Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 24.08.2005, Az.: 3 K 220/05
Abgrenzung von Ausbildungskosten zu Fortbildungskosten; Anerkennung von vor einer erstmaligen Berufsausbildung entstandenen Werbungskosten; Begriff "Abkürzung des Zahlungsweges"; Wertung von Ausgaben eines unterhaltspflichtigen Dritten als Bildungsaufwendungen des Kindes; Werbungskosten des Kindes bei Aufwendungen der Eltern für die Ausbildung des Kindes und späterem Darlehnsvertrag zwischen den Eltern und dem Kind
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 24.08.2005
- Aktenzeichen
- 3 K 220/05
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 32912
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2005:0824.3K220.05.0A
Rechtsgrundlagen
- § 9 Abs. 1 S. 1 EStG
- § 1610 BGB
- § 31 EStG
- § 32 EStG
- § 62 ff. EStG
- § 11 EStG
Fundstellen
- DStR 2006, VIII Heft 25 (Kurzinformation)
- DStRE 2006, 1373-1374 (Volltext mit amtl. LS)
- EFG 2006, 960-961 (Volltext mit amtl. LS u. Anm.)
- KÖSDI 2006, 15349 (Kurzinformation)
- NWB direkt 2006, 6
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Vorab entstandene Werbungskosten können grundsätzlich auch bei einer erstmaligen Berufsausbildung anzuerkennen sein, sofern Aufwendungen beruflich veranlasst sind.
- 2.
Ausgaben eines (unterhaltsverpflichteten) Dritten können im Falle der so genannten Abkürzung des Zahlungsweges u.U. als Bildungsaufwendungen des Kindes zu werten sein.
- 3.
Aufwendungen von Eltern für die Ausbildung ihres Kindes zur Berufspilotin in den Jahren 1999 bis 2001 können durch einen nach Beendigung dieses Zeitraums abgeschlossenen Darlehensvertrag zwischen den Eltern und dem Kind nicht zu Werbungskosten des Kindes führen, da eine unmittelbare berufliche Veranlassung zwischen Abschluss des Darlehensvertrages und den entstandenen Ausbildungskosten zu verneinen ist.
Tatbestand
Zwischen den Parteien ist die einkommensteuerliche Behandlung von Ausbildungskosten als Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit im Streit.
Die Klägerin erzielte im Kalenderjahr 2003 als Pilotin Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. In der Einkommensteuererklärung machte sie nachträgliche Ausbildungskosten i.H.v. 39.001, 58 EUR als Werbungskosten geltend. Es handelt sich dabei um Aufwendungen, die während ihrer Ausbildung zur Pilotin in den Kalenderjahren 1999 bis 2001 entstanden sind und von ihrer Mutter getragen worden.
Am 25.05.2003 schloss die Klägerin mit ihrer Mutter folgenden Darlehensvertrag: "Die Darlehensgeberin hat der Darlehensnehmerin für ihre Ausbildung zur Pilotin die entsprechenden finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt. Von den verauslagten Kosten sind 35.000 EUR ab dem 01.06.2003 in Form eines Darlehens zurückzuzahlen. Es wird eine Darlehenslaufzeit von 15 Jahren vereinbart. Es wird ein fester Zinssatz von 5 % vereinbart. Sondertilgungen sind jederzeit möglich. Die monatliche Rate beträgt 276, 78 EUR. Sie ist jeweils zum 30. des Monats, erstmals zum 30.06.2003, auf ein von der Darlehensgeberin zu benennendes Konto zu zahlen. Bei planmäßigem Verlauf wird das Darlehen am 31.05.2018 vollständig zurückgezahlt sein."
Mit Schreiben vom 02.02.2005 teilte der Bevollmächtigte dem Finanzamt mit, dass vor Abschluss des Darlehensvertrages mit der Mutter keinerlei Absprachen über die Rückzahlung der entstandenen Aufwendungen getroffen worden seien. Die Klägerin hätte diesen Aufwand also niemals in ihrer Einkommensteuererklärung geltend machen können, da für sie bis dahin durch die Bezahlung durch die Mutter kein eigener Aufwand entstanden sei. Dieser Aufwand sei erst mit Abschluss des Darlehensvertrages im Jahr 2003 entstanden, so dass die gesamte Darlehenssumme Aufwand im Jahr 2003 darstelle.
Das Finanzamt berücksichtigte die geltend gemachten Ausbildungskosten nicht als Werbungskosten.
Aufwendungen zur Tilgung von Ausbildungs-/Studiendarlehen gehörten nicht zu den abzugsfähigen Aufwendungen für die Berufsausbildung. Die Berufsausbildungskosten seien zudem in den Kalenderjahren 1999 - 2001 entstanden und seien in diesen Jahren durch die Mutter der Klägerin übernommen worden.
Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Einspruchsverfahren die Klage.
Die Klägerin ist der Rechtsansicht, dass der gesamte Darlehensbetrag über 35.000 EUR im Jahr 2003 als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit steuermindernd zu berücksichtigen sei. Die Ausbildungskosten seien während der Ausbildungszeit von der Mutter getragen worden, so dass der Klägerin eigener Aufwand in den vorher gehenden Veranlagungszeiträumen nicht entstanden sei. Dieses sei durch den Darlehensvertrag erst im Jahr 2003 geschehen, so dass die in dem Darlehensvertrag entstandenen Kosten im Jahr 2003 anzuerkennen seien.
Die Klägerin beantragt,
die Aufwendungen als Werbungskosten zu berücksichtigen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält an seiner bisherigen Rechtsauffassung fest.
Gründe
Die Klage ist nicht begründet.
Der im Jahr 2003 zwischen der Klägerin und ihrer Mutter abgeschlossene Darlehensvertrag über einen Betrag von 35.000 EUR begründet keine nachträglichen Werbungskosten bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit dar.
1.
Nach der neuen Rechtsprechung der Bundesfinanzhofes zur Abgrenzung von Ausbildungskosten zu Fortbildungskosten können vorab entstandene Werbungskosten auch bei einer erstmaligen Berufsausbildung anzuerkennen sein (BFH-Urteile vom 4. Dezember 2002 VI R 120/01, BStBl II 2003, 403; vom 27. Mai 2003 VI R 33/01, BFH/NV 2003, 1119). In dem letztgenannten Urteil hat der BFH insbesondere die Aufwendungen zur erstmaligen Berufsausbildung zum Verkehrsflugzeugführer als vorab entstandene Werbungskosten anerkannt. Allein maßgebend ist im Rahmen des§ 9 Abs. 1 S. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) auch bei einer erstmaligen Berufsausbildung, dass die Aufwendungen beruflich veranlasst sind. Sie müssen in einem hinreichend konkreten, objektiv feststellbaren Zusammenhang mit künftigen steuerbaren Einnahmen aus der angestrebten beruflichen Tätigkeit stehen. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall unzweifelhaft vor.
Der BFH hat allerdings weiter entschieden, dass die Geltendmachung der von Eltern im Rahmen ihrer Unterhaltsverpflichtung nach§ 1610 BGB getragenen Ausbildungskosten nicht zur Versagung der Berücksichtigung dieser Aufwendungen bei dem Kind führen (BFH-Urteil vom 27. Mai 2003 VI R 33/01 a.a.O.).
Die Regelungen zum Familienlastenausgleich nach §§ 31, 32 i.V.m. § 62 ff. EStG entfalten nach der Rechtsauffassung des BFH ebenfalls keine Sperrwirkung. Zwar sei der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass die Eltern regelmäßig die erste Berufsausbildung ihrer Kinder finanzieren, und hat demgemäß zu deren Entlastung den Familienleistungsausgleich bzw. einen Abzug als außergewöhnliche Belastungen nach § 33a EStG geschaffen. Dennoch könne diese Erwägung - schon aus rechtssystematischen Gründen - einen Abzug von als Werbungskosten anzuerkennenden Aufwendungen bei einem Auszubildenden, einem anderen Steuerpflichtigen, nicht ausschließen. Der BFH hat dieses Urteil bestätigt mit weiterem Urteil vom 22. Juli 2003 (VI R 4/02, BFH/NV 2004, 32). Danach nämlich können Ausgaben eines (unterhaltsverpflichteten) Dritten im Falle der so genannten Abkürzung des Zahlungsweges als Bildungsaufwendungen des Steuerpflichtigen zu werten seien.
Somit sind durch die Zahlung der Ausbildungskosten durch die Mutter in den Jahren 1999 - 2001 für die Klägerin eigene Aufwendungen entstanden, die sie als vorweg entstandene Werbungskosten in den Jahren 1999 - 2001 hätte geltend machen können. Da aufgrund der geringen Einkünfte einer Einkommensteuerschuld nicht entstanden ist, hätte sie hier im Rahmen der Verlustfeststellung nach § 10d EStG diese Aufwendungen feststellen lassen müssen.
2.
Da hier bereits in den Jahren 1999 - 2001 durch den eigenen Aufwand der Klägerin für ihre Berufsausbildung Werbungskosten entstanden sind, sind diese Aufwendungen ausschließlich gem.§ 11 EStG in diesen Jahren geltend zu machen. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist ihr ein eigener, erstmaliger Aufwand im Jahr 2003 nicht entstanden.
Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass auch nicht etwa die jeweiligen Zins- und Tilgungsbeträge aus dem im Jahr 2003 abgeschlossenen Darlehen als Werbungskosten berücksichtigt werden können. Die Klägerin hat durch ihren Bevollmächtigten im Einspruchsverfahren ausdrücklich vortragen lassen, dass bei Gewährung der Mittel durch die Mutter ein Darlehensvertrag nicht abgeschlossen worden sei. Der Darlehensvertrag sei erst im Jahr 2003 erstmalig zwischen ihr und ihrer Mutter abgeschlossen worden. Zu diesem Zeitpunkt allerdings bestand keinerlei rechtliche Verpflichtung der Klägerin, mit der Mutter einen Darlehensvertrag über die teilweise Rückgewähr der getragenen Ausbildungskosten zu schließen. Die Klägerin hatte vielmehr gem.§ 1610 BGB gegenüber ihrer Mutter einen Rechtsanspruch auf Tragung der Ausbildungskosten. Das Maß des zu gewährenden Unterhalts bestimmt sich dabei nach der Lebensstellung des Bedürftigen (angemessener Unterhalt). Der Unterhalt umfasst dabei gem. § 1610 Abs. 2 BGB den gesamten Lebensbedarf einschließlich der Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf, bei einer der Erziehung bedürftigen Person auch die Kosten der Erziehung.
Dies bedeutet nach ständiger Rechtsprechung des BFH, dass bei der entsprechenden Leistungsfähigkeit der Eltern auch für eine aufwendige Ausbildung des Kindes Unterhalt zu gewähren haben, sofern eine Eignung des Kindes für den angestrebten Beruf vorliegt. Dies war im Streitfall unzweifelhaft gegeben, da die Klägerin ihre Ausbildung zur Piloten erfolgreich absolviert hat. Da die Mutter der Klägerin verpflichtet war, der Klägerin den Unterhalt zu gewähren für die Ausbildung zur Pilotin, der Aufwand bereits in Jahren 1999 - 2001 entstanden ist, bestand kein Grund, nachträglich im Jahr 2003 rückwirkend einen Darlehensvertrag über den gewährten Ausbildungsbetrag zu schließen. Da hier eine unmittelbare berufliche Veranlassung zwischen Abschluss des Darlehensvertrages und dem ausgeübten Beruf der Klägerin bzw. der entstandenen Ausbildungskosten nicht vorliegt, können zudem auch nicht die anteiligen Zins- und Tilgungsleistungen im Jahr 2000 berücksichtigt werden.
Die Klage war mit der Kostenfolge des § 135 Finanzgerichtsordnung (FGO) abzuweisen.