Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 25.02.2004, Az.: 1 A 186/02

Ausbildungszuschuss; Berufsförderung; Billigkeit; Billigkeitsentscheidung; Ermessen; Rückforderung; Sorgfalt; Treu und Glauben; ungerechtfertigte Bereicherung; verschärfte Haftung; Wegfall der Bereicherung

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
25.02.2004
Aktenzeichen
1 A 186/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 50856
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

1

Der Kläger wendet sich gegen die Rückforderung eines zuviel gezahlten Ausbildungszuschusses.

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Der Kläger war über einen Zeitraum von etwas mehr als 12 Jahren Soldat auf Zeit bei der Bundeswehr und schied nach Ablauf seiner Verpflichtungszeit zum ... aus seinem Dienstverhältnis aus. Am ... begann er beim Landkreis ... eine Ausbildung zum Kreisinspektor (gehobener Dienst). Neben einer Übergangsbeihilfe und Übergangsgebührnissen erhielt er aufgrund des Fachausbildungsbescheides des Kreiswehrersatzamtes ... - Berufsförderungsdienst - vom 5. August 1999 einen - hier im Streit befindlichen - Ausbildungszuschuss nach § 5 Abs. 4 Satz 2 SVG. Auf der Rückseite dieses Bescheides ist unter der Ziffer 5.5 unter der Überschrift „Anzeige von Einkommen aus der Fachausbildung“ Folgendes ausgeführt: „Einkommen aus der Fachausbildung ist anzurechnen während des Dienstverhältnisses auf die Besoldung (und) nach Beendigung des Dienstverhältnisses auf den Ausbildungszuschuss (§ 5 Abs. 4 SVG); die Anwendung der Ruhensvorschrift des § 53 SVG bleibt bei einer Beschäftigung im öffentlichen Dienst hiervon unberührt. Beziehen Sie ein derartiges Einkommen, sind Sie - ungeachtet der Verpflichtung der Ausbildungsstätte - verpflichtet, den für die Zahlung der Besoldungs- bzw. der Übergangsgebührnisse zuständigen Wehrbereichsgebührnisamt (WBGA) eine Bescheinigung der Ausbildungsstätte über die Höhe des Einkommens und dessen Zahlungszeitraumes unverzüglich vorzulegen (Bruttoverdienst). Änderungen sind dem WBGA unverzüglich anzuzeigen. Das zuständige WBGA erteilt darüber Auskunft, ob und in welchem Umfang Einkommen nicht angerechnet wird“.

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Der Kläger erhielt vom Landkreis ... Anwärterbezüge in Höhe von monatlich 1.584,94 DM brutto, was dieser der Wehrbereichsverwaltung II mit Kurzmitteilungen vom 2. August 1999 und 29. November 1999 mitteilte. Eine Anrechnung des vom Landkreis ... bezogenen Einkommens aus der Fachausbildung auf den Ausbildungszuschuss nach § 5 Abs. 4 SVG erfolgte hingegen zunächst nicht.

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Erst nachdem die Wehrbereichsverwaltung III - Gebührniswesen - im Mai 2001 festgestellt hatte, dass der Kläger für die Zeit vom 2. August 1999 bis zum 31. März 2001 mit einem Ausbildungszuschuss in Höhe von 11.303,09 DM brutto überzahlt worden war, weil das Bruttoeinkommen aus der Fachausbildung nicht gemäß § 5 Abs. 4 SVG auf den Ausbildungszuschuss angerechnet worden war, hörte sie ihn unter dem 15. Mai 2001 zu der beabsichtigten Rückforderung und der ab Juli 2001 ebenfalls beabsichtigten Aufrechnung der Überzahlung mit den laufenden Übergangsgebührnissen an.

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Mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 5. Juni 2001 führte der Kläger im Anhörungsverfahren an, er habe auf die Rechtmäßigkeit des ihm gewährten Ausbildungszuschusses vertraut und auch vertrauen dürfen. Der Berufsförderungsdienst habe die Art und die Ausrichtung seiner Ausbildung zudem von Anfang an gekannt, wie sich aus dem Fachausbildungsbescheid vom 5. August 1999 ergebe. Nach erstmaligem Erhalt dieses Ausbildungszuschusses im Januar 2000 habe er sich zum einen noch im Januar 2000 bei dem zuständigen Sachbearbeiter der Wehrbereichsverwaltung III in Düsseldorf, HerrnA. , telefonisch vergewissert. Dieser habe ihm die Rechtmäßigkeit des gezahlten Ausbildungszuschusses bestätigt und ergänzend darauf hingewiesen, dass er diesen Ausbildungszuschuss auf Weisung des Berufsförderungsdienstes angewiesen habe. Zudem habe er sich mit dem Berufsförderungsdienst des Kreiswehrersatzamtes in Lüneburg, Frau B. (jetzt: verheiratete C.), in Verbindung gesetzt, die ihm telefonisch ebenfalls keinen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Ausbildungszuschusses gelassen habe. Bei diesem Telefonat sei seine Lebensgefährtin, Frau D., gegenwärtig gewesen. Dessen ungeachtet sei er entreichert. Er habe sich aufgrund der gezahlten Ausbildungszuschüsse ab dem Januar 2000 einen erhöhten Lebensstandard leisten können, der bei geringerem Einkommen nicht möglich gewesen wäre. So habe er sich im Frühjahr 2000 ein gebrauchtes BMW-Caprio für fast 20.000 DM gekauft. Ohne den gewährten Ausbildungszuschuss hätte er sich lediglich zum Kauf eines preiswerteren PKW entschlossen, außerdem lägen die laufenden Unterhaltungskosten für den BMW höher. Er sei zudem mit seiner Lebensgefährtin häufiger in den Urlaub gefahren und Essen gegangen und auch sonstige andere Verbindlichkeiten eingegangen, was ohne den Ausbildungszuschuss nicht geschehen wäre.

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Mit Bescheid vom 23. Juli 2001 forderte die Wehrbereichsverwaltung III - Gebührniswesen - die für die Zeit vom 2. August 1999 bis zum 31. März 2001 ohne Rechtsgrund gezahlten Bezüge in Höhe von 11.303,09 DM brutto vom Kläger zurück und räumte ihm monatliche Rückzahlungsraten in Höhe von 950 DM ein. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen an, der Mangel des Rechtsgrundes sei für den Kläger so offensichtlich gewesen sei, dass er ihn hätte erkennen müssen, so dass er der verschärften Haftung unterliege. Denn im Bewilligungsbescheid vom 5. August 1999 sei er unter Ziffer 5.5 ausdrücklich darüber belehrt worden, dass ein Einkommen aus der Fachausbildung auf den Ausbildungszuschuss anzurechnen sei. Anhand der ihm regelmäßig zugegangenen Gehaltsbescheinigungen habe er problemlos erkennen können, dass eine Anrechnung der Anwärterbezüge auf den Ausbildungszuschuss gleichwohl unterblieben und dieser in voller Höhe an ihn ausgezahlt worden sei. Er habe daher selbst nach der von ihm vorgetragenen telefonischen Rücksprache mit dem für die Zahlung seiner Bezüge zuständigen Bearbeiter nicht von der Rechtmäßigkeit der Zahlung ausgehen dürfen. Billigkeitsgründe, die ein völliges oder teilweises Absehen von der Rückforderung rechtfertigen würden, seien nicht zu erkennen. Zugleich erklärte die Wehrbereichsverwaltung III die Aufrechnung der Rückforderungssumme mit den laufenden Versorgungsbezügen ab dem 1. September 2001 in monatlichen Raten in Höhe von 950 DM.

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Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein und vertiefte sein bisheriges Vorbringen. Er habe sehr wohl alles ihm Zumutbare getan, um sich über die Rechtmäßigkeit des gezahlten Ausbildungszuschusses zu vergewissern. Die telefonischen Auskünfte von Herrn A. und Frau B. seien für ihn jedenfalls nicht offensichtlich fehlerhaft gewesen. Weitere Maßnahmen oder Rückfragen seinerseits seien bei realistischer Würdigung weder erforderlich noch angemessen gewesen. Zumindest müsse von der Rückforderung aus Billigkeitsgründen abgesehen werden, da die Rückforderung für ihn eine besondere Härte darstelle und zudem die Überzahlung ausschließlich auf in der Sphäre der Wehrbereichsverwaltung liegenden Fehlern beruhe.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Februar 2002 wies die Wehrbereichsverwaltung West - Gebührniswesen - den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Zur Begründung wiederholte und vertiefte sie die Ausführungen des Rückforderungsbescheides und wies darauf hin, dass Herr A. dem Kläger die Rechtmäßigkeit der Zahlung der streitigen Geldleistung schon deshalb gar nicht habe bestätigen können, da er zum damaligen Zeitpunkt in einem anderen Arbeitsbereich tätig gewesen sei. Ein Bearbeitungsfehler der bezügezahlenden Stelle schließe zudem eine Rückzahlungsverpflichtung nicht aus. Nachlässigkeiten und Irrtümer im Geschäftsbereich des Dienstherrn minderten keinesfalls die auf Seiten des betroffenen Beamten oder Soldaten bestehende Fürsorgepflicht. Billigkeitsgründe, die ein völliges oder teilweises Absehen von der Rückforderung rechtfertigten, seien nicht zu erkennen. Aus Billigkeitsgründen sei dem Kläger eine monatliche Tilgung eingeräumt worden.

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Daraufhin hat der Kläger am 26. März 2002 beim Landgericht ... Klage erhoben, das den Rechtstreit mit Beschluss vom 3. Mai 2002 an das erkennende Gericht verwiesen hat. Zur Begründung seiner Klage vertieft der Kläger sein bisheriges Vorbringen. Der Vortrag der Beklagten, Herr A. könne ihm die Rechtmäßigkeit der geleisteten Ausbildungszuschüsse im Januar 2000 gar nicht telefonisch bestätigt haben, weil dieser seinerzeit in einem anderen Gebiet tätig gewesen sei, treffe nicht zu. Seine Lebensgefährtin habe auch bei dem im Januar 2000 mit Herrn A. geführten Telefonat neben ihm, dem Kläger, gestanden.

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Der Kläger beantragt,

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den Rückforderungsbescheid der Wehrbereichsverwaltung III - Gebührniswesen - vom 23. Juli 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Wehrbereichsverwaltung West - Gebührniswesen - vom 26. Februar 2002 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen,

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und vertieft ihrerseits die bisherigen Begründungen der angefochtenen Bescheide. Ergänzend trägt sie vor, ihre Aussage im Widerspruchsbescheid, dass Herr A. zum damaligen Zeitpunkt in einem anderen Arbeitsbereich tätig gewesen sei, sei zwar tatsächlich unzutreffend. Richtig sei aber die Feststellung, dass Herr A. dem Kläger zu keinem Zeitpunkt die Rechtmäßigkeit der Zahlung der streitigen Geldleistung bestätigt habe. Herr Bräutigam habe vielmehr erst im April 2001 mit dem Kläger telefoniert, nachdem er die Überzahlung festgestellt habe.

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Die Kammer hat über die Frage, ob der Kläger mit dem Sachbearbeiter der Wehrbereichsverwaltung in Düsseldorf, Herrn A., und der Sachbearbeiterin beim Kreiswehrersatzamt Lüneburg, Frau C. (früher: B.) telefoniert und sich über die Rechtmäßigkeit des gezahlten Ausbildungszuschusses vergewissert hat, Beweis erhoben durch Vernehmung der genannten Sachbearbeiter und der Lebensgefährtin des Klägers, Frau D., als Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 25. Februar 2004 verwiesen.

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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige, insbesondere fristgerecht erhobene Klage (vgl. dazu etwa Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 12. Aufl. 2000, § 74 Rdnr. 8 m. w. N.) hat aus dem im Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

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Der Rückforderungsbescheid der Wehrbereichsverwaltung III vom 23. Juli 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Februar 2002 ist im Ergebnis insoweit rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten und ist mithin aufzuheben, als ein Betrag von mehr als 2.889,59 EUR (entspricht 5.651,55 DM) zurückgefordert wird. Im Übrigen ist der Rückforderungsbescheid aber rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, so dass die Klage insoweit abzuweisen ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

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Der Bescheid ist „dem Grunde nach“ hinsichtlich der Festsetzung der Rückforderung insoweit rechtmäßig, als in ihm die grundsätzliche Verpflichtung des Klägers zur Rückzahlung des überzahlten Ausbildungszuschusses ausgesprochen worden ist (dazu 1.). Er ist aber hinsichtlich der gemäß § 49 Abs. 2 Satz 3 SVG getroffenen Billigkeitsentscheidung zum Teil rechtswidrig und verletzt den Kläger insoweit in seinen Rechten; der Kläger hat im Rahmen der Billigkeitsentscheidung einen Anspruch darauf, dass ihm der Rückforderungsbetrag zur Hälfte erlassen wird (dazu 2.).

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1. Rechtsgrundlage für die Rückforderung des Ausbildungszuschusses ist § 49 Abs. 2 SVG i. V. m. §§ 812 ff. BGB. Danach regelt sich die Rückforderung zuviel gezahlter Versorgungsbezüge nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG), wozu auch der Ausbildungszuschuss des § 5 Abs. 4 Satz 2 und 3 SVG gehört, nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Der Kenntnis des Mangels des rechtlichen Grundes (§ 819 BGB) der Zahlung steht es gemäß § 49 Abs. 2 Satz 2 SVG gleich, wenn der Mangel so offensichtlich war, dass der Empfänger ihn hätte erkennen müssen.

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a) Der Kläger hat den hier zurückgeforderten Ausbildungszuschuss in Höhe von 11.303,09 DM brutto ohne Rechtsgrund erhalten.

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Entgegen der zunächst in dem Bescheid des Kreiswehrersatzamtes Lüneburg - Berufsförderungsdienst - vom 5. August 1999 „dem Grunde nach“ erfolgten Festsetzung und der späteren tatsächlichen Zahlung stand ihm aufgrund der Anrechnungsvorschrift des § 5 Abs. 4 Satz 4 SVG ein derartiger Ausbildungszuschuss nicht zu. Der Bescheid des Kreiswehrersatzamtes vom 5. August 1999 stellt keinen Rechtsgrund für den erhaltenen Ausbildungszuschuss dar, da unter Ziffer 3. dieses Bescheides ausgeführt ist, dass es noch einer Prüfung durch das zuständige Wehrbereichsgebührnisamt bedürfe, ob und ggf. in welcher Höhe unter Berücksichtigung eines evtl. Einkommens aus der Fachausbildung ein Ausbildungszuschuss gezahlt werde. Somit stand der Bescheid vom 5. August 1999 unter einem gesetzesimmanenten Vorbehalt. Jedenfalls aber ist er durch den Rückforderungsbescheid vom 23. Juli 2001 konkludent aufgehoben worden.

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b) Des Weiteren liegt nicht insgesamt ein Wegfall der Bereicherung i. S. d. § 818 Abs. 3 BGB vor.

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Gemäß § 818 Abs. 3 BGB ist die Verpflichtung zur Herausgabe oder zum Ersatz des Wertes (§ 818 Abs. 2 BGB) ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist. Der Begriff „Wegfall der Bereicherung“ ist dabei nicht nach rechtlichen, sondern nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten durch einen saldenmäßigen Vergleich des Aktiv- und des Passivvermögens zu beurteilen. Der zur Herausgabe verpflichtete Empfänger einer Leistung kann sich daher dann nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen, wenn er mit dem Erlangten u. a. Anschaffungen getätigt oder den Betrag ganz oder teilweise zur Schuldentilgung verwendet hat, da sie dann wertmäßig im Vermögen des Empfängers noch vorhanden sind. Eine derartige Verwendung steht deshalb einem Rückforderungsverlangen nicht entgegen (BVerwG, Urt. v. 28.1.1993 - 2 C 15.91 -, NVwZ-RR 1994, 32 m. w. N.). Nur wenn das Empfangene für außergewöhnliche Dinge verwendet worden ist (Luxusausgaben, Verbesserung des Lebensstandards), die sich der Empfänger sonst nicht verschafft hätte, ist die Bereicherung in der Regel weggefallen (Palandt-Sprau, BGB, Kommentar, 63. Aufl. 2004, § 818 Rdnr. 35 m. w. N.). Hieran gemessen hat der Kläger den überzahlten Ausbildungszuschuss jedenfalls nicht in voller Höhe verbraucht. Denn er hat den Zuschuss nach eigenen Angaben u. a. für die Anschaffung von Gegenständen verwandt, die sich noch in seinem Besitz und daher wertmäßig noch in seinem Vermögen befinden. Auch wenn der Kläger vorträgt, dass es sich hierbei zum Teil um Luxusgegenstände handelt, er bei Nichterhalt des Ausbildungszuschusses also andere Gegenstände gleicher Art, aber von geringerem Anschaffungswert erworben hätte, folgt hieraus nicht ein vollständiger Wegfall der Bereicherung. Vielmehr ist dann fiktiv der geringere Wert der Gegenstände in Ansatz zu bringen, die der Kläger sich ohnehin angeschafft hätte. Wie hoch dieser Wert hier im Einzelnen ist, kann dahingestellt bleiben. Denn der Kläger unterliegt jedenfalls der sog. verschärften Haftung, so dass er sich auf einen Wegfall der Bereicherung ohnehin nicht berufen kann (s. dazu sogleich unter c).

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c) Der Kläger kann sich gegenüber seiner grundsätzlichen Rückzahlungsverpflichtung nicht mit Erfolg auf einen Wegfall der Bereicherung berufen, da er verschärft haftet.

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Zum einen unterliegt er gemäß § 49 Abs. 2 Satz 1 SVG i. V. m. §§ 820 Abs. 1 Satz 2, 818 Abs. 4 BGB der verschärften Haftung. Denn auf Leistungen, die unter Vorbehalt gemacht werden, ist § 820 BGB entsprechend anwendbar (Palandt-Sprau, a. a. O., § 820 Rdnr. 5 m. w. N.). Hier ist der Bewilligungsbescheid des Kreiswehrersatzamtes - Berufsförderungsdienst - vom 5. August 1999 unter Ziffer 3. ausdrücklich unter den Vorbehalt einer näheren Überprüfung des Anspruches dem Grunde und der Höhe nach durch das zuständige Wehrbereichsgebührnisamt gestellt worden.

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Der Berufung auf den Wegfall der Bereicherung steht zum anderen entgegen, dass der Kläger gemäß § 49 Abs. 2 Satz 2 SVG i. V. m. §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4 BGB verschärft haftet. Hiernach tritt die verschärfte Haftung ein, wenn der Empfänger den Mangel des rechtlichen Grundes für die Zahlung kannte oder wenn der Mangel so offensichtlich war, dass er ihn hätte erkennen müssen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts ist der Mangel des rechtlichen Grundes als offensichtlich anzusehen, wenn der Beamte ihn nicht erkannt hat, weil er die im Rechtsverkehr erforderliche Sorgfalt in besonderem Maße außer Acht gelassen hat, wobei es auf die individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten des die Zahlung in Empfang nehmenden Beamten ankommt (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.2.1985 - 2 C 16.84 -, BVerwGE 71, 77, 79 f; Nds. OVG, Urt. v. 13.1.1998 - 5 L 3999/95 -). Dabei bedeutet „offensichtlich“ nicht „ungehindert sichtbar“. Offensichtlich ist eine Tatsache vielmehr schon dann, wenn sie der Erkenntnis leicht durch andere als optische Wahrnehmungen zugänglich ist, insbesondere wenn sie durch Nachdenken, logische Schlussfolgerungen oder durch sich aufdrängende Erkundigungen in Erfahrung gebracht werden kann (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 10.12.1991 - 5 L 2583/91 -). Auf die weitere Frage, ob der Behörde ebenfalls ein Verschulden an der Überzahlung trifft, kommt es im Rahmen der Prüfung der verschärften Haftung nicht an; dieser Frage kommt erst im Rahmen der Billigkeitsentscheidung Bedeutung zu (BVerwG, Urt. v. 28.6.1990 - 6 C 41.88 -, NVwZ-RR 1990, 622, 623 m. w. N.).

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Bei Zugrundelegung dieser Grundsätze kann dem Kläger der Vorwurf, die erforderliche Sorgfalt im besonderen Maße außer Acht gelassen zu haben, nicht erspart werden. Der Kläger ist bereits im Bescheid vom 5. August 1999 unter den Ziffern 3. und 5.5 ausdrücklich und unmissverständlich darauf hingewiesen worden, dass Einkommen aus der Fachausbildung auf den Ausbildungszuschuss anzurechnen sei. Des Weiteren ist er - und zwar ungeachtet der Verpflichtung der Ausbildungsstätte - aufgefordert worden, dem zuständigen Wehrbereichsgebührnisamt eine Bescheinigung der Ausbildungsstätte über die Höhe des Einkommens und dessen Zahlungszeitraumes unverzüglich vorzulegen. Diese Pflicht bezog sich dabei unmissverständlich auf die schriftliche Vorlage von Unterlagen unter Darlegung des Sachverhaltes. Dieser Verpflichtung ist der Kläger grob fahrlässig nicht nachgekommen, obwohl ihm seine Mitwirkungspflichten aufgrund der genannten Hinweise bekannt waren. Zumindest hätte er dies aufgrund seines Ausbildungs- und Berufsstandes allein durch kurzes Überlegen wissen können und müssen. Nach seinem eigenen Bekunden waren ihm im Januar 2000 auch ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Zahlung des Ausbildungszuschusses gekommen.

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Der Kläger hat die erforderlichen und gebotenen Überlegungen und Nachfragen bei der Beklagten nicht in hinreichendem Umfang vorgenommen. Die durchgeführte Beweisaufnahme hat nicht den erforderlichen Nachweis erbracht, der Kläger habe alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare sowie Erforderliche getan, um sich trotz des gleichzeitigen Erhaltes der Anwärterbezüge und der genannten unmissverständlichen Hinweise im Bescheid vom 5. August 1999 hinreichende Gewissheit von der Rechtmäßigkeit der Zahlung des Ausbildungszuschusses zu verschaffen. Der Zeuge A. und die Zeugin C. haben aufgrund des verstrichenen Zeitraumes nicht mit Sicherheit bestätigen können, dass der Kläger seinerzeit bei ihnen angerufen und sich unter Darlegung des vollständigen Sachverhaltes nach der Rechtmäßigkeit des gezahlten Ausbildungszuschusses erkundigt habe. Sie haben dies andererseits aber auch nicht definitiv ausschließen können. Es ist hiernach möglich, dass der Kläger Auskünfte nicht zur Höhe, aber doch zur Rechtmäßigkeit dem Grunde nach erhalten hat (S. 4 des Protokolls v. 25.2.2004). Die Aussage der Zeugin D. führt nach einer Gesamtwürdigung zu keinem für den Kläger positiven Ergebnis. Die Zeugin hat lediglich noch bestätigen können, dass der Kläger im Januar 2000 in ihrer Gegenwart die beiden Telefonate geführt hat. Über den genauen Inhalt der Gespräche und insbesondere über die vom Zeugen A. und von der Zeugin C. gemachten Aussagen konnte sie hingegen keine detaillierten Angaben mehr machen. Sie hat allerdings bekundet, dass sie aus dem Kontext der geführten Telefongespräche allgemein Rückschlüsse auf den Inhalt der Gespräche habe ziehen können. Dies reicht jedoch bei einer Gesamtwürdigung nicht aus, um den Kläger aus dem Bereich der verschärften Haftung zu entlassen. Bei der dargestellten Sachlage durfte er sich nicht auf die telefonischen Nachfragen beschränken, sondern hätte seinen Anzeige- und Mitwirkungspflichten in schriftlicher Form genügen müssen - gerade um etwaigen Missverständnissen bei telefonischen Nachfragen, die nie auszuschließen sind, zuvor zu kommen und entgegen zu wirken.

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2. Der Rückforderungsbescheid der Wehrbereichsverwaltung III vom 23. Juli 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Februar 2002 ist aber hinsichtlich der gemäß § 49 Abs. 2 Satz 3 SVG getroffenen Billigkeitsentscheidung zum Teil rechtswidrig und verletzt den Kläger insoweit in seinen Rechten. Denn der Kläger hat einen Anspruch darauf, dass die Beklagte von der Rückforderung des hälftigen im Streit befindlichen Betrages absieht (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

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Nach § 49 Abs. 2 Satz 3 SVG kann von der Rückforderung aus Billigkeitsgründen mit Zustimmung des Bundesministers der Verteidigung ganz oder zum Teil abgesehen werden. Dem Dienstherrn steht damit ein Ermessen zu, ob und in welchem Umfang er den Beamten zur Rückerstattung einer Überzahlung heranziehen will. Diese Billigkeitsentscheidung bezweckt eine allen Umständen des Einzelfalles gerecht werdende, für die Behörde zumutbare, für den Bereicherten tragbare Lösung zu ermöglichen, bei der auch Alter, Leistungsfähigkeit und sonstige Lebensverhältnisse des Herausgabepflichtigen eine maßgebende Rolle spielen. Sie soll der besonderen Lage des Einzelfalles Rechnung tragen, die formale Strenge des Besoldungs- und Versorgungsrechts auflockern und Ausdruck des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben sein und sich als sinnvolle Ergänzung des ohnehin von dem gleichen Grundsatz geprägten Rechts der ungerechtfertigten Bereicherung auswirken. Sie ist insbesondere in Fällen der verschärften Haftung bedeutsam. Dabei ist indes nicht die gesamte Rechtsbeziehung, aus welcher der Berechtigungsanspruch erwächst, nochmals unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben zu würdigen, sondern es ist auf das konkrete Rückforderungsbegehren und vor allem auf die Modalitäten der Rückabwicklung und ihrer Auswirkungen auf die Lebensumstände des Bereicherungsschuldners abzustellen. Dafür kommt es nicht entscheidend auf die Lage in dem Zeitraum an, für den die Überzahlung geleistet worden ist, sondern auf die Lage im Zeitpunkt der Rückabwicklung (so die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung, vgl. BVerwG, Urt. v. 21.9.1989 - 2 C 68.86 -, NVwZ 1990, 670).

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Die Entscheidung der Wehrbereichsverwaltung III, beim Kläger hinsichtlich des Rückforderungsbetrages nicht aus Billigkeitsgründen von der Rückforderung ganz oder teilweise abzusehen, sondern (nur) eine ratenweise Tilgung zu gewähren, stellt nach den obigen Grundsätzen und den hier gegebenen Umständen nicht mehr eine fehlerfreie Ermessensausübung dar. Die Wehrbereichsverwaltung III und das Kreiswehrersatzamt ... tragen ein erhebliches Mitverschulden an der Überzahlung. Die Zeugin C. hat bekundet, dass nach der Verwaltungspraxis auch dann, wenn - wie beim Kläger - wegen der Anrechnung eines Einkommens aus der Ausbildung ein Anspruch auf Gewährung eines Ausbildungszuschusses offensichtlich nicht bestand, die Berufsförderungsdienste der Kreiswehrersatzämter gleichwohl eine Festsetzung des Ausbildungszuschusses „dem Grunde nach“ vornahmen, während die Wehrbereichsverwaltungen im Anschluss hieran nach einer Prüfung im Einzelnen eine Festsetzung „der Höhe nach auf Null“ vornahmen. Bei der Wehrbereichsverwaltung III ist im Fall des Klägers eine solche Prüfung mit Festsetzung „auf Null“ offenbar zunächst unterblieben, so dass es zu der Auszahlung des Ausbildungszuschusses an den Kläger kam. Auch wenn es - wie die Zeugin C. bekundet hat - zu dieser Verfahrensweise aufgrund von Abstimmungen innerhalb der beteiligten Behörden wegen vorheriger Unstimmigkeiten gekommen ist, trifft die Beklagte in der hier vorliegenden Konstellation ein nicht unerhebliches organisatorisches Mitverschulden. Denn bei dem betroffenen begünstigten ehemaligen Soldaten konnte so zum einen leicht der missverständliche - und falsche - Eindruck entstehen, er habe allein aufgrund des Bescheides des Kreiswehrersatzamtes schon einen Anspruch auf den Ausbildungszuschuss. So war es offenbar auch beim Kläger, wie sich aus dem oben Dargelegten ergibt. Zum anderen barg dieses nicht zwingend erforderliche Auseinanderreißen von „Grundentscheidung“ - und zwar auch dann, wenn ein Anspruch auf einen Ausbildungszuschuss von vornherein erkennbar nicht bestand - und Entscheidung „der Höhe nach“ die (im Fall des Klägers zudem realisierte) Gefahr in sich, dass auf der zweiten Stufe ein Fehler unterlief und der Ausbildungszuschuss allein wegen der vorliegenden „Grundentscheidung“ zu Unrecht ausgezahlt wird.

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Dieses erhebliche Mitverschulden der Beklagten, das nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in die Ermessensentscheidung einzubeziehen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.1.1994 - 2 C 19.92 -, NVwZ 1995, 389), ist in den angefochtenen Bescheiden nicht hinreichend gewichtet worden. So ist insbesondere nicht ausreichend gewürdigt worden, dass nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme der Kläger im Januar 2000 sehr wohl bei den beteiligten Sachbearbeitern nachgefragt hatte. Die Kammer geht angesichts der Gesamtumstände davon aus, dass das insoweit nach § 49 Abs. 2 Satz 3 SVG bestehende Ermessen der Beklagten auf Null reduziert ist und der Kläger einen Anspruch darauf hat, dass die Beklagte ihm den Rückforderungsbetrag zur Hälfte erlässt.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

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Gründe, die Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 nr. 3 oder 4 VwGO zuzulassen, sind nicht gegeben.