Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 18.02.2004, Az.: 1 A 67/03
Beihilfe; Ehegatteneinkommen; Einkommensgrenze; Fürsorgepflicht; Vorvorkalenderjahr
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 18.02.2004
- Aktenzeichen
- 1 A 67/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 50527
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 5 Abs 4 Nr 3 BhV
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Bei der Gewährung der Beihilfe an einen Beihilfeberechtigten können erhebliche Einkünfte des nicht beihilfeberechtigten Ehegatten, die zu seiner wirtschaftlichen Selbständigkeit führen, dem Grunde nach einschränkend berücksichtigt werden. Es muss nur gewährleistet sein, dass eine solche Einschränkung nicht zu einer unzumutbaren Belastung des Beihilfeberechtigten führt.
2. Der Dienstherr hat angesichts des Charakters der Beihilfe als Nebenalimentation bei der weiteren Frage, welche Anknüpfungspunkte er wählt, einen weiten Ermessensspielraum, wenn sachgerechte Überlegungen für die getroffene Regelung maßgebend waren.
3. Das Abstellen in § 5 Abs. 4 Nr. 3 BhV auf die Einkünfte des Ehegatten des Beihilfeberechtigten im Vorvorkalenderjahr vor der Antragstellung hat vollzugspraktische Gründe, die auch im Interesse des Beihilfeberechtigten liegen, und ist daher mit höherrangigem Recht vereinbar.
Tatbestand:
Der Kläger, der als niedersächsischer Beamter beihilfeberechtigt ist, begehrt Beihilfe für Aufwendungen seiner Ehefrau.
Er beantragte am 16. Januar 2003 unter die Gewährung von Beihilfe u. a. für Aufwendungen für ärztliche Behandlungen und für eine Sehhilfe sowie für eine Arzneiverordnung seiner Ehefrau, die dieser im Jahre 1992 entstanden waren. Seine Ehefrau, ebenfalls Beamtin des Landes Niedersachsen, war in der Zeit vom 1. August 2002 bis zum 31. Januar 2003 ohne die Gewährung von Bezügen beurlaubt, ansonsten war und ist sie berufstätig und in eigener Person beihilfeberechtigt.
Mit Bescheid vom 27. Januar 2003 lehnte das beklagte Landesamt die Gewährung von Beihilfe für die Aufwendungen der Ehefrau des Klägers unter Hinweis auf die Höhe ihrer Einkünfte im Jahre 2001 bzw. im laufenden Kalenderjahr 2003 gemäß § 5 Abs. 4 Nr. 3 BhV ab.
Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein, da seine Ehefrau die Einkommensgrenze des § 5 Abs. 4 Nr. 3 BhV im 2002 nicht überschritten habe; auf dieses Jahr und nicht auf die Jahre 2001 oder 2003 sei abzustellen. Nach § 17 Abs. 9 BhV habe er zudem nach Rechnungslegung ein Jahr Zeit die Belege einzureichen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 5. März 2003 wies das beklagte Landesamt diesen Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es im Wesentlichen an, dass nach § 5 Abs. 4 Nr. 3 Satz 1 BhV sei auf die Einkommensverhältnisse des Ehepartners im Vorvorkalenderjahr vor der Stellung des Beihilfeantrages abzustellen. Zu den Einkommensverhältnissen seiner Ehefrau im laufenden Kalenderjahr 2003 habe der Kläger keine Angaben gemacht, so dass auch die in den Hinweisen Nr. 2 zu § 5 Abs. 4 Nr. 3 BhV vorgesehene Möglichkeit des Abstellens auf das laufende Jahr nicht gegeben sei.
Daraufhin hat der Kläger am 7. April 2003 Klage erhoben, zu deren Begründung er seinen Vortrag vertieft. In den maßgeblichen Zeitpunkten der ärztlichen Behandlungen und der Rechnungslegungen sei seine Ehefrau beurlaubt gewesen und habe keine eigenen Einkünfte gehabt. Die Vorgehensweise des beklagten Landesamtes habe zur Folge, dass eine Beihilfefähigkeit ausscheide, wenn, wie bei seiner Ehefrau geschehen, die Forderung des Arztes am letzten Tag des Vorkalenderjahres in Rechnung und fällig gestellt werde, da dann das Stellen eines Beihilfeantrages noch in diesem Jahr nicht mehr möglich sei. Dem Beihilfeberechtigten sei für die Antragstellung eine angemessene Bearbeitungszeit einzuräumen.
Der Kläger beantragt,
das beklagte Landesamt unter Abänderung des Bescheides vom 27. Januar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. März 2003 zu verpflichten, ihm für die Aufwendungen seiner Ehefrau antragsgemäß Beihilfe zu gewähren.
Das beklagte Landesamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung vertieft es seinerseits die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Beihilfe; der angefochtene Bescheid des beklagten Landesamtes vom 27. Januar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. März 2003 ist mithin rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten
(§ 113 Abs. 5 Satz 1 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Nach § 5 Abs. 4 Nr. 3 Satz 1 BhV sind nicht beihilfefähig die in den §§ 6 bis 10 BhV genannten Aufwendungen, die für den Ehegatten des Beihilfeberechtigten entstanden sind, wenn der Gesamtbetrag der Einkünfte i. S. d. § 2 Abs. 3 EStG des Ehegatten im Vorvorkalenderjahr vor der Stellung des Beihilfeantrages 18.000 EUR übersteigt. Im vorliegenden Fall ist dies das Kalenderjahr 2001. In diesem Jahr betrugen die Einkünfte der Ehefrau des Klägers unstreitig mehr als 18.000 EUR, so dass eine Beihilfegewährung ausscheidet; die weiteren Ausnahmefälle des Satzes 1 der Aussteuerung und des Satzes 2 des § 5 Abs. 4 Nr. 3 BhV des besonderen Ausnahmefalles sowie die Konstellation nach dem Hinweis Nr. 2 zu dieser Vorschrift, dass der Gesamtbetrag der Einkünfte der Ehefrau im laufenden Kalenderjahr 2003 den Grenzbetrag voraussichtlich nicht überschreiten wird, sind hier eindeutig und unstreitig nicht gegeben.
Diese Regelung verstößt nicht gegen höherrangiges Recht. Weder ist die Fürsorgepflicht des Dienstherrn gemäß § 87 NBG noch der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG oder Art. 6 GG verletzt.
Zum einen können nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes (vgl. hierzu nur BVerwG, Beschl. v. 22.7.1994 - 2 B 16.94 - Buchholz 270 § 5 BhV Nr. 9; Urt. v. 20.10.1976 - VI C 187.73 -, BVerwGE 51, 193, 198 = DÖD 1977, 57) erhebliche Einkünfte des nicht beihilfeberechtigten Ehegatten, die zu seiner wirtschaftlichen Selbständigkeit führen, bei der Gewährung der Beihilfe dem Grunde nach einschränkend berücksichtigt werden. Es muss nur gewährleistet sein, dass eine solche Einschränkung nicht zu einer unzumutbaren Belastung des beihilfeberechtigten Ehegatten führt. Hierdurch wird der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht in rechtlich zu beanstandender Weise berührt. Unzulässig sind hiernach nur Ausschließungsregeln, die in einer dem Charakter der Beihilfe nicht gerecht werdenden Weise Aufwendungen des nicht selbst Beihilfeberechtigten zu einer unter Fürsorgegesichtspunkten unzumutbaren Eigenbelastung des Beihilfeberechtigten werden lassen. Hiervon kann aber angesichts der vorgesehenen Ausnahmetatbestände und angesichts des im vorliegenden Klageverfahrens streitigen geringen Betrages in Höhe von etwas mehr als 200 EUR keine Rede sein.
Zum anderen hat der Dienstherr nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. hierzu etwa VG München, Urt. v. 13.10.1992 - M 5 K 91.3757 -, Leitsatz in juris; VG Oldenburg, Urt. v. 26.1.1998 - 11 A 2868/96 -) angesichts des Charakters der Beihilfe als Nebenalimentation bei der weiteren Frage, welche Anknüpfungspunkte er wählt, ob er also auf die Einkünfte des Ehegatten des Beihilfeberechtigten eines bestimmten Kalenderjahres - hier grundsätzlich des Vorvorkalenderjahres oder des Vorkalenderjahres, wie bereits in der Zeit vor 1994 geschehen - oder etwa einen Durchschnittswert aus mehreren Kalenderjahren zugrundelegt, einen weiten Ermessensspielraum, wenn sachgerechte Überlegungen für die getroffene Regelung maßgebend waren. So liegt es hier. Dass nicht auf die Einkünfte im Vorkalenderjahr vor der Antragstellung oder - jedenfalls grundsätzlich - auch nicht auf die im Jahr der Antragstellung, sondern auf die Einkünfte im Vorvorkalenderjahr vor der Antragstellung abgehoben wird, hat vollzugspraktische Gründe, die auch im Interesse des Beihilfeberechtigten liegen. Da die allgemeine Abgabefrist für die Einkommenssteuererklärung erst am 31. Mai des Folgejahres endet, steht im Antragsjahr die Höhe der Einkünfte i. S. d. § 2 Abs. 3 EStG des laufenden Kalenderjahres ohnehin noch nicht fest. Gleiches gilt für die Vorjahreseinkünfte, weil die Abgabefrist für die Einkommensteuererklärung - insbesondere bei der Mitwirkung von Steuerberatern - häufig über den 31. Mai des Folgejahres hinaus verlängert wird. Das Abstellen des Bezugszeitraumes auf das Vorvorkalenderjahr vor der Antragstellung trägt somit zur beschleunigten Antragsbearbeitung bei und eröffnet den Beihilfefestsetzungsstellen wesentlich einfachere Prüfungsmöglichkeiten, die auch für den Beihilfeberechtigten problemlos nachvollziehbar sind. Mit der Vorverlegung ist zudem eine deutliche Reduzierung der unter Widerrufsvorbehalt stehenden Zahlfälle verbunden (Topka/Möhle, Kommentar zum Beihilferecht Niedersachsens und des Bundes, 5. Aufl., Stand: Januar 2004, § 5 Anm. 6).
Die Einwände des Klägers hiergegen greifen nicht durch. Denn gegenüber dem Gesichtspunkt, dass die Wahl des Vorkalenderjahres vor der Antragstellung - hier 2002 - möglicherweise zu einer größeren Einzelfallgerechtigkeit führen könnte und insbesondere den Beihilfeberechtigten zugute kommen kann, deren an sich beihilfefähigen Aufwendungen erst am Ende des Vorkalenderjahres vor der Antragstellung entstehen, darf der Dienstherr auch ermessensfehlerfrei das Schwergewicht auf den Aspekt leichter Ermittelbarkeit des Anknüpfungspunktes legen. Darüber hinaus ist die hier streitige Belastung in Höhe von etwas mehr als 200 EUR nicht von der Beihilfe gedeckter Krankheitskosten angesichts der Einkommenssituation des Klägers und seiner ansonsten berufstätigen Ehefrau nicht unzumutbar. Dem Hinweis des Klägers auf die Mindestbetragsregelung des § 17 Abs. 2 BhV ist entgegen zu halten, dass es bei Aufwendungen in der hier streitigen Höhe zumutbar ist, diese entweder selbst zu tragen oder durch entsprechende Zusatzversicherungen abzufangen. Auch soweit der Kläger die Ausschlussfrist des § 17 Abs. 9 Satz 1 BhV anführt, ist angesichts des aufgezeigten weiten Ermessens des Vorschriftengebers eine andere Entscheidung nicht gerechtfertigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.
Gründe, die Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO zuzulassen, sind nicht gegeben.