchtigt würden, übersehe, dass Windenergieanlagen im Außenbereich privilegiert und nur dann unzulässig seien, wenn ihnen öffentliche Belange entgegen stünden. Von einer Raumbedeutsamkeit der beiden geplanten Windenergieanlagen allein aufgrund ihrer Höhe sei nicht auszugehen. Weder seien diese raumbeanspruchend, wie etwa großflächige Fabrikkomplexe oder Flughäfen, noch raumbeeinflussend, weil sie etwa zusätzlichen Straßenverkehr auslösten, sich auf den Arbeitsmarkt auswirkten oder die regionale Umweltsituation veränderten. Raumbedeutsam werde eine Windenergieanlage erst dann, wenn sie wegen ihres besonderen Standorts Spannungen hervorzurufen vermöge. Das sei hier aber keineswegs der Fall, weil es sich bei dem geplanten Standort um einen "Allerweltsstandort" in unmittelbarer Nähe der Autobahn A K. handele. Was das Regionale Raumordnungsprogramm angehe, habe der Beklagte selbst eingeräumt, dass er schon jetzt dabei sei, weitere Standorte für die Windenergiegewinnung auszuweisen und aus diesem Grunde im Juni 2001 den Aufstellungsbeschluss zur Änderung und Ergänzung des Regionalen Raumordnungsprogramms gefasst habe. Er habe insoweit ausgeführt: "Im Rahmen dieses Änderungsverfahrens wird der Standort der Potentialfläche 1 wieder überprüft werden. Eine Ausweisung als Vorrangstandort käme dabei diesmal durchaus auch entgegen den Vorstellungen der Klägerin in Betracht, weil dieser Standort neben anderen materiell weiterhin durchaus geeignet erscheint." Das Regionale Raumordnungsprogramm 2000 des Beklagten sei darüber hinaus nach den Ausführungen des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts in dessen Beschluss vom 20. Dezember 2001 deshalb unwirksam, weil es ohne Beteiligung Privater aufgestellt worden und damit die Berücksichtigung der Belange der privaten Grundeigentümer in der Abwägung zu kurz gekommen sei. Das Oberverwaltungsgericht habe ausgeführt, dass bei der Aufstellung des Regionalen Raumordnungsprogramms Eigentümer, deren Flächen für die Aufstellung von Windkraftanlagen geeignet seien, nicht beteiligt würden. Dementsprechend sei auch nicht gewährleistet, dass ihre Belange vom Träger der Regionalplanung angemessen berücksichtigt seien. Wären die Eigentümer der 50 für Windenergienutzung geeigneten Standorte am Verfahren zur Aufstellung des Regionalen Raumordnungsprogramms beteiligt worden, wäre - so das Oberverwaltungsgericht - wohl auch die Aufnahme von Standorten in das Regionale Raumordnungsprogramm nicht ausschlaggebend vom Einvernehmen der Gemeinden abhängig gemacht worden. Aufgrund dieser Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts sei von der Unwirksamkeit des Raumordnungsprogramms auszugehen, das damit keine Ausschlusswirkung nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB entfalten könne. Das in Erweiterung begriffene Baugebiet "H." werde durch die Windenergieanlagen nicht unzumutbar beeinträchtigt. Es liege jenseits der Autobahn A K., so dass der durch die Windenergieanlagen verursachte Lärm hinter den Geräuschimmissionen der A 250 völlig zurücktrete. Die von der Klägerin geltend gemachte Schattenwurfbeeinträchtigung für die im Flächennutzungsplan dargestellte Wohnbaufläche "I." sei hinnehmbar. Es sei sichergestellt, dass im gesamten Einwirkungsbereich der Anlagen 30 Stunden pro Jahr und 30 Minuten pro Tag an maximalem (theoretisch möglichem) Schattenwurf an keinem Immissionspunkt überschritten werde. Diese Werte müssten nach der Baugenehmigung eingehalten werden, was durch die heute übliche Technik automatischer Abschaltungen der Windenergieanlagen ohne weiteres möglich sei. Soweit die Klägerin eine fehlende Erschließung des Standorts geltend mache, müsse sie sich entgegenhalten lassen, dass sie die Einvernehmensversagung ausschließlich auf planungsrechtliche Bedenken gestützt und die Erschließung zum damaligen Zeitpunkt, am 18. Januar 2001, noch als gesichert bezeichnet habe. Im Übrigen habe sie der Klägerin ein zumutbares Erschließungsangebot gemacht und sich bereit erklärt, sowohl die Kosten für den Ausbau wie auch die Zusatzkosten für die Unterhaltung des Weges während der Lebensdauer der Anlage zu tragen. Nach ihren Ermittlungen sei von einer hinreichenden Tragfähigkeit der Wege auszugehen. Diese seien - wie eine telefonische Anfrage des von ihr beauftragten Ingenieurs beim Amt für Agrarstruktur in Lüneburg ergeben habe - nach den Richtlinien für den ländlichen Wegeaufbau gestaltet worden, was bedeute, dass jeder Weg in der Lage sein müsse, ein Überfahren mit einer 11,5 Tonnen Achslast standzuhalten.

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Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge sowie auf die Verfahren 2 A 168/02, 2 A 213/02, 2 A 214/02 sowie 2 B 85/01, 2 B 19/02, 2 B 41/02 und 1 MA 3579/01 verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage hat Erfolg.

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Die Ersetzung des verweigerten Einvernehmens der Klägerin durch den Beklagten zugunsten des Vorhabens der Beigeladenen ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

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Rechtsgrundlage für die Ersetzung des Einvernehmens der Gemeinde zu einem Bauvorhaben ist § 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB, der dessen rechtswidrige Verweigerung voraussetzt. § 36 BauGB, der die Einholung des Einvernehmens der Gemeinde zu Bauvorhaben nach den §§ 31, 33 bis 35 BauGB vorschreibt, sichert deren Planungshoheit, die mit der verfassungsrechtlich verbürgten Selbstverwaltungsgarantie verbunden ist (Schmaltz in Schrödter, BauGB, 6. Aufl. 1998, § 36 Rdnr. 2). Jedes Bauvorhaben, das ohne das erforderliche Einvernehmen der Gemeinde errichtet wird, präjudiziert in gewissem Umfang die Planung in der Gemeinde und greift damit in deren Planungshoheit ein. Darüber hinaus gibt die Beteiligung im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens der Gemeinde Gelegenheit, eine Bauleitplanung in die Wege zu leiten und ggf. mit den dafür vorgesehenen Mitteln zu sichern (Schmaltz, aaO, m.w.N.) sowie die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben der übergeordneten Regionalplanung zu überwachen, an die ihre Planung anzupassen ist (§ 1 Abs. 4 BauGB). Nach diesen Maßstäben ist die Ersetzung des Einvernehmens der Klägerin durch den Bescheid des Beklagten vom 31. Juli 2001 zu Unrecht erfolgt.

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1. Das Vorhaben der Beigeladenen steht mit § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB nicht in Einklang, der raumbedeutsame Windenergieanlagen außerhalb von festgesetzten Konzentrationsflächen in der Regel ausschließt, soweit hierfür als Ziel der Raumordnung an anderer Stelle eine Ausweisung erfolgt ist.

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a. Wann Windenergieanlagen die Schwelle zur Raumbedeutsamkeit überschreiten, ist bisher nicht abschließend geklärt. Eine gesetzgeberische Regelung fehlt. Das Niedersächsische Innenministerium hat in seinem Erlassentwurf vom Juli 1997 an die Träger der Regionalplanung die Auffassung vertreten, im Interesse einer einheitlichen Anwendung des Raumordnungsrechts sei in der Regel von einer Raumbedeutsamkeit von Einzelanlagen auszugehen, wenn diese eine Nabenhöhe von mehr als 50 m erreichten. Die Fachabteilungen des Beklagten sind im Baugenehmigungsverfahren davon ausgegangen, dass Raumbedeutsamkeit ab einer Gesamthöhe der Anlage von 100 m zu bejahen sei. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Beschluss vom 2. August 2002 (Az. 4 B 36/02; juris) die Auffassung vertreten, die Frage, bei welcher Größenordnung die Raumbedeutsamkeit einer Windenergieanlage beginne, lasse sich nicht mit einer bestimmten Meterangabe beantworten. Als "raumbedeutsam" qualifiziere der Gesetzgeber nicht bloß Planungen und Maßnahmen, durch die Grund und Boden in Anspruch genommen werde, sondern - wie § 3 Nr. 6 ROG zeige - auch solche, durch die die räumliche Entwicklung eines Gebiets beeinflusst werde. Wann das Merkmal der Raumbeeinflussung erfüllt sei, sei eine Frage der Würdigung des Einzelfalls (BVerwG, aaO). Es billigte die Auffassung der Vorinstanz (VGH München, Urt. v. 22.5.2002 - 26 B 01.2234 -, DÖV 2002, 744 [VGH Bayern 22.05.2002 - 26 B 01.2234]), die eine Windenergieanlage wegen ihrer Gesamthöhe von knapp 100 m, ihrer vertikalen Ausdehnung und ihren Wirkungen auf die weitere Umgebung als raumbedeutsam eingestuft hatte. In seiner Entscheidung vom 13. März 2003 (Urt. v. 13.3.2003 - 4 C 4/02 -, NVwZ 2003, 738) hat das Bundesverwaltungsgericht die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Koblenz in dessen Urteil vom 28. Februar 2002 (Az. 1 A 11625/01, BauR 2002, 1053) bestätigt, das eine Windenergieanlage mit einer Nabenhöhe von 70,5 m und einem Rotordurchmesser von 54 m (was eine Gesamthöhe von knapp unter 100 m ergeben dürfte) aufgrund ihrer Sichtbarkeit als raumbedeutsam bewertet hatte, da sie erheblich auf den Raum und seine Landschaft einwirke. Das Verwaltungsgericht Gera hat mit seinen Urteilen vom 4. August 2002 (Az. 4 K 1744/00 GE u. 4 K 808/01 GE, Vnb) einzelne Windkraftanlagen bei einer Höhe von 85 m und einem Standort auf einer Hochfläche sowie mit einer Gesamthöhe von 131 m (98 m Nabenhöhe + 33 m Rotorradius) als raumbedeutsam bewertet. In seiner Entscheidung vom 9. November 2000 hat das Verwaltungsgericht Weimar eine einzelne Windkraftanlage als in der Regel raumbedeutsam eingestuft, wenn sie höher als 100 m sei und im Flachland oder im übrigen auf einem ansteigenden Hang oder auf einer Bergkuppe errichtet werden solle (VG Weimar, Urt. v. 9.11.2000 - 1 K 654/00 -, NuR 2001, 536). Nach Angaben des Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen hat das Oberverwaltungsgericht Magdeburg in seinem Urteil vom 12. Dezember 2002 (Az. 2 L 456/00) - unter Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung (Beschl. v. 29.8.2001 - 2 M 130/01 -) zwei 100 m hohe Windenergieanlagen für raumbedeutsam gehalten, wohingegen das VG Magdeburg dies in seinem Urteil vom 16. Januar 2002 (Az. 4 A 320/00 MD) für zwei 133 m hohe Anlagen verneint habe. Das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 2. April 2003 (Az. 7 B 235/03, BauR 2003, S. 1019) die Zielsetzung einer Gemeinde, Windenergieanlagen mit einer Höhe von mehr als 100 m in einer flächennutzungsplanmäßig ausgewiesenen Konzentrationszone auszuschließen, als legitime planerische Zielsetzung bezeichnet.

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b. Die Kammer ist der Auffassung, dass die Schwelle der Raumbedeutsamkeit für einzelne Windenergieanlagen im Flachland in der Regel bei einer Gesamthöhe von 100 m erreicht wird und Anlagen mit einer derartigen Höhe daher grundsätzlich nur in raumplanungsrechtlich ausgewiesenen Vorranggebieten errichtet werden können. Windenergieanlagen sind aufgrund ihrer geringen Grundfläche zwar nicht als "raumbeanspruchend" einzustufen, sie sind aufgrund der von ihnen ausgehenden optischen Wirkungen ab dieser Höhe jedoch als raumbeeinflussend und wegen der um ihre Standorte herum einzuhaltenden Abstände auch als raumwirksam anzusehen (ebenso: VGH München, aaO). Bei einer Höhe von 100 m liegt der Schwellenwert für die luftfahrtrechtliche Relevanz, aus Gründen der Flugsicherung ist ab dieser Höhe eine Tageskennung der Rotorspitzen in Leuchtfarben und eine Nachtkennung durch Blinkfeuer erforderlich (vgl. OVG Münster, aaO), was die optische "Präsenz" der Anlagen in der Landschaft (nochmals) - regelmäßig bis hin zur Dominanz - steigert. Im Hinblick darauf, dass die Genehmigung von Windenergieanlagen für die Bauaufsichtsbehörden derzeit ein "Massenphänomen" ist und sich die örtlichen Verhältnisse im norddeutschen Flachland in der Regel nicht derartig stark voneinander unterscheiden, dass eine nach Standorten differenzierte Betrachtung zwingend geboten ist, hält die Kammer eine klare Grenzziehung für die Frage der Raumbedeutsamkeit von Einzelanlagen aufgrund ihrer Gesamthöhe für den "Regelstandort" für geboten und auch für möglich, was eine abweichende Beurteilung im Einzelfall aufgrund atypischer Besonderheiten nicht ausschließt.

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c. Der von den Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen vertretenen Ansicht, die Raumbedeutsamkeit eines Vorhabens setze "überörtliche Auswirkungen" voraus, vermag sich die Kammer nicht anzuschließen. Diese Auffassung steht in Widerspruch zu der oben zitierten Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte, die im Einklang mit der Begriffsbestimmung des § 3 Nr. 6 ROG als raumbedeutsame Maßnahmen solche ansieht, durch die Raum in Anspruch genommen oder die räumliche Entwicklung oder Funktion eines Gebiets beeinflusst wird, ohne hierfür ausdrücklich überörtliche Auswirkungen zu verlangen. Die von den Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen als Beleg angeführte Zitatstelle bei Schmaltz, in Schrödter, aaO, § 35 Rdnr. 99, scheint der Kammer auf einem Missverständnis zu beruhen. Zwar wird dort auf Hoppe und dessen Kriterium verwiesen, auf die überörtlichen Auswirkungen des Vorhabens vor dem Hintergrund des konkreten Ziels der Raumordnung abzustellen, aus dem nachfolgenden Satz ergibt sich jedoch, dass durch diese Auslegung gerade vermieden werden soll, dass ein kleineres, für sich unbedeutendes Vorhaben auch im Widerspruch zu bedeutsamen Zielen der Raumordnung zugelassen werden muss.

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2. Dem demnach als raumbedeutsam einzustufenden Vorhaben der Beigeladenen steht die Ausweisung von Vorrangflächen für die Windenergienutzung im Regionale Raumordnungsprogramm 2000 des Beklagten, das vom Kreistag am 8. Juli 1999 durch Satzung beschlossen worden ist, entgegen.

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Die Kammer hält die Ausweisungen dieses Regionalen Raumordnungsprogramms für wirksam. Allerdings hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in seinem im Eilverfahren ergangenen Beschluss vom 20. Dezember 2001 (Az. 1 MA 3579/01) erhebliche Zweifel an der Wirksamkeit der Aussagen des Regionalen Raumordnungsprogramms zur Windenergienutzung geäußert.

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a. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hatte seine Bedenken u.a. darauf gegründet, dass der Beklagte im Eilverfahren die Auswahl von 10 Standorten aus ca. 50 für Windenergieanlagen geeigneten Standorten damit begründet hatte, dass diese "... vor allem deswegen übernommen (worden seien), weil auf diesen Standorten zunächst der bekannte Bedarf gedeckt werden konnte und sich für diese Standorte das Einvernehmen der beteiligten Gemeinden erzielen ließ". Der 1. Senat des Oberverwaltungsgerichts hat hierin keine sachgerechte regionalplanerische Abwägung gesehen, weil damit die gebotene übergeordnete regionalplanerische Sicht durch die Partikularinteressen der Gemeinden ersetzt werde. Die daraus resultierenden Zweifel sind vom Beklagten im gerichtlichen Verfahren aber ausgeräumt worden.

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Der Beklagte hat sich mit der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts in seinem Schriftsatz vom 12. März 2002 im Verfahren 2 B 19/02 auseinandergesetzt und ausgeführt, dass sich aus den Verfahrensakten über die Aufstellung des Regionalen Raumplanungsverfahrens 2000 nachweisen lasse, dass im Aufstellungsverfahren keineswegs einseitig und in allen Fällen den Wünschen und Interessen der beteiligten Gemeinden gefolgt worden sei. Im ersten Entwurf des Raumordnungsprogramms aus dem Jahr 1997 seien bei der kreisweiten Suche nach geeigneten Vorrangstandorten für Windenergienutzung insgesamt 45 Flächen, die im Umkreis von bis zu 3 km Entfernung zu vorhandenen Umspannwerken Windgeschwindigkeiten zwischen 5 und 5,5 m pro Sekunde erwarten ließen, dargestellt gewesen. Den daraufhin abgegebenen Stellungnahmen der Gemeinden habe die dann beschlossene Fassung des Raumordnungsprogramms keineswegs in allen Fällen Rechnung getragen. So habe die Samtgemeinde L. in ihrem Schreiben vom 26. Februar 1998 einen Vorrangstandort bei M. vorgeschlagen, der nicht ausgewiesen worden sei. Ferner habe die Stadt N. im Schreiben vom 16. Februar 1998 drei Flächen für Vorrangstandorte vorgeschlagen, die nicht in Betracht gekommen seien. Schließlich habe auch die Samtgemeinde O. sich nicht mit ihrer Vorstellung durchsetzen können, Vorrangstandorte für Windkraftanlagen erst nach einem Änderungsverfahren für den Flächennutzungsplan und der dafür erforderlichen Beteiligung der Bürger und der Träger öffentlicher Belange durchzuführen. Daraus ergebe sich, dass keineswegs in allen Fällen den Vorstellungen der Gemeinden gefolgt worden sei, wenn schließlich zehn Vorrangstandorte in das Regionale Raumordnungsprogramm 2000 übernommen worden seien. Die Ausweisung beruhe vielmehr auf sorgfältiger und ordnungsgemäßer Planung und Abwägung.

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b. Soweit das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht seine Zweifel an der Verbindlichkeit "... der Ziele der Raumordnung auch im Rahmen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB bei der Entscheidung über die Zulässigkeit eines Außenbereichsvorhabens" darauf gestützt hat, dass diesen wohl kein strikter und unabdingbarer Geltungsanspruch beigemessen werden könne, weil das Regionale Raumordnungsprogramm ohne Beteiligung Privater aufgestellt und damit die Berücksichtigung der Belange der privaten Eigentümer in er Abwägung zu kurz gekommen sei, vermag die Kammer sich dem nicht anzuschließen.

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§ 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB enthält eine klare gesetzgeberische Aussage, die auch im Lichte verfassungsrechtlicher Erwägungen nicht relativiert werden muss (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.3.2003, aaO). § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB schließt die Zulassung bestimmter Vorhaben "in der Regel" aus, wenn für sie in Regionalen Raumordnungsprogrammen Vorrangflächen ausgewiesen sind. Die Rechtswirksamkeit derartiger Regionaler Raumordnungsprogramme richtet sich nach dem Raumordnungsrecht des Bundes und des Landes Niedersachsen. Dabei ist zu beachten, dass § 10 ROG Planerhaltungsvorschriften enthält, die § 10 NROG übernimmt. So ist nach § 10 Abs. 1 Satz 1 ROG und - gleichlautend - nach § 10 Abs. 1 Satz 1 NROG eine Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften - wie sie nach Auffassung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (aaO) auch in der Nichtbeteiligung privater Eigentümer von Potentialflächen wohl zu sehen wäre - bei der Aufstellung von Raumordnungsplänen unbeachtlich, wenn diese nicht innerhalb eines Jahres geltend gemacht wird. Dass entsprechende Einwendungen fristgerecht geltend gemacht worden sind, ist vorliegend aber weder vorgetragen, noch ersichtlich.

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Hinzu kommt, dass nach § 10 Abs. 2, 2. Fall NROG Abwägungsmängel, die weder offensichtlich noch auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind, unbeachtlich sind und die Rechtswirksamkeit des Regionalen Raumordnungsprogramms daher nicht beeinflussen. Bei der Festlegung von Vorranggebieten mit Ausschlusswirkung für die Windenergienutzung gehören zum Abwägungsmaterial auch die privaten Belange der Eigentümer der zur Windenergienutzung geeigneten Flächen. Die Aufgabe der Raumordnung als einer zusammenfassenden, übergeordneten Planung, ihre weiträumige Sichtweise und ihr Rahmencharakter berechtigten die Planungsträger nach der inzwischen ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urt. v. 13.3.2003, aaO) allerdings dazu, das Privatinteresse an der Nutzung der Windenergie auf geeigneten Flächen zu unterstellen und als typisierende Größe in die Abwägung einzustellen. Dabei darf der Träger der Regionalplanung auch berücksichtigen, dass die Privatnützigkeit der Flächen, die von der Ausschlusswirkung der Konzentrationsentscheidung erfasst werden, zwar eingeschränkt, aber nicht beseitigt wird. Ein Eigentümer muss es grundsätzlich hinnehmen, dass ihm eine möglicherweise rentablere Nutzung seines Grundstücke verwehrt wird. Art. 14 Abs. 1 GG schützt nicht die einträglichste Nutzung des Grundstücks (BVerwG, Urt. v. 13.3.2003, aa0, m.w.N.).

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Hiervon ausgehend ist für die Kammer nicht erkennbar, dass der Aufstellung und Verabschiedung des Regionalen Raumordnungsprogramms 2000 des Beklagten beachtliche Abwägungsfehler bei der Berücksichtigung der Interessen der privaten Grundeigentümer zu Grunde lägen, wie es das Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 20. Dezember 2001 gemutmaßt hat.

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c. Die Kammer teilt auch nicht den von dem Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. März 2003 (aaO) gezogenen Schluss, das Regionale Raumordnungsprogramm des Beklagten 2000 sei aufgrund einer fehlenden landesrechtlichen Ermächtigungsgrundlage für die Ausweisung von Vorranggebieten mit Ausschlusswirkung unwirksam.

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Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass nach § 23 ROG für vor dem 1. Januar 1998 eingeleitete raumbedeutsame Planungen die Vorschriften des Raumordnungsgesetzes in seiner bisherigen Fassung weiter anzuwenden waren und diese Planungen von einer Nichtumsetzung des § 7 Abs. 4 ROG in Landesrecht daher nicht betroffen wären. Die Kammer vermag sich schon deshalb nicht der aus der Auffassung des Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen notwendig zu ziehenden Schlussfolgerung anzuschließen, dass die Regionalen Raumordnungsprogramme - nicht nur - in Niedersachsen aufgrund einer fehlenden landesrechtlichen Ermächtigungsgrundlage für die Ausweisung von Vorranggebieten mit Ausschlusswirkung unwirksam und damit raumbedeutsame Windenergieanlagen an allen Standorten - nur begrenzt durch das Entgegenstehen öffentlicher Belange - zulässig seien.

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Die Ermächtigungsgrundlage für die Inhalts- und Schrankenbestimmung des privaten Grundeigentums iSv Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG für die mit der raumordnerischen Konzentrationsentscheidung einher gehende Ausschlusswirkung der Ausweisung von Vorranggebieten in Regionalen Raumordnungsprogrammen sieht die Kammer mit dem Bundesverwaltungsgericht in § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB (BVerwG, Urt. v. 13.3.2003, aaO). Mit dieser Norm und mit § 7 Abs. 4 ROG hat der Bundesgesetzgeber ein "geschlossenes System" von Rechtsvorschriften schaffen wollen, mit denen den Kommunen und den Trägern der Regionalplanung in den einzelnen Bundesländern der (regelmäßige) Ausschluss von Windenergieanlagen außerhalb von Vorrangflächen - ohne weitere dazwischengeschaltete landesgesetzgeberische Maßnahmen - ermöglicht werden sollte. Das ergibt sich aus der Überleitungsregelung des § 245 b BauGB. Denn sie ermöglichte eine Aussetzung von Entscheidungen über die Zulässigkeit von Windenergieanlagen auf Antrag der für die Raumordnung zuständigen Stelle, wenn diese die Aufstellung, Änderung oder Ergänzung von Zielen der Raumordnung eingeleitet hatte. Diese Vorschrift wäre - jedenfalls zunächst - leer gelaufen, wenn es zuvor einer Umsetzung des § 7 Abs. 4 ROG in Landesrecht bedurft hätte, da die Träger der Regionalplanung in diesem Fall an der Einleitung derartiger Verfahren von Rechts wegen gehindert gewesen wären, was erkennbar nicht der Vorstellung des Bundesgesetzgebers entsprochen hat. Auch der Niedersächsische Landesgesetzgeber ist - wie offensichtlich auch der rheinland-pfälzische Landesgesetzgeber (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.3.2003, aaO) - davon ausgegangen, dass es der Einfügung einer dem § 7 Abs. 4 ROG entsprechenden Vorschrift in das Landesraumordnungsrecht nicht bedarf. Denn er hat die Umsetzungsfrist des § 22 ROG verstreichen lassen, ohne bei der im Jahr 2002 erfolgten Novellierung des niedersächsischen Raumordnungsrechts eine Änderung der Gesetzeslage in diesem Punkt vorzunehmen. Die Kammer ist daher der Auffassung, dass § 7 Abs. 4 Satz 1 ROG eine gem. Art. 75 Abs. 2 GG unmittelbar geltende Rechtsvorschrift ist, die zur Erlangung ihrer Geltung keiner Umsetzung in Landesrecht bedarf. Dies ist mit dem Wortlaut der Norm vereinbar. Nach § 7 Abs. 4 S. 1 ROG können " ... Festlegungen nach den Absätzen 2 und 3 ... auch (Vorrang-, Vorbehalts- und Eignungs-) Gebiete bezeichnen". Dies eröffnet zwar dem Träger der Regionalplanung Spielraum, entsprechende Festlegungen zu treffen (oder dies zu unterlassen), ein Umsetzungsspielraum für den Landesgesetzgeber, den auszuüben dieser nach Art. 75 Abs. 3 GG verpflichtet wäre, ergibt sich hieraus jedoch nicht. Die - vom Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 13.3.2003, aaO, S. 739) für erforderlich gehaltene - "... raumordnungsrechtliche Ermächtigung (auf landesgesetzlicher Ebene) zur Festlegung von Konzentrationsflächen" in den Regionalen Raumordnungsprogrammen sieht die Kammer in den §§ 7 und 8 NROG idF des Gesetzes vom 30. Oktober 2001 (GVBl. S. 668), die die Ausweisung raumordnungsrechtlicher Ziele durch Satzung der Träger der Regionalplanung regeln. Die hierin enthaltene Satzungsermächtigung für die zum Erlass von Raumordnungsprogrammen berufenen Landkreise genügt nach Auffassung der Kammer den an die Einräumung derartiger Rechtsetzungsbefugnisse zu stellenden formalen und inhaltlichen Anforderungen.

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3. Entgegen der Auffassung des Beklagten sieht die Kammer auch keine ausreichende Grundlage für eine Zulassung des Vorhabens der Beigeladenen auf der Grundlage der Annahme des in § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB enthaltenen "Ausnahmevorbehalts" für atypische Einzelfälle (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.3.2003, aaO). Die Verwendung des Begriffs "in der Regel" in § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB zeigt zwar, dass im Rahmen einer nachvollziehenden, die allgemeine gesetzliche Wertung für den Einzelfall konkretisierenden Abwägung das Interesse der Klägerin an der Verwirklichung des privilegierten Vorhabens und die jeweils berührten öffentlichen Belange zu gewichten sind (NdsOVG, Urt. v. 21.7.1999 - 1 L 5203/96 -, NVwZ 1999, 1358). Der "Ausnahmevorbehalt" stellt ein Korrektiv dar, das unverhältnismäßigen (unzumutbaren) Beschränkungen des Grundeigentümers in Sonderfällen vorbeugt, ohne dass damit die Grundzüge der Planung in Frage gestellt werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.3.2003, aaO). Die damit vorzunehmende Gewichtung fällt nach der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts regelmäßig zu Ungunsten des privilegierten Vorhabens aus, wenn sich der zuständige Planungsträger - wie hier - mit der Frage der Zulässigkeit von Windenergieanlagen außerhalb der von ihm besonders dargestellten Eignungsflächen auseinandergesetzt hat (NdsOVG, Urt. v. 21.7.1999, aaO).

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Ein Ausnahmefall kann nach Auffassung der Kammer im vorliegenden Fall daher insbesondere nicht damit begründet werden, dass der Standort in der Nähe der Autobahn A 250 bzw. in Sichtweite einer Stromleitung und zweier weiterer Windenergieanlagen gelegen ist. Diese Auffassung läuft auf die Aufstellung des Rechtsgrundsatzes hinaus, dass Windenergieanlagen in der Nähe von Autobahnen bzw. von Überlandstromleitungen stets als zulässig angesehen werden müssten. Eine derartige Bewertung wird der Eigenart der von Windenergieanlagen ausgehenden optischen Wirkungen jedoch nicht gerecht. Raumbedeutsame Windenergieanlagen mit einer Gesamthöhe von 100 m und mehr zeichnen sich zum einen dadurch aus, dass sie vertikal aufragen und auf erhebliche Entfernung in den Landschaftsraum hineinwirken (OVG Koblenz, aaO; VGH München, aaO); zum anderen tragen sie aufgrund der sich bewegenden Rotoren einen Moment der Dynamik in das Landschaftsbild hinein und ziehen den Blick des Betrachters - nach dem Empfinden vieler nahezu "zwanghaft" (OVG Münster, Beschl. v. 22.10.1996 - 10 B 2385/96 -, NVwZ 1997, 924) - auf sich. Mit diesen Wirkungen von Windenergieanlagen sind die optischen Wirkungen einer horizontal in der Landschaft verlaufenden Autobahntrasse ebenso wenig vergleichbar wie der Anblick der statischen und vielfach filigran wirkenden Überlandstrommasten und -leitungen. Hinzu kommt, dass die vom Gesetzgeber vorgenommene Begrenzung der Zulässigkeit von Windenergieanlagen über § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB durch Ausweisung von Vorranggebieten weitgehend entwertet würde, wenn die Betreiber von Windenergieanlagen für Standorte entlang von Autobahnen und in der Nähe von Stromüberlandmasten generell sich auf das Ausnahmeprivileg des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB berufen könnten. Gleiches gilt hinsichtlich des Einwandes des Beklagten, vom vorgesehenen Standort seien weitere Windenergieanlagen sichtbar. Wäre bereits dies ausreichend, um die im Regelfall eintretende Ausschlusswirkung nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB zu überwinden, würden die planerischen Abgrenzungen für Vorrangstandorte weitgehend bedeutungslos. Windenergieanlagen könnten sich nach und nach wie ein "sich fortpflanzender Teppich" über die gesamte Landschaft ausbreiten, weil in Sichtweite vorhandener Anlagen weitere Anlagen stets zulässigerweise errichtet werden dürften. Eine derartige Auslegung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB würde die vom Gesetzgeber ermöglichte Beschränkung von Windenergieanlagen auf Vorrangstandorte weitgehend sprengen und kann daher mit dem gesetzgeberischen Willen nicht mehr als vereinbar angesehen werden.

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4. Ob das Vorhaben der Beigeladenen auch deshalb rechtswidrig ist, weil die zulässigen Lärm- und Schattenwurfwerte für Wohnbebauung im Bereich des Bebauungsplangebiets "H." überschritten werden, bedarf bei dieser Sachlage keiner Entscheidung. Die insoweit von der Beigeladenen vertretene Auffassung, die auf das Baugebiet H. von den Windenergieanlagen ausgehenden Geräuscheinwirkungen der Windenergieanlagen würden durch die Immissionen der dazwischenliegenden Autobahn A K. vollständig maskiert, erscheint der Kammer jedenfalls nicht zweifelsfrei. Diese Auffassung wäre wohl nur dann zutreffend, wenn der von der A K. ausgehende Verkehrslärm permanent einen Lärmpegel erreichen würde, der über den anzunehmenden Lärmimmissionen der Windenergieanlagen läge.

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5. Offenbleiben kann bei dieser Sachlage ebenso, ob die Erschließung der Windenergieanlagen als gesichert angesehen werden kann, was zwischen den Beteiligten umstritten geblieben ist, wie auch, ob die von der Klägerin im Verfahren 2 B 85/01 und 2 B 19/02 geltend gemachten avifaunistischen Belange als ausgeräumt angesehen werden können.

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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO iVm § 708 Nr. 11 ZPO.