Verwaltungsgericht Lüneburg
Beschl. v. 02.07.2003, Az.: 6 B 120/03

Amtsarzt; amtsärztliche Untersuchung; Anfechtung; Bindungswirkung; Erwerbsminderung; Erwerbsunfähigkeit; Grundsicherung; Rentenversicherungsträger; Sachverständiger; unselbständige Verfahrenshandlung; Verfahrenshandlung

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
02.07.2003
Aktenzeichen
6 B 120/03
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 48454
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Ein Eilantrag auf amtsärztliche Untersuchung im Rahmen eines Antrags auf Leistungen nach dem GSiG ist nach § 44 a VwGO unzulässig.

2. Das Recht zur Feststellung einer medizinisch bedingten dauerhaften Erwerbsminderung hat nach § 5 Abs. 2 GSiG ausschließlich der Rentenversicherungsträger.

3. Der Träger der Grundsicherung muss nur dann ein Ersuchen auf Feststellung der Erwerbsunfähigkeit an den Rentenversicherungsträger stellen, wenn der Antragsteller konkrete Tatsachen in Form von ärztlichen Attesten oder Gutachten darlegt, die Anhaltspunkte für eine Erwerbsunfähigkeit bieten.

Tatbestand:

1

Der am 6. Dezember 1938 geborene Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung, die Antragsgegnerin zu verpflichten, zur Bearbeitung seines Antrages auf Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz einen Untersuchungstermin beim Amtsarzt des Gesundheitsamtes zu beantragen.

Entscheidungsgründe

2

Der Antrag hat keinen Erfolg.

3

Er ist unzulässig, denn nach § 44 a VwGO können Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. Bereits bei der Feststellung, ob die Voraussetzungen einer dauernden vollen Erwerbsminderung vorliegen, handelt es sich um einen unselbständigen Verfahrensschritt, der nur über die Entscheidung in der Sache (also dem Bescheid des Grundsicherungsträgers) angegriffen und gerichtlich angefochten werden kann (vgl. Zeitler, Das Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, NDV 2002, 381, 384). Die vorgelagerte Entscheidung der Behörde, ob sie den Amtsarzt einschalten will, ist daher erst recht ebenso wie etwa die Hinzuziehung von Sachverständigen (vgl. dazu Kopp/Schenke, Kommentar zur VwGO, 12. Auflage 2000, § 44 a Rn. 5) ein unselbständiger Verfahrensschritt, der nach § 44 a VwGO nicht isoliert angefochten werden kann.

4

Davon abgesehen ist der Antrag auch nicht begründet.

5

Nach § 5 Abs. 2 des Gesetzes über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung vom 26. Juni 2001 (BGBl. I 1310, 1335, abgekürzt: GSiG) prüft der nach § 109 a Abs. 2 Satz 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch zuständige Rentenversicherungsträger auf Ersuchen und auf Kosten des zuständigen Trägers der Grundsicherung, in dessen Bereich der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, ob die Voraussetzungen des § 1 Nr. 2 vorliegen, wenn bei Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, kein Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung besteht.

6

Ein Ersuchen nach Satz 1 soll nur erfolgen, wenn es bei dem Antragsteller aufgrund von Tatsachen wahrscheinlich erscheint, dass er die Voraussetzungen des § 1 Nr. 2 erfüllt.

7

Nach dieser Regelung liegt das alleinige Recht zur Feststellung einer medizinisch bedingten dauerhaften vollen Erwerbsminderung - wie bei der Frage einer Gewährung einer entsprechenden Rente auch - ausschließlich bei den zuständigen Rentenversicherungsträgern. Die Grundsicherungsträger sind an diese Entscheidung gebunden und können insoweit auch nicht ohne vorheriges Ersuchen eigenständig über das Vorliegen einer medizinisch bedingten dauerhaft vollen Erwerbsminderung entscheiden (vgl. Zeitler, a.a.O.).

8

Die Antragsgegnerin ist daher bereits rechtlich gehindert, das Gesundheitsamt des Landkreises Celle einzuschalten, wie dies vom Antragsteller wörtlich begehrt wird.

9

Auch wenn man den Antrag entgegen seinem Wortlaut umdeuten würde auf die Verpflichtung zur Stellung eines Ersuchens an den zuständigen Rentenversicherungsträger, so wäre der Antrag nicht begründet. Ein solches Ersuchen muss die Antragsgegnerin nämlich nur dann stellen, wenn konkrete Tatsachen die Erwerbsunfähigkeit wahrscheinlich machen. Dazu muss der Antragsteller zumindest seine Erkrankung sowie die ihn behandelnden Ärzte benennen und ihm bekannte ärztliche Berichte etc. vorliegen. Ohne diese Angaben kann die Antragsgegnerin kein Ersuchen an den Rentenversicherungsträger stellen. Zu Recht hat sie den Antragsteller zuletzt mit Schreiben vom 22. Mai 2003 um weitere Unterlagen gebeten.

10

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO.