Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 03.08.2005, Az.: 2 K 588/04
Bemessungsgrundlage bei Anschaffung von Genossenschaftsanteilen; Zeitpunkt der Leistung der Einlage; Begünstigte Aufwendungen bei Kreditierung durch die Genossenschaft; Ausschluss der Genossenschaftszulage; Enger wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Genossenschaft und kreditierendem Unternehmen
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 03.08.2005
- Aktenzeichen
- 2 K 588/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 25217
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2005:0803.2K588.04.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 05.12.2006 - AZ: IX R 32/05
Rechtsgrundlagen
- § 17 Satz 8 EigZulG
- § 17 Satz 6 EigZulG
- § 11 Abs. 5 EigZulG
Fundstellen
- DStR 2005, X Heft 47 (Kurzinformation)
- DStRE 2006, 152-153 (Volltext mit amtl. LS)
- EFG 2005, 1838-1840 (Volltext mit amtl. LS)
- GStB 2005, 392
- NWB direkt 2005, 8
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Bei der Anschaffung von Genossenschaftsteilen rechnet zur Bemessungsgrundlage nur die anlässlich des Eintritts in die Genossenschaft "geleistete Einlage".
- 2.
Geleistet ist die Einlage, wenn der Antragsteller Beträge oder sonstige Zahlungen tatsächlich erbracht hat. Eine Kreditierung durch die Genossenschaft führt nicht zu begünstigten Aufwendungen.
- 3.
Die Genossenschaftszulage ist auch dann ausgeschlossen, wenn die Kreditierung nicht durch die Genossenschaft selbst erfolgt, sondern durch denjenigen, der den Geschäftsanteil abtritt. Das gilt jedenfalls dann, wenn zwischen Genossenschaft und kreditierendem Unternehmen ein enger und wirtschaftlicher Zusammenhang besteht.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin eigenheimzulagenberechtigt ist.
Die im April 2003 gegründete und ins Genossenschaftsregister eingetragene Wohnungsbaugenossenschaft F-e.G. (im Folgenden Genossenschaft) nahm die Klägerin mit Beschluss vom 1. August 2003 in die Genossenschaft auf. Die Höhe des Genossenschaftsanteils sollte 5.400 Euro betragen. Mit Vertrag vom selbigen Tag vereinbarte die Klägerin mit der B-GmbH, dass ihr der Genossenschaftsanteil von der B-GmbH aus deren Bestand zukommen sollte. Die B-GmbH war seit Gründung an der Genossenschaft beteiligt. Im Gegenzug zur Abtretung des Geschäftsguthabens der B-GmbH an der Genossenschaft in Höhe von 5.400 Euro trat die Klägerin ihren Anspruch auf Eigenheim- bzw. Genossenschaftszulage einschließlich der Zulage für Kinder in Höhe von jährlich 674 EUR (3% von 5.400 EUR = 162 EUR zzgl. 2 Kinderzulagen á 256 EUR), also 8 x 674 EUR = 5.392 EUR, an die B-GmbH ab. Die erste Rate war innerhalb von 2 Monaten nach Bestätigung des Beitritts durch den Vorstand der Genossenschaft im Streitjahr fällig, die Folgeraten jeweils jährlich zum 15.3. Als Entgelt für die Stundung der Einzahlung auf das Geschäftsguthaben sollte die Klägerin einen Betrag von 1.392 EUR bis zum 30. März 2010 an die B-GmbH leisten. Der Betrag konnte auch durch Übertragung eines entsprechenden Geschäftsanteils getilgt werden.
Die Klägerin beantragte Eigenheimzulage für die Anschaffung eines Genossenschaftsanteils in Höhe von 5.400 EUR. Das Finanzamt bewilligte zunächst Eigenheimzulage für die Jahre 2003 - 2010, hob den Bewilligungsbescheid vom August 2003 allerdings unter Hinweis auf § 11 Abs. 5 EigZulG mit Bescheid vom August 2004 mit Wirkung vom Jahr 2004 an auf, da die Klägerin mangels eigener Anschaffungskosten nicht anspruchsberechtigt gewesen sei.
Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Einspruch die Klage. Die Klägerin ist der Auffassung, sie sei genossenschaftszulagenberechtigt. Auch bei einer vollständigen Fremdfinanzierung eines Geschäftsanteils liege eine förderungsfähige Leistung auf einen Genossenschaftsanteil vor. Es könne aber nicht ausschlaggebend sein, ob die Leistung auf einen Geschäftsanteil von der Genossenschaft oder von Dritter Seite kreditiert werde. Maßgeblich sei ausschließlich, dass die Klägerin in zivilrechtlich wirksamer Weise Genosse geworden sei.
Die Klägerin beantragt,
den Aufhebungsbescheid vom 12.08.02004 in der Fassung der Einspruchsentscheidung aufzuheben und für das Jahr 2004 und die folgenden sieben Jahre eine Genossenschaftszulage in Höhe von jeweils 674 EUR festzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen
und ist weiterhin der Auffassung, die Klägerin sei nicht eigenheimzulagenberechtigt. Ihr seien keine eigenen Aufwendungen zum Erwerb eines Geschäftsanteils an einer Genossenschaft entstanden.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie das Sitzungsprotokoll verwiesen.
Gründe
Die Klage ist unbegründet. Das Finanzamt hat den Bescheid über die Bewilligung von Genossenschaftszulage zu Recht mit Wirkung ab dem Jahr 2004 aufgehoben.
1.
Die Aufhebung des Bescheides über die Bewilligung von Genossenschaftszulage war rechtmäßig. Gem. § 11 Abs. 5 i.V.m. § 17 Satz 8 EigZulG können materielle Fehler der letzten Festsetzung bei der Genossenschaftszulage durch Neufestsetzung oder Aufhebung der Festsetzung mit Wirkung ab dem Kalenderjahr, in dem der Fehler dem Finanzamt bekannt wird, geändert werden.
a)
Der Bescheid über Genossenschaftszulage enthielt einen materieller Fehler, der dem Beklagten im Jahr 2004 bekannt wurde. Die Klägerin war nämlich nicht gem. § 17 EigZulG genossenschaftszulagenberechtigt. Zur Bemessungsgrundlage bei der Anschaffung von Genossenschaftsanteilen rechnet - abweichend von den allgemeinen Grundsätzen bei der Eigenheimzulage - nur die nach § 7 Nr. 1 GenG anlässlich des Eintritts in die Genossenschaft "geleistete Einlage". Eine Einlage ist geleistet, wenn der Antragsteller Beträge oder sonstige Zahlungen tatsächlich erbracht hat. Eine Kreditierung durch die Genossenschaft führt nicht zu begünstigten Aufwendungen (vgl. Thüringer FG, Urteil vom 28.10.2004, II 1128/03, EFG 2005, 418; Erhard in Blümich, Komm. zum EStG, § 17 EigZulG Rn. 26; OFD Berlin v. 29.04.2003, DStR 03, 1258). Aber auch dann, wenn die Kreditierung nicht durch die Genossenschaft selbst erfolgt, sondern durch denjenigen, der den Geschäftsanteil abtritt, ist nach Sinn und Zweck von § 17 EigZulG eine Genossenschaftszulage ausgeschlossen, wenn ein enger sachlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Genossenschaft und kreditierendem Unternehmen besteht.
Die Leistung der Einlage durch die B-GmbH ist der Klägerin nicht als Einlageleistung i.S.v. § 17 EigZulG zuzurechnen. Die Übernahme eines Geschäftsanteils führt allerdings grundsätzlich dazu, dass der Übernehmer die Geschäftseinlage des austretenden bzw. seine Geschäftseinlage reduzierenden Genossen als für sich geleistet anrechnen kann (Wacker in EigZulG, § 17 Rn. 37). Die Leistung der Geschäftseinlage kann indes in Fällen unentgeltlichen Erwerbs (hierzu Wacker, a.a.O., § 17 Rn. 37) ebenso wenig wie in den Fällen, in denen die Gegenleistung ausschließlich durch den Anspruch auf Eigenheimzulage erbracht werden soll, angerechnet werden. Jedenfalls im Streitfall liegt eine Genossenschaftszulagenberechtigung nicht vor, da die Einlage nach der Abtretungsvereinbarung ausschließlich durch Abtretung des Anspruchs auf Genossenschaftszulage getilgt werden sollte. Hier fehlt es an einer eigenen wirtschaftlichen Belastung und damit einer "Leistung" der Klägerin. Wie sich auch aus § 17 Satz 1 EigZulG ergibt, ist aber nur die "Anschaffung" bzw. die Übernahme von Geschäftsanteilen begünstigt. Der - durch schriftliche Beitrittserklärung erklärte - Beitritt zur Genossenschaft nach Gründung ist grundsätzlich ebenfalls gem. § 17 EigZulG begünstigt (Kohlrust-Schulz, DStR 1998. 665, 667), wenn er durch die Genossenschaft zugelassen wurde (vgl. § 15 GenG). Durch das Tatbestandsmerkmal der "Anschaffung" wollte der Gesetzgeber erkennbar nur Übernahmevorgänge begünstigen, bei denen der Übernehmer des Genossenschaftsanteils selbst Aufwendungen zu leisten hat. Die Abtretung des Geschäftsanteils gegen gleichzeitige Abtretung des Anspruchs auf Genossenschaft- bzw. Eigenheimzulage führt nach Maßgabe einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise nicht zu einer eigenen Belastung. Vielmehr würde - ginge das von der Klägerin praktizierte "Modell" auf - wirtschaftlich ausschließlich der Fiskus die Anschaffungskosten der Klägerin aufbringen. Eine solche Gestaltung ist nach Sinn und Zweck von § 17 EigZulG nicht begünstigt. Da der Wortlaut von § 17 Satz 1 EigZulG ("Anschaffung") erkennbar auf die Notwendigkeit einer eigenen wirtschaftlichen Belastung des Antragstellers hinweist, ist eine solche Auslegung nach den Grundsätzen einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise auch zulässig. Dies gilt auch dann, wenn man unter "Anschaffung" eines Geschäftsanteils die "Übernahme" eines Geschäftsanteils versteht (vgl. Wacker, EigZulG, § 17 Rn. 16).
Dieser Auffassung steht nicht entgegen, dass es für den Anspruch auf Eigenheimzulage unschädlich ist, wenn die Aufwendungen wirtschaftlich durch den Anspruch auf Eigenheimzulage selbst finanziert werden. Z.B. war es in der Vergangenheit bei Ausbauten (z.B. bei Wintergärten) möglich, durch den Eigenheimzulagenanspruch wirtschaftlich die Herstellungskosten in voller oder nahezu voller Höhe "subventioniert" zu erhalten und die Anschaffungskosten in Form der Eigenheimzulage ersetzt zu bekommen. Erst durch das Haushaltsbegleitgesetz 2004 ist die Begünstigung von Ausbauten und Erweiterungen, mit denen der Anspruchsberechtigte nach dem 01.01.2004 begonnen hat, grundsätzlich - bis auf die Möglichkeit, nachträgliche Anschaffungskosten geltend zu machen - entfallen. Der Wortlaut von § 17 Abs. 1 EigZulG als lex specialis ("geleistete Einlage") gibt indes ausdrücklich zu erkennen, dass die Einlage "geleistet" sein muss. Damit unterscheidet sich die Formulierung in § 17 EigZulG gerade von der in den allgemeinen Vorschriften zum EigZulG (§§ 1ff. EigZulG). Außerdem lässt sich hieraus ableiten, dass nach Sinn und Zweck von § 17 GenG nur Aufwendungen begünstigt sind, die - jedenfalls zunächst - zu einer eigenen wirtschaftlichen Belastung führen. An einer eigenen Belastung fehlt es aber jedenfalls deshalb, weil die Übernahme des Genossenschaftsanteils und die Kreditierung durch die B-GmbH im engen zeitlichen, wirtschaftlichen und sachliche Zusammenhang stehen. Dann liegt bei wirtschaftlicher Betrachtung eine Kreditierung durch die Genossenschaft und damit eine Umgehung von § 22 Abs. 4 Satz 2 GenG vor. Auch die von der Klägerin gewählte Gestaltung der - nahezu zeitgleich mit der Verpflichtung zur Übernahme des Genossenschaftsanteils vereinbarten - Kreditierung über die B-GmbH führt mittelbar zu einer Umgehung von § 22 Abs. 4 Satz 2 GenG, der eine Kreditierung durch die Genossenschaft zum Zwecke der Leistung von Einzahlungen auf den Geschäftsanteil gerade verbietet. Es kann keinen Unterschied zu der Fallkonstellation der Kreditierung des Genossenschaftsanteils durch die Genossenschaft selber bedeuten, wenn der Kredit zwar formal durch einen "Dritten" gewährt wird, wirtschaftlich Kreditgeber und Genossenschaft aber eng verknüpft sind. Damit unterscheidet sich der Streitfall von der Konstellation, in der ein Genosse bei einer Bank fremdfinanziert. Eine Bank oder ein unabhängiger Kreditgeber könnte zwar insoweit gleichlaufende Interessen mit einer Genossenschaft haben, dass sich beide durch das Geschäft eigene Geschäftschancen versprechen. Eine finanzierende Bank wird jedoch nicht ohne Weiteres zunächst einen Genossenschaftsanteil übernehmen, um diesen dann bei sich bietender Gelegenheit auf einen Genossen zu übertragen. Die enge wirtschaftliche Verflechtung zwischen Genossenschaft und der B-GmbH wurde schließlich dadurch manifest, dass sich bei einem Anruf des Berichterstatters bei der Genossenschaft am Sitzungstag ein Mitarbeiter der B-GmbH für die B-GmbH meldete.
b)
Gegen die Auslegung im genannten Sinne spricht auch nicht § 17 Satz 6 EigZulG, wonach die Summe der Förderbeträge und Kinderzulagen die Bemessungsgrundlage nicht überschreiten darf. Der Gesetzgeber nimmt es zwar in Kauf, wenn die Förderung nach § 17 EigZulG in Einzelfällen bis zur Höhe der Anschaffungskosten reicht. Indes meint § 17 Satz 6 EigZulG Fälle, in denen der Berechtigte zunächst - ggf. fremdfinanziert - die Einlage geleistet hat und im Wege der Genossenschaftszulage später eine Erstattung erhält. Im Streitfall hat die Klägerin indes den Geschäftsanteil zu keinem Zeitpunkt aus eigenen Mitteln (vor-)finanziert und daher auch nicht auf die Einlage geleistet.
c)
Die Klägerin kann die Genossenschaftszulage schließlich auch nicht sukzessive in der Höhe geltend machen, wie das Finanzamt Eigenheimzulage ausgezahlt hat. Werden Einzahlungen auf den Geschäftsanteil sukzessive oder in einem nach dem Beitritt liegenden Kalenderjahr erbracht, erhöht zwar sich die Bemessungsgrundlage im Kalenderjahr der Zahlungen (Erhard in Blümich, § 17 EigZulG Rn. 26f.; vgl. BMF v. 10.02.98, BStBl I 98, 190 Tz. 113 S. 4 sowie OFD Koblenz v. 22.11.99, DStR 00, 732; ebenso wohl auch Wacker, Komm. zum EigZulG, § 17 Rz. 35, Abs. 1). Einer Anerkennung stehen gleichwohl die oben angeführten Erwägungen entgegen. Die vom Finanzamt ausgezahlte Eigenheimzulage führt bei der Klägerin nämlich zu keiner wirtschaftlichen Belastung, so dass auch eine Anerkennung der sukzessive ausgezahlten Genossenschaftszulage als "geleistete Einlage" ausscheidet.
2.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 FGO. Die Revision war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zuzulassen. Bislang wurde nicht höchstrichterlich entschieden, ob in Fällen der vorliegenden Art eine Genossenschaftszulagenberechtigung besteht und ob der Wortlaut ("geleistete Einlage") eine einschränkende Auslegung im dargestellten Sinne zulässt.