Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 24.08.2005, Az.: 3 K 373/01

Umfang des Anspruchs auf Gewährung der Eigenheimzulage im Fall eines Hofübergabevertrages; Zusätzlicher Erwerb eines auf dem Hofgelände befindlichen Wohnhauses nach Übernahme eines landwirtschaftlichen Betriebs im Wege vorweggenommener Erbfolge gegen Gewährung eines lebenslänglichen Altenteils; Aufteilung des Grundstückskaufpreises nach dem Verhältnis der Verkehrswerte des Betriebsvermögen und der privaten Wirtschaftsgüter; Maßgeblichkeit der von den Beteiligten vorgenommenen Aufteilung

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
24.08.2005
Aktenzeichen
3 K 373/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 29292
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2005:0824.3K373.01.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - 18.01.2006 - AZ: IX R 34/05

Fundstelle

  • NWB direkt 2006, 8

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Übernimmt ein Stpfl. von seinem Vater im Wege der vorweggenommenen Erbfolge den landwirtschaftlichen Betrieb gegen Gewährung eines lebenslänglichen Altenteils, das kein Wohnrecht auf dem Hof für den Vater beinhaltet und erwirbt der Sohn zusätzlich das sich auf dem Hofgelände befindliche Wohnhaus, so kommt eine Aufteilung des Kaufpreises nach dem Verhältnis der Verkehrswerte des Betriebsvermögen und der privaten Wirtschaftsgüter nicht in Betracht.

  2. 2.

    Auch bei einer gemischten Schenkung ist der Besteuerung die von den Vertragsparteien vorgenommene Aufteilung des Kaufpreises der Besteuerung zu Grunde zu legen. Das gilt jedenfalls dann, wenn das zu beurteilende Rechtsgeschäft weder zum Schein getroffen ist noch ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten i.S. des § 42 AO beinhaltet.

Tatbestand

1

Streitig ist die Bemessungsgrundlage für die Gewährung von Eigenheimzulage.

2

Dem Rechtsstreit liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

3

Der Kläger hat mit Vertrag vom 12.08.1998 im Wege der vorweggenommenen Erbfolge den landwirtschaftlichen Betrieb seines Vaters gegen Gewährung eines lebenslänglichen Altenteils übernommen. Gem. § 2 Ziffer 3 verpflichtete sich der Kläger, seinem Vater einen Baraltenteil in Höhe von monatlich 1.000 DM zu gewähren. Ein Wohnrecht auf dem Hof für den Vater wurde nicht vereinbart. Laut § 3 des Hofübergabevertrages zahlte der Kläger für die Übereignung des sich auf dem Hofgelände befindenden Wohnhauses einen Betrag von 100.000 DM als Kaufpreis. Das Wohnhaus stand im Privatvermögen des Vaters. Näherer Begründungen für die gewählte Vertragsgestaltung wurden zunächst nicht gegeben.

4

Am 02.11.1998 stellte der Kläger einen Antrag auf Eigenheimzulage ab 1998. Diese sollte sich auf den im Hofübergabevertrag vereinbarten Kaufpreis von 100.000 DM für das Wohnhaus beziehen und die Kinderzulage für zwei Kinder umfassen.

5

Der Beklagte lehnte zunächst die Gewährung der Eigenheimzulage mit Bescheid vom 07.08.2000 ab.

6

Aufgrund des vom Kläger eingelegten Einspruchs entsprach der Beklagte dem Begehren des Klägers zum Teil. Er legte die Regelung des BMF-Schreibens vom 13.01.1993 (BStBl I, 80) zugrunde. Dieses sieht in Textziffer 47 vor, dass, wenn zusammen mit dem Betrieb auch Wirtschaftsgüter des Privatvermögens im Zuge der vorweggenommenen Erbfolge übernommen werden, das Entgelt vorweg nach dem Verhältnis der Verkehrswerte des Betriebsvermögens und der privaten Wirtschaftsgüter aufzuteilen ist.

7

Der Beklagte schätzte - mangels näherer Angaben durch den Kläger - die Verkehrswerte des übertragenen Betriebsvermögens auf 3 Mio. DM und des im Privatvermögen stehenden Wohnhauses auf 500.000 DM. Dementsprechend legte er für die Bemessungsgrundlage der Eigenheimzulage 15.000 DM zugrunde, so dass sich ein jährlicher Fördergrundbetrag von 375 DM (2,5 %) zuzüglich Kinderzulage für zwei Kinder in Höhe von 3.000 DM für die Jahre 1998 bis 2001 und in Höhe von 1.500 DM für das Jahr 2002 ergab.

8

Hiergegen wendet sich der Kläger im vorliegenden Verfahren und begehrt die Festsetzung der Eigenheimzulage nach der vollen auf den Kaufpreis von 100.000 DM entfallenden Bemessungsgrundlage von 44.000 DM. Er führt dazu im Wesentlichen aus:

9

Der Beklagte sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass ein einheitlicher Übertragungsakt bezüglich des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes und des privaten Wohnhauses vorliege. Er habe daher zu Unrecht eine Aufteilung des Kaufpreises für das Wohnhaus auf die übertragenen Wirtschaftsgüter nach Verkehrswerten vorgenommen.

10

Die Beteiligten hätten im Übergabevertrag unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass das gesamte Betriebsvermögen unentgeltlich übertragen werden solle, während für das Wohnhaus ein separates Entgelt von 100.000 DM zu zahlen sei. Diese Vereinbarung sei nicht im Hinblick auf die mögliche Beantragung einer Eigenheimzulage getroffen worden, sie habe außersteuerliche Gründe. Im vorliegenden Fall wäre eine zeitliche Trennung der Übergangszeitpunkte der Wirtschaftsgüter mit einem nicht zu vertretenden finanziellen Aufwand verbunden gewesen. Denn zunächst hätten umfangreiche Baumaßnahmen eine Grundstückstrennung ermöglichen müssen. Der Vater des Klägers habe sich daher entschlossen, das Wohnhaus gleichzeitig mit dem Betriebsvermögen an seinen Sohn, den Kläger, zu übertragen und habe sich dafür eine Abstandszahlung ausbedungen.

11

Erstmals in der mündlichen Verhandlung führten der Prozessbevollmächtigte und der Kläger aus, seinerzeit bei Abschluss des Hofübergabevertrages im Jahr 1998 habe der Vater des Klägers, der Hofübergeber, zunächst nicht auf sein Wohnrecht im Rahmen eines Altenteilsrechts verzichten wollen. Der Kläger hingegen habe das Wohnhaus allein selbst nutzen wollen. Hintergrund der Veräußerung des Wohnhauses für 100.000 DM an den Kläger sei es danach gewesen, dass der Vater des Klägers auf sein Wohnaltenteilsrecht verzichtet habe und im Ort ein eigenes Wohnhaus für sich errichtet habe. Hierzu habe dieser den vom Kläger gezahlten Kaufpreis für das alte Wohnhaus von 100.000 DM benötigt. Die ratenweise Bezahlung des Kaufpreises durch den Kläger habe seinem Vater dafür gedient, die Bezahlung des von ihm aufgenommenen Darlehens über 200.000 DM zu finanzieren.

12

Dieses bestätigte der Prozessbevollmächtigte des Klägers, der zugleich den Vater des Klägers steuerlich berät.

13

Der Kläger beantragt,

den Eigenheimzulagenbescheid vom 7. August 2000 in der Fassung des Einspruchsbescheides vom 27. August 2001 in der Weise zu ändern, dass ab dem Jahr 1998 eine Eigenheimzulage von jährlich 5.500 DM (2.500 DM + 3.000 DM Kinderzulage festgesetzt wird.

14

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

15

Er hält an seiner im Vorverfahren vertretenen Rechtsansicht fest und führt dazu im Wesentlichen aus:

16

Als Bemessungsgrundlage könnten nicht, wie vom Kläger beantragt, die im Übergabevertrag vereinbarten 100.000 DM Kaufpreis zugrunde gelegt werden.

17

Nach ständiger Rechtsprechung seien bei einer Veräußerung erzielte Gesamterlöse insbesondere dann auf die einzelnen veräußerten Wirtschaftsgüter aufzuteilen, wenn es sich teilweise um Wirtschaftsgüter des Privatvermögens und teilweise um solche des Betriebsvermögens handele. Sei im Kaufvertrag oder in sonstigen Unterlagen eine Aufteilung vorgenommen, so sei dieser grundsätzlich zu folgen, wenn sie ernsthaft gewollt sei und den wirtschaftlichen Gegebenheiten entspreche. Dies sei unter Berücksichtigung der tatsächlichen Umstände einschließlich der Interessenlage des Erwerbers zu prüfen (z.B. BFH-Urteil vom 13.04.1989, BFH/NV 1990, 35).

18

In dem vom Kläger und seinem Vater geschlossenen Übergabevertrag sei die Übergabe des gesamten landwirtschaftlichen Hofes einschließlich Wohnhaus einheitlich vereinbart, wobei dem Übergeber ein lebenslängliches Altenteil eingeräumt worden sei. Darüber hinaus sei ohne nähere Begründung für das sich auf dem Hof befindende Wohnhaus ein Kaufpreis vereinbart worden. Damit seien im vorliegenden Fall keine wirtschaftlich vernünftigen Gründe erkennbar, aus denen der Kaufpreis von 100.000 DM ausschließlich auf das Wohngrundstück entfallen solle und nach welchen Kriterien dieser bemessen worden sei. Da der Kaufpreis mit der maximalen Bemessungsgrundlage für die Eigenheimzulage identisch sei, liege mangels anderweitiger konkreter Anhaltspunkte zu Recht die Vermutung nahe, dass die Kaufpreiszuordnung zur Erreichung einer möglichst hohen Eigenheimzulage gewählt worden sei.

19

Für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage zur Festsetzung der Eigenheimzulage sei folglich eine Kaufpreisaufteilung auf die einzelnen übertragenen Wirtschaftsgüter nach Verkehrswerten vorzunehmen.

20

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vorgelegten Steuerakte sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24. August 2005.

Gründe

21

Die Klage ist begründet.

22

Dem Kläger steht ab 1998 die Eigenheimzulage mit dem Fördergrundbetrag aus § 9 Abs. 2 Satz 2 Eigenheimzulagegesetz (EigZulG) in Höhe von 2.500 DM sowie zwei Kinderzulagen nach § 9 Abs. 5 EigZulG in Höhe von 3.000 DM zu.

23

Der Kläger hat Anspruch auf Gewährung der Eigenheimzulage bezogen auf den Kaufpreis von 100.000 DM, der für die Eigentumsübertragung an dem auf dem Hofgelände befindlichen Wohnhaus angefallen ist.

24

Der Kaufpreis war nicht im Verhältnis der Verkehrswerte auf die übertragenen Wirtschaftsgüter aufzuteilen.

25

Zwar ist nach der Rechtsprechung des BFH bei der Veräußerung mehrerer Wirtschaftsgüter, die teils zum Privatvermögen und teils zum Betriebsvermögen gehören, der Gesamtpreis im Zweifel nach dem Teilwert bzw. Verkehrswert der veräußerten Gegenstände aufzuteilen (BFH-Urteil vom 13. April 1989 IV R 204/85, BFH/NV 1990, 34). Wurde allerdings schon im Kaufvertrag oder in sonstigen Unterlagen eine Aufteilung vorgenommen von den Beteiligten, ist grundsätzlich dieser zu folgen (BFH-Urteil vom 31. Januar 1973, I R 197/70, BStBl II 1973, 391). Dies soll nur dann nicht gelten, wenn sie nicht ernsthaft gewollt ist und den wirtschaftlichen Gegebenheiten nicht entspricht, weil für sie in erster Linie Gründe der Steuerersparnis maßgebend waren (BFH-Urteil vom 21. Januar 1971 IV R 123/65, BStBl II 1971, 682). Dies ist unter Berücksichtigung der tatsächlichen Umstände, auch der Interessenlage des Erwerbers, zu prüfen (BFH-Urteil vom 9. April 1987 IV R 332/84, BFH/NV 1987, 763).

26

Auch für den Fall des Erwerbs gemischt genutzter Gebäude soll grundsätzlich die von den Vertragsparteien vorgenommene Aufteilung des Kaufpreises auf einzelne Wirtschaftsgüter der Besteuerung zugrunde gelegt werden (BFH-Beschluss vom 9. Juli 2002 IV B 160/01, BFH/NV 2002, 1563). Dies gilt auch in Fällen der gemischten Schenkung und auch, wenn - wie im vorliegenden Fall - nicht ein Gesamtkaufpreis, sondern von vornherein Einzelpreise für Einzelwirtschaftsgüter bzw. bestimmte Leistungen vereinbart werden (BFH-Urteil vom 27. Juli 2004 IX R 54/02, BFH/NV 2004, 1645).

27

Nach den oben genannten Grundsätzen sind die im Hofübergabevertrag vom 12.08.1998 zwischen dem Kläger und seinem Vater getroffenen Vereinbarungen, die Zahlung des Kaufpreises von 100.000 DM für das Wohnhaus und die Übertragung des Hofes gegen Gewährung eines Altenteils, zugrunde zu legen. Die Vereinbarungen waren ernsthaft gewollt. Die getroffene Aufteilung im Vertrag, Hofübergabe gegen Altenteilslast und Wohnhaus gegen Kaufpreis, entsprechen auch der wirtschaftlichen Interessenlage des Klägers.

28

Dieser hat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass es schwere Spannungen zwischen ihm und seinem Vater gegeben habe. Er, der Kläger, habe zwar den landwirtschaftlichen Betrieb übernehmen wollen zu den üblichen Bedingungen, d. h. gegen Einräumung eines Altenteils. Auf keinen Fall aber habe er gewollt, dass sein Vater und seine neue Familie mit in dem Wohnhaus auf dem Hof wohnten. Man habe sich dann darauf geeinigt, dass sein Vater auf das sonst allgemein übliche Wohnrecht im Rahmen des Altenteilsrechts verzichte und sich stattdessen ein eigenes Wohnhaus im Ort errichte. Hierzu habe sein Vater den von ihm, dem Kläger, gezahlten Kaufpreis für das alte Wohnhaus in Höhe von 100.000 DM gebraucht.

29

Der Klägervertreter, der ebenfalls den Vater des Klägers steuerlich berät, führte aus, dass die ratenweise Zahlung des Kaufpreises beim Vater des Klägers als Empfänger der Raten dazu gedient habe, diesem die Bezahlung des von ihm aufgenommenen Darlehens über 200.000 DM zu finanzieren.

30

Für die gewählte vertragliche Regelung der Hofübergabe und des Verkaufs des Wohnhauses waren hiernach nicht in erster Linie Gründe der Steuerersparnis bzw. der Gewährung der Eigenheimzulage maßgebend. Dem Kläger war es ein besonderes Anliegen, nicht mit seinem Vater in einem Wohnhaus zusammen leben zu müssen. Für den Verzicht auf das sonst bei einem Hofübergabevertrag im Rahmen des Altenteils zu gewährende Wohnrecht wollte und musste er seinem Vater die Möglichkeit geben, eine andere Immobilie zum Wohnen zu erwerben. Dieses wurde durch den Kauf des Wohnhauses möglich.

31

Anhaltspunkte dafür, dass die Vereinbarung zwischen dem Kläger und seinem Vater hinsichtlich Höhe und Zuordnung des Kaufpreises nur zum Schein getroffen sein könnten (§ 117 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -) und deshalb der Kauf des Wohnhauses als Scheingeschäft im Sinne von § 41 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) anzusehen sei, sind nicht gegeben.

32

Auch ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne des § 42 AO liegt nicht vor. Auch Angehörige können ihre Rechtsverhältnisse untereinander möglichst günstig gestalten. Das Motiv, Steuern zu sparen bzw. Anspruch auf Eigenheimzulage zu haben, macht eine steuerliche Gestaltung noch nicht unangemessen im Sinne von § 42 AO (BFH-Urteile vom 19. Oktober 1999 IX R 39/99, BStBl II 2000, 224; vom 10. Dezember 2003 IX R 12/01, BStBl II 2004, 643 bzgl. des Motivs, Steuern zu sparen).

33

Es steht den Parteien eines Hofübergabevertrages frei, in welcher Weise und zu welchen Konditionen sie den Übergang einzelner Wirtschaftsgüter regeln. Dabei dürfen auch Preise für die Übertragung insgesamt oder für steuerrechtlich eigenständige Wirtschaftsgüter festgelegt werden (vgl. insoweit bezüglich eines Kauf- und Übergabevertrages von einem Zweifamilienhaus BFH-Urteil vom 27. Juli 2004 IX R 54/02, BFH/NV 2004, 1645).

34

Der von den Vertragsparteien gewählten Zuordnung des Kaufpreises von 100.000 DM auf das Wohnhaus ist steuerlich zu folgen, da weder ein Scheingeschäft vorliegt noch ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten. Denn die Vertragsparteien hatten für ihre vertragliche Regelung nachvollziehbare nicht steuerliche Gründe.

35

Die Kosten des Verfahrens waren dem Kläger gem. § 137 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) aufzuerlegen, weil die Entscheidung auf Tatsachen beruht, die er früher hätte geltend machen können und sollen.

36

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.