Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 29.07.2003, Az.: 4 A 55/02
Auskunftspflicht; Feststellung der Vaterschaft; Unterhaltsvorschuss
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 29.07.2003
- Aktenzeichen
- 4 A 55/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 48153
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 1 Abs 3 UVG
- § 5 Abs 1 UVG
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Erstattung von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz.
Die Klägerin stellte am 26. Mai 1998 bei dem Beklagten einen Antrag auf Unterhaltsleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz für ihre am 19. März 1998 geborene Tochter A.. In dem Antrag gab sie an, dass der Vater unbekannt sei. Auf Nachfrage des Beklagten teilte sie mit Schreiben vom 11. Juni 1998 mit, dass ihr die Personalien des Vaters ihrer Tochter nicht bekannt seien. Es habe sich um eine Zufallsbekanntschaft gehandelt.
Mit Bescheid vom 23. Juni 1998 gewährte der Beklagte für die Tochter der Klägerin ab dem 1. April 1998 Unterhaltsvorschussleistungen in Höhe von 239,00 DM monatlich. Mit Bescheid vom 18. Dezember 1998 setzte er ab dem 1. Januar 1999 die Leistungen auf 224,00 DM monatlich fest. Ab dem 1. Juli 1999 wurden die Unterhaltsvorschussleistungen mit Bescheid vom 26. Juli 1999 auf monatlich 230,00 DM erhöht. Mit Bescheid vom 21. März 2000 gewährte der Beklagte ab dem 1. Januar 2000 Leistungen in Höhe von monatlich 220,00 DM.
Nachdem die Mutter der Klägerin am 8. Juni 2000 mitgeteilt hatte, dass am 15. Mai 2000 ein Adoptionsantrag für A. gestellt worden sei, stellte der Beklagte mit Bescheid vom 16. Juni 2000 die Leistungen mit Ablauf des 31. Mai 2000 ein und forderte die für Juni 2000 gewährten Leitungen in Höhe von 220,00 DM zurück.
Am 17. Mai 2001 wandte sich die Mutter der Klägerin erneut an den Beklagten. Sie gab an, dass die Adoption abgelehnt worden sei und die Unterhaltsvorschussleistungen wieder aufgenommen werden könnten. Der Beklagte wies darauf hin, dass gegen den Einstellungsbescheid vom 16. Juni 2000 kein Widerspruch eingelegt worden sei und daher ein neuer Antrag gestellt werden müsse. Die Mutter der Klägerin erklärte weiter, dass inzwischen die Vaterschaft auf Betreiben des Erzeugers festgestellt worden sei.
Die Klägerin stellte am 18. Mai 2001 einen neuen Antrag auf Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz und gab als Vater ihrer Tochter Herrn B. C. an. Sie überreichte ein Urteil des Amtsgerichts Winsen/Luhe vom 28. November 2000 über die Feststellung der Vaterschaft.
Mit Bescheid vom 28. Juni 2001 forderte der Beklagte von der Klägerin die für die Zeit vom 1. April 1998 bis zum 31. Mai 2000 gezahlten Unterhaltsvorschussleistungen in Höhe von 5.975,00 DM zurück. Durch die erneute Antragstellung sei deutlich geworden, dass der Klägerin bereits im ersten Bewilligungszeitraum der Name des Kindesvaters bekannt gewesen sei und sie diesen vorsätzlich verschwiegen habe. Somit habe kein Anspruch auf Unterhaltsvorschussleistungen bestanden. Die erhaltenen Leistungen seien aufgrund der veränderten Anspruchsvoraussetzungen zu erstatten.
Die Klägerin legte am 20. Juli 2001 Widerspruch gegen den Bescheid des Beklagten ein. Sie gab an, dass sie vor der Geburt ihrer Tochter in Köln mit ihrem Verlobten D. E. zusammengelebt habe. Durch ihre Arbeit in Köln habe sie Herrn B. C. kennen gelernt und mit ihm eine Beziehung gehabt. Sie habe in der in Frage kommenden Zeit auch noch sexuellen Kontakt mit einem anderen Schwarzen gehabt, von dem sie nur wisse, dass er mit Vornamen F. heiße. Sie habe die möglichen Väter über ihre Schwangerschaft informiert, diese hätten ihr zur Abtreibung geraten. Da sie aber keine Abtreibung gewollt habe, sei sie Ende Oktober 1997 von Köln nach Seevetal zu ihren Eltern gezogen und habe zu den möglichen Vätern keinen Kontakt mehr gehabt. Nach der Geburt habe sie aufgrund der Hautfarbe festgestellt, dass nur Herr C. oder der "F. " als Väter in Betracht gekommen seien. Sie habe aber keine Adressen von ihnen gehabt. Sie hätten dann beschlossen, ihre Tochter durch ihre Eltern adoptieren zu lassen und einen Adoptionsantrag gestellt. Dann habe sich Herr C. um die Anerkennung der Vaterschaft bemüht. Die Blutuntersuchung habe ergeben, dass Herr C. tatsächlich der Vater ihrer Tochter sei. Sie sei sich dessen zu keinem Zeitpunkt sicher gewesen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Januar 2002 - zugestellt am 24. Januar 2002 - wies die Bezirksregierung Hannover den Widerspruch der Klägerin zurück. Ein Anspruch auf Unterhaltsvorschussleistungen bestehe nicht, wenn die Kindesmutter sich weigere, an der Feststellung der Vaterschaft mitzuwirken. Auf diese Mitwirkungspflicht sei die Klägerin hingewiesen worden. Obwohl der Klägerin nach der Geburt ihrer Tochter klar gewesen sei, dass entweder Herr C. oder "F. " der Vater sei, habe sie gegenüber der Unterhaltsvorschussstelle angegeben, es habe sich bei dem Vater um eine Zufallsbekanntschaft gehandelt, deren Personalien ihr nicht bekannt seien. Die Einleitung von Maßnahmen zur Feststellung der Vaterschaft sei daher nicht möglich gewesen.
Die Klägerin hat am Montag, den 25. Februar 2002 Klage erhoben.
Zur Begründung trägt sie vor, dass sie keine bewusst falschen Angaben gemacht habe. Sie habe schlichtweg nicht gewusst, wer der Vater ihrer Tochter sei, und keine falschen Angaben über dessen Identität machen wollen. Zudem habe es sich bei dem einen Mann um eine Zufallsbekanntschaft gehandelt, von der ihr lediglich der Rufname F. bekannt gewesen sei. Außerdem bestehe keine Kausalität zwischen ihren Angaben und der Unterhaltsleistung. Selbst wenn sie die möglichen Väter benannt hätte, wäre für ihre Tochter Unterhaltsvorschuss geleistet worden. Der Rückforderungsgrund des § 5 Abs. 1 Nr. 1 UVG liege daher nicht vor. Auch der Rückforderungsgrund des § 5 Abs. 1 Nr. 2 UVG sei nicht gegeben. Die Gewährung von Unterhaltsvorschuss sei nicht gem. § 1 Abs. 3 UVG ausgeschlossen gewesen. Sie habe keine Auskünfte verweigert und sich auch nicht geweigert, an der Feststellung der Vaterschaft mitzuwirken. Sie habe sich gegen die Vaterschaftsfeststellungsklage verteidigt, da sie nicht gewusst habe, ob Herr C. wirklich der Vater sei. Selbst wenn eine Pflicht bestanden habe, ihre Mutmaßungen bezüglich der Vaterschaft anzugeben, könne eine Rückforderung nicht auf § 5 UVG gestützt werden. Der Sinn und Zweck der Rückforderungsmöglichkeit könne nur darin bestehen, die öffentliche Hand vor finanziellen Schäden durch unberechtigte Inanspruchnahme zu schützen. Dies sei hier nicht der Fall. Zwar wäre möglicherweise die Vaterschaft von Herrn C. früher festgestellt worden. Da Herr C. aber Sozialhilfeempfänger sei, bestünden gegen ihn keine Unterhaltsansprüche, die auf das Land hätten übergehen können. Dem Leistungsträger sei daher kein Nachteil entstanden.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 28. Juni 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Hannover vom 22. Januar 2002 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und der Bezirksregierung Hannover verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig aber nicht begründet.
Der Bescheid des Beklagten vom 28. Juni 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Hannover vom 22. Januar 2002 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Der Beklagte hat die Klägerin auf der Grundlage von § 5 Abs. 1 des Unterhaltsvorschussgesetzes (UVG) - in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002, BGBl. I S. 2615 - zu Recht zum Ersatz eines Betrages in Höhe der in der Zeit vom 1. April 1998 bis zum 31. Mai 2000 gezahlten Unterhaltsvorschussleistungen verpflichtet. Haben die Voraussetzungen für die Zahlung der Unterhaltsleistung in dem Kalendermonat, für den sie gezahlt worden ist, nicht oder nicht durchgehend vorgelegen, so hat nach § 5 Abs. 1 UVG der Elternteil, bei dem der Berechtigte lebt, oder der gesetzliche Vertreter des Berechtigten den geleisteten Betrag insoweit zu ersetzen, als er
1. die Zahlung der Unterhaltsleistung dadurch herbeigeführt hat, dass er vorsätzlich oder fahrlässig falsche oder unvollständige Angaben gemacht oder eine Anzeige nach § 6 unterlassen hat, oder
2. gewusst oder infolge von Fahrlässigkeit nicht gewusst hat, dass die Voraussetzungen für die Zahlung der Unterhaltsleistung nicht erfüllt waren.
Die Voraussetzungen für Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz an die Tochter der Klägerin haben in dem Zeitraum vom 1. April 1998 bis zum 31. Mai 2000 nicht vorgelegen. Die Tochter der Klägerin gehörte zwar zu dem nach dem Unterhaltsvorschussgesetz anspruchsberechtigten Personenkreis; denn sie hatte das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet, lebte bei ihrer ledigen Mutter und erhielt von ihrem Vater keinen Unterhalt (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 UVG). Nach § 1 Abs. 3 UVG besteht ein Anspruch auf Unterhaltsleistungen aber dann nicht, wenn der in Abs. 1 Nr. 2 bezeichnete Elternteil, hier also die Klägerin, sich weigert, bei der Feststellung der Vaterschaft mitzuwirken. Dazu gehören grundsätzlich auch Angaben zur Bestimmung der Person des Vaters. Denn diese sind erforderlich, damit die öffentliche Hand nach § 7 UVG auf sie übergegangene Unterhaltsansprüche gegen den Vater geltend machen und Erstattung der vorgeleisteten Gelder von ihm verlangen kann. Eine Weigerung, an der Feststellung der Vaterschaft mitzuwirken, ist daher auch darin zu sehen, dass die Mutter die ihr bekannten Umstände, die zur Ermittlung des Kindesvaters führen könnten, nicht preisgibt (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 8.11.1983 - 8 A 2606/81-, NJW 1984, 2542 [BVerwG 27.06.1984 - BVerwG 9 B 3209.82]). Soweit es um Unterhaltsansprüche nichtehelicher Kinder geht, ist die öffentliche Hand in der Regel auf die Mitwirkung der Mutter angewiesen. Deren Mitwirkungspflicht aus § 1 Abs. 3 UVG trifft sie im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren (BVerwG, Urteil vom 21.11.1991 - 5 C 13.87 -, BVerwGE 89,192).
Hier hat die Klägerin nicht das ihr in diesem Zusammenhang Mögliche und Zumutbare getan. Sie hat nicht mitgeteilt, dass zwei Männer als Vater von A. in Betracht kamen, sondern behauptet, es habe sich um eine Zufallsbekanntschaft gehandelt, deren Personalien ihr nicht bekannt seien. Ob es tatsächlich zutrifft, dass, wie die Klägerin behauptet, neben dem leiblichen Vater noch ein anderer Mann, der "F. ", als Vater in Frage kam, kann dahingestellt bleiben. Denn selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, wäre die Klägerin verpflichtet gewesen, die ihr bekannten Personalien der beiden Männer mitzuteilen. Da sie von dem leiblichen Vater die vollständigen Personalien kannte, hätte über den nach § 1712 BGB bestellten Unterhaltsbeistand ihrer Tochter die Vaterschaft erheblich früher festgestellt werden können. Dass der Klägerin die Erfüllung dieser Pflicht gem. § 65 Abs. 1 Nr. 2 SGB I aus wichtigem Grund nicht zumutbar gewesen sein sollte, ist nicht ersichtlich.
War somit wegen der Weigerung der Klägerin, Auskunft über den möglichen Vater zu geben, der Anspruch auf Unterhaltsleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz gem. § 1 Abs. 3 UVG ausgeschlossen, lagen im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 UVG für ihre Tochter während des gesamten Leistungsbezuges vom 1. April 1998 bis zum 31. Mai 2000 die Voraussetzungen für die Zahlung der Unterhaltsleistung nicht vor. Auch die übrigen Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 UVG sind erfüllt. Dadurch, dass die Klägerin behauptet hat, den Vater von A. nicht zu kennen, hat sie vorsätzlich falsche Angaben gemacht. Aufgrund dieser falschen Angaben musste der Beklagte davon ausgehen, dass die Klägerin sich nicht weigerte, an der Vaterschaftsfeststellung mitzuwirken, so dass er für ihre Tochter entgegen § 1 Abs. 3 UVG Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz bewilligt hat. Insofern ist die Erstattung der Leistungen nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 UVG gerechtfertigt. Auch die Voraussetzungen nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 UVG liegen im Übrigen vor. Denn die Klägerin hat aufgrund der Belehrung bei der Antragstellung gewusst oder jedenfalls infolge Fahrlässigkeit nicht gewusst, dass wegen ihrer fehlenden Mitwirkung bei der Feststellung der Vaterschaft ein Anspruch auf Unterhaltsvorschussleistungen nicht bestand.
Soweit die Klägerin geltend macht, dass der öffentlichen Hand kein Schaden entstanden sei, da der leibliche Vater Sozialhilfeleistungen erhalte und daher keinen Unterhalt zahlen könne, ist dies für den Anspruch nach § 5 Abs. 1 UVG unerheblich. Für die Begründung der Ersatzpflicht nach § 5 Abs. 1 UVG kommt es nicht darauf an, ob Ansprüche des Kindes gegen den Vater hätten realisiert werden können. Entscheidend ist allein, dass die gewährten Unterhaltsvorschussleistungen nicht hätten bewilligt werden dürfen, da der Anspruch gem. § 1 Abs. 3 UVG ausgeschlossen war (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29.10.1993 - 8 A 3347/91 -). § 5 Abs. 1 UVG dient nicht der Rückabwicklung des durch den Bewilligungsbescheid begründeten Leistungsverhältnisses. Dies folgt schon daraus, dass nicht der zum Ersatz verpflichtete Elternteil sondern das Kind Träger des Anspruchs auf Leistung des Unterhaltsvorschusses ist. § 5 Abs. 1 UVG knüpft vielmehr daran an, dass der Elternteil, bei dem das Kind lebt, seine ihm auferlegten Auskunfts- und Mitwirkungspflichten schuldhaft verletzt, und stellt somit einen eigenen Schadensersatzanspruch gegen den Elternteil dar.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Berufung nach § 124 a VwGO i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO liegen nicht vor.