Verwaltungsgericht Lüneburg
Beschl. v. 06.02.2004, Az.: 3 B 108/03
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 06.02.2004
- Aktenzeichen
- 3 B 108/03
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2004, 43304
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGLUENE:2004:0206.3B108.03.0A
In der Verwaltungsrechtssache
Streitgegenstand: Straßenausbaubeitrag (Vorausleistungen),
hat das Verwaltungsgericht Lüneburg - 3. Kammer - am 6. Februar 2004
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Straßenausbaubeitragsbescheid der Antragsgegnerin vom 17. Juli 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Februar 2003 für den ... Weg in Neetze wird angeordnet.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
- 2.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 763,73 EUR festgesetzt.
Gründe
Der Antragsteller wendet sich gegen seine Heranziehung zu einem Straßenausbaubeitrag.
Der Antragsteller wurde für den Ausbau der Fahrbahn des ... Weges zwischen der südlichen Einmündung der Straße ... bis zur Nordgrenze des Bebauungsplanes Nr. 1 (Ortsausgang) für das Grundstück Flurstück 6/7 der Flur 17 zu einer Vorausleistung in Höhe von 3.829,27 EUR herangezogen. Der Antragsteller hat dagegen Widerspruch eingelegt, dem insoweit stattgegeben wurde, als eine höhere Vorausleistung als 3.054,90 EUR festgesetzt worden war. Im Übrigen wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Der Antragsteller hat dagegen zum Aktenzeichen 3 A 51/03 Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist. In dem Widerspruchsbescheid hat die Antragsgegnerin zugleich den gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Beitragsbescheides abgelehnt.
Der Antragsteller hat am 15. Dezember 2003 vorläufigen Rechtsschutz begehrt.
Er macht im Wesentlichen geltend, er habe keinen Vorteil von der Ausbaumaßnahme. Er könne den ... Weg, an den sein Grundstück angrenze, nicht in Anspruch nehmen. Zu dieser Straße bestehe ein Niveauunterschied von ca. 1,20 bis 1,30 m. Einen direkten Zugang bzw. gangbaren Weg gebe es nicht. Um auf den ... Weg zu gelangen, müsse er durch eine Hecke hindurch eine Böschung heruntergelangen, was nicht ohne Weiteres zu bewerkstelligen sei. Der ... |Weg sei an der Stelle, an der er an seinem Grundstück vorbeiführe, nicht wesentlich verändert worden. Es gebe dort weder einen Gehweg, einen Radweg noch eine Straßenbeleuchtung. Einen Vorteil habe er von dem Ausbau somit nicht erlangt. Eine Abwägung zwischen den Grundstücken, die die Straße direkt in Anspruch nehmen könnten und solchen, die nicht direkt zu erreichen seien, habe nicht stattgefunden. Es seien ihm, dem Antragsteller, auch Grundstücke bekannt, die in dem Abrechnungsgebiet lägen und am Ausbau der Straße nicht beteiligt werden sollten.
Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ist gemäß § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO zulässig.
Der Antrag ist auch begründet. Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 17. Juli 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Februar 2003.
Nach der hier nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ist der Antragsteller für sein Grundstück nicht vorausleistungspflichtig.
Rechtsgrundlage für den angegriffenen Heranziehungsbescheid ist die Straßenausbaubeitragssatzung der Gemeinde Neetze vom 16. Januar 2002 (Amtsblatt für den Landkreis Lüneburg 2002, Seite 53) - SABS -. Nach § 1 SABS erhebt die Gemeinde Neetze zur teilweisen Deckung ihres Aufwandes für die Herstellung, Erweiterung, Verbesserung und Erneuerung ihrer öffentlichen Anlagen, Wege und Plätze (öffentliche Einrichtungen) nach Maßgabe der Satzung Beiträge von den Grundstückseigentümern, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser öffentlichen Einrichtungen besondere wirtschaftliche Vorteile bietet. Nach Abs. 3 kann die Gemeinde den Aufwand für bestimmte Teile einer Maßnahme (Aufwandsspaltung) oder für einen selbständig nutzbaren Abschnitt einer Maßnahme (Abschnittsbildung) gesondert ermitteln. Nach § 10 SABS können auf die künftige Beitragsschuld angemessene Vorausleistungen verlangt werden, sobald mit der Durchführung der Maßnahme begonnen wurde.
Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Satzung sind weder geltend gemacht noch für das Gericht ersichtlich.
Die öffentliche Einrichtung, für die die Vorausleistung erhoben worden ist, ist ... Weg vom Kreisel kommend von der ersten Einfahrt der Straße ... zum Ortsausgang. Dieser Abschnitt ist wirksam durch Beschluss des Rates der Gemeinde Neetze vom 9. Dezember 2002 gefasst worden. Die Abschnittsbildung ist auch nicht zu beanstanden. Sie erscheint insbesondere nicht willkürlich. Die Abschnitte bis zum ... und vom ... bis Ortsausgang haben im Verhältnis zur Gesamtlänge der ... Straße jeweils eigenständige Bedeutung.
In dem gebildeten Abschnitt ist die Straße hinsichtlich der Teileinrichtung Fahrbahn verbessert worden. Dass nur die Fahrbahn und nicht sämtliche Teileinrichtungen im abgerechneten Abschnitt ausgebaut worden sind, hindert die Beitragspflicht der bevorteilten Grundstücke nicht, denn für den Teilabschnitt dieses Ausbaus hat der Rat der Gemeinde Neetze gleichfalls am 9. Dezember 2002 einen Kostenspaltungsbeschluss gefasst.
Die Verbesserung der vormals ca. 3 m breiten bituminierten Fahrbahn liegt schon allein darin, dass die Fahrbahn nunmehr auf 5 m verbreitert worden ist, wobei die ehemalige Fahrbahn als Unterbau verwendet worden ist. In den Verbreiterungsbereichen ist die Fahrbahn auf einem neuen frostsicheren Unterbau erstellt worden. Die Verbreiterung der Fahrbahn hat positiven Einfluss auf die Benutzbarkeit der Straße, indem sie den Begegnungsverkehr gefahrloser macht.
Bedenken an der Höhe des voraussichtlich beitragsfähigen bzw. umlagefähigen Aufwandes bestehen nicht. Soweit der Antragsteller im Widerspruchsverfahren angegeben hat, er könne Grundstücke benennen, die in dem Abrechnungsgebiet lägen und am Ausbau der Straße anscheinend nicht beteiligt werden sollten, ist diese Behauptung nicht hinreichend substantiiert vorgetragen worden.
Der von der Antragsgegnerin geforderte Betrag ist noch als "angemessene" Vorausleistung i. S. d. § 6 Abs. 7 Satz 1 NKAG anzusehen, trotzdem die Antragsgegnerin den voraussichtlich beitragsfähigen Aufwand zu 100 % umgelegt hat. Denn die Baumaßnahme war im Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides tatsächlich bereits abgeschlossen, entsprach damit dem bis dahin in etwa bestehenden Vorteil (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 6. Aufl. 2001, § 38 Rdnr. 7 m. w. N.).
Die Veranlagung des Antragstellers im Einzelfall ist jedoch zu beanstanden, denn bei summarischer Prüfung ist eine vorteilsrelevante Inanspruchnahmemöglichkeit der Straße, die Voraussetzung der Vorausleistungserhebung ist, für den Antragsteller von seinem Grundstück aus - noch - nicht gegeben. Diese vorteilsrelevante Inanspruchnahmemöglichkeit liegt in der Regel vor, wenn ein Grundstück, das baulich, gewerblich oder in gleicher Weise nutzbar ist, erreichbar ist in Form eines Heranfahrenkönnens, d. h. wenn auf der öffentlichen Straße bis zu seiner Höhe mit Personen- und Kraftfahrzeugen gefahren und es von da ab, gegebenenfalls über einen zu dieser Straße gehörenden Geh- und/oder Radweg, betreten werden kann (vgl. Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: September 2003, § 8 Rdnr. 401). Gleiches gilt auch für einen zur öffentlichen Straße gehörenden schmalen Grünstreifen. Diese Voraussetzung liegt nicht vor, denn zwischen der Fahrbahn und dem Grundstück des Antragstellers befindet sich auf dem Straßengrundstück eine Böschung, wobei der Niveauunterschied von der Straße und dem Grundstück des Antragstellers zwischen 1,20 und 1,30 m ausmacht.
Ausweislich der bei den Verwaltungsvorgängen befindlichen Fotos (Beiakte C zu 3 A 51/03), insbesondere Bild 3 und 4, auf denen die Böschung zu sehen ist, sind die dortigen Anliegergrundstücke angesichts der Steigung, die zu überwinden ist, nicht von der Fahrbahn aus problemlos fußläufig erreichbar. Gerade gehbehinderte Personen dürften Schwierigkeiten haben, die Böschung "hinaufzuklettern". Zwar betreffen die Fotos nur jeweils die dem Grundstück des Antragstellers unmittelbar benachbarten Grundstücke, wie dem Plan über die Standorte der aufgenommenen Fotos zu entnehmen ist. Es ist dabei nicht auszuschließen, dass im Bereich des Grundstückes des Antragstellers die Böschung abflacht. Darauf könnte Bild 4 hindeuten, das im Bereich des Nachbargrundstückes des Antragstellers, Grundstück Flurstück 6/6, aufgenommen worden ist. Angesichts dessen, dass bezüglich des Grundstücks des Antragstellers im Klageverfahren Fotos angefordert wurden, die die Belegenheit des Grundstücks des Antragstellers zur abgerechneten Straße ausweisen, die Antragsgegnerin jedoch auf de bei den Abrechnungsunterlagen befindlichen Fotografien verwiesen hat, ist bei summarischer Prüfung davon auszugehen, dass das Anliegergrundstück des Antragstellers von der Straße aus nicht betreten werden kann, sondern dem die Böschung als Hindernis entgegensteht. Eine nähere Prüfung der örtlichen Gegebenheiten wird im Klageverfahren vorgenommen werden müssen.
Steht im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflichten der Inanspruchnahmemöglichkeit der ausgebauten Anlage von einem Anliegergrundstück aus ein auf dem Straßengelände befindliches, ausräumbares Hindernis tatsächlicher Art (etwa eine Böschung) entgegen, ist also eine vorteilsrelevante Inanspruchnahmemöglichkeit der Anlage weder von den Gegebenheiten des Grundstücks noch von dem Willen des Eigentümers des Anliegergrundstücks, sondern allein von der Anlage selbst und damit letztlich von der Gemeinde abhängig, verfügt dieses Grundstück im maßgebenden Zeitpunkt nicht über eine - ungehinderte - Inanspruchnahmemöglichkeit der ausgebauten Straße und unterliegt mangels einer solchen - ungehinderten - Inanspruchnahmemöglichkeit nicht der Beitragspflicht (vgl. Driehaus, Kommunalabgabenrecht, a. a. O., Rdnr. 403).
Da eine tatsächliche Zugangsmöglichkeit über die Böschung zu dem Grundstück des Antragstellers bislang nicht geschaffen worden ist, fehlt es hier an der vorteilsrelevanten Inanspruchnahmemöglichkeit. Diese muss nicht erst zur Zeit der Beitragsentstehung vorliegen, sondern "erst recht" schon bei Erhebung der Vorausleistung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 1 GKG. Der Streitwert ist auf 1/4 des Betrages von 3.054,90 EUR festzusetzen, der hier in Streit steht.