Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 03.07.2003, Az.: 6 A 17/02
Beseitigungsanordnung; Grabenböschung; Teichfolie
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 03.07.2003
- Aktenzeichen
- 6 A 17/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 48035
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 11 GefAbwG ND
- § 2 Abs 1 WasG ND
- § 169 WasG ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Das Auslegen von Teichfolie an einer Grabenböschung zur Vermeidung von Unkrautbewuchs ist mit § 2 Abs. 1 NWG nicht zu vereinbaren.
2. Die Untere Wasserbehörde ist nach § 169 NWG berechtigt, die Beseitigung der Teichfolie zu verlangen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid des Beklagten, mit dem dieser ihm aufgegeben hat, Teichfolie von der Böschung eines Grabens zu entfernen.
Der Kläger ist Eigentümer des knapp 1.500 m² großen Flurstücks C. der Flur 2 der Gemarkung D., das im rückwärtigen Teil an einen Graben grenzt.
Am 18. Mai 2001 rief der Kläger beim Beklagten an und teilte mit, auf dem Graben befinde sich ein brauner Film. Das Wasser greife Kunststoff an (Farbveränderung). Daraufhin nahm der Beklagte am 18. Mai 2001 eine Ortsbesichtigung vor. Dabei wurde im Graben Spuren von Eisen/Ocker gefunden. Ferner wurde festgestellt, dass der Kläger die Grabenböschung mit Teichfolie abgedeckt und am Beginn der Verrohrung eine Treppe ins Gewässer erstellt hatte. Auf der Böschungsoberkante befanden sich Bahnschwellen und Bodendecker.
Am 21. Mai 2001 vermerkte der Beklagte, nach einem Telefongespräch habe der Kläger erklärt, er werde die Folie entfernen und für die Treppe einen Antrag auf Genehmigung einreichen. Nachdem der Kläger bis Ende August 2001 die Folie nicht beseitigt hatte, hörte ihn der Beklagte mit Schreiben vom 3. September 2001 zum Erlass einer Beseitigungsverfügung an und wies ihn darauf hin, dass die Erstellung der Treppe genehmigungspflichtig sei.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 17. September 2001 teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass die Abdeckung des Böschungsstreifens für ihn von maßgeblicher Bedeutung sei, da nur so dem dort stark wuchernden Unkraut entgegen gewirkt werden könne. Ein Antrag für die Treppe werde schnellstmöglich gestellt.
Mit Bescheid vom 8. Oktober 2001, zugestellt am 11. Oktober 2001, gab der Beklagte dem Kläger auf, die Teichfolie bis zum 31. Oktober 2001 von der Böschung des Grundstücks vollständig zu entfernen und drohte für den Fall, dass er der Anordnung nicht nachkäme ein Zwangsgeld in Höhe von 300,-- DM an. Zur Begründung führte er unter anderem aus, Rechtsgrundlage sei § 169 NWG i. V. m. § 11 NGefAG. Der Graben sei unzweifelhaft ein Gewässer im Sinne des NWG, da er die Grundstücke mehrerer Eigentümer entwässere. Durch ein Abdecken mit Folie werde die Uferfauna und -flora erheblich beeinträchtigt. Mangels Sonneneinstrahlung und Regenwasser werde ein Pflanzenwachstum weitestgehend unterbunden. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 5 NWG erfordere das Wohl der Allgemeinheit aber insbesondere, dass die Bedeutung der Gewässer und ihre Uferbereiche als Lebensstätte für Pflanzen und Tiere und ihre Bedeutung für das Bild der Landschaft berücksichtigt würden. Vermeidbare Beeinträchtigungen der ökologischen Funktion der Gewässer hätten zu unterbleiben. Die vom Kläger verlegte Teichfolie stelle eine solche vermeidbare Beeinträchtigung dar.
Der Kläger am 12. November 2001 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, durch die Teichfolie sei keine Gefahr für Flora und Fauna an dem Graben gegeben. Insbesondere sei trotz der Folie ein regional typischer Pflanzenbewuchs durchaus möglich.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12. November 2001, zugestellt am 17. Dezember 2001, wies die Bezirksregierung Lüneburg den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung führte sie ergänzend aus, der Kläger sei seiner Verpflichtung, eine nachteilige Veränderung der Eigenschaften des Gewässers zu verhindern, nicht nachgekommen. Durch die Teichfolie würden die ökologischen Funktionen erheblich beeinträchtigt, da das Abdecken des Bodens einer Versiegelung gleichkomme. Sowohl der typische Pflanzenwuchs als auch der Wasserhaushalt würde nachteilig verändert. Der Uferbereich als Lebensstätte für Pflanzen und Tiere sowie der Erhalt eines typischen Landschaftsbildes für das Wohl der Allgemeinheit sei nicht ausreichend berücksichtigt. Zudem habe das Vorgehen des Klägers negative Vorbildfunktionen. Das angedrohte Zwangsgeld sei verhältnismäßig.
Am 15. Januar 2002 hat der Kläger Klage erhoben.
Er trägt ergänzend vor, ihm erscheine es nicht nachvollziehbar, dass die manuelle Beseitigung des wildwuchernden Unkrauts durch ihn rechtmäßig sei, die partielle Folienabdeckung dagegen ein Eingriff in Flora und Fauna der Uferböschung bedeuten solle. Das Landschaftsbild werde durch die Folie nicht beeinträchtigt, da sie vielmehr kaum noch zu erkennen sei.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 8. Oktober 2001 in der Form des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Lüneburg vom 12. Dezember 2001 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt vor, entgegen der Auffassung des Klägers sei nicht gewährleistet, dass die Bedeutung des Grabens und seines Uferbereiches als Lebensstätte für Pflanzen und Tiere und seine Bedeutung für das Landschaftsbild berücksichtigt würden. Die vorgelegten Fotos zeigten, dass lediglich die an der oberen Kante der Folie gepflanzten Bodendecker die Folie begrünten. Von einem naturnahen Bewuchs könne nicht gesprochen werden. Die Funktion des Grabens und seiner Uferbereiche für Fauna und Flora würden somit nicht erfüllt. Ein naturtypischer Bewuchs liege nicht vor. Das Individualinteresse des Klägers, die Unkrautbekämpfung zu vereinfachen, müsse hinter dem Allgemeinwohl zurückstehen.
Die Kammer hat den Graben in der Sitzung am 3. Juli 2003 in Augenschein genommen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten des Beklagten sowie der Bezirksregierung Lüneburg und der Gerichtsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat keinen Erfolg.
Der angefochtene Bescheid des Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Gegenstand der angefochtenen Verfügung ist zum einen die Beseitigung der Teichfolie, zum anderen die Androhung eines Zwangsgeldes.
Rechtsgrundlage für die Anordnung der Beseitigung der Teichfolie ist § 169 Abs. 1 Satz 2 des Niedersächsischen Wassergesetzes vom 25. März 1998 ( Nds. Gesetz- und Verordnungsblatt S. 347, im folgenden abgekürzt NWG) i. V. m. § 11 des Niedersächsischen Gefahrenabwehrgesetzes vom 20. Februar 1998 (Nds. Gesetz- und Verordnungsblatt S. 101, im folgenden abgekürzt NGefAG). Nach diesen Vorschriften treffen die zuständigen Behörden die erforderlichen Anordnungen, um Gefahren für Gewässer abzuwehren. Eine Gefahr liegt dann vor, wenn eine Sachlage besteht, bei der im Einzelfall die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit eintreten wird. Der Begriff der öffentlichen Sicherheit umfasst auch den Schutz der Allgemeinheit mit den Individualgütern Leben und Gesundheit sowie das Allgemeingut der intakten Umwelt. Weiterhin umfasst die öffentliche Sicherheit auch den Schutz aller Rechtsnormen des öffentlichen Rechtes. Dazu gehört auch das Niedersächsische Wassergesetz.
Nach § 2 NWG sind die Gewässer als Bestandteil des Naturhaushaltes und als Lebensraum für Tiere und Pflanzen zu sichern. Vermeidbare Beeinträchtigungen ihrer ökologischen Funktion haben zu unterbleiben.
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 NWG gilt das NWG unter anderem für das ständig oder zeitweilig in Betten fließende oder stehende oder aus Quellen wild abfließende Wasser (oberirdische Gewässer). Die für Gewässer geltenden Bestimmungen des NWG sind nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 nicht anzuwenden auf Gräben, die nicht dazu dienen, die Grundstücke mehrerer Eigentümer zu bewässern oder zu entwässern. Der an das Grundstück des Klägers angrenzende Graben entwässert die Grundstücke mehrerer Eigentümer, so dass die Vorschriften des NWG auf ihn anwendbar sind.
Nach § 2 Abs. 1 NWG sind Gewässer als Bestandteil des Naturhaushaltes und als Lebensraum für Tiere und Pflanzen zu sichern. Sie sind so zu bewirtschaften, dass sie dem Wohl der Allgemeinheit und im Einklang mit ihm auch dem Nutzen einzelner dienen und vermeidbare Beeinträchtigungen ihrer ökologischen Funktionen unterbleiben.
Gegen diese Vorschrift, die zugleich auch Schutzgut der öffentlichen Sicherheit ist, hat der Kläger verstoßen, in dem er an der Uferböschung des Grabens großflächig Teichfolie ausgebracht hat, um einen (Unkraut-)Bewuchs der Uferböschung zu vermeiden. Durch die Teichfolie wird nicht nur der Bewuchs der Uferböschung mit sogenanntem Unkraut, sondern sämtlicher Bewuchs der Böschung mit gewässerrandtypischen Pflanzen wie Schilf etc. unterbunden. Die vom Kläger vorgenommene Bepflanzung mit Bodendeckern, die sich auf der Folie ausbreiten, ist naturfern und stört die ökologischen Funktionen des Ufers ebenso wie die dort ausgebrachte Folie selbst. Damit ist eine vermeidbare Beeinträchtigung des Naturhaushaltes verbunden. Insoweit wird auf die zutreffenden Gründe des Bescheides der Bezirksregierung Lüneburg, denen die Kammer folgt, Bezug genommen. Das Gebot, die Folie vollständig zu entfernen, ist verhältnismäßig, da es kein milderes Mittel gibt, um den natürlichen Zustand wieder herzustellen. Das Gebot trifft den Kläger auch nicht unverhältnismäßig hart, da es ihm - wie allen andern Anliegern auch - möglich und zumutbar ist, den Bewuchs der Böschung hinzunehmen oder gegebenenfalls von Zeit zu Zeit zu mähen. Diese Verpflichtung, das Gewässer in naturnaher Form zu erhalten, ist Teil der mit dem Eigentum an einem Grundstück verknüpften Sozialbindung.
Die Zwangsgeldandrohung hat sich durch Zeitablauf erledigt, da der angefochtene Bescheid bis zur Rechtskraft dieses Urteils nicht vollziehbar ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Berufung sind nicht ersichtlich.